Mit dem Namen "Österreich" konnte zwischen dem frühen Mittelalter und dem 20. Jahrhundert je nach Epoche und Kontext Unterschiedliches bezeichnet werden.
Ostarrichi, Austria, Österreich
Erstmals urkundlich belegt ist der Begriff in einem geografischen Sinn für einen Landstrich im heutigen Bundesland Niederösterreich im letzten Jahrzehnt des 10. Jahrhunderts. Die Bayern nannten nach dem 955 in der Schlacht auf dem Lechfeld unter dem ostfränkisch-deutschen König Otto I. errungenen Sieg über die Ungarn, in dessen Folge Teile des 907 an die Magyaren verlorengegangenen Gebietes des Herzogtums Bayern an der Donau östlich der Enns zurückerobert werden konnten, den östlichsten Bereich ihres Herrschaftsgebietes anscheinend "Ostarrichi". Vielleicht haben sie aber auch "bereits im 9. Jahrhundert, als im Osten ihres eigentlichen Stammlandes neue politische Bereiche organisiert wurden, diese Gegenden [unter Einschluss Karantaniens und der späteren Steiermark] als die Ostlande, d.h. als Ostarrichi, bezeichnet".
Zu Beginn der 970er Jahre wurde im Donauabschnitt zwischen den Flüssen Enns und Traisen (im Wesentlichen im Alpenvorland, also südlich der Donau) die bayerische beziehungsweise ottonische "Mark an der Donau" eingerichtet und bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts allmählich nach Osten, Norden und Süden vergrößert. In einer Urkunde Kaiser Ottos III. für das bayerische Hochstift Freising vom 1. November 996 wurde der Freisinger Bischofskirche die Schenkung eines Hofes (curtis) in Neuhofen an der Ybbs (in der Nähe von Amstetten im heutigen südwestlichen Niederösterreich) und von 30 – wohl erst zu kultivierenden – Königshufen (rund 1000 Hektar) verbrieft. Zur Lagebestimmung der Schenkung bedient sich die Urkunde der Formulierung "in der Gegend (in regione), die in der Volkssprache (vulgari vocabulo) Ostarrichi heißt, in der Mark und in der Grafschaft (in marcha et in comitatu) des Grafen Heinrich, des Sohnes des Markgrafen Luitpold (Leopold)".
Die politische Sprache des ausgehenden 10. Jahrhunderts verfügte anscheinend noch nicht über einen Namen für die bayerische Mark an der Donau.
1156 wurde "Österreich", die bayerische Mark an der Donau, von Kaiser Friedrich I. Barbarossa – unter hier nicht zu erörternden politischen Umständen – vom Herzogtum Bayern losgelöst und zu einem selbstständigen Herzogtum erhoben. In der diese Erhebung dokumentierenden, nur abschriftlich überlieferten Urkunde ("Privilegium minus") bezeugte der Kaiser, dass er die Mark "Austria" in ein Herzogtum verwandelt habe (marchiam Austrie in ducatum commutavimus).
Während der 270-jährigen Herrschaft der Markgrafen und Herzöge aus dem Geschlecht der Babenberger (von 976 bis 1246) wurde Österreich nicht nur zu einem Herzogtum, sondern auch zu einem Land, das heißt, mit den klassischen Worten des österreichischen Historikers Otto Brunner, "eine Rechts- und Friedensgemeinschaft (…), die durch ein bestimmtes Landrecht geeint ist" und deren Träger "das Landvolk" ist, "die Landleute, die den politischen Verband des Landes bilden".
Herrschaft zu Österreich
Seit etwa 1300, also seit den ersten Jahrzehnten der 1282 beginnenden Landesherrschaft der Habsburger in den Herzogtümern Österreich und Steier (Steiermark), ist die Formulierung "Herrschaft zu Österreich" belegt. Damit konnte, erstens, die aus dem Südwesten des Reiches stammende Dynastie selbst, die sich nunmehr nach ihrem neuen Hauptland nannte, gemeint sein, zweitens, die Summe ihrer Herrschaftsrechte und schließlich, drittens, alle Länder und Herrschaftsgebiete der Habsburger (neben Österreich und Steier sowie den Vorlanden westlich des Arlbergs seit 1335 auch die Herzogtümer Kärnten und Krain und seit 1363 die Grafschaft Tirol). Österreich und Steier blieben aber auch nach der Vereinigung unter einem gemeinsamen Landesfürsten im Jahre 1198 zwei selbstständige, nur durch Personalunion verbundene Länder mit zwei unterschiedlichen Landrechten, und dasselbe gilt im 14. und 15. Jahrhundert für die Länder Kärnten, Krain und Tirol. Erst in der Ära von König (seit 1486) und Kaiser (seit 1508) Maximilian I. (1490/93 bis 1519) fand "erstmalig eine bürokratische Überformung der habsburgischen Länder" statt.
In diesen Jahren artikulierte der Landesfürst auch zum ersten Mal den Ständen der einzelnen Erbländer gegenüber "explizit unifikatorische Absichten".
Im Übrigen verdankt die heutige Republik Österreich "Gestalt und Namen" im Grunde dem Streben der Habsburger "nach einer territorialen Verbindung zwischen dem babenbergischen Erbe [d. h. den Herzogtümern Österreich und Steiermark] und den 'Stammlanden' [westlich des Arlbergs]".
Haus Österreich
Seit der ersten Hälfte des 14., vor allem aber seit dem frühen 15. Jahrhundert wurde das Geschlecht der Habsburger sowohl von Angehörigen des Hauses selbst als auch von anderen als "Haus Österreich" (domus Austriae) bezeichnet. Allgemeine Verwendung scheint der Begriff erst ab 1438/39 gefunden zu haben, "als die Habsburger mit Albrecht II. wieder in den Besitz der römisch-deutschen Königswürde gelangten".
Auch die nicht mehr über das Herzogtum Österreich und die anderen ("österreichischen") Erbländer der Habsburger herrschenden Monarchen aus der spanischen Linie des Hauses wurden im 16. und 17. Jahrhundert international als Repräsentanten des Hauses Österreich wahrgenommen und bezeichnet. "In Frankreich galten gerade die spanischen Habsburger als Angehörige der ‚Maison d’Autriche‘; zwei spanische Infantinnen, die in die französische Dynastie [der Bourbonen] einheirateten, Gattinnen von Ludwig XIII. und Ludwig XIV., hießen in Frankreich Anne d’Autriche und Marie-Therèse d’Autriche. In Spanien aber und seinen überseeischen Besitzungen nannte man die spanischen habsburgischen Könige 'Reyes de la Casa de Austria', 'Reyes Austriacos' oder einfach 'los Austrias'."
Habsburgermonarchie
Die mitteleuropäische Habsburgermonarchie ist 1526/27 als eine "monarchische Union von Ständestaaten"
Das politische System der werdenden Donaumonarchie und die staatsrechtliche Stellung der ihre Länder in vielfacher Personalunion beherrschenden Könige, Herzöge, Markgrafen und Grafen aus dem Hause Österreich wurden zusätzlich durch den Umstand verkompliziert, dass der multiple Landesfürst mit Ausnahme der Regierungszeiten Karls V. (1519–1556) und Karls VII. (1742–1745) stets auch die römisch-deutsche Kaiserwürde innehatte und dass die österreichischen und die böhmischen Länder – nicht hingegen das Königreich Ungarn mit seinen Nebenländern und seit dem 18. Jahrhundert die im Spanischen Erbfolgekrieg behaupteten ehemals spanischen Länder sowie Galizien und die Bukowina – Territorien des Heiligen Römischen Reichs waren.
Die Landesfürsten aus der österreichischen (oder deutschen) Linie des Hauses Österreich herrschten über Königreiche und Länder mit sehr unterschiedlichen historischen Traditionen, politischen und Rechtssystemen. Eine der Schlüsselfragen der Geschichte des politischen Systems der Habsburgermonarchie besteht daher darin, ob und gegen welche Widerstände sie eine Integration ihres Herrschaftsbereichs zu einem möglichst einheitlich regierten oder jedenfalls möglichst effektiven, das heißt militärisch schlagkräftigen Staat erreichten. Bündnispartner waren dabei insbesondere die katholische Kirche, das Offizierskorps der kaiserlichen Armee, der in mehreren Ländern begüterte ("österreichische") Hochadel und die (hohe) Bürokratie (Stichwort "Hofratsnation").
Zur Schaffung eines aus den österreichischen und böhmischen Ländern bestehenden "Kernstaates" mit einheitlicher Rechtsordnung und einheitlichem Staatsapparat kam es erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, beginnend mit der von den Zeitgenossen als "Revolution" erlebten Staatsreform des Jahres 1749. Die insbesondere in den 1670er, 1780er und 1850er Jahren unternommenen, mehr oder weniger gewaltsamen Versuche, das Königreich Ungarn nach dem Muster der "deutschen" beziehungsweise "deutsch-slawischen" Erbländer zu regieren, schlugen hingegen fehl und mündeten schließlich in den staatsrechtlichen "Ausgleich" des Jahres 1867.
Über einen gemeinsamen Namen verfügte das Länderkonglomerat des Hauses Österreich in Mitteleuropa im 16. und 17. Jahrhundert noch nicht. Die Königreiche, Länder und Herrschaften der spanischen Habsburger waren schon seit längerem als "Monarchia Hispanica" ("Spanische Monarchie") bezeichnet worden, als in Analogie dazu um 1700, sei es bereits vor oder erst nach dem in diesem Jahr erfolgten Aussterben der spanischen Linie des Hauses Österreich im Mannesstamm, die Bezeichnung "Monarchia Austriaca" ("Österreichische Monarchie") als Sammelbezeichnung für die Königreiche und Länder der österreichischen Linie des Hauses aufkam. So finden sich in dem Testament, das der künftige Kaiser Karl VI. als König Karl III. von Spanien am 26. September 1711, nach dem unerwarteten Tod seines älteren Bruders, Kaiser Josephs I., in Barcelona verfasste, bevor er zur Kaiserkrönung nach Frankfurt am Main aufbrach, beide Bezeichnungen nebeneinander. Es war also "der Wiener Hof und somit die Politik, die den Begriff um 1700 aus dem Spanischen herüberholte".
Der erste bisher bekannte Beleg für den Begriff "Monarchie des Hauses Österreich" mit Bezug auf das Herrschaftsgebiet der in Wien residierenden Habsburger ist der Titel eines 1673 in Prag erschienenen Buches, Johann Jakob von Weingartens "Fürstenspiegel oder Monarchia deß Hochlöblichen Ertzhauses Oesterreich".
Napoleons Krönung zum erblichen Kaiser der Franzosen zeichnete sich bereits ab, als am 11. August 1804 durch ein kaiserliches Patent verkündet wurde, dass Franz II., Kaiser des Heiligen Römischen Reichs, den Titel eines erblichen Kaisers von Österreich (als Franz I.) angenommen habe. Zwei Jahre später schlossen sich 16 Reichsfürsten dem am 1. Juli 1806 von Napoleon gegründeten Rheinbund an und erklärten am 1. August dieses Jahres auf dem Immerwährenden Reichstag in Regensburg ihren Austritt aus dem Reich. Wenige Tage danach, am 6. August, liquidierte Kaiser Franz die römisch-deutsche Kaiserwürde und erklärte "das Band, welches Uns bis jetzt an den Staatskörper des deutschen Reichs gebunden hat", für gelöst, alle Reichsstände ihrer Bindungen an Kaiser und Reich für ledig und alle Reichsinstitutionen für aufgelöst.
Im staatsrechtlichen Sinn war erst in den Verfassungen beziehungsweise Verfassungsentwürfen für die Habsburgermonarchie aus den Revolutionsjahren 1848 und 1849 von einem "Kaisertum Österreich" und einem "österreichischen Kaiserstaat" die Rede (Verfassungs-Urkunde des österreichischen Kaiserstaates vom 25. April 1848, Reichsverfassung für das Kaiserthum Oesterreich vom 4. März 1849). Immerhin bezeichnete bereits Clemens Lothar Fürst Metternich, der maßgebliche österreichische Staatsmann der Jahre 1809 bis 1848, das komplexe Staatswesen auch kurz als "Kaiserstaat", "(österreichische) Monarchie" und "österreichischen Staat".
Doppelmonarchie Österreich-Ungarn
Primäres Ziel der Politik des neuen, im Dezember 1848 mit 18 Jahren auf den Thron gelangten Kaisers Franz Joseph I. in der zehnjährigen Epoche des sogenannten Neoabsolutismus nach der Niederschlagung der Revolutionen von 1848/49 war die Schaffung eines alle Länder des Hauses Österreich (beziehungsweise Habsburg beziehungsweise Habsburg-Lothringen) umfassenden, zentral von Wien aus regierten Kaisertums Österreich.
Was verstand man nun zwischen 1867 und 1918, vom Ausgleich und der Dezemberverfassung bis zum Ende Österreich-Ungarns, unter "Österreich"?
Österreich als Kronland beziehungsweise die zwei Kronländer Österreich unter und ob der Enns, die heutigen Bundesländer Niederösterreich (unter Einschluss der Haupt- und Residenzstadt Wien) und Oberösterreich,
Österreich als der, von Wien aus gesehen, "diesseitige Staat" (Cisleithanien), und schließlich
Österreich als die Gesamtmonarchie, das Völkerrechtssubjekt "Österreich-Ungarn".
Geografisch-politische Räume der österreichischen Geschichte bis 1918
Das sich mit dem Zerfall Österreich-Ungarns und der Gründung der Republik Österreich (zunächst: Deutsch-Österreich) im Oktober und November 1918 radikal verkleinernde Territorium "Österreichs" stellt Historiker und Historikerinnen vor ganz spezifische Probleme.
Der Historiker Arno Strohmeyer hat 2008 den – meines Erachtens gelungenen – Versuch unternommen, "Österreichische Geschichte der Neuzeit" als "multiperspektivische Raumgeschichte" zu begreifen. Er geht von einer "Pluralität der Räume" der österreichischen Geschichte aus. Der Schwerpunkt seiner Überlegungen liegt "auf politischen Räumen, d.h. auf Räumen, die sich durch politische Praxis konstituierten und politische Ordnung produzierten".
Strohmeyer unterscheidet als für die (neuere) österreichische Geschichte relevante Räume – neben Europa –, erstens, staatlich-territoriale Räume, zweitens, europäische Mesoregionen (Zentraleuropa und Ostmitteleuropa) und, drittens, das habsburgische Imperium, also die die Herrschaftsräume sowohl der spanischen als auch der österreichischen (oder deutschen) Linie des Hauses Österreich umfassende "dynastische Agglomeration".
Das in der österreichischen Geschichte eine tiefe Zäsur bildende Jahr 1918, die Niederlage Österreich-Ungarns und die Auflösung dieses vielsprachigen, multiethnischen und multikonfessionellen Staatsgebildes bedeuten den heutigen Österreichern kaum mehr etwas ihre eigene, historisch fundierte (nationale) Identität Berührendes, werden nicht als "unsere" Niederlage oder der Zerfall "unseres" ehemaligen Staates empfunden. Bezeichnenderweise wird sich das neue Haus der Geschichte Österreich, dessen Eröffnung für November 2018 angekündigt ist, zumindest bis auf Weiteres praktisch ausschließlich der Zeit seit der Republikgründung widmen (die Eröffnungsausstellung trägt den Arbeitstitel "Österreich 1918–2018"
Das Gegenteil gilt – en passant sei es angemerkt – für die Bedeutung der Jahre 1526 (Schlacht bei Mohács) und 1920 (Friedensvertrag von Trianon) im historischen Gedächtnis der heutigen Ungarn oder der Jahre 1620/21 (Schlacht am Weißen Berg, "Prager Blutgericht") und 1918 (Gründung der Tschechoslowakei) im nationalen Geschichtsbild der heutigen Tschechen. Die moderne österreichische Nation ist eine sehr junge Nation. Ihre wichtigsten historischen "Erinnerungsorte" sind die Jahre 1945 (Kriegsende, Ende der nationalsozialistischen Herrschaft, Wiederrichtung der Republik Österreich) und 1955 (Staatsvertrag, Ende der Besatzungszeit, Erklärung der Immerwährenden Neutralität).
Eine "Geschichte Österreichs" kann keine "(deutsch-)österreichische Nationalgeschichte" sein. Während die ersten Jahre nach 1918 von einer "Entösterreicherung" des politischen Bewusstseins eines großen Teils der Deutsch-Österreicher geprägt gewesen sein dürften und die Diktatur der Bundeskanzler Engelbert Dollfuß und Kurt (von) Schuschnigg ("Ständestaat", "Austrofaschismus") in den 1930er Jahren die Parole von Österreich als dem "zweiten deutschen Staat" ausgegeben hatte, kam es erst nach 1945 zu einer "Austrifizierung" Österreichs in einem engeren, "kleinösterreichischen" Sinn (Ernst Hanisch hat von der "Reaustrifizierung", der eigentlichen österreichischen Nationsbildung, gesprochen
Was also war "Österreich" vor 1918? Vom Frühmittelalter bis 1918 kann meines Erachtens unter Österreich "in etwa jener Raum verstanden [werden], der von einem oder mehreren auf dem Boden der heutigen Republik Österreich gelegenen politischen, sozialen und kulturellen Zentren aus beherrscht oder jedenfalls maßgeblich beeinflusst wurde".