Als die rechtspopulistische, system-, immigrations- und EU-kritische Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) im Jahr 2000 in eine Regierung mit der konservativen Österreichischen Volkspartei (ÖVP) eintrat, führte dies zu heftiger Kritik der Opposition, bilateralen diplomatischen "Sanktionen" der übrigen 14 EU-Mitgliedsstaaten und negativen Schlagzeilen in zahlreichen Medien. Im Kontrast dazu hielt sich die Aufregung, als Bundespräsident Alexander van der Bellen am 18. Dezember 2017 die neue Regierung aus ÖVP und FPÖ angelobte, in Grenzen. Die Regierungsbildung wurde generell als demokratisch legitimiert erachtet, wenngleich die FPÖ-Beteiligung nicht kritiklos blieb.
So hielt man es im linksliberalen "Standard" für "unheimlich und beängstigend", dass die FPÖ mehrere Schlüsselressorts, unter anderem das Innen- und das Verteidigungsministerium mitsamt der ihnen untergeordneten Nachrichtendienste, übernehmen sollte. Auch dass der künftige Innenminister als Wahlkampfmanager der Partei "mit rassistischen, fremdenfeindlichen und antisemitischen Sprüchen für Aufregung gesorgt" hatte, wurde bemerkt. Für die christlich-liberalen "Salzburger Nachrichten" war die Regierungsbildung 2017 dagegen ein "ganz normaler demokratischer Vorgang"; der Bundespräsident "vollzog den Wählerwillen", betonte man. Ähnlich hielten es die internationalen Medien: Während die liberale "New York Times" daran erinnerte, dass die FPÖ von Ex-Nazis gegründet worden war, erkannte die konservative "Frankfurter Allgemeine Zeitung" in der Regierungsbildung "ein Stück demokratische Normalität" und meinte: "Die Regierung aus ÖVP und FPÖ ist nicht so radikal, wie manche Medien sie machen."
Angesichts derart divergierender Bewertungen stellt sich die Frage, welchen Charakter der inzwischen in vielen europäischen Ländern zur "Normalität" gehörende Rechtspopulismus hat. Dieser Frage soll am Beispiel Österreichs beziehungsweise der FPÖ nachgegangen werden. Im Mittelpunkt stehen dabei folgende Aspekte: Welche Merkmale trägt der Rechtspopulismus der FPÖ? Was sind die Gründe für deren Wahlerfolg? Wer sind ihre Wählerinnen und Wähler? Welche Erfolge kann die FPÖ als Regierungspartei vorweisen? Die aus der Betrachtung der FPÖ gewonnenen Erkenntnisse sollen abschließend für einen Vergleich mit der ebenso als rechtspopulistisch geltenden Alternative für Deutschland (AfD) genutzt werden.
Von deutschnational über liberal zu rechtspopulistisch
Die 1956 gegründete FPÖ bildete ursprünglich ein Sammelbecken für ehemalige Nazis – und führte daher lange ein Dasein als Paria. Ende der 1960er Jahre versuchte der Parteiobmann Friedrich Peter die Partei in die Mitte zu rücken; 1970/71 stützte sie die Minderheitsregierung von Kanzler Bruno Kreisky (Sozialdemokratische Partei Österreichs, SPÖ). 1983, unter ihrem liberal eingestellten Obmann Norbert Steger, zog sie erstmals in eine Regierung ein. In der Koalition mit der SPÖ (1983–1987) konnte die FPÖ jedoch kaum Akzente setzen, was den innerparteilichen Unmut befeuerte. Der Kärntner FPÖ-Vorsitzende Jörg Haider nutzte die Gelegenheit, um sich 1986 mit Unterstützung des deutschnationalen Flügels zum neuen Bundesvorsitzenden wählen zu lassen. Bundeskanzler Franz Vranitzky interpretierte dies als Richtungswechsel und kündigte die Koalition mit der FPÖ auf.
In den Folgejahren drängte Haider den Deutschnationalismus allmählich in den Hintergrund und positionierte die FPÖ neu: als rechtspopulistische Partei, die auf Stimmenmaximierung aus war, indem sie in der Bevölkerung verbreitete Unsicherheitsgefühle und Ärgernisse ansprach und das "reine, anständige Volk" gegen die "abgehobene, korrupte Elite" zu mobilisieren suchte. Zunächst nahm die FPÖ vor allem die als versteinerte Machtapparate dargestellten Parteien SPÖ und ÖVP ins Visier, die zwischen 1987 und 2000 wieder als Große Koalition regierten (wie schon 1947–1966). Zu Beginn der 1990er Jahre trat an die Stelle der Forderung nach Reformen des Systems dessen Infragestellung, und es wurde eine permanent aggressive Wahlkampfstimmung erzeugt. Wahlkämpfe kreisten um die "Ausländerfrage", verknüpft mit Kriminalitätsbekämpfung und Anti-EU-Haltung. Mitte der 1990er Jahre wurde schließlich der Österreich-Patriotismus verstärkt: Sozialleistungen sollten zuerst den Einheimischen zugutekommen, österreichische Werte aufrechterhalten werden. Zur "Bewahrung der geistigen Grundlagen des Abendlandes" forderte man im Parteiprogramm 1997 "ein Christentum, das seine Werte verteidigt" – gegen "radikalen Islamismus" und "aggressiven Kapitalismus".
Ursachen der Wahlerfolge
Die rechtspopulistische Neupositionierung war von Erfolg gekrönt: Von 1983 bis 1999 verfünffachte sich der Stimmenanteil der FPÖ bei Nationalratswahlen von 5,3 auf 26,9%. Die oben beschriebene Programmatik der Partei fand in den Motiven ihrer Wählerinnen und Wähler Widerhall, wie Abbildung 1 zeigt.
Beim Kampf gegen Skandale und Privilegien und bei der "Ausländerfrage" sprachen die Befragten der FPÖ von allen Parteien die größte Kompetenz zu. Während der 1990er Jahre war sie stets mit zumindest einem, 1993 sogar mit drei Themen in den Top 5 der für die Bevölkerung wichtigsten Themen vertreten. Die Wirksamkeit ihres Themenmanagements wurde noch dadurch gefördert, dass ihr Spitzenkandidat Haider es glänzend verstand, mit kalkulierten Tabubrüchen und Skandalisierungen am laufenden Band emotionalisierende, mediale Aufmerksamkeit erregende Nachrichten zu produzieren.
Der Aufstieg der FPÖ war von Umwälzungen des Parteiensystems begleitet, die die Partei einerseits ausnutzte, andererseits verstärkte: Mit dem Einzug der Grünen in den Nationalrat (1986) und der Abspaltung des Liberalen Forums von der FPÖ (1993) sahen sich SPÖ und ÖVP nunmehr drei Oppositionsparteien gegenüber, die den auf der politischen Steuerung durch Große Koalitionen und Sozialpartnerschaft beruhenden Grundkonsens der Zweiten Republik (seit 1945) infrage stellten. Die Parteiidentifikation, die subjektive Bindung der Bürgerinnen und Bürger an "ihre" Parteien ging zurück, während der Anteil der Wechselwählerinnen und -wähler bei Nationalratswahlen von 16 (1979) auf 46% (1999) anschwoll. Als Folge davon fiel der gemeinsame Stimmenanteil von SPÖ und ÖVP von 90,8 (1983) auf 60,1% (1999). Für die SPÖ war es ein Schock, als 1999 47% der Arbeiterinnen und Arbeiter die FPÖ wählten, nur mehr 35% hingegen sie selbst. Auch Jüngere wandten sich immer mehr den Kleinparteien zu, sodass bei den 18- bis 29-Jährigen 1999 10% weniger SPÖ und ÖVP als FPÖ, Grüne und Liberale wählten.
Dass vor allem die FPÖ das früher als hyperstabil eingeschätzte österreichische Parteiensystem derart ins Wanken bringen konnte, hat auch mit tieferen sozioökonomischen Veränderungen zu tun: Galt Österreich in den 1970er Jahren noch als "Insel der Seligen", gekennzeichnet durch Wohlstand und sozialen Frieden, so erzeugten der Fall des Eisernen Vorhangs 1989/90 und der Beitritt Österreichs zur EU 1995 einen starken Wettbewerbsdruck für bisher geschützte Wirtschaftsbereiche, was die Zahl der Arbeitslosen und "Modernisierungsverlierer" ansteigen ließ. Die zunehmende Immigration verstärkte die Existenzängste vieler Menschen – eine Entwicklung, die die FPÖ geschickt aufgriff.
Von populistischer Opposition zur Regierungsbeteiligung und zurück
In der zweiten Hälfte der 1990er Jahre stellte die FPÖ, um ihre Regierungsambitionen hervorzukehren, "weiche" Themen in den Vordergrund (wie den Kinderbetreuungscheck) und legte detaillierte Reformkonzepte vor (etwa für Wirtschaft, Pensionen und Familien). Dennoch wurde sie von den übrigen Parteien wegen ihrer radikalen System- und EU-Kritik und ihres ambivalenten Verhältnisses zur NS-Zeit weiterhin als Koalitionspartner ausgeschlossen. Diese Ausgrenzung wurde nach der Nationalratswahl 1999 beendet, als die FPÖ mit 26,9% der Stimmen noch, wenn auch sehr knapp, vor der ÖVP erstmals zweitstärkste Partei wurde. Die ÖVP sah eine Chance, aus der Rolle des Juniorpartners in der Großen Koalition auszubrechen, und ging eine Koalition mit der FPÖ ein, in der ÖVP-Vorsitzender Wolfgang Schüssel den Bundeskanzler stellte.
Jörg Haider trat im Februar 2000 als Parteivorsitzender der FPÖ zurück, als die neue Koalition knapp vier Wochen im Amt war. Diese sah sich anfangs starken Protesten ausgesetzt, die in der Verhängung von "Sanktionen" durch die übrigen 14 EU-Staaten gipfelten. Die "Sanktionen" erwiesen sich jedoch als kontraproduktiv, da sie zu einem Solidarisierungseffekt in der Bevölkerung gegen die rechtlich ungedeckte, demokratiepolitisch bedenkliche Einmischung von außen führten. Sie wurden daher nach einem kritischen, aber insgesamt positiven "Weisenbericht" über die Einhaltung der "europäischen Werte" in Österreich noch im selben Jahr wieder aufgehoben.
Unter dem Motto "Speed Wins" initiierte die Regierung größere Reformen. In der Einwanderungspolitik schwenkte die ÖVP auf die restriktivere Linie der FPÖ um. Alles in allem wurde die Regierungspolitik jedoch nicht als exzessiv rechtspopulistisch oder gar rechtsextrem eingeschätzt. Dazu mangelte es der FPÖ auch an qualifiziertem Personal; mehrere Regierungsmitglieder mussten ihre Posten vorzeitig räumen. Insgesamt war die Wirtschafts-, Sozial- und Bildungspolitik der Regierung neoliberal geprägt, was die FPÖ-Parteispitze, die immer behauptet hatte, die "kleinen Leute" zu vertreten, zusehends in Schwierigkeiten brachte. In der "Rebellion von Knittelfeld" (benannt nach dem Austragungsort eines Sonderparteitags) begehrte die Parteibasis, angestachelt von Haider, gegen ihre Führung auf, die daraufhin zurücktrat. In den vorgezogenen Nationalratswahlen vom November 2002 wurde die FPÖ auf 10% der Stimmen dezimiert.
Nichtsdestotrotz erneuerte die ÖVP, die über 15% an Stimmen dazugewonnen hatte (nunmehr 42%), die Koalition. Das Regierungsabkommen, das die FPÖ als deutlich geschwächter Juniorpartner abschloss, kam einer Kapitulation der FPÖ gleich, und sie galt fortan als "Steigbügelhalter" der ÖVP. Sie verlor bei allen folgenden Landtagswahlen (außer in Kärnten), sodass die innerparteiliche Kritik wuchs. 2005 zog der pragmatisch orientierte Flügel die Konsequenzen und spaltete sich (ironischerweise unter der Führung Haiders) als Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) von der FPÖ ab, um an deren Stelle die Koalition mit der ÖVP fortzusetzen. Die Nationalratswahl 2006 endete mit herben Niederlagen für beide Parteien, sodass wieder eine SPÖ/ÖVP-Koalition gebildet wurde, die bis 2017 regieren sollte.
Die FPÖ ihrerseits wählte 2005 den Wiener Parteivorsitzenden Heinz-Christian Strache zu ihrem neuen Bundesparteiobmann und ging in Opposition. Befreit von Koalitionszwängen belebte sie ihren rechtspopulistischen Oppositionskurs wieder und konnte ihren Stimmenanteil bei Nationalratswahlen von 11 (2006) auf 26% (2017) steigern. Das Sozialprofil ihrer Wählerinnen und Wähler änderte sich über die Jahre kaum: Die FPÖ schneidet überdurchschnittlich ab bei Männern, jüngeren Personen, Arbeiterinnen und Arbeitern sowie Personen mit niedrigerem Bildungsgrad (Abbildung 2).
Trotz ihrer Wahlerfolge nahm sich die FPÖ aufgrund der Radikalität ihrer Forderungen und ihres Auftretens – ähnlich wie in der ersten Phase ihres Aufstiegs (1986–1999) – auch in der zweiten Phase (2005–2017) lange Zeit als seriöser Koalitionspartner selbst aus dem Spiel.
"Türkis-blaue" Koalition seit 2017
2017 erhielt die FPÖ eine neue Chance, ihre Regierungsfähigkeit unter Beweis zu stellen. Die amtierende SPÖ/ÖVP-Koalition unter Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) brach auseinander. Die ÖVP wählte ihren populären, knapp 31 Jahre alten Außenminister Sebastian Kurz zum neuen Vorsitzenden, der sich weitreichende Machtbefugnisse geben ließ. Um sich als "neu" zu präsentieren, kandidierte die ÖVP bei der vorgezogenen Nationalratswahl am 15. Oktober 2017 als "Liste Sebastian Kurz – die neue Volkspartei"; und ersetzte auch ihre Parteifarbe Schwarz durch Türkis. Der Erfolg der symbolischen und inhaltlichen (nationalistischen) Wandlung spiegelte sich im Wahlsieg wider (ÖVP: 31,5%, SPÖ: 26,9%, FPÖ: 26%). Das daraus folgende Mitterechts-Bündnis wurde ob des zerrütteten Verhältnisses von ÖVP und SPÖ sowie der starken Ablehnung einer Kooperation mit der FPÖ innerhalb der SPÖ vielfach als alternativlos betrachtet.
Nach einem dreiviertel Jahr im Amt soll eine vorsichtige Bilanz der Regierungsarbeit gezogen werden. Der Fokus liegt hierbei auf der FPÖ. Nach ihrer ersten Beteiligung erlebte sie 2002 ein Wahldebakel, das den Anschein vermittelte, rechtspopulistische Parteien mit ihrer "Anti-Eliten-Politik" könnten nur in der Opposition gewinnen, nicht aber, wenn sie als Regierende selbst zur "Elite" werden. Dass es sich dabei aber um keinen Automatismus handelt, zeigen Beispiele in ganz Europa. Denn so können etablierte Parteien ihren "Gegner", der nun Koalitionspartner ist, schwerer isolieren, um dessen Chancen zu mindern, hingegen Populisten ihr Profil in Regierungsphasen schärfen.
Erstmals untersteht der FPÖ unter anderem das Innen- und das Verteidigungsministerium, wodurch sich der Sicherheitsapparat in ihrer Hand konzentriert. Konnte die FPÖ bereits davon profitieren? Anfangs schien das kaum der Fall. Analog zu den 2000er Jahren dominierten Personalia rund um FPÖ-Mitglieder nahe der rechtsextremen Szene die Berichterstattung. Internationale Reaktionen wie im Zuge des ersten ÖVP/FPÖ-Bündnisses blieben zwar aus, dennoch protestierten auch 2017 mehrere Tausend gegen die Angelobung. Und auch Affären wie die Verbindung des FPÖ-Spitzenkandidaten bei der niederösterreichischen Landtagswahl, Udo Landbauer, zur Burschenschaft Germania, deren antisemitische Liederbücher im Januar publik wurden und seinen Rücktritt zur Folge hatten, belasteten die Regierungsarbeit. Die FPÖ-Bundespolitik bewegte sich so stets zwischen dem Ziel, erfolgreichere Regierungsarbeit zu leisten als zwischen 2000 und 2005, und dem Umgang mit ihrem rechtsnationalen Flügel.
Dazu traten neue Probleme wie etwa die "BVT-Affäre", die aktuell einen Untersuchungsausschuss beschäftigt. Dabei geht es um Vorwürfe des parteipolitisch motivierten "Umbaus" des Nachrichtendiensts Bundesamt für Verfassungsschutz für Terrorismusbekämpfung, der Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) untersteht. Seitens der Opposition (SPÖ, NEOS, Liste Pilz) kritisch beleuchtet wurde zudem eine Razzia in den BVT-Räumlichkeiten, im Zuge derer vermeintlich "Rechtsextremismus-Daten" entwendet wurden. Zu einem weiteren Politikum entwickelte sich das Verhältnis zwischen der FPÖ und dem öffentlich-rechtlichen ORF. Hatte die FPÖ bereits im Wahlkampf die "Zwangsgebühren" im Visier, so kam es nun zur Eskalation, als Vizekanzler Strache mit einem Facebook-Post, in dem er dem ORF unterstellte, "Fake-News, Lügen und Propaganda" zu verbreiten, eine Klage auf sich zog.
Die bisherige inhaltliche Arbeit der Regierung kann vor dem Hintergrund betrachtet werden, dass sich bereits im Vergleich der Nationalratswahl-Kampagnen 2013 und 2017 eine erstaunliche Konvergenz von ÖVP und FPÖ um einen Kurs zeigte, der das "Nationale" zum Primat der Außen- und Innenpolitik machen und Politik nach populistischen Idealen in den Dienst des "wahren", aber "vergessenen" Volkes stellen wollte. Dabei bewegte sich vor allem die ÖVP weit nach rechts. Forderungen nach einer restriktiveren Migrationspolitik, stärkerem Fokus auf Sicherheit sowie nach weitgehenden Arbeitsmarktreformen und einer Sozialpolitik im Dienste der Einheimischen durchzogen so die Kampagnen von ÖVP und FPÖ. Konnten sich also die ÖVP und vor allem die FPÖ angesichts der propagierten inhaltlichen und den "politischen Stil" betreffenden Reformen bereits profilieren?
Zunächst lässt sich eine klare, von Kritik begleitete Abkehr von der in Österreich praktizierten Konsenspolitik erkennen, die sich besonders in dem gegenüber der vorherigen Legislaturperiode um ein Drittel gesunkenen Anteil einstimmiger Gesetze (aktuell 22%) manifestiert. Umstritten ist dabei vor allem die Wende in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Nicht nur sieht sich die Regierung hier mit einer öffentlichen Mehrheit gegen ihren Kurs konfrontiert, auch zeigte sich die FPÖ – immerhin deklarierte Partei des "kleinen Mannes" und mit dem Ressort für Arbeit und Soziales betraut – intern uneinig, speziell über die Ermöglichung eines 12-Stunden-Arbeitstages und die Sozialbeitragssenkungen. Einschränkungen bei der Familienbeihilfe, die vorwiegend Nicht-EU-Bürgerinnen und -Bürger treffen, gehen dagegen viel eher mit FPÖ-Kernforderungen einher.
Beschlüsse wie das auf FPÖ-Initiative und ebenfalls gegen breite Gegnerschaft gekippte Nichtrauchergesetz laufen wiederum der klassischen FPÖ-Forderung nach stärkeren direktdemokratischen Instrumenten zuwider. Auch das CETA-Abkommen, das die FPÖ mitbeschlossen hat, stellt ein Glaubwürdigkeitsproblem für sie dar, hatte man sich doch zuvor klar dagegen ausgesprochen und ein Referendum hierzu verlangt.
Demgegenüber punktete die FPÖ mit ihrer Agenda in der Migrations-, Asyl- und Sicherheitspolitik bei den Wählern und Wählerinnen. So konnte sie eine Aufstockung der Polizei erreichen sowie ein restriktiveres "Fremdenrecht", das es nun zulässt, Mobiltelefondaten auszuwerten sowie Bargeld sicherzustellen. Zudem wurde die bestehende Grenzschutzeinheit umgebaut, damit sie "flexibler" agieren könne.
Große Teile der Migrations- und Asylpolitik werden von der EU-Ratspräsidentschaft überlagert, die Österreich am 1. Juni 2018 antrat – mit "Sicherheit und Kampf gegen illegale Migration" als prominentestem Agendapunkt. Und hier zeigt sich eine Linie, die bereits im Wahlkampf ihren Anfang nahm (Annäherung an die Visegrád-Staaten Polen, Ungarn, Slowakei, Tschechien) und sich mit einer neuen "Achse der Willigen" von Berlin bis nach Rom fortsetzen soll. Kurz sieht Österreich dabei als "Brückenbauer", als Mediator in einer Krise, die nur auf EU-Ebene zu lösen sei. Dennoch dürfte der Vorsitz primär als Bühne für das nationale Publikum dienen. Diese Öffentlichkeit kommt nicht zuletzt auch der FPÖ zugute. Folgten der ersten FPÖ-Regierungsbeteiligung noch "Sanktionen", so verhandelt man nun auf Augenhöhe – wie etwa im Juni in Innsbruck beim Treffen der Innenministerinnen und -minister .
Die AfD – eine "andere FPÖ"?
Auch die 2013 gegründete, wie die FPÖ als rechtspopulistisch eingestufte AfD kann auf Erfolge zurückblicken. Zwar ist sie noch weit von einer Regierungsbeteiligung entfernt, dennoch drängt sich die Frage auf: Wie ähnlich sind sich beide Parteien? Trotz vieler Parallelen und intensiver Kontakte gibt es große Unterschiede.
Erstens befinden sich AfD und FPÖ in verschiedenen Phasen ihres Entwicklungszyklus, wobei der AfD als jüngerer Partei noch viele Richtungskonflikte bevorstehen werden, die die FPÖ schon hinter sich hat. Die Konflikte zwischen deutschnationalen und liberalen Elementen und daraus folgende Abspaltungen schwächten die FPÖ jedoch nicht. Im Gegenteil, sie machten die Partei insgesamt kohäsiver und scheinen Teil der Entwicklung ehemals breiterer Protestparteien zu sein, die über die Zeit ideologisch enger, aber schlagkräftiger werden. Auch der AfD scheinen die inneren Konflikte an der Wahlurne nicht zu schaden. Sie mobilisiert in Westdeutschland (als dem Ausgangspunkt der ursprünglich eurokritischen Single-issue-Partei) andere Schichten als im Osten, besonders nach ihrer Hinwendung zur Zuwanderungs- und Islamkritik. Diese regional verschiedenen Mobilisierungspotenziale stärken die Partei eher, als sie zu behindern.
Zweitens kann die FPÖ als längst etablierte Partei mit einem stabilen Sockel an Wählerinnen und Wählern moderater und flexibler auftreten, um Koalitionspartner zu finden. Dagegen muss die AfD permanent ihre Abgrenzung vom Mainstream unter Beweis stellen.
Drittens operieren FPÖ und AfD – wie eine Untersuchung ihrer Programme für die Bundestags- beziehungsweise Nationalratswahl von 2017 zeigt – mit unterschiedlichen ideologischen Stoßrichtungen, wenn es um die Definition des "Volkes" geht, das sie stets beschwören. Während die AfD eine klare Vorstellung davon hat, wer zum "Staatsvolk" gehört, und eine deutsche "Leitkultur" hochhält (Christentum, Sprache, Herkunft etc.), sieht die FPÖ "das Volk" als durch nationale und überstaatliche Eliten bedroht, bleibt aber vage in seiner Definition und spricht auch eher von "Heimat".
Viertens ist auffallend, dass sich die FPÖ viel stärker als die AfD als Partei der "kleinen Leute" wahrnimmt (sie bezeichnet sich selbst als "soziale Heimatpartei") und daher viel stärker den Sozialstaat betont – freilich nur für Österreicherinnen und Österreicher, nicht für Zugewanderte. Die AfD zeigt ihre liberalen Wurzeln deutlicher und gibt sich bisher als rechte Mittelstandspartei. Auch die FPÖ hat liberal-mittelständische Wurzeln, und auch sie ist weder in der Arbeiterbewegung verwurzelt noch gewerkschaftsfreundlich. Dennoch hat sie einen großen Teil ihrer Anhängerschaft in der (männlichen) Arbeiterschaft und Gruppen mit niedrigerer Bildung.
Fazit
Seit ihrem Wandel hin zu einer rechtspopulistischen Partei hat die FPÖ zwei ähnliche Phasen durchlaufen (1986–2005 und ab 2005), die jeweils mit radikaler Systemkritik begannen und über zunehmende Wahlerfolge und moderaterem Auftreten zweimal in Regierungsbeteiligung mündeten. Während die erste ÖVP/FPÖ-Koalition jedoch in einem Absturz und einer Spaltung der FPÖ endete, zeigt sich heute, dass es sich dabei um keinen Automatismus handeln muss: Die "Mitte" der öffentlichen Meinung ist heute besonders nach der "Flüchtlingskrise" weit rechts. Eine Mehrheit unterstützt den Regierungskurs, wie die letzten Wahlumfragen ergaben. Auch Bundeskanzler Kurz bleibt weiterhin populär, und Konflikte zwischen den Koalitionären bleiben – im Vergleich zur Vorgängerregierung SPÖ/ÖVP – weitgehend aus. Auch die Schwäche der Opposition sowie der Gewerkschaften, die derzeit in einer inhaltlich-personellen Neuorientierung verhaftet scheinen, tragen zu den stabilen Umfragewerten bei. Verglichen mit den 2000er Jahren spricht heute also vieles für einen Aufwind der Rechtspopulisten – nicht nur in Österreich.