Einleitung
"We're coming with a mighty force to end the reign of your oppressors.We are coming to bring you food and medicine and a better life.And we are coming, and we will not stop, we will not relent until your country is free." George W. Bush
Der kommunistische Politiker und Medienunternehmer Willi Münzenberg (1889 - 1940) bezeichnete Propaganda einmal als Waffe, die es im politischen Kampf konsequent zu nutzen gelte.
In der propagandistischen Beeinflussung der Weltöffentlichkeit war in diesem wieder einmal als Gut gegen Böse inszenierten Duell eine neue Qualität zu verzeichnen: Die Massenmedien sind aus Sicht der Militärs von potenziellen Störfaktoren, die es zu instrumentalisieren gilt, zu willfährigen Helfern der Kriegführung avanciert. Die Medien selbst wurden zur Kriegswaffe. Gleichzeitig hat die politisch-diplomatische Außendarstellung der USA einen bemerkenswerten Veränderungsprozess durchlaufen, der im Irak-Krieg einen vorläufigen Höhepunkt fand: Kriege und bewaffnete Interventionen werden von vornherein als Public-Relations-Ereignisse geplant, Fragen ihrer dramaturgischen Inszenierung erlangen beinahe dieselbe Bedeutung wie die eigentliche politisch-militärische Planung.
Im Folgenden sollen diese Veränderungen am Beispiel des Irak-Kriegs näher beleuchtet werden. Zunächst geht es um die Professionalisierung der US-Auslandspropaganda in den späten neunziger Jahren, in einem zweiten Schritt dann um die neuen Strategien, mit denen Militärs die Potenziale der Medien instrumentalisieren und zu ihren eigenen Zwecken einsetzen.
Die Steuerung der Medien durch "Public Diplomacy"
Bereits im Sommer 2002, ein Dreivierteljahr vor Beginn des Krieges, sah sich die islamische Welt einer amerikanischen Charme-Offensive ausgesetzt. In den USA lebende Muslime erklärten in Fernsehspots, warum der American way of life auch für sie attraktiv sei, und bunte Broschüren, in denen die weise Politik des George Walker Bush gelobt wurde, tauchten in den Metropolen der islamischen Welt auf. Gleichzeitig erschienen in westlichen Medien zahlreiche Aufsehen erregende Hintergrundberichte über Saddam Husseins brutale Herrschaft im Irak - vielfach mit Informationen versehen, die keine Redaktion auf eigene Faust hätte recherchieren können. Die Häufung von Meldungen und Berichten war kein Zufall, sondern Produkt der amerikanischen PR-Kampagne, die bereits lange vor Beginn des Krieges gestartet worden war.
Für derartige Kampagnen sind die Vereinigten Staaten heute gut gerüstet. Die US-Administration hat schon in der Clinton-Ära begonnen, ihren noch aus dem Kalten Krieg stammenden Apparat für Auslandspropaganda und internationale Kulturarbeit zu modernisieren. Ein wichtiger Schritt war dabei die Zusammenfassung der bestehenden Institutionen zu einer schlagkräftigen Organisation unter Kontrolle des Außenministeriums. Im Zuge dieses Prozesses wurde die United States Information Agency (USIA) am 1. Oktober 1999 in das Außenministerium, das Department of State, integriert.
Die 1953 von Präsident Eisenhower auf Grundlage des Smith-Mundt Acts von 1948 gegründete USIA ist eine der wichtigsten Institutionen für die globale Selbstdarstellung der Vereinigten Staaten, in der ein Großteil aller Programme zur globalen Kommunikation zusammengefasst ist. Durch die Unterstellung der vormals unabhängigen Agentur unter das Außenministerium und die faktische Fusion mit dem International Information Program (IIP), dem offiziellen Auslandspressebüro der USA, erhielt das Department of State erstmalig eine schlagkräftige und politisch direkt steuerbare Institution für Auslandspropaganda. Das Wort Propaganda wird innerhalb der US-Administration zur Kennzeichnung der eigenen Aktivitäten allerdings nicht mehr gebraucht. Strategische Einflusskommunikation wird unter dem Titel "Public Diplomacy" geplant und durchgeführt. Darunter lässt sich eine Mischung aus Auslandspropaganda, politischem Marketing und Kulturdiplomatie verstehen. In offizieller Definition: "Public diplomacy involves U.S. Government activities intended to understand, inform, and influence foreign publics through international exchanges, international information programs, media research and polling, and support for nongovernmental organizations. Public diplomacy solidifies relations with America's allies, seeks to inculcate others with American values, and promotes mutual understanding between the United States and other societies. Done properly, it reduces the potential for conflict - military, political, and economic - and dispels negative notions about the United States. Public diplomacy is an inexpensive, yet highly effective, way to promote American policy and interests overseas."
Zur Staatssekretärin für den Bereich Public Diplomacy/Public Affairs im Außenministerium wurde im Oktober 2001 Charlotte Beers ernannt.
Obwohl sich in der letzten Zeit auch innerhalb der US-Administration kritische Stimmen derer mehren, die Zweifel am Erfolg von nach dem Muster kommerzieller Werbekampagnen gestrickten Propagandaaktionen hegen, ist der prinzipielle Glaube an die Macht von Public Diplomacy ungebrochen und erfährt von der Bush-Administration höchste Wertschätzung. Der Jahresetat allein des Außenministeriums für derartige Aktivitäten beträgt - die Rundfunkstationen eingeschlossen - zur Zeit rund 1,14 Milliarden US-Dollar. Im Oktober 2003 legte die "United States Advisory Group on Public Diplomacy for the Arab and Muslim World" einen Bericht mit dem Titel "Changing Minds, Winning Peace" vor. Der Report analysiert das Image der USA in der islamischen Welt und macht Handlungsvorschläge. Angesicht des verbreiteten Hasses auf Amerika, der "schockierende Ausmaße" angenommen habe, fordert die Gruppe eine weitere Intensivierung der internationalen Kommunikationsaktivitäten: "A process of unilateral disarmament in the weapons of advocacy over the last decade has contributed to widespread hostility toward Americans and left us vulnerable to lethal threats to our interests and our safety."
Die Bedeutung internationaler Informationspolitik lässt sich auch daran ablesen, dass es unter den maßgeblichen Ministern des Bush-Kabinetts handfesten Streit darüber gibt, wer welchen Propagandaapparat unterhalten darf. So gründete Verteidigungsminister Donald Rumsfeld 2002 das Office of Strategic Influence, welches - das wurde offen gesagt - ein Büro für internationale Zersetzungspropaganda und Desinformationspolitik sein sollte. Zwar musste das Pentagon dieses Büro nach weltweiten Protesten vor allem von Medienvertretern wieder schließen, doch nur kurz darauf wurde im Weißen Haus ein "Office of Global Communications" gegründet, das ähnliche Aufgaben wahrnimmt und die gesamte Auslandspropaganda der USA koordinieren soll - womit Bush die Kompetenzen von Außenminister Colin Powells neu geschaffenem Public-Diplomacy-Apparat in Frage stellte.
Diese Aktivitäten spielen sich auf der offiziellen Regierungsebene ab und fallen damit in den Bereich der "weißen", quasi offiziellen Propaganda. Parallel dazu sind in den USA in den vergangenen Jahren Strukturen entstanden, die eher im Zwielicht der "grauen" Propaganda operieren. Eine zentrale Rolle spielt hier der Kommunikationsberater John Rendon mit seiner Firma The Rendon Group.
Die Tätigkeit von Beers und Rendon wirft ein Schlaglicht auf eine Branche, die in War-time- Washington floriert: diejenige von Kommunikationsspezialisten, Politikberatern und PR-Managern, die für die Verpackung des Krieges zuständig sind. Nicht mehr der Sachverhalt bestimmt die Form der Botschaft, sondern der griffige Slogan regiert die Realität. Dass etwa der Irak nach dem 11. September 2001 so schnell ins Visier der USA geriet, hatte maßgeblich damit zu tun, dass dieser ein Ziel darstellte, das Bushs Wunsch nach einer "großen Lösung" entsprach.
Politikformulierung gerät unter diesen Bedingungen zu einer Art Kreativ-Workshop, wie sie in Werbeagenturen praktiziert werden: Politiker, Diplomaten, Militärs und PR-Experten legen zusammen die Konturen eines Krisenszenarios und seine Kommunikationslinien fest. Man feilt an PR-Konzepten, bis das richtige wording, eine zündende Botschaft in griffigen Worten, gefunden ist.
Auf einen solchen Prozess geht unter anderem das erste Dossier der britischen Geheimdienste vom 24. September 2002 zurück, welches in der Irak-Diskussion eines der zentralen Dokumente mit angeblichen Beweisen für Saddam Husseins Waffenprogramm war. Das Dossier war vor Veröffentlichung von Tony Blairs Kommunikationsdirektor und spin doctor Alastair Campbell bearbeitet worden. Auch vor Bushs Rede an die Nation vom 28. Januar und Powells Präsentation vor dem UN-Sicherheitsrat vom 5. Februar 2003 gab es tage- und wochenlange Abstimmungsprozesse, die weniger die Fakten als die einzuschlagende Argumentationslinie im Blick hatten. Alle genannten Verlautbarungen enthielten Fehler. Im britischen Dossier fand sich an prominenter Stelle die Behauptung, der Irak könne binnen 45 Minuten Massenvernichtungswaffen startklar machen (wobei offen gelassen wurde, welcher Reichweite). Bush kolportierte in seiner Rede, dass der Irak versucht habe, im westafrikanischen Niger angereichertes Uran zu kaufen, und Colin Powell sprach davon, dass es Beweise für die mobilen Biowaffenlabors Saddam Husseins gebe.
Blair wusste zum Zeitpunkt der Publikation des Dossiers, dass Saddam Hussein allenfalls lokale Waffen einsetzbar machen konnte, hielt diese Information aber zurück. Seine Informationspolitik wurde später vom Geheimdienstausschuss des britischen Parlaments als "irreführend" und "nicht hilfreich für das Verständnis des Problems" bezeichnet.
In den Berichten, Reden und Präsentationen der Politiker sind diese und andere Behauptungen aufgetaucht, weil die Regierungen ihre Botschaft um fast jeden Preis zuspitzen wollten. Ein shaping the message schien notwendig, um hinreichend Unterstützung und Legitimation für den Krieg zu bekommen.
Der Fall Irak zeigt, dass eine auf der Grundlage des PR-Paradigmas operierende Regierung nicht unbedingt einen guten Kriegsgrund, sondern vor allem eine gute Kriegsbegründung braucht. Der Rest läuft als routinierte Medienkampagne nach allen Regeln der Kunst ab. Die Medien bringt das in eine fast ausweglose Situation: Um ihrer Kontrollfunktion nachzukommen, sind sie durchweg auf die Bereitstellung bestimmter Basisinformationen durch die Regierungen angewiesen. Wenn aber das Agieren der politischen Klasse so stark auf positive Medieneffekte ausgerichtet ist, die Strategien der Medienbeeinflussung so perfektioniert werden, dass eine wirklich unabhängige Berichterstattung schon im Vorfeld von Kriegen beinahe unmöglich wird, können die Medien nur noch räsonieren, welche Vorgänge hinter der glatten Oberfläche der inszenierten Politik ablaufen. Die US-Regierung erwies sich vor dem Irak-Krieg als kommunikativ zu stark aufgestellt, als dass es möglich gewesen wäre, ihre Darstellung von Saddam Husseins Gefährlichkeit - trotz durchgehend vorhandener Zweifel - zu widerlegen.
Der Missbrauch der Medien durch die Militärs
Die Medien werden nicht nur von der Politik in die Zange genommen. Sie stehen auch im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit des Militärs. Im Hinblick auf militärische Techniken der Medieninstrumentalisierung stellt der Irak-Krieg einen Quantensprung dar.
Bis in die neunziger Jahre hinein hatten weder die NATO noch die US-Army eine Doktrin, welche die Führung eines Medien- und Informationskrieges regelte. Zwar gab es verschiedene Ansätze, doch die Zusammenführung der einzelnen Bausteine zu einer kohärenten Strategieanweisung erfolgte erst 1998.
Beide Doktrinen enthalten detaillierte Anweisungen für Truppenkommandeure, wie "Information Operations" und PSYOPs zu führen sind. Die Beeinflussung der Medien spielt dabei eine zentrale Rolle: Sie können zur Verbreitung von Desinformationen dienen und so den Gegner täuschen; sie vermögen es, eine in Panik geratene Bevölkerung zu beruhigen; mit ihnen können militärische Absichten vorgetäuscht werden, die niemand verfolgt. Kurz: Mit den beiden Doktrinen haben die US-Militärs die Medien zur Kriegswaffe erklärt und setzten sie im Irak auch so ein, wie der Verlauf des Krieges deutlich macht: Der angebliche Enthauptungsschlag zu Beginn des Krieges war vor allem symbolischer Art. Er sollte zeigen, dass die USA es tatsächlich auf Saddam Hussein abgesehen hatten (obwohl es nach Meinung mancher Beobachter unvorteilhaft gewesen wäre, dieser wäre schon am ersten Kriegstag umgekommen, da dann der wichtigste Kriegsgrund entfallen wäre) und dass man die Zivilbevölkerung möglichst schonen wollte. Die Flächenbombardements setzen erst einige Tage später ein. Auch notierten Journalisten, dass die Angriffe auf Bagdad stets zur besten Sendezeit im US-Fernsehen, um 21 Uhr, begannen und die getroffenen Gebäude anfangs durchweg in Sichtweite der auf dem Informationsministerium montierten Kameras lagen. Offensichtlich ging es bei diesen Angriffen weniger um reale militärische Ziele als um symbolische Botschaften, die durch die Medien verbreitet werden sollten. Der ZDF-Korrespondent Ulrich Tilgner, während des Kriegs in Bagdad, resümiert: "Mit Hilfe der Medien bestimmen die Militärs zugleich die öffentliche Wahrnehmung und nutzen sie für ihre Planungen. Sie schaffen es, Erwartungen zu wecken und Szenarien und Täuschungen zu verbreiten. Damit sind die amerikanischen Streitkräfte im Informationszeitalter angekommen. Sie machen Information, Desinformation und Nichtinformation zu einer neuen Waffengattung und führen einen neuen Krieg: den Informationskrieg."
Ein zentraler Bestandteil dieser Form von Kriegführung ist die Oberhoheit über Informationen. Sie ist mindestens genauso wichtig wie die Lufthoheit über das feindliche Gebiet, wie Otfried Nassauer, Leiter des Berliner Informationszentrums für transatlantische Sicherheit, hervorhebt: "Informations-Dominanz ist ein Kernbegriff moderner amerikanischer Kriegführung. Er eint überlegenes Wissen über Gegner, Risiken, potenzielle Ziele, die Wirkung eingesetzter Waffen und - allgemeiner - jedes Detail der Lage. ((...)) Informations-Dominanz wird aber auch bei der Begründung und Rechtfertigung von Kriegen und bei ihrer Außendarstellung gegenüber der Weltöffentlichkeit angestrebt. Der Kriegswillen des Gegners soll geschwächt, der Willen unentschlossener Regierungen beeinflusst und die Unterstützung des Krieges in der eigenen Gesellschaft gesichert werden. Die Mittel sind flexibel, die Grenzen oft fließend. Von der klassischen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit über Public Relations bis hin zur Psychologischen Kriegführung, von der Verbreitung selektiver dienlicher Wahrheiten bis zu offensichtlicher Desinformation - erlaubt ist, was dem hehren Ziel der eigenen Interpretationshoheit dient."
Dementsprechend wurde der Irak während des Krieges mit amerikanischer Propaganda überschwemmt. Millionen von Flugblättern wurden abgeworfen, auf Kommunikation spezialisierte Einheiten der Nationalgarde in DC-130-Flugzeugen, die so genannten Commando Solos, übertrugen Rundfunksendungen und agitierten gegen Saddam Hussein, während irakische Offiziere in E-Mails zur Desertion aufgefordert wurden. Gleichzeitig griffen die US-Militärs gezielt die Kommunikationseinrichtungen der Iraker an. Im Irak sollte keine medienvermittelte Kommunikation gegen die und ohne Kenntnis der Amerikaner mehr möglich sein. Die Medien sind im Rahmen einer solchen Strategie fester Bestandteil des militärischen Kalküls, verfügen sie doch über die Distributionsapparate, die man zur massenweisen Verbreitung der eigenen Botschaften braucht. Folglich müssen sie nach militärischer Logik möglichst vollständig instrumentalisiert werden, sie dürfen nicht der eigenen Propaganda widersprechen und diese konterkarieren.
Der frühere NATO-Sprecher Jamie Shea fasste 1999 zusammen, wie "gute" militärische Pressepolitik im Informationszeitalter auszusehen habe: Ausfüllen des kommunikativen Raums: ständig präsent sein mit Briefings, Interviews, Reden; Medien-Events planen: Pressekonferenzen, Interviews, Ausflüge zu Flüchtlingscamps; effiziente Koordinierung von militärischen und politischen Bekanntmachungen; Medienbeobachtung im Feindstaat und bei den Alliierten; Widerlegung von Falschinformationen; Reaktion auf unvorteilhafte Berichte; Schreiben von Artikeln und Debattenbeiträgen, die in bekannten Medien platziert werden können.
Vom Pool-Prinzip zum Embedding
Die innovativste Form der Medienkontrolle im Irak-Krieg war die Technik des "Embedding" ("Einbettens"). Das Konzept der embedded reporters wurde Ende 2002 vom Pentagon ersonnen
Daraus zu schließen, das Embedding sei aus reiner Freundlichkeit gegenüber den Medien eingeführt worden, wäre freilich ein Trugschluss. Aus Perspektive des US-Militärs ließen sich durch die neue Form der Organisation von Berichterstattung vier zentrale Ziele erfüllen: Erstens war die umfangreiche TV-Berichterstattung über den Verlauf der Kampagne von unmittelbarem informationstechnischem Nutzen. Sowohl im Hauptquartier von Tommy Franks in Doha wie in allen Feldhauptquartieren waren neben der militär-eigenen Informationstechnologie auch unzählige Fernseher installiert. Die Offiziere konnten sich so einen unmittelbaren Augenschein vom Kriegsgeschehen verschaffen.
Zweitens wussten die US-Generäle, dass auch das irakische Militär zuschaute. CNN, Al-Jazeera und BBC ergänzten und ersetzten auf beiden Seiten, besonders aber auf der irakischen, eigene Lageinformationssysteme. Die von den Amerikanern praktizierte militärische Strategie des "Shock and Awe", die darauf setzte, den Gegner durch einen massiven Aufmarsch psychologisch zu überwältigen und seine Kampfkraft zu lähmen, wurde in erster Linie über die elektronischen Medien transportiert. Als zu Beginn der Invasion unzählige Kameraleute auf amerikanischen und britischen Panzern über die irakischen Grenzen rollten, konnte sich die Führung in Bagdad in diversen Fernsehkanälen leicht davon überzeugen, dass sie mit einem übermächtigen Gegner konfrontiert war.
Drittens leitete sich aus der von den USA angestrebten Informationsdominanz ab, dass - wenn schon extensiv berichtet wird - die Journalisten besser von der eigenen Seite aus berichten, da man dann mehr Einfluss auf sie hat. Insofern kann das System des Embedding als Reaktion auf Veränderungen in der internationalen Medienlandschaft verstanden werden. Denn im Unterschied zum Golfkrieg 1991 gab es mit Al-Jazeera und dem im März 2003 in Dubai gestarteten Nachrichtenkanal Al-Arabija zwei arabische Sender, die in der Lage waren, unabhängig Material zu verbreiten. Das Bildmonopol, das CNN 1991 innegehabt hatte, war dahin. Dass die Berichterstattung von Al-Jazeera eine potenzielle Gefahr darstellte, wurde immer wieder deutlich. Aufnahmen von gefangen genommenen GIs, verschüchtert und verunsichert, widerlegten den Mythos vom leichten Krieg. Geradezu erschütternd war etwa das von Al-Jazeera ausgestrahlte Interview mit einem gefangenen US-Gefreiten, der auf die Frage, was er im Irak zu suchen habe, antwortete, er wolle hier bloß "kaputte Sachen reparieren".
Der vierte und entscheidende Punkt, der für das Embedding-Prinzip sprach, war ein psychologischer: Durch die enge Anbindung der Journalisten an die Armee sollte ein Solidarisierungseffekt der Reporter mit der kämpfenden Truppe herbeigeführt werden. Dadurch, dass die Journalisten eng mit den Soldaten einzelner Einheiten zusammenlebten und nicht nur deren Alltag, sondern auch die gefährlichen Momente des Kampfes teilten, bekam die Kriegsberichterstattung eine andere Dimension.
Der Erfolg des Embedding erklärt sich auch daraus, dass die Regeln des Pentagon und die Einsatzbedingungen der Korrespondenten ziemlich passgenau auf die Bedürfnisse der Medien zugeschnitten waren. Vor allem TV-Journalisten konnten ihren Heimatredaktionen Material liefern, das diese rund um die Uhr begeistert sendeten: Durch die Wüste rollende LKW-Karawanen, Panzerduelle, Giftgasalarme, Nahkampf. Die Bilderflut machte so manches Fernsehstudio zum war room, in dem pensionierte Militärs "Expertainment" betrieben. Fox-News tat sich besonders hervor und warb mit "faszinierenden Bildern und brandneuen Explosionen". Hinzu kam die Exotik des Landes. Typisch war etwa folgende Sequenz aus einem Bericht von Dixit Walter Rodgers, CNN-Reporter an Bord eines M1A1-Abrahams-Panzers in der 7. US-Kavallerie-Division auf dem Weg nach Bagdad: "Da hinten kann man eine Herde Ziegen sehen. Es ist einfach überwältigend, wie diese riesigen bewaffneten Einheiten - fahrt 'mal langsamer, Jungs - an Beduinencamps vorbeiziehen. So ein großes Kamel haben die noch nie gesehen."
Für die Berichterstattung über den Verlauf des Krieges, über die harten Fakten der Kampagne, erwiesen sich die "eingebetteten" Reporter als relativ unwichtig. Die Journalisten wussten in der Regel nicht einmal genau wo sie waren; sie hätten ihren Standort auch nicht preisgeben dürfen, ebenso wenig die Stärke und Aufgabe ihrer Einheit. Folglich musste Subjektives berichtet werden, Dinge die man selber sah oder erlebte. Der Medienwissenschaftler Michael Haller beschrieb das Problem der "Eingebetteten" mit der Differenz zwischen Dabeisein und Verstehen: Militärische Operationen seien so organisiert, dass sie "dem physisch beobachtenden Augenzeugenjournalisten, dem Kriegsreporter, praktisch unzugänglich sind"
Für die Hintergrundberichterstattung über den Krieg zuständig waren die Korrespondenten in Washington und die beim Central Command in Doha akkreditierten Journalisten. Hier wie dort zeigten sich die Militärs und Politiker bei den regelmäßigen Presse-Briefings so zugeknöpft wie eh und je. Das Konzept des Embedding garantierte in erster Linie, dass die Atmosphäre des Krieges und seine symbolischen Bilder übermittelt wurden, und half, darüber hinwegzutäuschen, dass die Presse über die großen Linien der Kampagne nur unzureichend informiert und zum Teil auch getäuscht wurde.
Die Orientierungsgewinne für das internationale Medienpublikum waren durch das Embedding - sieht man von einigen Einblicken in das alltägliche Grauen des Krieges ab - eher gering. Obwohl noch nie zuvor über einen Konflikt so intensiv berichtet wurde, erfuhr die Weltöffentlichkeit im Vorfeld über seine Gründe bestenfalls Halbwahrheiten und über seinen Verlauf nur das, was die Kriegsparteien zuließen. Als Sieg des unabhängigen Journalismus kann das Embedding, trotz eines gewissen Fortschritts im Vergleich zum Pool-Prinzip, schwerlich betrachtet werden. Reagiert haben die Medien auf die andauernden Instrumentalisierungsversuche leider weniger mit harter investigativer Recherche als mit moralischem Räsonnement und zum Teil recht naiver Quellenkritik: Kaum eine Filmsequenz, die nicht mit dem verbal erhobenen Zeigefinger des Kommentators versehen wurde, dass auch Bilder lügen können, dass der Zensur nur entgeht, was die jeweiligen Machthaber gutheißen. Doch warum diese Bilder dann in aller Breite zeigen, wenn sie doch angeblich gar nichts belegen können? Darauf wussten die wenigsten Journalisten in den Heimatredaktionen eine Antwort.
Irak und die Zukunft des Medienkriegs
Kriege und bewaffnete Konflikte sind immer auch Propagandaschlachten gewesen, in denen Formen der Kommunikation oder Desinformation sowie der Meinungsbeeinflussung eine zentrale Rolle spielten.
Damit liefert dieser Krieg einen Vorgeschmack davon, wie zukünftige Kommunikationskriege im 21. Jahrhundert geführt werden könnten. Folgende Punkte lassen sich festhalten:
- Das Konzept der Public Diplomacy stellt eine Professionalisierung von Regierungspropaganda dar. Konflikte werden künftig verstärkt entlang der Dramatisierungsregeln von Massenmedien inszeniert werden, was es für die Medien schwieriger macht, die wahren Gründe einer Krise zu enthüllen. Zunächst wird ein Thema auf die Agenda gesetzt und in aller Breite problematisiert, irgendwann folgt als Katharsis dieses quälenden Prozesses der Kriegsbeginn.
- Militärs begreifen Information Warfare heute als integralen Bestandteil der Kriegführung. Medien werden nicht mehr nur symbolisch, sondern auch real als Waffen begriffen. Die neuen Informationstechniken und die Digitalisierung der Militärtechnik bieten zahlreiche Möglichkeiten für ihren Einsatz.
- Der Begriff des Information Warfare ist in seinem Anspruch total, weil er erstens nicht mehr nur auf die Bevölkerung des eigenen Landes, den Feindstaat oder die eigenen Alliierten, sondern auf die gesamte Weltöffentlichkeit abzielt und zweitens mit Information nicht mehr nur massenmedial verbreitete Informationen meint, sondern die gesamte Kommunikationsinfrastruktur eines Gegners, also zivile und militärische Datennetze, Telekommunikationseinrichtungen und die Massenmedien.
- Propagandisten sind heute mit einer globalen Öffentlichkeit und einem weltweit vernetzten Journalismus konfrontiert. Eine Kontrolle der zirkulierenden Bilder und Botschaften ist kaum noch möglich, das Gleiche gilt für die Unterbindung der Berichterstattung von bestimmten Orten und über bestimmte Ereignisse. Insofern müssen alle auf die Medien gerichteten Strategien proaktiv sein und versuchen, diese zu Kooperationspartnern zu machen. Gelingt dies, entstehen aus Sicht der Militärs neue Potenziale, da man dann die Medien gezielt für eigene militärische Ziele einspannen kann.
Medien und Öffentlichkeit werden sich in Zukunft verstärkt militärischen Instrumentalisierungs- und politischen Manipulationsversuchen ausgesetzt sehen. Hat die Weltöffentlichkeit angesichts dieser übermächtigen Meinungsagenten überhaupt eine Chance, ein Problem im freien Diskurs zu bearbeiten? Trotz aller pessimistisch stimmenden Fakten spricht manches dafür, denn die Wirklichkeit ist um einiges widerspenstiger, als manche Kampagnenexperten in regierungsnahen Think Tanks glauben. Die Medien "lernen" aus jedem Täuschungsmanöver, dem sie einmal aufgesessen sind, dazu, wie die jahrelange Aufarbeitung des Golfkriegs 1991 gezeigt hat. Vieles deutet darauf hin, dass das neue Public-Diplomacy-Instrumentarium der USA mit seinen unverhohlen verfolgten Persuasionszielen bald einen überholten Politikansatz darstellen könnte. Denn alle zentralen Kriegsgründe der USA haben sich bislang als falsch herausgestellt: Weder konnte eine Saddam-Al-Qaida-Connection verifiziert werden, noch fanden sich Belege für eine Fortsetzung des irakischen Atomwaffenprogramms oder konnten B- und C-Waffen aufgefunden werden. Die Öffentlichkeit wird dies nicht so schnell vergessen.
Schon jetzt hat die US-Informationspolitik viel von ihrer Glaubwürdigkeit eingebüßt. Nicht nur für den Historiker Hans-Ulrich Wehler war die Inszenierung des Irak-Krieges "ein ziemlich großes Lügengespinst"