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Osteuropa: EU-Erweiterung Editorial Die Europadebatte in Politik und Öffentlichkeit der ostmitteleuropäischen EU-Kandidatenländer Entwicklungsunterschiede innerhalb einer erweiterten EU EU-Erweiterung: Stabilitätsexport oder Instabilitätsimport? Die Entwicklung der Lebensqualität nach dem EU-Beitritt

EU-Erweiterung: Stabilitätsexport oder Instabilitätsimport?

Johannes Varwick

/ 22 Minuten zu lesen

Bei der bevorstehenden EU-Osterweiterung stellt sich vor allem eine Frage. Wie lässt sich der erreichte Integrationsstand innerhalb der Union halten und fortentwickeln?

I. Vorbemerkung

Die politische Landkarte Europas hat sich im vergangenen Jahrzehnt nachhaltig verändert, aber erst mit einer wohl unvermeidbaren Zeitverzögerung beginnen sich die neuen Strukturen mitsamt ihren vielschichtigen Konsequenzen auch auf der "kognitiven Landkarte" der Europäer einzuprägen. Der alte Kontinent durchläuft fundamentale Transformationsprozesse in Mittel-, Ost- und Südosteuropa, während gleichzeitig der Integrationsprozess in Westeuropa trotz veränderter weltpolitischer Konstellation und gelegentlich stotternden Motors voranschreitet. Dies fällt zusammen - und zwar keineswegs erst nach den Terroranschlägen vom September 2001 - mit einer grundlegenden Neubestimmung des transatlantischen Verhältnisses und damit der Rolle der USA in und für Europa.

Insbesondere hat die zentrale europäische Organisation, die Europäische Union (EU), darüber zu entscheiden, ob sie sich von einem kraftvollen ökonomischen Akteur mit gemeinsamer Währung zu einem ebenso kraftvollen politischen und sicherheitspolitischen Akteur weiterentwickeln will und kann. Die EU steht zudem vor der Entscheidung, ob sie sich hauptsächlich mit sich selbst beschäftigen will oder aber ob sie bereit und in der Lage ist, friedenspolitische Stabilisierungsfunktionen für das internationale System auch über ihr eigenes Territorium hinaus zu übernehmen und mithin eine aktivere weltpolitische Rolle zu spielen.

In dieser Phase unterschiedlicher Herausforderungen macht die EU Ernst mit einem der komplexesten und folgenreichsten Projekte ihrer Geschichte: der Erweiterung zunächst nach Mittel- europa, aber dann erklärtermaßen auch nach Südosteuropa. Die Erweiterung der EU ist aus ökonomischen, politischen und sicherheitspolitischen Gründen sinnvoll und notwendig, aber die Aufnahme von zunächst bis zu zwölf Staaten in den kommenden fünf Jahren wird alles andere als einfach. Sie wird zu einer existentiellen Herausforderung für die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union und erhöht den Druck zu weitreichenden internen Reformen. Die im Zuge der Erweiterung auftretenden konzeptionellen und praktischen Probleme müssen notwendigerweise dazu führen, dass die Grundrichtung des gesamteuropäischen Einigungsprozesses breiter und tiefer als bisher diskutiert wird.

II. Die doppelte Herausforderung: Erweiterung und Vertiefung

Zwei Problembereiche gilt es in diesem Zusammenhang stärker in das analytische Blickfeld zu nehmen. Zum einen stellt sich mit steigender Intensität die Frage, ob und wie sich der erreichte Integrationsstand innerhalb der EU, der so genannte "acquis communautaire", in einer erweiterten Union mit 27 oder mehr Mitgliedstaaten und über einer halben Milliarde Einwohnern halten und fortentwickeln lässt oder ob angesichts der bevorstehenden Erweiterungsrunden nicht doch ein grundlegend neues Integrationsmodell erforderlich ist. Zum anderen - und eng damit zusammenhängend - ist stärker als bisher üblich über ein tragfähiges gesamteuropäisches Ordnungsmodell und die Rolle der EU in diesem Modell nachzudenken.

1. Unterschiedliche Interessenlagen

Mit der doppelten Herausforderung von Erweiterung und Vertiefung muss die EU unter Beweis stellen, ob sie sowohl den Interessen ihrer bisherigen Mitglieder als auch den Erwartungen und Anforderungen von außen gerecht werden kann. Dabei gilt es zu bedenken, dass die unterschiedlichen Interessenlagen innerhalb der EU eine komplexe und langwierige Entscheidungsfindung auch und gerade in Fragen der territorialen Ausdehnung geradezu zwangsläufig zur Folge haben.

Diese unterschiedlichen Interessenlagen beziehen sich neben unterschiedlichen regionalen Schwerpunkten und Affinitäten der bisherigen Mitglieder zum einen auf die differierenden politischen Denkschulen zwischen denjenigen, die Erweiterung aufgrund der damit intendierten Stabilisierung der jungen Demokratien als Priorität erachten, und denjenigen, die Vertiefung aufgrund von Kriterien wie interner Handlungsfähigkeit und Effizienz als vorrangig betrachten. Andere wiederum sehen Vertiefung als Vorbedingung bzw. zum Zweck der Erweiterung, während wieder andere ganz offensichtlich erweitern möchten, um eine Vertiefung zu verhindern.

Dazu gesellt sich des Weiteren die Debatte um die Gewinner und Verlierer einer Erweiterung dahingehend, dass weder das derzeitige System der Agrarpolitik noch der Struktur- und Regionalfonds ohne Einschnitte in nationale bzw. sektorale Besitzstände aufrechtzuerhalten wäre.

2. Europa als "Großbaustelle"

Auch mehr als zehn Jahre nach dem Umbruch in Ostmittel- und Südosteuropa ist deshalb immer noch ungewiss, wie die zukünftige Gestalt Gesamteuropas aussehen wird: Europa bleibt eine Großbaustelle. In Anbetracht dieser hier nur knapp angedeuteten komplexen, multidimensionalen Problemstruktur, die auf die enormen Schwierigkeiten einer Erweiterung im Sinne einer historischen Herausforderung hindeutet, sollte zunächst dreierlei betont werden:

Erstens war und ist die EU kein geschlossenes Gebilde, sondern vielmehr eine internationale Organisation, die sowohl ihre sektorale Zuständigkeit als auch ihre regionale Erstreckung im Verlauf ihrer Geschichte sukzessive ausgedehnt hat. Bereits in der Präambel des EWG-Vertrags von 1957 erging die Aufforderung an die anderen Völker Europas, sich den Integrationsbestrebungen anzuschließen. Nach Artikel 49 des Vertrags über die Europäische Union kann jeder demokratisch und rechtsstaatlich verfasste europäische Staat beantragen, Mitglied der EU zu werden.

Zweitens sind die nächsten Erweiterungsrunden vom Grundsatz her beschlossene Sache. Die Frage dreht sich ausschließlich um die - freilich wichtigen - Zusätze "wann", "wie" und "wer". Die Europäische Kommission hat im November 2000 ein "Strategiepapier zur Erweiterung" vorgelegt, das vom Europäischen Rat in Nizza gebilligt wurde und seitdem als Fahrplan für die Erweiterung betrachtet werden kann. Dort wird ausgeführt, dass im Laufe des Jahres 2002 die Verhandlungen mit den Bewerberländern, die die Kriterien für eine Mitgliedschaft erfüllen, abgeschlossen werden können. Nach Abschluss der Verhandlungen wird bis zur Aufnahme der ersten Neumitglieder allerdings ein Zeitraum von rund 18 Monaten vergehen, der für den komplexen Ratifizierungsprozess der Beitrittsurkunden notwendig ist (so müssen die Parlamente aller beteiligten Staaten sowie das Europäische Parlament den Beitritten zustimmen). In den Schlussfolgerungen von Nizza weisen die Staats- und Regierungschefs der 15 EU-Staaten auf die "historische Bedeutung des Erweiterungsprozesses" hin und bekräftigen, dass sie "dessen Erfolg politische Priorität beimessen". Zudem sind sie der Ansicht, dass "die EU in der Lage sein wird, ab Ende 2002 neue Mitgliedstaaten aufzunehmen", und es wird "der Hoffnung Ausdruck verliehen", dass sich die ersten Neumitglieder bereits an den Wahlen zum Europäischen Parlament im Sommer 2004 beteiligen können. Seitdem wurde dieser ehrgeizige Zeitplan auf mehreren Europäischen Ratstreffen sowie in weiteren Strategiepapieren der Kommission bestätigt, aber auch darauf hingewiesen, dass die Kandidaten ihre Anstrengungen verstärken müssen, damit dieser Zeitplan eingehalten werden kann.

Drittens wird insbesondere im deutschen Diskurs zunehmend darauf hingewiesen, dass nach einer Dekade des Transformationsstresses den Kandidaten ein weiteres Warten ohne negative Folgen nicht zugemutet werden könne. Die mittel- und osteuropäischen Reformstaaten haben seit 1990 enorme Anstrengungen unternommen, um ihre sozioökonomischen und politischen Systeme "europafähig" zu machen und sich auf die Zusagen verlassen, dass sie bei ausreichender Reformfähigkeit Mitglied der EU werden können. So geht inzwischen in außenpolitischen Zirkeln das Bonmot um, die Osterweiterung sei immer fünf Jahre entfernt. Dies habe 1990 ebenso gegolten wie 1995 und jetzt im Jahr 2001. Daher sei ein konkretes Datum erforderlich, um Druck auf die Verhandlungen auszuüben. Allerdings zeigen Umfragen in den bisherigen EU-Mitgliedstaaten, dass nur eine Minderheit für eine Erweiterung ist, und auch bei den Bevölkerungen der Beitrittskandidaten ist eine stabile Mehrheit für die Beitritte nicht mehr gesichert.

3. Kernfunktionen des europäischen Integrationsprozesses

Im Zusammenhang mit der Erweiterung ist es zunächst notwendig, an einige Kernfunktionen des bisherigen europäischen Integrationsprozesses zu erinnern, die in der Öffentlichkeit zunehmend weniger wahrgenommen werden:

Er ist erstens als Weg zu einer Wohlfahrts- und Prosperitätsgemeinschaft zu verstehen, bei dem durch den gemeinsamen Markt induzierte Wachstums- und Effizienzgewinne erzielt werden.

Zweitens etabliert er eine Zivilisations- und Wertegemeinschaft, in der vielschichtige sozioökonomische Interdependenzen in immer stärkerem Maße einer geregelten, rechtsförmigen Bearbeitung unterworfen werden.

Drittens kann er als Friedensgemeinschaft interpretiert werden, bei der die zwischenstaatliche Sicherheit der beteiligten Akteure garantiert bzw. gesichert wird.

Viertens schließlich ist der westeuropäische Integrationsprozess eine Rückversicherungsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit, bei der ungleiche Machtpotenziale in supranationalen und multilateralen Politikrahmen kontrolliert und damit entschärft werden.

Die ursprüngliche Ratio des europäischen Integrationsprozesses war mithin insbesondere friedenspolitisch motiviert. Es ging nicht um die Festlegung des maximalen Krümmungsgrades der so genannten Eurobanane oder die Regelung der Standardgröße normgerechter Traktorensitze, sondern um regionale Stabilität, Freiheit und Sicherheit.

Die europäische Integration hat den beteiligten Staaten durch politische und ökonomische Verflechtung und die Bereitschaft zur Übertragung von Souveränitätsrechten strukturellen Frieden und Wohlstand gebracht. Sie war, so der deutsche Außenminister Joschka Fischer als "Privatmann" in seiner Berliner Rede vom 12. Mai 2000, "phänomenal erfolgreich", hatte aber nur "einen entscheidenden Mangel, der durch die Geschichte erzwungen wurde. Es war nicht das ganze Europa, sondern ausschließlich dessen freier Teil im Westen" . Warum also nicht dieses Modell möglichst breit und schnell exportieren und auf immer weitere Teile des Kontinents ausdehnen?

III. Erweiterungsstrategie im Wandel

Seit 1990 hat die EU den mittelosteuropäischen Reformstaaten mit dem Abschluss sog. "Europaabkommen" eine Beitrittsperspektive zugesagt - es dauerte aber mehrere Jahre, bis die Verhandlungen eröffnet wurden. Neben den sechs Staaten der "ersten Welle", mit denen bereits seit dem Frühjahr 1998 konkret über einen Beitritt verhandelt wird (Polen, Tschechien, Ungarn, Slowenien, Estland, Zypern), hat die EU im Dezember 1999 beschlossen, zeitgleich Beitrittsverhandlungen mit den ebenfalls sechs so genannten "pre-ins" aufzunehmen (Lettland, Litauen, Slowakei, Bulgarien, Rumänien, Malta). Seit Februar 2000 wird auch mit der zweiten Gruppe konkret verhandelt. Darüber hinaus erhielt die Türkei auf dem Gipfeltreffen in Helsinki vom Dezember 1999 den Status eines Beitrittskandidaten; konkrete Verhandlungen werden mit der Türkei jedoch erst nach der Erfüllung einiger Vorbedingungen aufgenommen, die z. Z. nicht gegeben sind.

Werden also alle Beitrittsversprechen erfüllt, würde die EU mindestens 28 Staaten umfassen. Dazu kommen noch fünf Staaten (Albanien, Bosnien-Herzegowina, Jugoslawien, Kroatien, Mazedonien), denen im Rahmen des Stabilitätspakts für Südosteuropa eine Annäherung an die EU in Aussicht gestellt wird, sowie die derzeit ruhenden Beitrittsgesuche Norwegens und der Schweiz.

Die heute 13 Beitrittskandidaten dürfen also nach herrschender politischer Logik nicht die letzten sein. Warum etwa soll einem demokratischen Kroatien das vorenthalten werden, was einem demokratischen Ungarn zugesagt wird: eine konkrete, an Bedingungen geknüpfte Beitrittsperspektive. Eine EU-35 ist demnach eine mögliche - wenngleich langfristige - Option. Hierbei sind interessierte Staaten wie Island, Moldawien, Weißrussland, die Ukraine oder aber Marokko, Algerien und Tunesien noch nicht einmal mitgedacht.

1. Verhandlungsstand

Die EU hat ein ganzes Set an Bedingungen aufgestellt, die erfüllt sein müssen, um Mitglied zu werden. Dies sind neben den zahlreichen Grundsatzbestimmungen aus den europäischen Verträgen insbesondere die so genannten "Kopenhagener Kriterien", die vom Europäischen Rat im Juni 1993 festgelegt wurden und die seitdem wichtigster Referenzpunkt in der Erweiterungsdebatte sind.

Jeder europäische Staat kann demnach Mitglied der EU werden, wenn Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Einhaltung der Menschenrechte sowie Minderheitenschutz gewährleistet, eine marktwirtschaftliche Ordnung und ausreichende Wettbewerbsfähigkeit in Bezug auf den gemeinsamen Markt gegeben sowie der gesamte acquis der EU einschließlich der politischen Zielvorstellungen in die jeweilige Rechtsordnung und das politische System übernommen ist und wenn schließlich die EU selbst eine Aufnahme institutionell und politisch verkraften kann. Kurz: An einen Beitritt ist erst dann zu denken, wenn ein assoziiertes Land in der Lage ist, den mit einer Mitgliedschaft verbundenen Verpflichtungen nachzukommen und die erforderlichen wirtschaftlichen und politischen Bedingungen zu erfüllen.

Der gesamte acquis der EU ist für die Verhandlungen in 31 Kapitel aufgeteilt worden, die zeitgleich in intergouvernementalen Beitrittskonferenzen mit allen Beitrittskandidaten verhandelt werden. Dabei werden die einzelnen Kapitel getrennt behandelt und je nach Verhandlungsstand abgeschlossen, oder es wird ein konkreter Nachbesserungsbedarf für ein Bewerberland festgestellt. Zu den schwierigsten Kapiteln zählen beispielsweise Landwirtschaft, Regional- und Strukturpolitik, Wettbewerbspolitik, Haushalt und freier Personenverkehr. Allerdings sind diese Gespräche über die Beitrittsmodalitäten keine Verhandlungen im klassischen Sinne, sondern stehen unter dem "Imperativ der Übernahme des acquis und dienen nicht in erster Linie der Suche nach einem Kompromis" . Das schließt jedoch nicht aus, dass in begründeten Einzelfällen Übergangsfristen verhandelbar sind. So besteht etwa die deutsche Bundesregierung auf Übergangsfristen im Bereich der Freizügigkeit für Arbeitnehmer, die polnische Regierung strebt Ausnahmen im Bereich des Landerwerbs für EU-Bürger an. Die Kommission erstellt regelmäßig so genannte "Fortschrittsberichte", in denen die Erfüllung der Kopenhagener Kriterien begutachtet wird, und mit verschiedenen Instrumenten, u. a. den so genannten "Beitrittspartnerschaften", wird eine Strategie der Heranführung an die Union verfolgt und werden auch erhebliche Finanzmittel aufgewendet.

2. Integrationsfähigkeit

Wenn man die Prämisse teilt, dass der Prozess der Transformation und der Demokratisierung in den betroffenen Staaten am besten durch die Einbindung in europäische Strukturen gefördert werden kann, so gilt es, sich verstärkt Gedanken über eine konsistente Strategie für alle an einem Beitritt interessierten Staaten zu machen. Dabei sind zwei Extrempositionen denkbar: auf der einen Seite eine Annäherung an den gemeinschaftlichen Besitzstand der EU innerhalb der EU zu erreichen (was frühe Mitgliedschaft mit langen Übergangsfristen bedeutete), auf der anderen Seite eine Annäherung an den acquis außerhalb der EU anzustreben (was späte Mitgliedschaft und das Erfüllen aller Kriterien vor der Mitgliedschaft bedeuten würde).

Wie im Detail ersichtlich wird, hat die EU ein umfangreiches und detailliertes Kriterienbündel entwickelt, das es zu erfüllen gilt, bevor eine Mitgliedschaft möglich ist. Dieses Kriterienbündel bezieht sich nicht nur auf die Beitrittskandidaten, sondern auch auf die Frage der Integrationsfähigkeit der EU selbst. Die Teilnahme an der Erfolgsgemeinschaft EU ist also äußerst voraussetzungsreich. Die Schwierigkeiten der Kandidaten, mit denen bereits seit 1998 über einen Beitritt verhandelt wird, die Beitrittskriterien zu erfüllen, zeigen das deutlich auf. Dies hat zunächst wenig mit dem Grad des politischen Willens zur Erweiterung seitens der EU zu tun, sondern ergibt sich aus der Komplexität des in gut 45 Jahren Integrationsgeschichte erreichten und erarbeiteten acquis. Des Weiteren sollte bedacht werden, dass die institutionelle Konstitution der EU bzw. ihrer Vorläufer ursprünglich auf sechs Staaten und vor allem auf einen deutlich geringeren Aufgabenbereich als heute zugeschnitten war. Anders formuliert: Eine radikal erweiterte EU kann logischerweise weder gleiche Zuständigkeiten noch ein gleichbleibendes institutionelles Design haben.

3. Veränderte Ratio des Erweiterungsprozesses

Die Ratio des Erweiterungsprozesses hat sich in den vergangenen Jahren mehrfach gewandelt und sich insbesondere mit dem bereits erwähnten EU-Gipfeltreffen in Helsinki vom Dezember 1999 verändert. Stand bis dahin das Konzept einer kriteriengesteuerten Erweiterung im Vordergrund, hat sich seitdem zunehmend eine Sichtweise verbreitet, die sich stärker an geostrategischen Gesichtspunkten orientiert. Insbesondere infolge des Kosovo-Krieges vom Frühsommer 1999 hat sich die Erweiterungsdebatte qualitativ verändert, nachdem im Zuge des Stabilitätspaktes für Südosteuropa immer mehr Staaten eine Beitrittsperspektive eingeräumt wurde und der Präsident der EU-Kommission erklärte, es sei zum ersten Mal seit dem Fall des Römischen Reiches möglich, den gesamten Kontinent zu vereinigen. Damit wurde suggeriert, eine schnelle Mitgliedschaft aller europäischen Staaten sei denkbar. Es verwundert nicht, dass diese Erwartungen, die sich sicher nicht realisieren lassen werden, tatsächlich vorhanden sind.

IV. Konsequenzen für die Europäische Union

Dabei sind die Argumente für eine umfassende Erweiterung der EU durchaus überzeugend. Neben allgemeinen moralischen Erwägungen, die in Richtung einer "Wiedervereinigung Europas" und einer Überwindung der "Teilung von Jalta" zielen, wird argumentiert, dass die Aufnahme der Beitrittskandidaten den Frieden in Gesamteuropa sichere und zur Verbreitung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit führe. Die Perspektive einer "Rückkehr nach Europa" unterstütze die erforderlichen Reformbemühungen auch im ökonomischen Bereich. Zudem werde mit der Erweiterung ein enormer Wachstumsschub einhergehen, von dem alte wie neue Mitglieder profitierten.

1. Risiken

Dem stehen durchaus Risiken gegenüber, die zwar nicht grundsätzlich gegen eine Erweiterung sprechen (auch wenn der Hinweis darauf von populistischen bzw. buchhalterischen Skeptikern argumentativ verwendet werden kann), aber sich auf die Frage des "Wie", also die Rahmenbedingungen einer Erweiterung, konzentrieren. Eine Mitgliedschaft von nicht - im Sinne der Kriterien - qualifizierten Staaten würde den Charakter der EU fundamental wandeln. Es muss also darum gehen, vor der Erweiterung die heutige EU erweiterungsfähig zu machen und gleichzeitig über neue Integrationskonzepte nachzudenken.

Die EU hat sich in eine strategische Falle manövriert - freilich ohne daran alleine Schuld zu sein. Die Falle besteht darin, zu viel versprochen zu haben, ohne sich selbst ändern zu wollen; plötzlich zu merken, dass es eine Illusion war, Vertiefung und Erweiterung parallel anzugehen, kurz: sich zwar radikal zu erweitern, aber nicht radikal verändern zu wollen bzw. zu können. Ist Integration damit letztlich ein regionalistisches Konzept, das nur so lange praktikabel ist, wie ein gewisser Grenzwert eines sich vergrößernden Gebildes nicht überschritten wird? Funktioniert Integration nach dem EU-Modell nur so lange, wie es ein mehr oder weniger klar definiertes Außen und Innen gibt? Lässt sich in einer radikal erweiterten EU die friedensstiftende Funktion der europäischen Einigung aufrechterhalten, oder bedeutet dies langfristig den Zerfall in eine gehobene Freihandelszone? Kann die EU das leisten, was von ihr erwartet wird, oder handelt es sich um einen überforderten Stabilitätsanker, der Instabilität importiert statt Stabilität zu exportieren?

Hätten wir es eines Tages mit einer EU zu tun, die nicht nur um die zwölf Staaten erweitert wäre, mit denen heute verhandelt wird, sondern auch um die Türkei und weitere südosteuropäische Staaten, bestünde die Gefahr, dass sich bereits überwunden geglaubte Wirrungen europäischer Geschichte wiederholen könnten. Bei dann zwangsläufig in ihrer Tiefe rückläufiger Integration träten Machtdifferenzen, die bislang in der EU integrativ bearbeitet wurden, erneut hervor. Allianzen und Gegenallianzen wären eine denkbare Folge. Das im Zuge des Kosovo-Krieges intensivierte Konzept der Beitrittsversprechungen in alle Richtungen ohne erkennbaren internen Reformwillen gibt also Anlass zu der Sorge, dass diese Entwicklung selbst zur Ursache neuer Instabilität wird.

Der Beschluss von Helsinki zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit weiteren sechs Staaten im Dezember 1999 aus geostrategischen Gründen deutet schon in diese Richtung. Im Übrigen ist dieser Beschluss in mehrfacher Weise widersprüchlich: Zum einen wird der Eindruck erweckt, sechs zusätzliche Staaten hätten eine Beitrittsperspektive, zum anderen wird die Verhandlungsstrategie dahingehend abgeändert, dass dem Leistungsprinzip der einzelnen Kandidaten mehr Beachtung geschenkt wird. So wurde die bis dahin verfolgte Gruppenstrategie durch die Startlinienstrategie abgelöst. Bei der Gruppenstrategie wurden zunächst die am weitesten fortgeschrittenen Länder in eine Gruppe zusammengefasst, mit der dann konkret verhandelt wurde, während bei der Startlinienstrategie ohne Binnendifferenzierung zeitgleich mit allen Kandidaten verhandelt wird.

Ein sinnvoller Beitrag zur gesamteuropäischen Stabilität kann nur gelingen, wenn sich die Europäische Union nicht überfordert. So argumentiert der langjährige Präsident des Europäischen Parlaments, Klaus Hänsch, zu Recht, dass die EU sich nicht grenzenlos erweitern dürfe. Nur wenn sie ihre Grenzen erkenne und bestimme, könne sie ihre europäische Berufung erfüllen. "Diese Grenzen ergeben sich nicht daraus, wie viele Staaten hinein wollen, sondern wie viele sie verkraften kann. Die EU wird geografisch, kulturell, wirtschaftlich und politisch immer weniger sein als das ganze Europa - oder sie wird weder europäisch noch eine Union sein."

2. Heterogenisierung

In Bezug auf die EU ist zum einen zu folgern, dass eine erweiterte Union heterogener werden wird und damit die zentrifugalen Kräfte zwangsläufig zunehmen werden. Daraus folgt, dass die zentripetalen Brüsseler Gegengewichte gestärkt werden müssen, allerdings ohne die Mitgliedstaaten als "Herren der Verträge" zu entmachten (sie dürfen aber auch nicht als Vetomächte im Alltagsgeschäft gestärkt werden). Wenn die EU zum größten Erweiterungsschritt ihrer Geschichte antritt, dann wird es entscheidend darauf ankommen, dass die beiden Säulen "Erweiterung" und "Vertiefung" ihre Balance behalten. Allein als gehobener Binnenmarkt wird eine erweiterte EU kaum funktionieren. So wird von der Erweiterung ein starker Druck in Richtung auf weitere Vertiefung ausgehen, und es liegt an den Entscheidungsträgern der europäischen Politik, diesen Druck für sachgerechte Lösungen zu nutzen.

Auch hierfür ist in Fischers Berliner Rede Zutreffendes nachzulesen. Wenn angesichts der Herausforderung der Osterweiterung, so Fischer, die Alternative für die EU Erosion oder Integration heißen und wenn das Verharren in einem Staatenverbund Stillstand mit all seinen negativen Folgen bedeuten würde, "dann wird, getrieben durch den Druck der Verhältnisse und der von ihnen ausgelösten Krisen, die EU innerhalb der nächsten Dekade irgendwann vor der Alternative stehen: Springt eine Mehrheit der Mitgliedstaaten in die volle Integration und einigt sich auf einen europäischen Verfassungsvertrag zur Gründung einer europäischen Föderation? Oder, wenn dies nicht geschieht, wird eine kleinere Gruppe von Mitgliedstaaten als Avantgarde diesen Weg vorausgehen" .

Damit verabschieden sich denkbare und praktikable Ordnungsmodelle von der Vorstellung einer einheitlichen und gleichzeitigen Integration aller betroffenen Nationalstaaten. Es sollte mithin stärker über eine zeitliche, sektorale, funktionale oder geografische Flexibilisierung der Integration nachgedacht werden. Daraus resultiert schließlich ein Zuwachs an Komplexität der Entscheidungsprozesse, was zu verstärkten Akzeptanzproblemen in den nationalen Öffentlichkeiten führen dürfte (und dessen Folgewirkungen derzeit zu wenig diskutiert werden).

3. Erweiterung setzt konzeptionelle Veränderung voraus

Bei aller Berechtigung dieser kritischen Fragen ist die wie auch immer geartete europäische Perspektive für die an einem Beitritt interessierten Staaten gleichwohl alternativlos. Die gebetsmühlenartige Zusage der EU an immer neue Kadidaten, "zurück nach Europa" gelassen zu werden (als ob Europa lediglich die EU sei), könnte nur um den Preis drastischer Verwerfungen zurückgenommen werden. In dieser strategischen Falle kann Vertiefung im Zuge der Erweiterung für die EU aber nur radikale konzeptionelle Veränderung heißen. Die glaubhafte Erweiterung der Union ist mithin nur zu dem Preis einer zunehmenden Differenzierung und Flexibilisierung des Integrationsprozesses zu haben.

Unterschiedlichste Modelle dieser Differenzierung werden diskutiert - von der "Aufbauflexibilisierung" (die nur für neue Projekte gelten soll) bis zur "Bestandsflexibilisierung" (die sich auf bereits vergemeinschaftete Politikfelder bezieht). Flexible Integration ist dabei weder ein Wundermittel, noch würde damit das europäische Rad neu erfunden. So sind bereits heute nur elf von 15 Staaten an der Währungsunion beteiligt, nur zehn von 15 an die gegenseitige Beistandsgarantie im Rahmen der Westeuropäischen Union gebunden, nur 13 von 15 in den Schengen-Prozess involviert; Großbritannien und Dänemark haben sich zudem auf verschiedenen Feldern die Möglichkeit eines "opting-out" zusichern lassen. Gleichwohl dürften Mischformen der flexiblen Integration, die bis hin zu einem "Kerneuropa" von Staaten reichen mögen, die in der Lage und willens sind, die Entwicklung zu einer bundesstaatlichen Ordnung mit zu gestalten, eine realistische Zukunftsperspektive sein.

Allerdings hat sich die erste Gruppe von Beitrittskandidaten nicht unter großen Mühen auf die Mitgliedschaft vorbereitet, um dann als Vor- oder Hinterhof einer Kern-EU abserviert zu werden, und das neue gesamteuropäische Integrationsmodell sollte auch nicht die "verzweifelte Suche nach Ausstiegsluken sein" . Zentraler Maßstab sollte aber die Handlungsfähigkeit für die EU bleiben, das heißt: Wer wirklich mitmachen kann, soll dies auch dürfen.

V. Schlussfolgerungen für die gesamteuropäische Ordnung

In Bezug auf die zukünftige gesamteuropäische Ordnung sollte deutlicher auf drei Aspekte hingewiesen werden:

Erstens steht die Erweiterung für eine erste Gruppe von Staaten unmittelbar bevor. Um welche Staaten es sich handelt, ist noch nicht abschließend zu sagen und hängt von den Fortschritten bei den Beitrittsverhandlungen ab. Vieles spricht jedoch dafür, dass 2004 oder 2005 eine relativ große Gruppe aus bis zu zehn Staaten dafür in Frage kommt. Das Fernziel einer EU-Mitgliedschaft für die Staaten, die nicht an der ersten Erweiterungsrunde teilnehmen werden, kann aber nicht ein Ziel an sich sein, sondern die an einem Beitritt interessierten Staaten müssen zunächst ihre eigenen Anstrengungen verstärken. Dass sie dabei europäische Unterstützung im Sinne einer aktiven Flankierungspolitik brauchen, dürfte ebenso selbstverständlich sein wie im aufgeklärten Eigeninteresse der EU liegen.

Dennoch bleibt die Erweiterung der EU in dieser Dekade und darüber hinaus das wichtigste politische Projekt Europas, das trotz aller Schwierigkeiten - wenn es richtig angelegt wird - enorme Chancen bietet. War das zentrale Motiv zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft aufgrund der Erfahrungen mit den gescheiterten Versuchen rein nationalstaatlicher Handlungsansprüche die Sicherung des Friedens zwischen den westeuropäischen Staaten, so ist die Erweiterung der Weg, Frieden, Stabilität und Wohlstand für immer weitere Teile Europas und nicht mehr nur für Westeuropa zu sichern. Sie schafft einen gemeinsamen Stabilitätsraum von nahezu einer halben Milliarde Menschen und wird im Falle des Erfolges ein bedeutsamer Faktor für Stabilität und Wohlstand in Europa sein. Würde die EU diesen Stabilitätsexport grundsätzlich verweigern, bestünde die Gefahr, Instabilität zu importieren. Die EU würde also vor der historischen Herausforderung versagen und langfristig den Frieden in Europa gefährden.

Zweitens ist Europa mehr als die EU. Integration innerhalb der EU ist eine Form der Zusammenarbeit "sui generis", die sich trotz aller Beteuerungen nicht auf den gesamten Kontinent ausdehnen lässt. Die Erweiterung der EU ist damit ein Strukturproblem europäischer Politik. Gesamteuropa kann und wird kein monoinstitutionelles Gebilde sein, sondern vielmehr komplexe Strukturen aufweisen, die sich nicht zwangsläufig nach etablierten Denkmodellen werden abbilden lassen können. In jedem Fall ist die alleinige Fixierung auf die EU-Mitgliedschaft als vorrangiges außenpolitisches Ziel nahezu aller europäischen Staaten von Albanien bis Zypern zwar verständlich, jedoch zum Scheitern verurteilt. Die Europäische Union kann nicht alle europäischen Staaten aufnehmen und nicht ganz Europa von Lissabon bis Wladiwostok umfassen, sie ist aber gleichwohl für ganz Europa mitverantwortlich.

Deshalb ist verstärkt über alternative gesamteuropäische Ordnungsstrukturen nachzudenken, die die EU nicht überfordern und dennoch Stabilität fördern. Eine wichtige Rolle könnte dabei dem Europarat zukommen, dem nahezu alle Staaten Europas angehören und der sein Potenzial in den Bereichen Demokratieförderung, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte noch nicht ausgeschöpft hat. Auch Pläne für eine gesamteuropäische Freihandelszone könnten in diesem Rahmen und mit Unterstützung der EU vorangebracht werden.

Drittens wird es von herausragender strategischer Bedeutung sein, dass den Staaten, die auf absehbare Zeit keine Chance auf Mitgliedschaft haben werden, eine enge und faire Partnerschaft unterhalb der Schwelle einer Mitgliedschaft angeboten wird. Die zukünftigen Grenzen der Union dürfen also keine undurchlässigen Blockgrenzen sein. Insbesondere darf eine Erweiterung nicht dazu führen, dass die Verflechtung zwischen den Kandidaten der ersten und denen der darauf folgenden Runden abgebaut wird und somit neue Barrieren entstehen. Im Gegenteil: Für eine Stabilisierung der außerhalb der EU verbleibenden Regionen sollte aktive Unterstützung geleistet werden.

Die Europäische Union hat eine besondere Verantwortung für gesamteuropäische Stabilität. Stabilität geben kann aber nur, wer selber stabil ist. Sonst besteht tatsächlich die Gefahr, sich aus gut gemeinter Absicht (Stabilitätsexport) Probleme zu schaffen, die niemandem helfen würden (Instabilitätsimport). Zwar ist eine Erweiterung aufgrund unterschiedlicher Motive- und Interessenlagen der bestimmenden Akteure sowie politischer Zwänge und der Erfordernis zum Kompromiss nicht nach dem politikwissenschaftlichen Lehrbuch erreichbar. Gewisse Erkenntnisse hinsichtlich der Funktions- und Handungs-fähigkeit einer erweiterten EU sollten aber nicht ignoriert werden. Denn gerade wer der Überzeugung ist, die europäische Integration sei die richtige Antwort auf die Herausforderungen der Zukunft, der muss daran interessiert sein, dass die EU das bleibt, was sie für so viele an einem Beitritt interessierte Staaten interessant macht: eine handlungsfähige Gemeinschaft.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. dazu ausführlich Johannes Varwick, Probleme der Sicherheitsarchitektur Europas, in: Wilfried Loth (Hrsg.), Das europäische Projekt zu Beginn des 21. Jahrhunderts, Opladen 2001, S. 247-266; Wolfgang Wessels, Die Europäische Union als Ordnungsfaktor, in: Karl Kaiser/Hans-Peter Schwarz (Hrsg.), Weltpolitik im neuen Jahrhundert, Bonn 2000, S. 575-590, sowie Johannes Varwick, Die "Euroarmee". Rasante Weiterentwicklung europäischer Sicherheitsstrukturen, in: Internationale Politik, 56 (2001) 9, S. 47-55.

  2. "Acquis communautaire" ist Eurojargon für den primär- und sekundärrechtlichen gemeinschaftlichen Besitzstand der EU. Der acquis entwickelt sich ständig weiter und umfasst den Inhalt, die Grundsätze und die politischen Ziele der Verträge, die in Anwendung der Verträge erlassenen Rechtsvorschriften und Rechtsakte sowie die im Rahmen der Union angenommenen Erklärungen und Entschließungen.

  3. Seit ihrer Gründung hat sich die Gemeinschaft in bisher vier Erweiterungsrunden von sechs auf 15 Mitglieder ausgedehnt. Zu den ursprünglich sechs Gründungsstaaten traten 1973 Dänemark, Großbritannien und Irland, 1981 Griechenland, 1986 Portugal und Spanien sowie 1995 Finnland, Österreich und Schweden hinzu.

  4. Europäische Kommission, Strategiepapier zur Erweiterung vom 8. November 2000 (KOM [2000] 700).

  5. Schlussfolgerung des Vorsitzes, Europäischer Rat in Nizza vom 7., 8. und 9. Dezember 2000, SN 400/00, Punkt II. Mit dem Vertrag von Nizza, der zum Inkrafttreten noch der Ratifizierung in allen Mitgliedstaaten bedarf, hat die EU erklärtermaßen die für den Beitritt als erforderlich erachteten institutionellen Änderungen abgeschlossen. Zur Bewertung dieses umstrittenen Reformwerkes siehe Werner Weidenfeld (Hrsg.), Nizza in der Analyse, Gütersloh 2001, und Barbara Lippert, Neue Zuversicht und alte Zweifel: die Europäische Union nach "Nizza" und vor der Erweiterung, in: Integration, 24 (2001) 2, S. 179-193.

  6. So etwa Dietrich von Kyaw, Weichenstellungen des EU-Gipfels von Nizza, in: Internationale Politik, 56 (2001) 2, S. 5-12, hier S. 11.

  7. Vgl. Friedbert Pflüger, Weltpolitische Verantwortung. Die Erweiterung der EU, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 20. September 2000, S. 15.

  8. Die Zahlenangaben stammen aus: Europäische Kommission (Hrsg.), Eurobarometer. Die öffentliche Meinung in der Europäischen Union, Bericht Nr. 54, Brüssel 2001, S. 80-86.

  9. Vgl. Johannes Varwick, Sicherheit und Integration in Europa, Opladen 1998, S. 27 ff.

  10. Joschka Fischer, Vom Staatenverbund zur Föderation. Gedanken über die Finalität der europäischen Integration, in: Integration, 23 (2000) 3, S. 149-156, hier S. 150. Zur kritischen Perzeption der Fischer-Rede in der deutschen Politikwissenschaft siehe etwa Katharina Holzinger/Christoph Knill, Institutionelle Entwicklungspfade im Europäischen Integrationsprozess: Eine konstruktive Kritik an Joschka Fischers Reformvorschlägen, in: Zeitschrift für Politikwissenschaft, 11 (2001) 3, S. 987-1010.

  11. Vgl. u. a. Barbara Lippert, Die Erweiterungspolitik der Europäischen Union. Stabilitätsexport mit Risiken, in: dies. (Hrsg.), Osterweiterung der Europäischen Union. Die doppelte Reifeprüfung, Bonn 2000, S. 105-164.

  12. B. Lippert, ebd., S. 152.

  13. Auf der Interseite der EU-Generaldirektion Erweiterung sind die aktuellen Fortschrittsberichte sowie Informationen zum Verhandlungsstand abrufbar (http://eu.int/comm/enlargement/index.htm).

  14. Zum Stabilitätspakt vgl. Andreas Wittkowsky, Der Stabilitätspakt für Südosteuropa und die "führende Rolle" der Europäischen Union, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 29-30/2000, S. 3-13; zur kritischen Einschätzung der EU-Balkanpolitik insgesamt siehe Judy Dempsey, Der Balkan und die EU. Modernisierung oder Abhängigkeit, in: Internationale Politik, 56 (2001) 10, S. 67-72.

  15. Vgl. Johannes Varwick, Die Europäische Union nach dem Kosovo-Krieg. Ein überforderter Stabilitätsanker?, in: Joachim Krause (Hrsg.), Kosovo. Humanitäre Intervention und kooperative Sicherheit in Europa, Opladen 2000, S. 185-200.

  16. Über den enormen Gewinn an politischer Stabilität hinaus sind sich die Forschungsinstitute in der Tendenz weitgehend einig, dass auch die ökonomische Bilanz für alle Beteiligten - mit unterschiedlichen Akzenten - positiv ausfallen wird. Diese Argumente gelten in besonderer Weise für Deutschland. So haben die mittel- und osteuropäischen Länder seit 1999 mit stark steigender Tendenz mehr zum deutschen Exportvolumen beigetragen als der Handel mit den USA. Die in der Öffentlichkeit stark diskutierten Kosten der Erweiterung werden hingegen von der Mehrzahl der Experten als beherrschbar angesehen. Insbesondere setzt die von der EU einstimmig verabschiedete Ausgabenobergrenze von 1,27 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Gesamtausgaben des EU-Haushalts dem finanziellen Spielraum für Ausgaben im Zuge der Erweiterung enge Grenzen. Siehe etwa Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Studie über die Auswirkung der EU-Erweiterung auf die Beschäftigung und die Arbeitsmärkte in den Mitgliedstaaten, Berlin 2000, und Friedrich-Ebert-Stiftung (Hrsg.), Die Osterweiterung der Europäischen Union. Konsequenzen für Wohlstand und Beschäftigung in Europa, Bonn 2000.

  17. Klaus Hänsch, Das geostrategische Konzept hat keine Zukunft, in: Frankfurter Rundschau vom 23. Februar 2000, S. 11. In diesem Sinne auch Valéry Giscard d‘Estaing/Helmut Schmidt, Time to Slow Down and Consolidate Around Euro-Europe, in: International Herald Tribune vom 11. April 2000, S. 10.

  18. J. Fischer (Anm. 10), S. 155.

  19. Als Überblick zu den unterschiedlichen Flexibilisierungsmodellen siehe Rainer Hofmann, Wie viel Flexibilität für welches Europa?, in: Europarecht, 34 (1999) 6, S. 713-735; Christian Busse, Braucht Europa einen Kern? Zur gegenwärtigen Diskussion um die Zukunft der europäischen Integration, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 47/2000, S. 3-12, und Claus Giering/ Josef Janning, Flexibilität als Katalysator der Zusammenarbeit? Die Gestaltungskraft der "Verstärkten Zusammenarbeit" nach Nizza, in: Integration, 24 (2001), 2, S. 146-155.

  20. Wolfgang Wessels, Zukunftsfähig? Die Europäische Union à 27, in: Internationale Politik, 56 (2001) 2, S. 13-22, hier S. 19.

  21. Kritische Beiträge zur Frage, welche Erfolgsaussichten exogene Stabilisierungsstrategien haben, sind in der Politikwissenschaft immer noch selten. Als Ausnahme siehe etwa Eberhard Sandschneider, Die EU und die Transformation Mittel- und Osteuropas. Zum Problem exogener Stabilisierungsstrategien in Transformationsprozessen, in: Zeitschrift für Politikwissenschaft, 6 (1996) 1, S. 27-49, sowie als Überblick Johannes Varwick, Systemwechsel/Transformation, in: Wichard Woyke (Hrsg.), Handwörterbuch Internationale Politik, Opladen 20008, S. 397-407. Zur insgesamt recht erfolgreichen Transformation in Polen, Ungarn, Tschechien und Slowenien siehe Kai-Olaf Lang, Systemtransformation in Ostmitteleuropa: Eine erste Erfolgsbilanz, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 15/2001, S. 13-Ä21.

  22. Vgl. Daniel Brössler, Begrenzte Hoffnung. Die EU darf im Osten Europas keine falschen Hoffnungen für eine Aufnahme wecken, in: Süddeutsche Zeitung vom 3. Juli 2001, S. 4.

  23. Siehe dazu Iris Kempe (Hrsg.), Beyond EU Enlargement, Volume I: The Agenda of Direct Neighbourhood for Eastern Europe, und Wim van Meurs (Hrsg.), Beyond EU Enlargement, Band 2, The Agenda of Stabilisation for Southeastern Europe, Gütersloh 2001.

Dr. phil., geb. 1968; wissenschaftlicher Assistent am Institut für internationale Politik der Universität der Bundeswehr, Hamburg.

Anschrift: Universität der Bundeswehr, FB Wirtschafts- und Organisationswissenschaften, Holstenhofweg 85, 22043 Hamburg.
E-Mail: varwick@unibw-hamburg.de

Veröffentlichungen u. a.: (zus. mit Wichard Woyke) Die Zukunft der NATO. Transatlantische Sicherheit im Wandel, 2. Aufl., Opladen 2000; (zus. mit Sven Gareis) Die Vereinten Nationen. Aufgaben, Instrumente und Reformen, Stuttgart 2002.