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Die Christliche Rechte und die amerikanische Politik von der ersten bis zur zweiten Bush-Administration | USA | bpb.de

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Die Christliche Rechte und die amerikanische Politik von der ersten bis zur zweiten Bush-Administration

Michael Minkenberg

/ 28 Minuten zu lesen

Seit einem Vierteljahrhundert nimmt die christliche Rechte Einfluss auf die amerikanische Politik. Aber mit George W. Bush hat sie einen ihnen überaus nahestehenden Vertreter im Zentrum der einzigen Weltmacht.

Einführung

Seit einem Vierteljahrhundert nimmt die Christliche Rechte Einfluss auf die amerikanische Politik, und immer wieder wurde sie für tot erklärt. Mit der Auflösung der Moral Majority 1986 und der Wahl des älteren, der Bewegung nicht sehr freundlich gesonnenen George Bush zum Präsidenten zwei Jahre später schien das Ende erreicht. Stattdessen setzte im Übergang von Bush zu Clinton eine Transformation und Wiedergeburt der Christlichen Rechten ein, die ihr eine neue politische Schlagkraft zuwachsen ließ. In den letzten Jahren von Clintons Amtszeit, als die Kongresswahlen von 1998 nicht die von den Republikanern gehegten Erwartungen erfüllten und im Februar 1999 das Impeachment (Amtsenthebungsverfahren) gegen Clinton im Senat scheiterte, zeigten sich neuerliche Ermüdungserscheinungen. Diesmal jedoch wurde das Ende der Bewegung auch von ihren eigenen Protagonisten verkündet. Im Vorfeld der Wahlen stellte Radio-Evangelist James Dobson resigniert fest: "Our people no longer recognize the nature of evil." Und einer der wichtigsten Strategen der Christlichen Rechten, der Mitbegründer von Moral Majority und Präsident der Free Congress Foundation, Paul Weyrich, ging nach dem gescheiterten Impeachment noch einen Schritt weiter, indem er in einem Rundbrief vom 16. Februar 1999 erklärte, dass die Rechte den mehr als 20 Jahre währenden Kulturkrieg verloren habe, und empfahl daraufhin den Rückzug aus Politik und Kultur: "We need to drop out of this culture." Weniger als zwei Jahre später zog mit dem born again-Christen und Sohn des ehemaligen Präsidenten George H. W. Bush nicht nur ein den Fundamentalisten und der Christlichen Rechten besonders nahe stehender Republikaner ins Weiße Haus ein. Mit ihm gelangten auch eine Reihe von Aktivisten der Christlichen Rechten und des "conservative movement" wie Grover Norquist, Spencer Abraham und John Ashcroft in einflussreiche Positionen in seiner Administration. Das Gefühl des Triumphes brach sich u.a. in einer besonderen Veranstaltung während der Amtseinführung des neuen Präsidenten im Januar 2001 Bahn. Unter dem Motto "The Funeral: A Conservative Celebration of the Death of the Clinton Administration" feierten Aktivisten der Christlichen Rechten und des "conservative movement" das Ende der Clinton-Ära. Die passende Predigt dazu wurde vom ehemaligen moral majority-Führer und TV-Prediger Jerry Falwell beigesteuert.

Der vorliegende Beitrag will diesem Umschwung nachgehen und die Frage erörtern, ob mit der Präsidentschaft des jüngeren George Bush eine neue Phase und zugleich ein politischer Höhepunkt in der Entwicklung der Christlichen Rechten erreicht ist, den ihr zu Amtszeiten seines Vaters oder auch Ende der neunziger Jahre nur wenige vorausgesagt hätten. Dazu sollen die Wandlungen im Organisationsfeld der Christlichen Rechten im Übergang vom 20. zum 21. Jahrhundert aufgezeigt und sodann in Beziehung zum politischen Umfeld, insbesondere der Republikanischen Partei und der Bush-Administration, gestellt werden. Hier wird die These vertreten, dass die Christliche Rechte seit der Wahl vom Jahr 2000 auf einem neuen, nicht mehr für möglich gehaltenen Höhepunkt angekommen ist, zugleich aber ihre Eigenständigkeit als Bewegung dadurch eingebüßt hat, dass die anfängliche Symbiose, in der die Republikaner die "Partei der Bewegung" waren, einer zunehmenden Instrumentalisierung durch die Partei und Administration gewichen ist. In anderen Worten: Die Christliche Rechte ist nunmehr die "Bewegung der Partei".

Das Netzwerk der Christlichen Rechten im Übergang zum neuen Millenium

Die Christliche Rechte kann als eine politische und soziale Bewegung verstanden werden, die entscheidend zur Politisierung und Mobilisierung des amerikanischen protestantischen Fundamentalismus ab Mitte der siebziger Jahre beigetragen hat. Fundamentalismus bedeutet hier eine ausgeprägte religiöse Orthodoxie, die sich auf die Unfehlbarkeit des biblischen Wortes und eine selektive Adaption religiöser Traditionen gründet und in einer diesseitigen Haltung dezidiert gegen bestimmte Ausprägungen der Moderne wie Liberalismus und Säkularismus Stellung bezieht. Die politische Mobilisierung und Organisation des protestantischen Fundamentalismus durch die Christliche Rechte kann daher als moderne antimodernistische Reaktion zur Bewahrung der fundamentalistischen Lebenswelt in einer sich rapide ändernden Umwelt aufgefasst werden. Die politische Programmatik der Christlichen Rechten wurde von Theodore Lowi treffend als Mischung aus Bibel und Edmund Burke, in der sich etatistische und populistische Elemente verbinden, charakterisiert. Die Forderung nach einer starken staatlichen Rolle zur Aufrechterhaltung traditioneller religiös-moralischer und sozialer Werte und Institutionen (family values, law and order) geht einher mit Antiparlamentarismus, scharfer Kritik am politischen establishment und Forderungen nach Dezentralisierung. Der Hauptgegner der Christlichen Rechten befindet sich unter all den Kräften, die tatsächlich oder vermeintlich Liberalismus, die Etablierung alternativer Lebensstile und Säkularisierung vorantreiben.

Die organisatorischen und strategischen Wandlungen und daraus hervorgehenden neuen politischen Impulse der Christlichen Rechten in den neunziger Jahren sind inzwischen vielfach dokumentiert und analysiert. Im Anschluss an die Präsidentschaftskampagne Pat Robertsons 1988 und die Gründung der von ihm geleiteten Christian Coalition 1989 ergaben sich grundlegende Verschiebungen im organisatorischen Spektrum und in der politischen Strategie. Die Tabelle fasst die wichtigsten Organisationen zusammen und bietet einen Überblick über die multiplen Mitgliedschaften wichtiger religiöser Führer der Bewegung.

Die äußerst wirkungsvolle strategische Erneuerung der Christlichen Rechten in den neunziger Jahren bestand in zwei zentralen Elementen der Übernahme von Strategien der Bürgerrechtsbewegung und anderer neuer sozialer Bewegungen. Zum einen erfolgte die Forcierung der Kulturkampfrhetorik, wobei allerdings religiöse Reizworte vermieden und ein Vokabular von Grundrechten eingesetzt wurde (z.B. in der Abtreibungsdebatte die Betonung des Rechts auf Leben Ungeborener). Zum anderen setzte der Direktor der Christian Coalition, Ralph Reed, die Rückkehr zu einer grass roots-Strategie durch, die sich (zunächst) von Washington ab- und der lokalen und Einzelstaatenpolitik und hier vor allem der Republikanischen Partei zuwandte. Als Ergebnis dieses Strategiewechsels ist festzuhalten, dass die Christliche Rechte in der Clinton-Ära immer mehr Ortsverbände und Einzelstaatenorganisationen der Partei unterwanderte. Mitte der neunziger Jahre dominierte sie 18 Einzelstaatenorganisationen, gegen Ende des Jahrzehnts waren es ca. 30. Dazu kommt eine wachsende Präsenz auf nationaler Ebene vor allem im Kontext von Kongress- und Präsidentschaftswahlen. Auf den republikanischen Nominierungskonvent in Houston 1992 stellte die Christliche Rechte etwa 300 der 2 000 Delegierten, und unter maßgeblichem Einfluss von Führungsfiguren wie Jerry Falwell, Pat Robertson, Phyllis Schlafly und Pat Buchanan stand der Konvent ganz im Zeichen von family values und der Verkündigung von Rednern wie Buchanan und Robertson, dass im Lande ein religiöser Krieg um die Seele Amerikas herrsche. Vier Jahre später spielte die Christliche Rechte in den Republikanischen Vorwahlen eine noch größere Rolle und trug wesentlich dazu bei, dass Robert Dole als Kandidat nominiert wurde. Auf dem Konvent in San Diego waren nunmehr bereits 500 der 2 000 Delegierten Mitglieder der Christlichen Rechten. Inzwischen hatte seit den Kongresswahlen von 1994 eine im historischen Maßstab äußerst konservative Republikanische Partei die Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses inne. Sie begann unter Leitung ihres Mehrheitsführers im Abgeordnetenhaus, Newt Gingrich, eine radikale Oppositionspolitik gegen die Clinton-Administration, an der auch führende Vertreter der Christlichen Rechten mitwirkten und die im letztlich gescheiterten Versuch einer Amtsenthebung des Präsidenten mündete.

Die daraus resultierende Ernüchterung und Enttäuschung unter führenden Aktivisten der Christlichen Rechten fiel zusammen mit einer neuerlichen Reorganisation ihres Netzwerkes. Diese drückte sich unter anderem in personellen Veränderungen an der Spitze von Christian Coalition aus. Bereits im September 1997 verließ Ralph Reed die Organisation und wechselte in die kommerzielle Politikberatung. Sein Nachfolger, Randy Tate, konnte im Gegensatz zu Reed bereits auf eigene parlamentarische Erfahrungen als republikanischer Abgeordneter (1995 - 1997) zurückblicken und war ein enger Parteifreund Newt Gingrichs. Damit entschied sich die Führung von Christian Coalition bewusst für eine weitere Professionalisierung ihrer Führung und eine besonders enge Beziehung der Organisation zum politischen Establishment auf Capitol Hill. Dieser neue Professionalisierungsschub an der Spitze von Christian Coalition wurde im Dezember 2001 fortgesetzt, als Pat Robertson Roberta Combs antrug, die Präsidentschaft von Christian Coalition zu übernehmen. Im Gegensatz zu Robertson bekleidete Combs vor ihrer Arbeit für Christian Coalition keine kirchliche Position, sondern war stets in der Politik ihres Heimatstaates South Carolina aktiv. Seit Gründung der Christian Coalition leitete sie deren Büro in Charleston; erst 1999 wechselte sie auf Wunsch Robertsons in das nationale Büro der Organisation in Chesapeake, Virginia.

Nach eigenen Angaben hat Christian Coalition heute fast zwei Millionen Mitglieder und kann immer noch beanspruchen, die größte Organisation der Christlichen Rechten zu sein. Allerdings hat sie einiges von ihrer politischen Durchschlagskraft aus der Hochzeit Mitte der neunziger Jahre eingebüßt. So fiel Christian Coalition im alljährlichen ranking einflussreicher Lobbygruppen in Washington DC durch das Wirtschaftsmagazin "Fortune" von einem siebten Platz in den Jahren 1997 und 1998 auf den 35. Platz im Jahre 1999. Dagegen rückte das National Right to Life Committee, eine single issue-Organisation der Christlichen Rechten, die sich dem Kampf gegen die Abtreibung verschrieben hat, vom zehnten Platz (1997) auf den achten Platz (1999) vor.

Hinter dieser Gewichtsverschiebung liegt eine organisatorische Verschiebung im Gefüge der Christlichen Rechten. Ein Netzwerk verschiedener Gruppen, darunter James Dobsons Focus on the Family, Gary Bauers Family Research Council (seit 2000 unter der Leitung von Kenneth Connor) sowie Bauers eigenes political action committee, Campaign for Working Families, hat sich inzwischen als Hauptrivale von Christian Coalition etabliert. Die Vernetzung dieser Gruppen drückt sich u.a. darin aus, dass Bauer und Dobson den Aufsichtsräten der jeweils anderen Organisation angehören, obwohl sie öffentlich Unabhängigkeit voneinander demonstrieren. Family Research Council verfügte über ein Budget von 14 Millionen US-Dollar (1997) und 455 000 Mitglieder (1998), die Mitgliedschaft von Campaign for Working Families geht ebenfalls in die Hunderttausende und übersteigt somit diejenige der United Auto Workers oder der National Education Association. James Dobson verlagerte 1991 den Hauptsitz von Focus on the Family nach Colorado Springs, was einen spürbaren Aufschwung der Aktivitäten der Christlichen Rechten in Colorado nach sich zog, da die etwa 1 300 Angestellten in der lokalen und einzelstaatlichen Politik und den konservativen Kirchen dieses Bundesstaates äußerst aktiv sind. Als Ergebnis sind u.a. verschiedene erfolgreiche Volksabstimmungen in den Themenbereichen Homosexualität und Abtreibung und eine Vertiefung des "kulturellen Grabens" zwischen protestantischen Fundamentalisten und anderen Gruppen (Katholiken, Schwarze, Hochschulabsolventen) zu nennen. Von Colorado Springs aus erreichen Dobsons Radioprogramme mehrere Millionen Zuhörer in den gesamten USA.

Zu den weiteren einflussreichen Gruppen am Ende des letzten Jahrzehnts gehören schließlich auch die in der Frühzeit der Christlichen Rechten entstandene Concerned Women for America unter der langjährigen Führung von Beverly LaHaye (jetzt Carmen Pate), welche ebenfalls ihr eigenes Radioprogramm betreibt, und die Traditional Values Coalition unter der Führung zuerst von Lou, dann von seiner Tochte Andrea Sheldon. Concerned Women for America ist in etwa 1 200 "Gebets- und Aktionsgruppen" organisiert, während die andere Organisation angibt, Mitglieder aus 43 000 kirchlichen Kongregationen zu haben.

Eine Analyse des gegenwärtigen Zustands und Einflusses der Christlichen Rechten muss der föderalen Struktur der USA besonders Rechnung tragen. Eine Studie von 13 Bundesstaaten, in denen die Bewegung über eine besonders ausgeprägte Organisationsbasis verfügt und eine sehr aktive Rolle mit allerdings unterschiedlichem Erfolg spielt, unterstreicht, dass der Professionalisierungsschub auf nationaler Ebene in den einzelnen Staaten weitgehend mit vollzogen und dass die weiter oben aufgezeigten Grenzen der Mobilisierung und Einflussnahme in vielen Fällen bereits erreicht sind. Vor allem in den Südstaaten, in denen die Christliche Rechte über die meisten Ressourcen verfügt, zeigen sich gewisse Abnutzungserscheinungen. Zwar war sie überaus erfolgreich in der Durchdringung der republikanischen Einzelstaatenorganisationen, so dass sie inzwischen als fester Bestandteil der republikanischen Parteiorganisationen in vielen Staaten gelten kann. Aber mit diesem organisatorischen Erfolg und dem Zugang zu den Entscheidungsträgern in Parlamenten und Administrationen ging der Verlust der Eigenständigkeit und des ursprünglichen ideologisch-programmatischen Profils verloren. In diesem Sinne ist die Aussage Roberta Combs' bei ihrer Amtsübernahme in der Christian Coalition zu verstehen, dass sie der Organisation eine neue Richtung geben, sie wieder stärker an ihren spirituellen Auftrag heranführen sowie ein "outreach" zu neuen Gruppen versuchen wolle.

Christliche Rechte, die Republikaner und die Präsidentschaftswahlen 2000

Können die primaries und Nominierungskonvente der Republikanischen Partei seit 1988 als Indikator für den Rechtsruck der Partei unter dem Einfluss der verschiedenen Gruppierungen der Christlichen Rechten gelten, so gilt dies ebenfalls auf der Ebene der Wahlen. Im Laufe der neunziger Jahre zeigte sich, dass sich der unter Ronald Reagan begonnene Trend fortsetzte, dem zufolge die wirtschaftlich Bessergestellten und diejenigen, die als Anhänger der Christlichen Rechten gelten, d.h. vor allem weiße born again-Christen bzw. Fundamentalisten, weiter überdurchschnittlich oft für die Republikaner stimmten. Der weiße Süden und insbesondere fundamentalistische Wähler stellten im letzten Jahrzehnt die Grundlage einer jeglichen Republikanischen Wahlkoalition dar. Eingehende Datenanalysen belegen, dass es der Bewegung gelang, diese ursprünglich eher zu den Demokraten neigenden Wähler für die Republikanische Partei zu mobilisieren. Sie trugen damit zu einem realignment mit weitreichenden Konsequenzen für Strategie und Taktik der Republikaner und ihrer Kandidaten bei. Offensichtlich war die Mobilisierung der Fundamentalisten in den achtziger Jahren nicht an die Person Reagans gebunden, denn sie war auch nach dessen Abgang und unter dem für jene wenig attraktiven älteren Bush zu beobachten. Auch ist diese Mobilisierung nicht mit einer neuen Responsivität der alten republikanischen Parteieliten verbunden, vielmehr hat die Christliche Rechte die Partei durch ihre Unterwanderung responsiver gemacht.

Wie weit dieser Prozess einer Verschmelzung zu Beginn des neuen Jahrzehnts vorangeschritten ist, zeigen verschiedene neuere Untersuchungen. In mehreren Fällen zeichnete sich eine strukturelle Verschiebung ab von der anfänglichen Allianz zwischen Christlicher Rechter und Republikanern und späteren Symbiose zwischen Partei und Bewegung zu einer Absorption der Bewegung durch die Partei und einer damit einhergehenden Professionalisierung und "Domestizierung". Was für die Entwicklung in Florida gilt, kann auch mit Blick auf andere Südstaaten gesagt werden: Die Christliche Rechte wandelte sich "from an outsider social movement to a conventional interest group to a durable faction within a major party". Allerdings führten nach der Phase der Konsolidierung in den neunziger Jahren verschiedene innerparteiliche Faktoren zu Beginn des neuen Jahrzehnts nicht selten dazu, dass sich dieser Parteiflügel gegen andere nicht endgültig durchsetzen konnte, wie in Kansas oder Minnesota. Oder es kam dazu, dass sich die Christliche Rechte etwa in Nominierungswahlkämpfen in Gouverneurs-, Senats- oder Präsidentschaftswahlen bewusst strategisch verhielt und gemäßigteren und wählbareren Kandidaten den Vorzug gab vor denjenigen aus den eigenen Reihen oder solchen, die der Christlichen Rechten ideologisch näher stehen, wie in Virginia oder Texas.

Eine auf Umfragen basierende Analyse von Aktivisten der Christlichen Rechten im Vergleich zu regulären Aktivisten der Republikanischen Partei in den späten neunziger Jahren kommt zu dem Ergebnis, dass Erstere immer noch deutlich radikalere Überzeugungen pflegen als Letztere, vor allem was die Einstellung zur Abtreibung, die Unterstützung Israels im Konflikt mit den Palästinensern, die Sympathie für die National Rifle Association und die Gegnerschaft zu liberalen Gruppen wie American Civil Liberties Union und National Organization of Women angeht. Auf der anderen Seite haben sich die republikanischen und die christlich-rechten Aktivisten in demographischer Hinsicht (was Alter, Hochschulabschluss, Einkommen und Südstaaten-Residenz betrifft) inzwischen stark angeglichen, und fast zwei Drittel der Republikaner drücken ihre Sympathie für die Christliche Rechte aus. Dies bedeutet, dass die Christliche Rechte ihre Basis in der Republikanischen Partei ausbauen konnte und sich in vielerlei Hinsicht zunehmend mit der Partei identifiziert. Andersherum bedeutet dies, dass der Kern der republikanischen Aktivisten die Bewegungsaktivisten absorbiert hat und die Christliche Rechte und ihre Agenda weitgehend unterstützt. Daneben ist ein wachsender Pragmatismus unter den christlich-rechten Aktivisten festzustellen, der parallel zu den Verschiebungen auf der organisatorischen Ebene einen Übergang von der Bewegungs- zur konventionellen Partei- und Wahlkampfpolitik darstellt. Allerdings ist dies nicht gleichbedeutend mit Kompromissfähigkeit und Verhandlungsbereitschaft, vor allem wenn die Kernthemen der christlich-rechten Agenda auf dem Spiel stehen: "Christian rightists lag behind their GOP counterparts in willingness to negotiate, compromise, and build coalitions."

Vor diesem Hintergrund ist die Rolle der Christlichen Rechten im Wahljahr 2000 und die daraus hervorgehende Konstellation einer besonders engen Verbindung zwischen der Bewegung, der Partei und der Kandidatur von George W. Bush zu sehen. Die Vorwahlsaison in der Präsidentschaftswahl von 2000 ähnelte insofern der Situation von 1988, als die Christliche Rechte sich nicht auf einen einzelnen Kandidaten einigen konnte. Im Vorfeld der Wahlen galt Senator John Ashcroft aus Missouri als Wunschkandidat der Bewegung. Ashcroft hatte sich als Gouverneur in Missouri und später als US-Senator in zentralen Themen (traditionelle Familie, Abtreibung, Schulgebet) die Agenda der Christlichen Rechten zu Eigen gemacht und wurde von namhaften Aktivisten der Christlichen Rechten wie Paul Weyrich, Phyllis Schlafly, Pat Robertson und Ralph Reed als Favorit unter den Republikanern eingestuft. Vor den primaries entschied er sich jedoch gegen eine Kandidatur und gab somit das Feld frei für eine Reihe von Kandidaten, die auf Unterstützung durch die Christliche Rechte hofften, unter ihnen der ehemalige Vizepräsident Dan Quayle, der schwarze Konservative und ehemalige US-Botschafter Alan Keyes, Verleger Steve Forbes, Senator Orrin Hatch (Utah) sowie der christlich-rechte Aktivist Gary Bauer.

Zu den potenziellen Kandidaten der Christlichen Rechten sind auch Howard Phillips und Pat Buchanan zu zählen, die als Unabhängige konkurrierten. Phillips ließ sich von seiner in Constitution Party umbenannten alten Parteiorganisation der US Taxpayers Party als Präsidentschaftskandidat aufstellen. Buchanan gelang es, nachdem er das republikanische Feld und auch die Partei frühzeitig verlassen hatte, sich in einer Art "feindlicher Übernahme" durch die von Ross Perot ins Leben gerufene Reform Party nominieren zu lassen. Trotz des dadurch erzielten Ressourcenreichtums konnte er aber wenig von seiner alten, aus seinen Kandidaturen in den republikanischen primaries von 1992 und 1996 stammenden Verbindung zur Christlichen Rechten profitieren. Im November erhielt er 450 000 Stimmen, das zweitbeste Ergebnis eines unabhängigen Kandidaten in 2000 (nach Ralph Nader von den Greens) und das beste Ergebnis einer rechtsradikalen Partei seit 1972, aber weit unter den acht Millionen, die vier Jahre zuvor für Ross Perot gestimmt hatten.

In den republikanischen Vorwahlkämpfen zogen Bauer, Hatch und Keyes ihre Kandidaturen bald zurück, und der Wahlkampf spitzte sich auf die Konkurrenz zwischen George W. Bush und dem moderaten Senator John McCain zu. Wie früher Ronald Reagan, George H.W. Bush und Robert Dole war auch in dieser Präsidentschaftswahl der republikanische front runner und spätere Kandidat George W. Bush nicht der ideale Repräsentant für die Christliche Rechte. Er konnte sich aber wie seine Vorgänger zwischen 1988 und 1996 im Verlaufe der Vorwahlen auf dem Republikanischen Parteitag und schließlich im allgemeinen Wahlkampf deren volle Unterstützung sichern, indem er sich deutlich auf sie zu bewegte. So besuchte Bush bereits zu Beginn der primaries die fundamentalistische Bob Jones University in South Carolina, die wegen der antikatholischen Ansichten ihres Gründers und ihres Verbots von "interracial dating" unter den Studierenden immer wieder kritisiert wird. Die sich daran anschließende Kontroverse zwischen McCain und Bush trug nicht unerheblich dazu bei, dass die Christliche Rechte verstärkt Anstrengungen unternahm, um Bush die Nominierung zu sichern. In Südstaaten wie South Carolina und Virginia beteiligten sich die Anhänger der Christlichen Rechten überdurchschnittlich an den Vorwahlen, und eine große Mehrheit unter ihnen stimmte für Bush, so dass McCain bereits am 9. März aufgab und den Weg für die Nominierung von George W. Bush auf dem Konvent in Philadelphia freimachte.

Auf diesem Parteitag spielte die Christliche Rechte im Vergleich zu denen von 1988, 1992 und 1996 eine eher zurückhaltende Rolle. Pat Robertson hielt keine Rede auf dem Konvent, war allerdings mit seinem Sender Christian Broadcasting Network in der Kongresshalle präsent. In einem nahe gelegenen Hotel stellt er vor 3 000 Zuhörern eine entscheidende Rolle der Christian Coalition im bevorstehenden Wahlkampf in Aussicht; so sollten etwa 75 Millionen "voter guides" verteilt werden. Die Stimmung auf dem Parteitag war durchaus religiös eingefärbt, aber weniger fundamentalistisch und eher ökumenisch. Dies hatte auch damit zu tun, dass die Zahl der der Christlichen Rechten nahe stehenden Teilnehmer unter den 2 066 Delegierten im Vergleich zu den vorangegangenen Konventen nicht weiter anwuchs. Etwa 550 oder 27 Prozent der Delegierten waren Fundamentalisten. Damit lagen sie deutlich unter dem Anteil dieser Gruppe unter republikanischen Parteianhängern (37 Prozent). Andererseits unterstützte die große Mehrheit der Delegierten stärker als die Parteianhänger einige zentrale Positionen der Christlichen Rechten. Dies schlug sich auch im Parteiprogramm nieder, das wie in den Präsidentschaftswahlen zuvor die soziomoralischen Positionen der Christlichen Rechten aufnahm.

Der Wahlausgang im November 2000 und sein Nachspiel gehören zweifellos zu den großen Merkwürdigkeiten der amerikanischen Wahlgeschichte. Weniger merkwürdig war, dass George W. Bush wie seine republikanischen Vorgänger unter den Präsidentschaftskandidaten über eine große Unterstützung unter den Fundamentalisten verfügte: 69 Prozent von ihnen stimmten für ihn, nur 29 Prozent für Albert Gore. Die Zahlen verschieben sich noch weiter zu Gunsten von Bush, wenn man den Grad an Religiosität hinzunimmt (87 Prozent der weißen Protestanten, die als sehr religiös eingestuft werden können). Da diese Gruppe sich ebenfalls überdurchschnittlich an der Wahl beteiligte, kann davon ausgegangen werden, dass Anhänger der Christlichen Rechten in einzelnen Wahlkreisen durchaus entscheidend zum Ausgang der Wahl beigetragen haben. George W. Bush kann aufgrund des knappen Wahlausgangs nicht beanspruchen, ein klares Mandat von den amerikanischen Wählern erhalten zu haben, wohl aber kann man behaupten, dass er von den Fundamentalisten und den überdurchschnittlich religiösen Wählern ein solches bekommen hat. Wie hat er dies in seiner Administration und Politik berücksichtigt?

Die Bush Administration: Die Christliche Rechte endlich im Weißen Haus?

Die Regierungsbildung und -politik von George W. Bush demonstriert auch auf der Ebene der Exekutive, des Personals und der policies, dass die Verschmelzung von Bewegung und Partei weiter vorangeschritten ist. Nie zuvor gab es eine derartig "rechtslastige" Administration, nie zuvor eine solche Nähe der Christlichen Rechten zur politischen Macht in Washington. Bei der Auswahl des Personals setzte Bush klare Akzente, indem er John Ashcroft den Posten des Justizministers und Attorney General übertrug, eine Wahl, die nicht als symbolische Geste, sondern als substanzielle Richtungsweisung zu verstehen ist. Andere hochrangige Vertreter des rechten Flügels der Republikaner umfassen die "neocons" im Verteidigungsministerium (Paul Wolfowitz, Richard Perle) und Theodore Olson als Solicitor General. Olson, Freund und Partner von Kenneth Starr, dem kontroversen Ankläger gegen Bill Clinton in der Lewinsky-Affäre, gehört der Federalist Society an, ein die Bürgerrechte und antidiskriminatorische Politik und Rechtsprechung bekämpfender Zirkel hochrangiger konservativer Juristen. Weitere Mitglieder sind Robert Bork, Edwin Meese und Clarence Thomas. Der Gründer der Federalist Society, Spencer Abraham, wurde Energieminister in Bushs Kabinett. Grover Norquist stand als Berater der Bush-Administration vor allem in der Phase der Amtseinführung und der Verteidigung von John Ashcroft gegen seine Kritiker im Senat zur Seite. Norquist, der in den achtziger Jahren als Mitglied des Republican National Committee u.a. Mentor von Ralph Reed war, stieg in den neunziger Jahren zu einer einflussreichen Figur in der konservativen Szene Washingtons auf. Er organisierte Strategieberatungen für viele Gruppen und Personen, darunter auch Organisationen der Christlichen Rechten sowie Newt Gingrich.

Im Bereich des policy making der Bush-Administration konnte die Christliche Rechte, wie bei früheren republikanischen Präsidenten auch, nur Teilerfolge erzielen. Bushs "compassionate conservatism" ist zweifellos keine Übernahme der Plattform der Christlichen Rechten, geht aber insgesamt weiter in der Umsetzung ihrer Agenda, als dies bei vorherigen Administrationen der Fall war. Der Versuch, es sowohl dem rechten (und christlich-rechten) Parteiflügel als auch den Gemäßigteren recht zu machen, lässt sich am Beispiel von Bushs Position zur embryonalen Stammzellenforschung ablesen. Im August 2001 verkündete er, dass nur die Forschung an den 60 Stammzellenlinien, die zu diesem Zeitpunkt bereits existierten, eine staatliche Förderung erhalten würden. Der katholischen Kirche sowie der Mehrzahl der Gruppen der Christlichen Rechten ging diese Entscheidung zu weit, aber von Jerry Falwell erhielt Bush Lob. In einem anderen zentralen Bereich der religiösen Agenda der Christlichen Rechten, der Neuregelung des Staat-Kirche-Verhältnisses verfolgt die Bush-Administration eine klarere, wenngleich ebenfalls vorsichtige Linie. Seit Ende 2002 versucht sie, Beschränkungen bundesstaatlicher Finanzhilfen für religiöse Organisationen abzubauen, so etwa bei der Vertragsvergabe von Bundesbehörden über soziale Dienstleistungen, bei der Bereitstellung von Katastrophenschutzmitteln bei Erdbeben und Hurricanes und bei der Förderung des Baus kirchlicher Gebäude, in denen auch Gottesdienste stattfinden. Zusammengenommen lässt sich hier eine Politik beobachten, die im Gegensatz zum bisher vorherrschenden Paradigma einer strikten Trennung von Staat und Kirche langsam, aber kontinuierlich die bundesstaatliche Unterstützung religiöser Institutionen ausweitet.

Eine besonders heikle Kontroverse entspann sich nach dem 11. September 2001 um die Stellung des Islam in der amerikanischen Gesellschaft und die Position der Christlichen Rechten und der Bush-Administration. Im Gegensatz zum ökumenischen Geist der Trauerfeier im New Yorker Yankee-Stadium setzte im darauf folgenden Jahr eine wachsende und lauter werdende Kritik am Islam unter den fundamentalistischen Gruppen ein. Unter den geistlichen Führern der Christlichen Rechten machten Jerry Falwell, Pat Robertson und andere im Frühjahr 2002 durch islamkritische Bemerkungen auf sich aufmerksam. In einer im ganzen Land ausgestrahlten Sendung des bekannten TV-Magazins "60 Minutes" nannte Falwell Mohammed einen Terroristen. Rev. Franklin Graham, der Sohn Billy Grahams, bezeichnete den Islam als "very evil and wicked religion". Im Mai 2003 fand in Washington eine Tagung von 40 führenden evangelikalen Geistlichen statt, auf der sowohl diese und andere islamfeindliche Bemerkungen als auch die "naive" Dialogbereitschaft der protestantischen mainline-Kirchen gegenüber dem Islam kritisiert wurden. Diese Position hinderte einen Teil der Bewegung an den grass roots allerdings nicht daran, im Islam weiter einen Feind zu sehen und an der Konvertierung von Muslimen zum Christentum zu arbeiten. Rev. Richard Cizik, ein führender Funktionär der National Association of Evangelicals, welche 43 000 Glaubensgemeinschaften repräsentiert, kommentierte dies mit den Worten: "Evangelicals have substituted Islam for the Soviet Union (...) The Muslims have become the modern-day equivalent of the Evil Empire." Die Position der Bush-Administration in dieser Frage ist ambivalent. Auf der einen Seite hat Bush immer wieder betont, dass zwischen dem Islam als Religion und den muslimischen Extremisten unterschieden werden müsse, und der ihm nahe stehende Grover Norquist half muslimischen Gruppen, Zugang zum Weißen Haus zu bekommen. Auf der anderen Seite berief Bush den Wissenschaftler Daniel Pipes, der pauschal Moscheen als Nährboden für Terrorismus und Muslime in US-Behörden als Sicherheitsrisiko bezeichnete, in ein Institut der Bundesregierung. Und seine unmittelbare Reaktion auf den 11. September, als er zu einem Kreuzzug gegen den Terrorismus aufrief, kann als Ausdruck der vor allem bei Teilen der Christlichen Rechten gepflegten Kreuzzugsrhetorik gelten, auch wenn er diese Formulierung später nicht mehr verwendete.

Sind die innenpolitischen Vorstöße der Bush-Administration nur in eingeschränktem Sinne als Umsetzung der christlich-rechten Agenda zu betrachten, so lässt sich in der Außenpolitik eine deutlichere Linie ablesen. In drei zentralen Bereichen operiert die Bush-Administration im Sinne der Christlichen Rechten: in ihrem nationalistischen Unilateralismus, in der Nahostpolitik und im Kampf gegen den Terrorismus. Seit der Entstehung der Christlichen Rechten stellt der Unilateralismus eine der tragenden Säulen ihres politischen Programms dar. Standen in den achtziger Jahren noch der Kampf gegen den Kommunismus im Vordergrund und die Vereinten Nationen an zweiter Stelle, so rückten diese nach 1989 an die erste Stelle. Sie sind für die Christliche Rechte Ausdruck einer die USA zutiefst bedrohenden Weltordnung, indem sie mit ihren Konferenzen und Konventionen eine liberale bzw. soziale und säkulare Agenda vorantreiben, wie z.B. UN-Konferenzen über die Rechte der Frauen und über Bevölkerungspolitik, die UN-Konvention über die Rechte von Kindern, das UN-Biosphären-Programm sowie die Unterstellung US-amerikanischer Soldaten unter das Kommando der UN in Bosnien. In der von Tim LaHaye und Jerry Jenkin verfassten äußerst erfolgreichen Buchserie "Left Behind" (Gesamtauflage 50 Millionen) ist der Antichrist in der Person von Nicolae Carpathia, Generalsekretär der Vereinten Nationen, dargestellt. Dieses Programm wurde bereits Anfang der neunziger Jahre von Pat Robertson in seinem umstrittenen Buch, das neben Spuren von Antisemitismus eine umfassende Kritik der Außenpolitik George Bushs des Älteren enthält, dargelegt. Diese Kritik wäre heute mit dem jüngeren Bush im Präsidentenamt völlig unangebracht. Als Beispiele für den neuen Unilateralismus der jetzigen Administration seien lediglich die Aufkündigung des Kyoto-Protokolls, des ABM-Vertrages und die Weigerung, das Statut für den Internationalen Gerichtshof zu unterzeichnen, genannt. Die Entscheidung der Bush-Administration, sich nicht an UN-Programmen zur Familienplanung zu beteiligen und sich gegen die Anti-Diskriminierungskonvention der UN auszusprechen, erntete besonderen Beifall von der Christlichen Rechten.

In der Nahostpolitik gibt es trotz gelegentlicher Kritik an konkreten politischen Initiativen eine grundsätzliche Übereinstimmung zwischen der Christlichen Rechten und der Bush-Politik. Seit den siebziger Jahren erwies sich die Christliche Rechte als starke Unterstützerin von Israel und einer israelfreundlichen Politik. Diese wurzelt in erster Linie in der Eschatologie des Fundamentalismus, gemäß welcher die Wiederkehr Christi u.a. durch die Existenz des israelischen Staates in den biblischen Grenzen (d.h. einschließlich der heute besetzten Gebiete) angekündigt wird. Dies erfordert eine kompromisslose Positionierung der USA im Nahostkonflikt. John Hagee, ein Autor der Christlichen Rechten, bemerkt hierzu: "Israel is the only nation created by a sovereign act of God, and He has sworn by His Holiness to defend Jerusalem, His Holy City. If God created and defends Israel, those nations that fight against it fight against God." Kritik an der jetzigen Bush-Regierung seitens der Christlichen Rechten wird dann laut, wenn der Eindruck entsteht, dass die Regierung im Kampf gegen den Terrorismus zu viele Zugeständnisse an die arabischen Verbündeten macht oder zu viel Druck auf Israel im Konflikt mit den Palästinensern ausübt. Aber trotz der "road map" des Weißen Hauses und der Einbindung der palästinensischen Regierung in die Friedensgespräche gibt es nur wenig Anzeichen, dass Bush effektiv Druck auf die israelische Regierung ausübt, um diese zu Zugeständnissen zu bewegen.

Im Kampf gegen den Terrorismus schließlich kann sich die Christliche Rechte ebenfalls weitgehend von der Bush-Administration vertreten fühlen. Die Reaktionen der Christlichen Rechten auf den Terroranschlag vom 11. September 2001 waren sehr deutlich. Sie wurden als gerechte Strafe für den moralischen Verfall der Nation und als Befreiung für die Rückkehr zu einem ungebrochenen Nationalismus interpretiert. Jerry Falwell kommentierte die Ereignisse in einer Sendung von Pat Robertsons 700 Club mit den Worten: "God continues to lift the curtain and allow the enemies of America to give us probably what we deserve (...) I really believe that the pagans, and the abortionists, and the feminists, and the gays and lesbians who are trying to make that an alternative lifestyle, the ACLU, People for the American Way - all of them who have tried to secularize America - I point the finger in their face and say: 'You helped this happen'." Auch Janice Crouse von den Concerned Women for America sah etwas Positives in dem Anschlag: "The shattering blow that struck down the Twin Towers served to liberate us from our timidity in the face of scornful sophisticates who sneer at all things patriotic. After a long draught, our spirits drank deeply, no longer embarassed that our hearts swelled with pride to hear it trumpeted that America is a great and good land." Der 11. September und seine Folgen, mehr noch als der Nahostkonflikt, vereinten Christliche Rechte und Regierung in der Akzentuierung einer dualistischen und unilateralen Grundhaltung. Der Enthusiasmus der Christlichen Rechten für den moralischen Feldzug gegen den Terrorismus wurde von seiner Ausführung durch die Bush-Administration noch beflügelt. Nach dem 11. September erschien eine Reihe von Publikationen christlich-rechter Autoren, die argumentierten, dass der Terrorismus nicht eine Perversion des Islam darstelle, sondern zutiefst in der islamischen Tradition verwurzelt sei. Die Antwort auf den Terrorismus sei daher der Übertritt von Muslimen zum Christentum. Hierin allerdings liegt ein künftiger Konfliktstoff, da die Bush-Administration ihre diplomatischen Beziehungen zu arabischen Staaten kaum durch das Missionierungsgebot der Christlichen Rechten aufs Spiel setzen wird.

Fazit

Der Kontrast könnte kaum größer sein. Wie in diesem Beitrag dargelegt, hat sich innerhalb eines Jahrzehnts, zwischen der ersten und der zweiten Bush-Administration, das Verhältnis von Christlicher Rechter, Republikanischer Partei und jeweiliger Regierung grundsätzlich gewandelt. Um 1990 stand die Bewegung noch weitgehend außerhalb der Partei und sah sich mit Anzeichen eines Niedergangs konfrontiert. Die Beziehung zu George Bush senior war gespannt, wenn nicht gar feindlich. Zehn Jahre später hat die Bewegung die Partei soweit unterwandert, dass sie zu einem festen Bestandteil derselben geworden ist. Während der Schwerpunkt der Partei dadurch deutlich nach rechts gerückt ist, wurde die Bewegung absorbiert und domestiziert, so dass ihre Eigenständigkeit nun stets Gefahr läuft, der Parteiräson unterworfen zu werden, und sie hat einen beträchtlichen Teil ihres Profils und ihrer Schlagkraft eingebüßt. Zugleich hat die Christliche Rechte in George Bush junior einen ihr besonders nahe stehenden Präsidenten. Er hebt sich, was seine Politik, seine Religiosität und seine Familienverhältnisse angeht, deutlich von allen Vorgängern im Weißen Haus einschließlich Ronald Reagan positiv im Sinne der Christlichen Rechten ab. Dadurch verkörpert er aber auch ein Dilemma, das alle Bewegungen in einer solchen Entwicklungsdynamik teilen: Je größer die Nähe zur politischen Macht, desto stärker steht die Identität und Integrität der Bewegung auf dem Spiel.

Als Bestandteil einer Partei, die den Spielregeln der Demokratie unterworfen ist, und nunmehr auch als Partnerin einer Regierung, die den (vondieser durchaus etwas manipulierbaren) Geschäftsbedingungen der amerikanischen Innen- und Außenpolitik unterliegt, kann die Christliche Rechte immer weniger beanspruchen, einen signifikanten Beitrag zur Bewahrung der fundamentalistischen Lebenswelt zu leisten. Die Frage nach ihrer Effektivität wird umso lauter, je mehr sie sich auf das politische Spiel und seine Regeln einlässt. Diese Erkenntnis mag dem eingangs zitierten Pessimismus von Dobson und Weyrich zugrunde gelegen haben. Sie mag auch der Hintergrund für die wieder schrillen, aber immer weniger Gehör findenden Äußerungen Falwells und Robertsons (z.B. nach dem 11. September) sein. Es scheint, dass die Christliche Rechte mit George W. Bush einen Freund im Weißen Haus hat, der nur zeitweilig darüber hinwegtrösten kann, dass die gesellschaftlichen und weltpolitischen Prozesse, die den protestantischen Fundamentalisten in den USA kontinuierlich den Boden unter den Füßen wegziehen, weiter voranschreiten und mit politischen Mitteln kaum angehalten werden können. Mehr noch: Die Professionalisierung und politische Etablierung der Christlichen Rechten ist selbst als Ausdruck eines Zerfalls dieser Lebenswelt zu deuten, der neben der Einbindung der Fundamentalisten in den politischen Prozess auch neue Schismen und Fragmentierungen sowie eine Radikalisierung von Segmenten der Bewegung nach sich ziehen kann.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Für einen derartigen Nachruf vgl. Steve Bruce, The Rise and Fall of the New Christian Right, Oxford 1988. Zur genaueren Bestimmung dessen, was hier unter Christlicher Rechter verstanden wird, vgl. den nächsten Abschnitt.

  2. (http://www.family.org/docstudy/newsletters/a0002737. html) vom 30. 9. 1998.

  3. Lawrence Morahan, 'Moral Majority' Doesn't Exist, Key Conservative Says, Conservative News Service vom 18. 2. 1999; (www.conservativenews.org/InDepth/ archive/199902/IND19990218i.html) vom 15. 9. 2003.

  4. Vgl. Melissa August, Conservatives Stage a 'Funera'l for Clinton, in: TIME Magazine vom 19. 1. 2001.

  5. Vgl. Nancy Ammerman, North American Protestant Fundamentalism, in: Martin Marty/Scott Appleby (Hrsg.), The Fundamentalism Project. Band 1, Chicago-London 1991, S. 1 - 65; Michael Minkenberg, Neokonservatismus und Neue Rechte in den USA, Baden-Baden 1990. Die Unterscheidungen zwischen Fundamentalismus und Evangelikalismus sind in der Literatur alles andere als einheitlich. Hier sollen die Begriffe weitgehend synonym verwendet werden. Zur Abgrenzung, vgl. N. Ammerman, ebd., S. 4.

  6. Vgl. José Casanova, Public Religions in the Modern World, Chicago 1994, S. 137 - 157.

  7. Vgl. Theodore Lowi, American Impasse. The Ideological Dimension at Era's End, in: Michael Minkenberg/Herbert Dittgen (Hrsg.), The American Impasse. U.S. Domestic and Foreign Policy after the Cold War, Pittsburgh 1996, S. 6.

  8. Vgl. Michael Minkenberg, Die neue radikale Rechte im Vergleich. USA, Frankreich, Deutschland, Opladen-Wiesbaden 1998, S. 146 - 148.

  9. Vgl. z.B. Manfred Brocker, Die Christliche Rechte in den USA, in: Michael Minkenberg/Ulrich Willems (Hrsg.), Politik und Religion, PVS-Sonderheft 33/2002, Wiesbaden 2003, S. 256 - 278; Matthew Moen, The Transformation of the Christian Right, Tuscaloosa 1992. Im Folgenden vgl. M. Minkenberg (Anm. 8), Kap. 7.

  10. Vgl. M. Minkenberg (Anm. 8), S. 258f.

  11. Vgl. John Persinos, Has the Christian Right Taken Over the Republican Party?, in: Campaigns and Elections vom 15.9. 1994, S. 21 - 29; Morris Fiorina, damals Harvard University, persönliche Kommunikation im Februar 1997.

  12. Vgl. M. Minkenberg (Anm. 8), S. 341 - 347.

  13. Vgl. hierzu die detaillierten Aufzeichnungen eines ehemaligen Insiders in: David Brock, Blinded by the Right. The Conscience of an Ex-Conservative, New York 2002, insbes. Kap. 11 - 13.

  14. Vgl. (http://www.cnn.com/ALLPOLITICS/1997/06/10/tate) vom 30. 9. 2003.

  15. Vgl. (http://www.charleston.net/stories/082303/hip_23 combs.shtml) vom 30. 9. 2003.

  16. Vgl. die website der Organisation auf (http://www.cc.org) vom 30. 9. 2003.

  17. Vgl. Ruth Murray Brown, For a Christian America. A History of the Religious Right, Amherst, NY 2002, S. 277f.

  18. Vgl. ebd., S. 178f.

  19. Vgl. Robert Zwier, The Christian Right and the Cultural Divide in Colorado, in: John C. Green/Mark J. Rozell/ Clyde Wilcox (Hrsg.), The Christian Right in American Politics. Marching to the Millenium, Washington, D. C. 2003, S. 187 - 207.

  20. Vgl. R. M. Brown (Anm. 17), S. 273.

  21. Vgl. John Green, The Christian Right at the Millenium, Washington, D. C. 2000, S. 24.

  22. Vgl. J. C. Green/M. J. Rozell/C. Wilcox (Anm. 19). Die 13 Bundesstaaten sind im einzelnen: California, Colorado, Iowa, Florida, Kansas, Maine, Michigan, Minnesota, Oregon, South Carolina, Texas, Virgina und Washington.

  23. Vgl. (http://www.charleston.net/stories/082303/hip_23 combs.shtml) vom 30. 9. 2003.

  24. Vgl. Michael Minkenberg, Die amerikanische konservative Revolution. Radikale Rechte und Republikanische Partei am Ende des Jahrhunderts, in: Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ), B 43/96, S. 45 - 53; ders., The End of the Republican Era? Public Opinion and the American Electorate in the 1990s, in: ders./H. Dittgen (Anm. 7), S. 125 - 156, inbes. Tab. 4 und 5; ders. (Anm. 8), Kap. 9.

  25. Kenneth D. Wald/Richard K. Scher, 'A Necessary Annoyance'? The Christian Right and the Development of Republican Party Politics in Florida, in: J. C. Green/M. J. Rozell/C.Wilcox (Anm. 19), S. 80. Fast die gleiche Formulierung findet sich im Beitrag über Virginia, vgl. Mark J. Rozell/Clyde Wilcox, Virginia: Birthplace of the Christian Right, in: ebd., S. 41.

  26. Vgl. die Beiträge in J. Green/M. J. Rozell/C. Wilcox (Anm. 19).

  27. Vgl. ebd., Tabelle 2 und S. 28 - 30.

  28. Ebd., S. 30.

  29. Vgl. Thomas B. Edsall, Christian Right Lifts Ashcroft, in: Washington Post vom 14. 4. 1998.

  30. Vgl. M. Minkenberg (Anm. 8), S. 251.

  31. Wegen des relativ hohen Ergebnisses von Ross Perot und seiner Partei im Jahre 1996 hatte der Kandidat der Reform Party in der Wahl 2000 Anspruch auf insgesamt 12,6 Millionen US-Dollar Wahlkampfkostenerstattung aus Bundesmitteln; vgl. Harold W. Stanley, The Nominations: The Return of the Party Leaders, in: Michael Nelson (Hrsg.), The Elections of 2000, Washington, D. C. 2001, S. 45; William Crotty, The Presidential Primaries: Triumph of the Frontrunner, in: ders. (Hrsg.), America's Choice 2000, Boulder, Col. 2001, S. 105.

  32. Vgl. M. Minkenberg (Anm. 8), S. 249 - 252.

  33. Vgl. H. W. Stanley (Anm. 31), S. 41.

  34. Vgl. John A. Clark/Adrey A. Haynes, The 2000 Presidential Nomination Process, in: Robert P. Steed/Laurence W.Moreland (Hrsg.), The 2000 Presidential Election in the South, Westport 2002, S. 27 - 32.

  35. Vgl. W. Crotty (Anm. 31), S. 108f.

  36. Zu diesen Zahlen vgl. Paul Abramson/John Aldrich/David Rohde, Change and Continuity in the 2000 and 2002 Elections, Washington, D. C. 2003, S. 77 - 84, 97 - 106.

  37. Vgl. David Frum, The Real George Bush, in: The Atlantic Online 2003, (www.theatlantic.com/unbound/interviews/int2003 - 02 - 12.htm) vom 12. 2. 2003.

  38. Vgl. D. Brock (Anm. 13), S. 45. Brock argumentiert, dass entgegen dem öffentlichen Anschein der Unparteilichkeit Olson eine harte Republikanische Parteilinie in den Versuchen, Bill Clintons Ruf zu schädigen und ihn aus dem Amt zu entfernen, verfolgte; ebd., S. 205 - 210.

  39. Vgl. ebd., S. 64 - 67.

  40. Vgl. P. Abramson/J. Aldrich/D. Rohde (Anm. 36), S. 291; Herbert Gottweis/Barbara Preinsack, Religion, Bio-Medizin und Politik, in: M. Minkenberg/U. Willems (Anm. 9), S. 427f.

  41. Vgl. Laurie Goodstein/Richard Stevenson, In Shift, U.S. to Offer Grants to Historic Churches, in: The New York Times vom 28. 5. 2003. Vgl. auch Michael Minkenberg, Staat und Kirche in westlichen Demokratien, in: ders./U. Willems (Anm. 9), S. 115 - 138.

  42. Vgl. hierzu Laurie Goodstein, Top Evangelicals Critical of Colleagues Over Islam, in: The New York Times vom 8. 5. 2003; dies., Seeing Islam as 'Evil' Faith, Evangelicals Seek Converts, in: The New York Times vom 27.5. 2003.

  43. Zit. in: dies., Seeing Islam as 'Evil' Faith. Vgl. auch Duane Oldfield, Making Sense of a World Transformed: The Christian Right Post-September 11, Papier auf der APSA-Tagung, Boston, 29. 8. 2002.

  44. Vgl. Richard W. Stevenson, For Muslims, a Mixture of White House Signals, in: The New York Times vom 28. 4. 2003.

  45. Vgl. hierzu M. Minkenberg (Anm. 5), S. 126 - 140.

  46. Vgl. Didi Herman, Globalism's 'siren song': the United Nations and international law in Christian Right thought and prophecy, in: The Sociological Review, (2001), S. 56 - 77.

  47. Vgl. D. Oldfield, The Evangelical Roots of American Unilateralism: The Christian Right's Influence and How to Counter It, Papier auf der APSA Tagung, Philadelphia, 28. 8. 2003. Es sei hier angemerkt, dass die Christliche Rechte trotz ihres ausgeprägten Unilateralismus nicht davor zurückschreckt, sich auf UN-Ebene zu organisieren. So haben Concerned Women for America, Eagle Forum und der Family Research Council NGO-Status und nahmen an UN-Foren teil. Vgl. ebd. sowie Doris Buss/Didi Herman, Globalizing Family Values, Minneapolis 2003.

  48. Vgl. Pat Robertson, The New World Order, Dallas 1991. Zur Kritik an diesen Vorstellungen vgl. Michael Lind, Reverend Robertson's Grand International Conspiracy Theory, in: The New York Review of Books, 42 (1995) 2, S. 21 - 25.

  49. Vgl. Grace Halsell, Prophecy and Politics, New York 1989; Michael Lienisch, Redeeming America: Piety and Politics in the New Christian Right, Durham 1993; Joshua Green, God's Foreign Policy, in: The Washington Monthly, (November 2001), S. 26 - 30.

  50. Zit. in: D. Oldfield (Anm. 47), S. 10.

  51. Zit. in: John F. Harris, God Gave U.S. 'What We Deserve', Falwell Says, in: The Washington Post vom 14. 9. 2001.

  52. Janice Crouse, Women Respond to September 11th. Living with the Aftermath of the Terrorist Attacks (2002), zit. in: D. Oldfield (Anm. 47), S. 13.

  53. Zu diesen Büchern gehören u.a. Mark Gabriel, Islam and Terrorism: What the Quran really teaches about Christianity, violence and the goals of the Islamic Jihad, Lake Mary 2002; George Grant, The Blood of the Moon: Understanding the Historic Struggle between Islam and Western Civilization, Nashville 2001.

Dr. phil., geb. 1959; Professor für Politikwissenschaft an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder); derzeit Consortium Professor for European Studies an der New York University und der Columbia University in New York.
Anschrift: New York University, Center for European Studies, 58 West 10 th Street, New York, N.Y., 10011, USA.
E-Mail: E-Mail Link: mm1807@nyu.edu

Veröffentlichungen u.a.: Neokonservatismus und Neue Rechte in den USA, Baden-Baden 1990; Die neue radikale Rechte im Vergleich. USA; Frankreich, Deutschland, Opladen-Wiesbaden 1998; (Hrsg. zus. mit Ulrich Willems) Politik und Religion, PVS-Sonderheft 33/2002, Wiesbaden 2003.