Die Kommunikation der Zukunft wird mobil
Fast alle Erwachsenen und die meisten Jugendlichen in Deutschland sind heute im Besitz eines Mobilfunktelefons, des "Handys". Im Vergleich zur leitungsgebundenen Telefonie brauchte das Handy nur wenige Jahre, um zur Standardausstattung deutscher Haushalte zu avancieren. Mit dem Jahrtausendwechsel hat die Zahl der Mobilfunkteilnehmer erstmals die Zahl der Festnetzanschlüsse überholt; im laufenden Jahr 2003 sind über 60 Millionen Handys im Gebrauch. Dabei zeigt die Tendenz bei der Verbreitung mobiler Endgeräte trotz der allmählichen Sättigung des Marktes weiter nach oben. Langfristig kann sogar von einer Substitutionskonkurrenz zwischen dem Mobilfunk- und dem Festnetz ausgegangen werden.
Das steigende Bedürfnis, immer und überall kommunizieren zu können, jederzeit erreichbar zu sein oder im Notfall Hilfe herbeiholen zu können, haben das Handy zu einer "selbstverständlichen", von der Forschung aber vergleichsweise wenig beachteten Technologie werden lassen, obwohl sie unsere Kommunikations-, Lebens- und Arbeitsgewohnheiten mindestens ebenso fundamental verändert wie das Automobil oder das Fernsehen.
Dabei stehen wir erst am Anfang einer Entwicklung, die dem Mobilfunk wohl schon in wenigen Jahren den Status einer Schlüsseltechnologie verleihen wird. Die Zusammenführung der Telekommunikation, des Rundfunks und des Internets in einer "konvergenten" Endgeräteplattform - vor wenigen Jahren im "Grünbuch" der Europäischen Kommission
Fachbegriffe wie Mobile Internet, Mobile Media, Mobile Commerce, Mobile Payment, Location Based Services etc. dringen über die Werbung bereits in die Alltagssprache vor und dürften bald zum semantischen Repertoire selbst technischer Laien gehören. Sie alle vermitteln eine Vorstellung davon, dass Information, Kommunikation, Medienkonsum sowie zahlreiche Telekommunikationsdienste sich Stück um Stück von den physikalischen Einschränkungen ihrer leitungs- bzw. kabelvermittelten Übertragung lösen und mit dem Anbieter-Slogan "anywhere", "any time" "everything" offenkundig Ernst machen.
Wie die meisten Basisinnovationen besitzt auch der Mobilfunk aber scheinbar einen entscheidenden Nachteil: Zur Übertragung der Daten sind hochfrequente elektromagnetische Wellen erforderlich, die das Informationssignal zwischen Basisstationen und Endgeräten über größere Entfernungen hin- und her transportieren. Obwohl der Gesetzgeber schon im Rahmen einer Bundesimmissionsschutzverordnung
Im Vordergrund stehen dabei zum einen die "thermischen Effekte", die durch die Absorption der Sendeenergie entstehen und zur Erwärmung des exponierten Körpergewebes führen. Wesentlich schwieriger stellt sich die Situation bei den "athermischen Effekten" dar, die besonders heftig diskutiert werden. Das Spektrum reicht von diffusen Befindlichkeitsstörungen (Kopfschmerzen, Konzentrationsschwächen, Schlafstörungen), Veränderung der Hormonproduktion und des Melatoninspiegels über Einflüsse auf das zelluläre Wachstum bis hin zur Verursachung von Leukämie oder Augentumoren. Besonders strittig ist, ob die teilweise beobachteten Effekte auch unterhalb der geltenden Grenzwerte gesundheitliche Störungen oder Erkrankungen nach sich ziehen.
Angesichts dieser Diskussion sind in Deutschland, aber auch in vielen anderen Ländern Protestbewegungen und Bürgerinitiativen entstanden, deren Forderungen vom Abbau einzelner Basisstationen z.B. in Wohngebieten (Kindergärten, Altenheime) bis hin zum völligen Abbau der Mobilfunknetze reichen. Die Zukunft des Mobilfunks hängt davon ab, wie die Bevölkerung den erfahrbaren Nutzen gegen die potenziellen Risiken abwägt. Dabei geht es primär nicht um die Frage nach objektiven oder statistisch zu erwartenden, potenziell möglichen Gesundheitsschäden, wie sie etwa Eingang in die Wahrscheinlichkeitsrechnungen der Versicherungswirtschaft (R = W × S
Vor diesem Hintergrund darf die Debatte über die Elektromagnetische Verträglichkeit zur Umwelt (EMVU)
Angesichts der zunehmenden Intensität der öffentlichen Diskussion rücken Fragen nach der Akzeptabilität des Mobilfunks und des "Elektrosmogs" sowie nach der Zukunft dieser Technologie in den Mittelpunkt. Um zu einer fundierten Einschätzung zu gelangen, ist ein grundlegendes Verständnis erforderlich, wie die potenziellen Risiken, die von hochfrequenten elektromagnetischen Feldern (EMF) ausgehen können, von den Medien und der Bevölkerung wahrgenommen und im Vergleich mit anderen technologisch bedingten Risiken bewertet werden. Vor diesem Hintergrund sind vor allem folgende Fragen wichtig: Wie wird das Thema "Elektrosmog" von den Medien aufgegriffen und behandelt? Welche Einstellungen und Meinungen herrschen hierzu in der Öffentlichkeit? Wie verlaufen entsprechende Debatten im Ausland? Welchen Verlauf wird die Debatte künftig nehmen?
"Elektrosmog" als Thema der Medienberichterstattung
Für die öffentliche sowie individuelle Wahrnehmung und Kommunikation technologiebedingter Risiken kommt den Medien nicht nur die Rolle eines Informationslieferanten zu, sondern auch eine zentrale Funktion als Bündeler und Verstärker. Erst die Resonanz in den Massenmedien verleiht einem potenziellen Risiko gesellschaftliche und politische Brisanz. Medienanalysen haben gezeigt, dass Massenmedien über Technikkontroversen im Allgemeinen objektiv und sachlich berichten und eine Kritik an der Berichterstattung kaum angebracht erscheint.
Häufigkeit der Medienbeiträge zu EMVU
Eine Wechselwirkung zwischen der Zunahme der Relevanz des Themas "Elektrosmog" und einer stark wachsenden Anzahl von Medienbeiträgen lässt sich auch im EMVU-Diskurs beobachten. Zu Beginn der neunziger Jahre fand die EMF-Problematik nur sporadisch in der Berichterstattung Erwähnung. Die Mobilfunkpenetration war zu dieser Zeit noch gering. Das analoge C-Netz bildete die einzige Möglichkeit, mobil zu telefonieren, und wurde auf Grund der hohen Kosten vor allem von Geschäftsleuten genutzt. Perioden mit geringerer Intensität der Berichterstattung lösten solche mit einer intensiveren Thematisierung ab. Zum Start des D1- und D2-Netzes blieb das Medienecho zunächst konstant. Als jedoch mit den E-Netzen die Anzahl der Antennenmasten spürbar anstieg, wurden Presse und Rundfunk in stärkerem Maße auf die damit verbundenen gesundheitlichen und auch ästhetischen Fragen aufmerksam.
Im Jahre 1994 befassten sich bundesweit jährlich bereits mehr als tausend Zeitungsartikel mit den potenziellen Gesundheitsrisiken des Mobilfunks. Im Jahr darauf waren es schon über 3500 Beiträge, also rund 280 pro Monat. Blieb die Zahl der Beiträge in den Folgejahren annähernd konstant, so schnellte sie durch das große Medienecho im Kontext der Versteigerung der UMTS-Frequenzen im Juli 2000 hoch und verdreifachte sich bis 2001 auf über 1800 Presseclippings pro Monat. Für das Jahr 2002 betrug diese Zahl mehr als 2500.
EMVU-Beiträge nach Erscheinungsweise der Medien
Die EMVU-Problematik ist ein Thema, das besonders häufig auf den Lokalseiten der Tagespresse aufgegriffen wird. In der Regel werden dort solche Informationen transportiert, die auf besondere Vorkommnisse mit aktuellem Hintergrund und hohem Aufmerksamkeitswert wie z.B. Gerichtsurteile, die Gründung einer neuen Bürgerinitiative oder die Veröffentlichung neuer Studienergebnisse Bezug nehmen. Für Medien, die wöchentlich oder 14-tägig erscheinen und die Möglichkeit einer ausführlicheren und genaueren Darstellung von Hintergrundinformationen hätten, besitzt die EMVU-Problematik hingegen nur eine sehr geringe Priorität.
Regionale Verteilung der Beiträge
Betrachtet man die Verteilung der Beiträge nach Bundesländern, so lässt sich ein deutliches Süd-Nord-Gefälle feststellen. Besonders in den letzten Jahren wird eine auffällige Asymmetrie sichtbar. Mehr als die Hälfte aller Beiträge (59,2 Prozent) entfällt - bei steigender Tendenz - allein auf Baden-Württemberg und Bayern. Alle übrigen Länder verzeichnen auf relativ niedrigem Niveau eine Konstanz in der Berichterstattung: Nordrhein-Westfalen 8,7 Prozent aller Medienbeiträge, auf Bremen, Hamburg, Niedersachsen sowie Schleswig-Holstein entfielen 2001 insgesamt nur elf Prozent. Für Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland lautet der entsprechende Wert 12,6 Prozent. Auch in den Medien der ostdeutschen Bundesländer spielt die EMVU-Problematik nur eine marginale Rolle. Auf Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt sowie Thüringen entfallen 2001 rund 7,7 Prozent aller einschlägigen Medienbeiträge.
Tendenzen der Berichterstattung
Auf der Basis der Pressedokumentation der Forschungsgemeinschaft Funk
Bio-physikalische Auswirkungen in der Berichterstattung
Die hohe Anzahl der Berichte mit negativer Tendenz spiegelt den zunehmenden Protest und die wachsende Besorgnis in der Bevölkerung gegenüber möglichen Gesundheitsrisiken wider. Bemerkenswert ist, dass zunehmend Beiträge über verschiedene Auswirkungen von EMF auf die Gesundheit und bestimmte Krankheitsbilder veröffentlicht werden (vgl. Abbildung 2: s. PDF-Version). Die Angst vor Gesundheitsrisiken dominiert die EMVU-Thematik in immer stärkerem Maße. Insbesondere gravierende Krankheiten wie die Entstehung von Krebs stehen im Mittelpunkt. Allerdings nehmen Berichte über unspezifische Befindlichkeitsstörungen deutlich an Häufigkeit zu. Damit kann eine "mobilisierende" Wirkung der Berichterstattung nicht ausgeschlossen werden, denn der Kreis derjenigen, die potenziell betroffen sein könnten, weitet sich hierdurch erheblich aus. Demgegenüber gehen Beiträge, die objektivierbare Risiken wie z.B. Gerätestörungen behandeln, immer mehr zurück.
Insgesamt lässt sich die Presseberichterstattung unter medienanalytischen Gesichtspunkten als ortsbezogen, tagesaktuell und vordergründig charakterisieren. Die kritische Berichterstattung überwiegt, z. T. lassen sich auch irreführende und auf eine unzureichende Informationslage zurückzuführende Beiträge ausmachen. Zwei Drittel aller Meldungen befassen sich mit den Antennen (Basisstationen) und den damit verbundenen Standortkonflikten. Die Bürgerinnen und Bürger als aktiv gestaltende Akteure stehen im Mittelpunkt der Mehrzahl der Artikel. Die auf Freiwilligkeit basierenden Informations- und Kooperationsmaßnahmen der Industrie etwa im Rahmen der sog. "Selbstverpflichtung" gegenüber den Kommunen bleiben dagegen weitgehend ohne Resonanz.
Bei Auswertung der Inhalte lassen sich argumentative Stereotype unterscheiden, die insbesondere die Handlungsdefizite der Netzbetreiber oder öffentlicher Institutionen zum Gegenstand haben. Informations- und Aufklärungsdefizite: "Die Netzbetreiber unterrichten die Kommunen zu kurzfristig oder gar nicht bei der Planung der Standorte für ihre Basisstationen." "Die Auskünfte der Netzbetreiber tragen nicht zur Vertrauensbildung gegenüber der Mobilfunktechnik bei, da sie die Fragen besorgter Bürger nicht oder nur unzureichend beantworten." Wissensdefizite: "Die Mobilfunkinfrastruktur wird weiter ausgebaut, obwohl die potenziellen Risiken für die Gesundheit bisher nicht hinreichend erforscht wurden." "Es ist zu bezweifeln, ob elektromagnetische Wirkungsfragen sich je objektiv nachprüfbar beantworten lassen." Vorsorgedefizite: "Die bestehenden Grenzwerte sind angesichts der großen Infrastrukturdichte in Deutschland generell zu hoch." "Die Grenzwerte beziehen sich nur auf die thermischen Effekte und lassen athermische Effekte, die auch unterhalb dieses Grenzwertes eintreten können, außer Acht." Demokratie- und Legitimationsdefizite: "Die wirtschaftlichen Interessen der Industrie verhindern einen vorsorgenden Gesundheitsschutz. Um ihre kommerziellen Interessen zu schützen, versuchen die Netzbetreiber massiv Einfluss auf die Öffentlichkeit und die Politik zu nehmen." "Die Mobilfunkindustrie lässt es an Fairness im Umgang mit den Interessen der Bürger fehlen." Vollzugsdefizite: "Die Einhaltung der Grenzwerte von Sendeanlagen ist nicht überall gewährleistet."
Wollen die Netzbetreiber, die öffentlichen Institutionen und die Politik eine erfolgreiche Risikokommunikation mit der Öffentlichkeit betreiben sowie Konfliktabbau und Kompromisslinien verfolgen, so erscheint eine intensive Befassung mit diesen Argumentationslinien unerlässlich.
Risikoperzeption und -bewertungin der Öffentlichkeit
Grundsätzlich basieren die folgenden Aussagen zur Risikobewertung auf der Erhebung repräsentativer demographischer Variablen nach Geschlecht, Alter, Bildung, Einkommen etc. Im Rahmen einer Telefonbefragung (CATI)
Handynutzung in Deutschland 2001/2002
Deutschland ist in Europa mit einem Marktanteil von 21 Prozent führend bei der Handynutzung. Eine Penetrationsrate von über 75 Prozent und über 60 Millionen Anschlüsse sprechen für eine überaus hohe Akzeptanz der Mobilfunktelefonie. Es zeichnet sich allmählich eine Sättigung im Mobilfunkmarkt ab. Dabei stabilisiert sich auch der Anteil der "Verweigerer" der Mobilfunkkommunikation. Rund 90 Prozent derjenigen, die sich als "Nicht-Nutzer" bezeichnen, planen, auch künftig kein Handy anzuschaffen. Dazu gehören sehr alte Menschen, Personen ohne Kinder und Personen mit geringem Einkommen. Lediglich etwa vier Prozent planen, in absehbarer Zeit einen Vertrag mit einem Mobilfunkanbieter zu schließen.
Überraschenderweise sind Handys vor allem in Haushalten mit Kindern stark verbreitet, obwohl zu erwarten gewesen wäre, dass hier die Ängste gegenüber "Elektrosmog" besonders ausgeprägt sind. Die hohe Penetrationsrate erklärt sich daraus, dass Handys bei der alltäglich notwendigen Kommunikation und Koordination eine entscheidende Hilfe darstellen und zwischen Eltern und Kindern "psychologische Nähe" herstellen. Insofern haben Befürchtungen bezüglich der besonderen Exposition von Kindern und Jugendlichen durch hochfrequente EMF, wie sie in der Debatte häufig geäußert werden, keinen Einfluss auf das Kaufverhalten.
In der Meinung der Öffentlichkeit hat sich das Handy in den letzten Jahren vom Luxusgut zum Alltagsgerät gewandelt, welches selbstverständlich und jederzeit zur Bewältigung vieler alltäglicher Aufgaben eingesetzt wird. 54 Prozent bezeichnen sich daher als "Vielnutzer", die mehrmals täglich das Handy benutzen. Es ist davon auszugehen, dass der Mobilfunk nicht zuletzt auf Grund sinkender Kosten zunehmend in Wettbewerb zum Festnetzanschluss tritt, obwohl die leitungsgebundene Kommunikation in Hinblick auf die diskutierten Gesundheitsrisiken gänzlich "risikofrei" genutzt werden kann.
Das Handy bringt für viele unverzichtbare Vorteile. Mehr als drei Vierteln der Befragten verleiht das Handy ein Gefühl der Sicherheit, knapp drei Viertel sehen durch das Handy ihre Mobilität und Flexibilität erhöht, und für zwei Drittel erleichtert es erheblich die Alltagsorganisation. Das Handy wird vor allem im Privatleben eingesetzt, was den Aspekt der Freiwilligkeit unterstreicht. Der Anteil der möglicherweise unfreiwilligen, beruflich veranlassten Nutzung ist verschwindend gering. Vor diesem Hintergrund genießt der Mobilfunk bei der Mehrheit der Bevölkerung nicht nur aus privaten Anlässen hohe Zustimmung, sondern auch ein positives Image als Wirtschaftsfaktor. Rund zwei Drittel der Bürger glauben, dass durch den Mobilfunk neue Arbeitsplätze entstehen.
Informationsstand zum Elektrosmog - Kenntnisse und Selbsteinschätzung
Der zweite Fragenkomplex der Erhebung bezog sich auf den allgemeinen Informationsstand in Bezug auf die potenziellen gesundheitlichen Risiken. Relevant war vor allem, inwieweit Befürchtungen auf subjektiven Einschätzungen basieren und welche objektiven Erkenntnisse vorhanden sind. Berücksichtigt wurde auch, ob die Befragten in der Nähe einer Basisstation wohnten.
Rund ein Drittel der Befragten hat bisher keinen Mobilfunkmast in der Nähe des eigenen Wohnortes wahrgenommen. Ein weiteres Drittel der Befragten kann dazu keine Angaben machen. Der überwiegende Teil der Bevölkerung zeigt wenig Interesse an der Standortfrage. Über die Hälfte der Befragten empfindet das Aussehen von Mobilfunkmasten auch aus optischen Gründen nicht als störend. Besonders für Männer, Vielnutzer und jüngere Menschen ist das ästhetische Erscheinen von Mobilfunkmasten in der Landschaft oder auf Hausdächern gänzlich unproblematisch.
Rund 90 Prozent der Bevölkerung hat bereits von möglichen gesundheitlichen Risiken des Mobilfunks gehört. Allerdings fühlen sich die meisten (62 Prozent) schlecht informiert. Viele Bürger haben wichtige Begriffe der EMVU-Debatte ("elektromagnetische Wellen", "thermische Effekte", "SAR-Wert"
Als wichtigste Informationsquelle werden von 95 Prozent der Befragten die Medien angeben, fast ein Drittel bezieht seine Informationen durch Freunde oder Bekannte. Nur bei 13 Prozent spielen die Umweltverbände als Informationsquelle eine Rolle. Bemerkenswerterweise werden Informationen von öffentlichen Institutionen und insbesondere von den Mobilfunknetzbetreibern so gut wie gar nicht zur Kenntnis genommen, obwohl diese in den letzten Jahren zunehmend Informationen bereitstellen.
Bewertung von Nutzen und EMF-Risiken in der Bevölkerung
Der dritte Fragenkomplex befasste sich mit der Perzeption und Bewertung mobilfunkbezogener EMF in der Bevölkerung. Hierbei sollten die Befragten die tatsächlichen oder potenziellen Risiken unterschiedlicher Technologien miteinander vergleichen. Ferner wurden sie aufgefordert, zu ausgewählten Elektrotechniken wie etwa PC-Bildschirm, Mikrowelle oder Handy Angaben zu deren EMF zu machen, um eine Einschätzung bezüglich ihres Informiertheitsgrades zu erhalten. Dann sollten sie abschätzen, ob und welche gesundheitlichen Risiken mit dem Mobilfunk verbunden seien. Schließlich wurde nach persönlichen Erfahrungen oder Erfahrungen im Freundes- und Bekanntenkreis mit gesundheitlichen Problemen in Zusammenhang mit Mobilfunk gefragt.
Die möglichen gesundheitlichen Risiken im Zusammenhang mit Mobilfunk werden im Vergleich zu anderen Technologien wie etwa Atomkraft oder Gentechnologie grundsätzlich als sehr viel weniger bedeutend eingeschätzt. Hier rangiert der Mobilfunk nur noch vor den Fernsehsendemasten (vgl. Abbildung 3: s. PDF-Version).
Allerdings besteht eine weitreichende Verunsicherung, denn nur etwa 5 Prozent der Bevölkerung vermutet keinerlei Risiken. Grundsätzlich erweist sich, dass Befragte, die den Mobilfunk als risikobehaftet beurteilen, auch in Bezug auf andere Technologien eine höhere Risikoeinschätzung haben. Eine hohe Risikoeinschätzung und eine hohe Akzeptanz des Mobilfunks - die sich in der intensiven Nutzung von Handys ausdrückt - erscheint auf den ersten Blick als ein überraschendes, ja paradoxes Ergebnis der Untersuchung. Ähnlich wie beim Automobilverkehr schließen sich aber beide Betrachtungsweisen nicht aus. Vielmehr wird deutlich, dass die Bevölkerung eine äußerst pragmatische Einstellung im Umgang mit potenziellen Restrisiken des Mobilfunks hat. Sie ist in der Bewertung des "Elektrosmogs" in ihrer überwiegenden Mehrheit noch zu keiner abschließenden Bewertung gelangt und scheint bereit, in Hinblick auf den subjektiv empfundenen hohen Nutzen auch ein gewisses Maß an potenziellen Risiken in Kauf zu nehmen.
Interessant ist ferner, dass mehr als die Hälfte der Überzeugung ist, mögliche Risiken des Mobilfunks würden künftig eher zunehmen. Auch diese Einschätzung zeugt angesichts des Ausbaus der Mobilfunknetze sowie weiterer digitaler Funktechnologien (DVB-T, TETRA, WLAN
Die Kenntnisse in der Bevölkerung über EMF-Phänomene, insbesondere auch bei den übrigen Haushaltsgeräten, sind äußerst gering und stimmen in der Regel nicht mit physikalischen Fakten überein. Für zwei Drittel der Befragten gehen die gesundheitlichen Risiken vorwiegend von den Mobilfunkgeräten und nicht von den Sendemasten aus. Dies steht im deutlichen Widerspruch zu der Berichterstattung der Medien. Mobilfunkgeräte werden - wenn überhaupt - ganz überwiegend auf Grund ihrer Nähe zum Körper als potenzielle Risikoquelle eingestuft.
Die Intensität der "Strahlung" wird bei Mobilfunksendemasten als das stärkste Risiko angesehen. Die Nähe eines Sendemasts zum Wohnort spielt für die Bewertung des Risikopotenzials eine geringe Rolle. Trotz der hohen Sensibilisierung tendiert die Anzahl derjenigen, die glauben, selbst schon Erfahrungen mit "mobilfunkbedingten" gesundheitlichen Problemen gemacht zu haben, oder in ihrem Lebensumfeld davon gehört haben, gegen null. Wenn überhaupt, werden von den Befragten vage Hinweise auf Befindlichkeitsstörungen gegeben. Die geringen Fallzahlen von Befragten mit persönlichen Erfahrungen lassen statistisch keine signifikanten Schlüsse zu.
Vorsorgemaßnahmen und Kommunikations- verhalten
Die vollkommene Abwesenheit von Risiken muss als ein idealtypischer Zustand angesehen werden, der in einer hoch technisierten Welt nicht existiert. Öffentliche Kontroversen über technologische Risiken drehen sich daher immer auch um die Abwägung zwischen Nutzen einerseits und der Akzeptabilität von Risiken andererseits. Im Rahmen dieses Fragenkomplexes sollte herausgefunden werden, inwieweit Personen, die Risikopotenziale im Mobilfunk als gegeben ansehen, bereit sind, diesen durch Vorsorgemaßnahmen zu begegnen. Vor diesem Hintergrund wurde zum einen danach gefragt, inwieweit Bereitschaft zur persönlichen Vorsorge besteht und ob die Befragten willens sind, sich zur Durchsetzung ihrer Schutzinteressen in Bürgerinitiativen zu engagieren. Zum anderen wurde nach den Bedingungen und der Akzeptanz von übergreifenden Vorsorgemaßnahmen gefragt. Da Fragen nach der Notwendigkeit von Vorsorgemaßnahmen in der Bevölkerung generell positiv beantwortet werden, wurde zusätzlich nach der Zahlungsbereitschaft für die Minimierung potenzieller Risiken gefragt.
Mehr als zwei Drittel der Befragten geben an, bereits persönliche Vorsorgemaßnahmen zu treffen. Die zeitliche Begrenzung der Telefonie ist die populärste Maßnahme, da sie sich mit dem Motiv der Kosteneinsparung deckt. Ältere sind eher bereit, persönliche Vorsorge zu treffen, als Jüngere, die einen Verzicht auf Gespräche oder deren Verkürzung als erhebliche Einschränkung empfinden würden. Befragte, die keine Vorsorgemaßnahmen treffen, tun dies in der Regel, weil sie für sich kein Risiko sehen. Sie wollen sich in der Handynutzung nicht einschränken.
Die Bereitschaft zum Engagement in Bürgerinitiativen gegen das Aufstellen von Mobilfunkmasten ist relativ hoch. Etwa 15 Prozent der Bevölkerung würden sich engagieren bzw. vielleicht an einer Bürgerinitiative teilnehmen oder sind bereits aktiv. Frauen mit Kindern zeigen die größte Bereitschaft. Von den Befragten, die bereits von Bürgerinitiativen gehört haben, halten zwei Drittel deren Aktivitäten für sinnvoll. Obwohl sich die wenigsten selbst engagieren, werden ihre Aktivitäten stillschweigend unterstützt. Ältere Befragte mit höherem Bildungsabschluss schätzen Bürgerinitiativen gegen Mobilfunkmasten überdurchschnittlich häufig als sinnvoll ein. Dies kann als Beleg unserer These gesehen werden, dass die Auseinandersetzung über Nutzen und Risiko einer Technik als ein notwendiger, diskursiver Prozess bewertet wird.
Mehr Forschung zu gesundheitlichen Risiken sowie eine Deklarationspflicht für Handys sind die populärsten Vorsorgemaßnahmen. Über 80 Prozent der Befragten halten ein Absenken der Grenzwerte für sinnvoll, etwa 45 Prozent auch dann, wenn deswegen deutlich mehr Sendemasten errichtet werden müssten. Etwa zwei Drittel würden dem Absenken der Grenzwerte zustimmen, auch wenn damit höhere Kosten für die Handynutzung verbunden wären. Die Grenzwertdebatte bleibt ein zentraler Fokus für alle Akteure der EMVU-Arena.
Knapp ein Drittel der Befragten wäre bereit, bis zu 2,50 Euro pro Monat zusätzlich aufzuwenden, wenn dafür "sinnvolle" Vorsorgemaßnahmen ergriffen werden könnten. Etwas mehr als ein Viertel der Befragten würde bis zu fünf Euro, ein Sechstel bis zu zehn Euro und fast zehn Prozent würden 15 Euro und mehr pro Monat aufwenden. Diese vergleichsweise hohe "Zahlungsbereitschaft" signalisiert, dass Vorsorgemaßnahmen für viele Bürgerinnen und Bürger ein ernstes Anliegen darstellen.
Verbesserung des Informationsstandes zu EMVU
Der fünfte Fragenkomplex befasste sich mit dem Aspekt der Informationsverbesserung. Der Informationsbedarf bezüglich EMVU in der Bevölkerung ist trotz der intensiven Berichterstattung in den Medien als sehr hoch einzuschätzen. Die meisten haben die Diskussion um mögliche gesundheitliche Risiken des Mobilfunks wahrgenommen. Offenkundig genießt die Berichterstattung hohes Vertrauen. Daher ist damit zu rechnen, dass auch künftig den Beiträgen in den Massenmedien hohe Aufmerksamkeit entgegengebracht wird.
Über 80 Prozent der Befragten verlangen mehr Informationen zur möglichen Gesundheitsgefährdung durch Mobilfunk. Diesen Bedarf geben vor allem Befragte bis 29 Jahre an. Offenbar reicht die Verunsicherung tief. Dies zeigt auch die Forderung nach mehr Informationen zu Möglichkeiten der Vorsorge. Über zwei Drittel wollen besser darüber informiert sein, welche Optionen zur persönlichen Vorsorge, wie z.B. die Verwendung von Head-Sets, bestehen. Etwa zwei Drittel der Befragten erwarten mehr Fakten insbesondere von den Mobilfunkanbietern. Die Erwartungen an das Expertenwissen der Unternehmen sind hoch. Knapp drei Viertel fordern von den Anbietern mehr Aktivitäten in Bezug auf den Umgang mit Risiken und Vorsorgemaßnahmen. Dies wird vor allem von den jüngeren Befragten verlangt. Behörden und offizielle Stellen sollten nach Auffassung von Älteren und von Befragten mit Kindern intensive Informationsarbeit leisten. Sie genießen in diesen Gruppen das höchste Vertrauen. Mehr als die Hälfte der Älteren erwartet von den Behörden und offiziellen Stellen ein hohes Engagement im Umgang mit möglichen Risiken und Vorsorgemaßnahmen. Insgesamt sind aus Sicht der Befragten aber auch die Umweltorganisationen stärker gefordert.
Allgemeine Einschätzung der Risikodebatte zum Mobilfunk
Die Diskussion um mögliche gesundheitliche Risiken im Mobilfunk bewegt sich in den Medien auf einen neuen Höhepunkt zu. Die Mehrheit der Bevölkerung zeigt sich besorgt und wünscht mehr Informationen. Daher war von Interesse, festzustellen, ob die EMVU-Risikodebatte eher als notwendig oder als überflüssig wahrgenommen wird und welchen Stellenwert die Bürger ihr allgemein im Umgang mit den Risiken und Chancen neuer Technologien beimessen.
Zur allgemeinen Einschätzung der Risikodebatte wurden alle Befragten mit elf Thesen konfrontiert. Dies führte zu folgenden Ergebnissen: Vorsorgemaßnahmen für Kinder finden sehr hohe Zustimmung. Haushalte mit Kindern sind jedoch kostenbewusster und zeigen eine geringe Bereitschaft, für die Minderung potenzieller Risiken Geld zu bezahlen. Die Mehrheit geht davon aus, dass sich die Anzahl der Handynutzer trotz der EMVU-Debatte nicht verringern wird. Kaum jemand scheint ernsthaft bereit, auf sein Handy zuverzichten. Der Wunsch nach mehr Forschung und Information unterstreicht die weit verbreiteten Zweifel hinsichtlich des Ausmaßes und der Relevanz des Mobilfunks bezüglich gesundheitlicher Risiken.
Die Bereitschaft zum Diskurs über Chancen und Risiken ist in der Bevölkerung ausgeprägt. Der These: "Wer mobil telefonieren will, muss auch die Antennen akzeptieren", stimmen über 80 Prozent der Bevölkerung zu. Ein großer Teil der Bevölkerung ist bereit, Kosten für Vorsorgemaßnahmen in Kauf zu nehmen. Die hohe Zahlungsbereitschaft signalisiert, dass Vorsorgemaßnahmen für die Bevölkerung einen hohen Wert darstellen.
Die These, dass der Mobilfunk Risiken mit sich bringt, wird von zwei Dritteln für zutreffend erachtet: Analog zum Autoverkehr erwartet man auch im Mobilfunk Risiken, über die mit ähnlicher Intensität debattiert werden wird wie bei einschneidenden Verkehrsprojekten. Da es um eine Weichenstellung im Umgang mit einer neuen Technologie geht, halten die wenigsten die Diskussion über die möglichen Risiken des Mobilfunks für überflüssig. Die Akteure - vor allem die Mobilfunkunternehmen und die Behörden - müssen sich auf einen Fortgang des Diskurses vorbereiten und lernen, ihn als notwendigen Vorgang der gesellschaftlichen Auseinandersetzung über Einbettungs- und Nutzungsweisen moderner Technologien zu begreifen.
Online-Immissionsdatenbanken, die Transparenz über die Höhe der EMF-Belastung herstellen, gelten als sinnvoll, um eine indirekte Kontrolle über die Einhaltung der Grenzwerte auszuüben. Der Zugriff für jeden Interessierten, wie er von der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) angeboten wird, ist für viele Befragte eine wichtige Voraussetzung. Eine Absenkung der Grenzwerte würde von vielen als Eingeständnis gewertet, dass tatsächlich Risiken vorhanden sind. Daher werden überraschenderweise auch Vorsorgemaßnahmen für "sensible Zonen" weitgehend abgelehnt. Es überwiegt eine "Entweder-oder"-Haltung: Entweder werden Vorsorgemaßnahmen für alle Bürger getroffen, weil tatsächlich Risiken nachweisbar sind, oder es soll keine weitere Vorsorge getroffen werden, wenn bestehende Erkenntnisse dies nicht eindeutig nahe legen.
Selbstregulierungsmaßnahmen der Anbieter finden in den Meinungsäußerungen positiven Widerhall. Sie werden als zuverlässig und stabil beurteilt, da aus Wettbewerbsgründen jedes Unternehmen gezwungen wird, sich an Vereinbarungen zu halten. Dies gilt auch in Hinblick auf die beabsichtigte Deklarationspflicht von SAR-Werten, die den meisten kaum bekannt sind. Sollte die Spezifische Absorptionsrate als Kenngröße für die Einführung eines Gütesiegels verwendet werden, ist erhebliche Aufklärungsarbeit durch die Betreiber und Hersteller notwendig.
Ergebnisse der Ländervergleichsstudien
Die Diskussion über mögliche gesundheitliche Risiken elektromagnetischer Felder wird in Europa mit unterschiedlichen Schwerpunkten geführt. Als generelle Richtlinie gelten fast überall die vom Europäischen Rat empfohlenen ICNIRP-Grenzwerte,
Als "positives" Beispiel für einen "rationalen" Dialog über die EMF-Restrisiken kann Großbritannien gelten. Dort ist es den Netzbetreibern und Behörden gelungen, durch eine frühzeitige und vorausschauende Informationspolitik den Ausbau der Netze weitgehend ungestört voranzutreiben. Die Standortplanungen für die Basisstationen wurden veröffentlicht und die Kommunen bei der Auswahl weitgehend einbezogen. In Regionen mit Protestpotenzial wurden Mediatoren eingesetzt und Clearingstellen eingerichtet. Zudem wurden vor Jahren bereits Projekte zur wissenschaftlichen Untersuchung potenzieller Risiken aufgelegt. Nicht zuletzt der Stewart-Report
Als eher "negative" Beispiele für den Verlauf nationaler EMVU-Debatten müssen die Schweiz, Österreich und insbesondere Italien gelten. Die politisch-normative Einführung von "Vorsorge-Grenzwerten", die z. T. weit unterhalb der ICNIRP-Werte liegen, haben zu einer gravierenden Verschärfung der öffentlichen Auseinandersetzung geführt. Die um den Faktor Zehn niedrigeren Schweizer Grenzwerte, das "Salzburger Milliwatt" und die unterschiedlichen regionalen Grenzwertfestlegungen in Italien haben die Bevölkerung tief verunsichert und das Protestpotenzial anwachsen lassen. Immer neue Rufe nach Grenzwertsenkungen gehören zum Forderungskatalog der meisten Bürgerinitiativen und sind inzwischen in eine "Grenzwertspirale" gemündet. "Vorsorge-Grenzwerte", die nicht auf wissenschaftlich begründeten Zusammenhängen beruhen, werden von der Bevölkerung richtigerweise als Ergebnis politischer Aushandlungsprozesse angesehen und unterliegen dementsprechend kontinuierlichen Forderungen nach weiterer Absenkung.
Ein wesentliches Ergebnis der Untersuchung besteht darin, dass sich viele Maßnahmen und Forderungen zunehmend angleichen, um die öffentliche Debatte zu versachlichen und das Vertrauen in öffentliche Institutionen, Forschungseinrichtungen und Netzbetreiber wiederherzustellen: Informationskampagnen, Dialogprozesse zwischen den gesellschaftlichen Gruppen, die Veröffentlichung der Standorte, Kontrollmessungen sowie die Intensivierung der Forschung gehören zum Katalog der von Behörden und Netzbetreibern verfolgten Maßnahmen. Die frühzeitige Information der Bevölkerung über Ausbaupläne sowie die Einbeziehung der Kommunen bei der Standortwahl sind weitere wichtige Schritte, die zur Wiederherstellung des Vertrauens beitragen.
Ausblick
Die EMVU-Debatte befindet sich in Deutschland unzweifelhaft in einem entscheidenden Stadium. Vor dem Hintergrund des zunehmenden Protestpotenzials wurden von Verbänden, Kommunen und Netzbetreibern 2001 wichtige Maßnahmen ergriffen, deren Wirkung in Hinblick auf die Versachlichung der EMVU-Debatte, ihre Einwirkungstiefe und ihre Nachhaltigkeit zum heutigen Zeitpunkt noch offen sind. Zu den wesentlichen Eckpfeilern gehören der von der Bundesregierung verabschiedete Katalog von Vorsorgemaßnahmen, die Intensivierung der Forschungsförderung, die von den Netzbetreibern eingegangene Selbstverpflichtung sowie die Vereinbarung zwischen Netzbetreibern und Kommunen, künftig bei der Wahl der Standorte enger zusammenzuarbeiten.
Mittels der Beschreibung zweier Szenarien wurden angesichts dieser Maßnahmen die Spielräume für eine Kompromissbereitschaft der Bevölkerung, der Fachwelt, der Netzbetreiber sowie der Politik in zahlreichen Gesprächen mit Laien und Experten ausgelotet. Auf dieser Basis sind mit Vertretern unterschiedlicher Behörden, Unternehmen und Verbände Ansätze diskutiert worden, die zu einem sachlicheren Verlauf der Debatte beitragen können. Zum einen wurde eine mögliche negative Entwicklung als "Worst-Case"-Szenario ("Latenter Konflikt") skizziert, in dessen Verlauf es zu einer intensiveren Konfrontation und Verschärfung der Auseinandersetzung kommt und zahlreiche Kommunen, Städte und Gemeinden unter dem Druck ihrer Bürger Einfluss auf den Ausbau der Netze nehmen. Zum anderen wurde ein "Best-Case"-Szenario ("Diskurs und Kompromiss") konzipiert, in dessen Verlauf es auf Grund zahlreicher informationeller und diskursiver Maßnahmen von Seiten der öffentlichen Institutionen und der Netzbetreiber zu einer Rückgewinnung des Vertrauens und wachsender Akzeptanz gegenüber der Netzinfrastruktur kommt.
Ob die weitere Entwicklung in Richtung "Diskurs und Kompromiss" verläuft oder ein Szenario "Latenter Konflikt" wahrscheinlicher ist, hängt ganz wesentlich vom Erfolg der oben beschriebenen Maßnahmen ab. Dabei sind Kontinuität, Offenheit und Aufmerksamkeit im Dialog mit der Öffentlichkeit besonders wichtig, soll das bisher verloren gegangene Vertrauen zurückgewonnen werden.
Für die Entwicklung des EMVU-Diskurses in Richtung des "Best-Case"-Szenarios ist es von entscheidender Bedeutung, die Einheitlichkeit der Grenzwerte aufrechtzuerhalten. Daher sollte das Gespräch mit Städten und Kommunen gesucht werden, um drohenden "Insellösungen" wie z.B. in Berlin oder München mit unterschiedlichen Grenzwerten entgegenzuwirken. Wichtig ist ferner eine Einheitlichkeit der Argumentation der kommunizierenden Akteure. Der Ländervergleich legt eindringlich nahe, dass uneinheitliche oder widersprüchliche Aussagen gegenüber der Öffentlichkeit in erheblicher Weise zur Verunsicherung beitragen.
Schließlich spielen die Ergebnisse der Forschungsprogramme eine wesentliche Rolle für den weiteren Verlauf der Debatte. Zwar darf nicht darauf vertraut werden, dass deren Ergebnisse automatisch zu einer Versachlichung der Auseinandersetzung führen, wie dies insbesondere von politischer Seite erhofft wird. Dazu gibt es aus wissenschaftstheoretischer und methodologischer Sicht zu viele grundlegende Einwände. Sie werden aber dann eine positive Wirkungen entfalten können, wenn sie gegenüber einer breiteren Öffentlichkeit kommuniziert und "laiengerecht" vermittelt werden.