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Globalisierungsprozesse und Jugendkulturen | Jugendkultur | bpb.de

Jugendkultur Editorial Beunruhigende Normalisierung: Zum Wandel von Jugendkulturen in der Bundesrepublik Deutschland Jugendgenerationen im Vergleich: Konjunkturen des (Non-)Konformismus Jugendsprache und Jugendkultur Globalisierungsprozesse und Jugendkulturen "Ich muss mein Leben selber meistern!"

Globalisierungsprozesse und Jugendkulturen

Roland Roth

/ 20 Minuten zu lesen

Jugendkulturen werden meist als bunte lokale und regionale Angelegenheit, als Vielfalt von mehr oder weniger frei gewählten Lebensstilen wahrgenommen. Diese Sichtweise scheint heute nicht mehr angemessen.

I. Zwei Thesen

Der Titel dieses Beitrags ist nicht als Verbeugung vor einem Modethema zu verstehen. Tatsächlich muss Globalisierung heute für vieles herhalten, wird sie mit allem Möglichen zu kombinieren versucht. Die Überschrift dieses Beitrags enthält vielmehr zwei zugespitzte Thesen, die nachfolgend illustriert und ausgeführt werden:

1. Jugendkulturen, die meist als bunte, lokale und regionale Lebensformen und in ihrer Vielfalt frei gewählter Lebensstile wahrgenommen werden, sind durch Globalisierungsprozesse einem massiven Veränderungsdruck ausgesetzt. Globale Entwicklungen wirken stärker denn je strukturierend auf Jugendkulturen, ihre Themen und Ausdrucksformen.

Dieser Blick auf Jugendkulturen ist keineswegs selbstverständlich, werden diese doch gemeinhin unter anderen Gesichtspunkten betrachtet. Als eigensinnige Gesellungsformen für einen spezifischen Lebensabschnitt (Adoleszenz und Postadoleszenz) gestalten Jugendkulturen einen historisch und milieuübergreifend länger und bedeutsamer gewordenen Übergang vom Jugend- zum Erwachsenenstatus - einen Übergang, der von massiven Distanzierungen von der und mit Provokationen der Erwachsenenwelt begleitet sein kann. Die Rebellion der Jungen gegen die Autorität und Macht der Alten gilt als Dauerthema der Jugendkulturen des zurückliegenden Jahrhunderts. Den beteiligten Jugendlichen bieten sie Erfahrungsräume mit Gleichaltrigen, die vor ähnlichen Aufgaben stehen. Sich von den Jugendkulturen der Eltern abzusetzen gehört jedenfalls dazu und erlaubt generationstypische Erfahrungswelten. In den verschiedenen Jugendkulturen sind zugleich klassen- und milieuspezifische Prägungen wirksam, die wesentlich zur Reproduktion der Herkunftsmilieus beitragen, gelegentlich aber auch zu Neuorientierungen verhelfen. Schließlich bilden Jugendkulturen und konkurrierende Jugendcliquen hierarchische Muster untereinander aus, die von Sub- und Gegenkulturen herausgefordert und bestätigt werden.

All diese Funktionen sollen nicht bestritten werden. Themen und Stile von Jugendkulturen sind jedoch weniger denn je ausschließlich lokal und regional geprägt oder im Gefüge nationaler Klassen-, Schichtungs- und Milieuverhältnisse verstehbar. Die Kraft von Jugendkulturen, die dominanten Lebensweisen einer Gesellschaft herauszufordern und kreativ zu verändern ("lieber lebendig als normal"), wurde bislang vorwiegend im nationalen Zusammenhang gesehen. Unschwer lassen sich jedoch über das gesamte 20. Jahrhundert jugendkulturelle Strömungen und Musikstile identifizieren, die internationalen Charakter haben: Diese reichen von der Boheme und der Jugendbewegung nach 1900 sowie der Jazz- und Swingbegeisterung, die in den 1920er Jahren einsetzte, über die "Halbstarken"- und Teenagerbewegung bis zu den Beat-, Rock- und Hippiegenerationen nach dem Zweiten Weltkrieg. Seit den sechziger Jahren hat die dichte Welle von jugendspezifischen Musikrichtungen, von Konsum- und Lebensstilen ohnehin weitgehend internationalen Charakter. Zumindest gelten die Jugendszenen in den USA und in Großbritannien weltweit als Quelle der Dauerinspiration. Dieser transnationale Kontext stand jedoch bislang nicht im Vordergrund entsprechender Untersuchungen. Auch in der Debatte über die weltweiten Proteste, die mit "1968" in Verbindung gebracht werden, sowie über die Themen der nachfolgenden Neuen Sozialen Bewegungen (Feminismus, Ökologie, Pazifismus usw.) wird diese Themendiffusion anerkannt, aber es sind die besonderen Gelegenheitsstrukturen der nationalen politischen Kultur, die als entscheidend für das Schicksal der Themen, Proteste und Mobilisierungen angesehen werden. Die Dichte und Wirksamkeit globaler wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Prozesse machen es jedoch heute sinnvoll, deren Eigengewicht für die Herausbildung und Transformation von lokalen und regionalen Jugendkulturen zu betonen. Gleichzeitig gibt es Ansätze zu transnationalen Jugendkulturen.

2. Jugendkulturen - bzw. deren Träger - versuchen zunehmend selbst Einfluss auf diese Globalisierungsprozesse zu nehmen, sie eigensinnig zu nutzen, zu gestalten oder zurückzudrängen. Das ist die andere Seite dieser Entwicklung.

Seit den Mobilisierungen gegen die Sitzungen der Welthandelsorganisation (WTO) in Seattle Ende 1999 begleitet eine Protestkarawane internationale ökonomische und politische Gipfeltreffen. Dabei handelt es sich um alles andere als eine einheitliche Bewegung. Unter anderem Gewerkschaftsgruppen, postkommunistische Linke und katholische Gemeinden, Umweltgruppen, Tierschützer, Feministinnen befinden sich unter den größtenteils jugendlichen Protestierenden. Aber nicht nur das Alter der bei solchen Gelegenheiten Festgenommenen verweist auf den hohen Anteil von Jugendlichen an den globalisierungskritischen Protesten. Nicht selten bilden sie - nicht zuletzt wegen ihrer Netzkompetenzen - die organisatorischen Knoten der transnationalen Mobilisierungsnetzwerke. Ereignisse und Themen der transnationalen Politik dominieren, auch wenn jeweils nationale Subthemen eingespeist werden. Aber nicht nur für die spektakulären Gipfelproteste gilt, dass der Versuch unternommen wird, auf die Agenda globaler Transformationen Einfluss zu nehmen. Solche Orientierungen finden sich auch in anderen Jugendkulturen. Worum geht es dabei?

II. Was heißt heute Globalisierung?

Globalisierung gilt als catchword für alles und jedes. Theorien, Konzepte und Verwendungszusammenhänge existieren nicht nur in Hülle und Fülle, sie sind auch heftig umstritten. Die Definitionsversuche gehen in die Hunderte, wenn nicht Tausende. Unterschiedlichste Phänomene werden in umfangreichen Studien miteinander verknüpft. Ohne auf die zahlreichen Kontroversen um Fakten und Deutungen einzugehen, sollen hier nur einige wenige, aber zentrale ökonomische und politische Prozesse hervorgehoben werden, die unseren Alltag und mehr noch den der nachwachsenden Generationen prägen und verändern werden:

- Die ökonomische Globalisierung, wie wir sie heute diskutieren, nahm ihren Anfang mit der Liberalisierung der Weltfinanzmärkte in den siebziger Jahren, dem Abschied vom Bretton-Woods-System der Nachkriegszeit, das auf festen, nur begrenzt schwankenden Wechselkursen und Golddeckung beruhte. Seither vagabundieren täglich - für den Normalsterblichen - unvorstellbare Geldbeträge auf einem global gewordenen Marktplatz. Sie entfalten dabei eine politisch unkontrollierte Macht, die nationale (wie jüngst Argentinien) und regionale Ökonomien (wie zuletzt in Südostasien) ins Trudeln bringen können. Viele der ärmeren und ärmsten Länder sind in eine Schuldenfalle geraten, aus der sie mit eigener Kraft nicht mehr herauskommen. Die Auflagen der internationalen Kreditgeber und die Politik der nationalen Eliten stürzen größere Teile der Bevölkerung ins Elend. Der Ruf nach neuen politischen Regulierungen der Weltfinanzmärkte ist lauter geworden, seit sich die Zweifel daran verstärken, diese Schattenseiten der Globalisierung seien nur eine vorübergehende Erscheinung. Den liberalisierten Weltfinanzmärkten folgten - wenn auch weniger spektakulär - beachtliche Zuwächse im internationalen Handel und der internationalen Arbeitsteilung.

- Neue Kommunikations- und Informationstechnologien haben diesen Austausch sicherlich erleichtert und gefördert. Wenn vom "Informationszeitalter" (Manuel Castells) die Rede ist, wird vor allem dieser Aspekt einseitig hervorgehoben. Die aktuellen Globalisierungsprozesse sind jedoch weder allein durch neue Technologien noch durch die "Gier des Marktes" determiniert. Sie sind auch politisch gewollt und haben viele Protagonisten, allen voran die Regierungen und internationalen Institutionen (vor allem Internationaler Währungsfond IWF, Weltbank und WTO), die sich dem neoliberalen "Konsens von Washington" verpflichtet wissen. Die eigentlichen Motoren, die erfolg- und folgenreichsten Akteure, sind jedoch eine wachsende Zahl von transnationalen Konzernen (TNKs), weil sie am aktivsten nationale Begrenzungen hinter sich lassen.

- Institutioneller Ausdruck und eine Konsequenz dieser ökonomisch globalisierten Welt sind die heute mehr als 300 "internationalen Regime", die jeweils einzelne Bereiche des transnationalen Austauschs regulieren. Teilweise umfassen diese Regime internationale Organisationen und sind in das weitverzweigte System der Vereinten Nationen eingebettet, in denen Nationalstaaten eine gewichtige Rolle spielen. Teils stützen sie sich in erster Linie auf Akteure der Zivilgesellschaft, wie Nichtregierungsorganisationen (NGOs), Berufs- und Unternehmensverbände, die z. T. schon lange transnational vernetzt sind. Die einflussreichste zivilgesellschaftliche Organisation in all diesen Regimen dürfte vermutlich die Internationale Handelskammer (ICC - International Chamber of Commerce) sein. In ihrer institutionellen Verfassung sind diese Regime teils "privat", teils zwischenstaatlich verfasst, teils haben sie feste Organisationen ausgebildet, teils kooperieren sie locker über gelegentliche Konferenzen. Es gehört zum Wesen dieser Art von Regulierungen, dass wir im Alltag davon im Allgemeinen kaum etwas merken. Es sei denn, es gibt öffentlichen Streit: beispielsweise um die Auszeichnung von genetisch veränderten Lebensmitteln. Dann taucht die Frage auf, wer eigentlich jenseits der nationalen Regierungen dafür verantwortlich ist. Nun kommen Einrichtungen, wie die Codex-Alimentarius-Kommission in Rom in den Blick, von der wohl nur wenige Konsumenten etwas wissen. Globalisierungsprozesse vollziehen sich also keineswegs naturwüchsig, vielmehr existieren mehr oder weniger einflussreiche Regulierungsinstanzen und Steuerungselemente, an denen Institutionen und Zusammenschlüsse privater oder öffentlicher Art mitwirken.

Das NGO-Wachstum ist eng mit dem anderer transnationaler Akteure und Organisationen verbunden. In der gleichen Zeitspanne wächst beispielsweise die Zahl der transnationalen Konzerne auf 45 000. NGOs sind offensichtlich nur ein Element unter anderen im komplexen Prozess der Globalisierung. Unabhängig davon, wie tiefgreifend die Veränderungen in den internationalen Austausch- und Machtbeziehungen auch sein mögen, unübersehbar ist der Zuwachs internationaler Regierungsorganisationen IGOs (1909: 37 IGOs; 1996: 260 IGOs), internationaler Verträge zwischen Regierungen (1946: 6 351; 1975: 14 061) und von Verträgen mit IGOs (1946: 623; 1975: 2 303).

III. Folgen und Herausforderungen der Globalisierung

Von den vielen Folgen der Globalisierungsprozesse sollen hier nur einige wenige hervorgehoben werden, an denen sich gesellschaftlicher Widerspruch entzündet:

1. Ungleichheitsdynamik und soziale Exklusion

Auffällig ist, dass der weltwirtschaftliche Wachstumsschub, der von den liberalisierten transnationalen ökonomischen Beziehungen ausgeht, ein extrem ungleiches Profil aufweist. Dies gilt vor allem im Vergleich zur ersten Wachstumsphase nach dem Zweiten Weltkrieg, die oft als "fordistisch" geprägtes "goldenes Zeitalter" beschrieben wird - gemeint ist ein ökonomisches Wachstumsmodell, das auf dem Zusammenspiel von Massenproduktion und Massenkonsum beruhte und in der Zwischenkriegszeit auf betrieblicher Ebene zuerst durch den Automobilbauer Henry Ford propagiert wurde, bevor es gesellschaftspolitische Verheißung eines "Wohlstands für alle" wurde. Nachholende Entwicklung und Modernisierung schienen damals noch plausible Verheißungen für die zurückgebliebenen Regionen zu sein. Das neue, globalisierte Wettbewerbsmodell bietet vor allem Chancen für die überlegenen Standorte und ihre privilegierten Bewohner. Das weltweite Rennen um Standortvorteile, das gelegentlich auch in den kleinsten Gemeinden zu spüren ist, straft die Verlierer mit weiterer Abwertung und sozialer Exklusion. Die naturwüchsige Dynamik dieser neuen transnationalen Arbeitsteilung wird als "race to the bottom" erfahrbar - ein Rennen, bei dem Löhne und Arbeitsbedingungen, aber auch ökologische, soziale und demokratische Standards permanent unterboten werden. Kevin Bales hat in seiner Analyse "Die neue Sklaverei" darauf aufmerksam gemacht, dass heute weltweit mehr als 27 Millionen Menschen in Sklaverei leben - mehr als zu Zeiten des transatlantischen Sklavenhandels im 18. und 19. Jahrhundert. Große TNKs profitieren von Formen der Sklavenarbeit in Pakistan, Indien, Brasilien, in den "free enterprise zones" Chinas und anderer asiatischer Länder, in die sie ihre banalisierte Produktion zunehmend verlagern - aber auch in den "sweatshops" von meist illegalen Migrantinnen und Migranten in New York und anderswo in der "ersten Welt". Heute muss die Hälfte der Menschheit mit weniger als zwei US-Dollar pro Tag auskommen. Die drei reichsten Männer der Erde besitzen ein Vermögen, das größer ist als das gemeinsame Bruttoinlandsprodukt der 49 ärmsten Länder.

Bislang wird diese Ungleichheitsentwicklung, sofern sie überhaupt eingestanden wird, von den herrschenden Wirtschaftskreisen als Übergangserscheinung beschrieben. Getreu Ricardos Theorie der komparativen Kostenvorteile sollen bald die Bewohner in allen Ländern von der vertieften und intensivierten internationalen Arbeitsteilung profitieren. Nach zwei Dekaden intensiver Globalisierungsprozesse deutet sich die Einlösung dieses Versprechens jedoch nicht an. Eine nachholende Entwicklung in der Peripherie wird u. a. durch die unvollständige Marktöffnung der dominierenden Ökonomien verhindert. Handelsbarrieren gehören gerade zur Praxis jener reichen Nationen des Nordens und ihrer regionalen Zusammenschlüsse, die den Freihandel für andere auf ihre Fahnen geschrieben haben (der EU-Agrarmarkt ist dafür ein prägnantes Beispiel). Es ist schwer vorstellbar, wie einige EU-Länder heute aussähen, gäbe es den Freihandel für Agrarprodukte auch für die Länder der Peripherie. Gerade einflussreiche Nationen und transnationale Konzerne sind in der Lage, in vielen Bereichen einen strategischen Wettbewerb zu praktizieren, der Nachteile einseitig abwälzt und Vorteile einseitig aneignet.

In engem Zusammenhang mit der Ungleichheitsdynamik der ökonomischen Globalisierungsprozesse ist die drastische Zunahme von grenzüberschreitender Migration und den damit einhergehenden multikulturellen Herausforderungen zu sehen. Nicht von ungefähr sind die Konflikte um Einwanderung, Asylrecht, Flüchtlingsstatus und Staatsbürgerschaft in den reicheren Ländern des Nordens politisch brisant geworden.

2. Abstraktion und politischer Gestaltungsmangel

Die Abhängigkeit von Weltmarktentwicklungen, von anonymen, fernen Mächten, löst Ängste bei denen aus, die sich als Verlierer globaler Herausforderungen begreifen oder Angst davor haben müssen, künftig zu diesen zu gehören. Der politische Kontrollverlust der Nationalstaaten, der schwächeren zumal, ist überdeutlich. Viele der transnationalen Regime arbeiten im Verborgenen, lassen Öffentlichkeit und demokratische Kontrolle vermissen. Der Wunsch nach mehr Transparenz und politischer Steuerung wird vielfach artikuliert.

Insgesamt ist die künftige politische Verfassung der transnationalen Ebene umstritten, wobei im Augenblick mindestens drei unterschiedliche Versionen konkurrieren. Die Rede ist von

- einer "neuen Weltordnung" - wie sie bereits US-Präsident Bush senior zu Beginn der neunziger Jahre verkündete - mit den USA als allein verbliebener Hegemonialmacht, d. h., es gibt eine Zentralmacht, die stark genug ist, die Weltpolitik zu kontrollieren, und diese Macht im ökonomischen, politischen und militärischen Sinne auch ausübt;

- einem Tripartismus im Sinne des Nebeneinanders von drei starken Regionen (EU, Asean-Staaten und Nafta), wobei diese drei in einem mehr oder weniger kooperativen Verhältnis miteinander um die politische Dominanz konkurrieren oder

- einem "neuen Mittelalter" - eine Vision, die aktuell vermutlich am meisten Schrecken verbreitet -, geprägt von einer Vielzahl von rivalisierenden staatlichen und zivilen Mächten ohne eine dominierende und ordnende Regionalmacht. Dieses Projekt hat mit den Terroranschlägen der jüngsten Zeit praktische Gestalt angenommen. Aber auch unabhängig davon gibt es in vielen Ländern der Peripherie Bestrebungen, sich dem Zugriff der neuen hegemonialen Weltordnungen zu entziehen.

Der Kampf um eine neue globale Ordnung, für die auch demokratisch-menschenrechtlich anspruchsvollere Alternativen existieren, dürfte noch nicht entschieden sein.

IV. Die Neuformierung von Jugendkulturen

Mit Blick auf Jugendkulturen lassen sich schematisch - in der Realität gibt es zumeist Mischungsverhältnisse - drei gegensätzliche Reaktionsbildungen auf die beschriebenen globalen Transfor-mationen unterscheiden:

1. Jugendkulturen als Vorreiter von Globalisierungsprozessen

Jugendkulturen treten häufig als Avantgarden von Globalisierungsprozessen auf. Als Produzenten und Konsumenten sind sie zwar nicht die ressourcenstärkste, aber vermutlich die innovativste, flexibelste und mobilste Zielgruppe, die das Projekt einer weltweiten kulturellen Homogenisierung vorantreibt. Lifestyles, vermittelt über Musikstile, Videoclips, MTV, Hollywood-Filme, Reisen, Kleidungs- und Konsumstile sind heute global im Angebot und ein zentrales Exportprodukt der entsprechend spezialisierten transnationalen Konzerne, häufig mit Stammsitz in den "global media cities" der USA und in Westeuropa. Auch wenn die Umsätze und Konzentrationsprozesse im Medienbereich schon für sich genommen beeindrucken können, sind die Medienkonzerne als Produzenten eines kulturellen Umfeldes für die Expansion globaler Politik und Ökonomie von kaum zu überschätzender Bedeutung. Zu Produzenten einer kosmopolitischen Weltkultur werden Jugendkulturen, indem sie in der multi- bzw. transkulturellen Szene der Weltstädte immer neue Lebensstile und Moden hervorbringen. Eigensinn, Konkurrenz, Abgrenzung, Anerkennung und die Suche nach Authentizität sind ihre treibenden Kräfte, genährt vom individuellen Erfolgsstreben. Jugendkulturen sind Anregungsmilieu, Trendsetter und Rohstoff für die Produkte der globalen Medienkonzerne.

Über konsumorientierte Jugendliche als Vorreiter einer Eventkultur und Spaßgesellschaft ist viel geschrieben worden. Medial, beispielsweise über MTV, weltweit verbreitete kulturelle Images sind Angebote zur Selbststilisierung und Gruppenbildung, die vor allem von Teenagern intensiv genutzt werden. Leitbild ist die freie Wahl der Lebensstile aus einer vorgegebenen Palette von Konsumangeboten. Die Zukunftsperspektive der transnationalen konsumzentrierten Jugendmilieus hat der französische Romancier Frédéric Beigbeder auf die prägnante Formel gebracht: "Eines Tages werden wir nicht mehr Länder, sondern Marken bewohnen: Wir sind dann die McDonaldianer und die Microsofties."

Hiphop, Rave, Punk, Club, Techno usw. bezeichnen einige der Musikstile, um die sich transnationale Jugendkulturen gruppieren, von denen es je nach Zählung 100 und mehr Varianten gibt. Sie weisen stets einen besonderen lokalen Akzent auf, meist werden sie in abgewandelten und zusammengefügten Varianten gelebt. Aber die passende Musik, die richtigen Klamotten und andere Accessoires bietet der globale Markt - angereichert mit dem dazu gehörenden Lebensgefühl. Diese Jugendszenen zelebrieren "The power of now", so ein erfolgreicher Zeitgeist-Slogan für die Zigarettenmarke WEST, der genau mit diesem flexiblen Changieren von unterschiedlichsten Lebensstilen spielt. "The power of now" heißt, ihr könnt - quasi geschichtslos und ohne biografisches Bleigewicht - jederzeit neu über euren Lebensstil entscheiden und ihn tolerant nebeneinander leben. Auffällig ist zudem die ungebrochen zur Schau gestellte Konsumlust. "Abweichende" Lebensstile werden nicht mit einer spezifischen politisch-kulturellen Botschaft präsentiert, sondern als altersspezifisches Angebot ohne dauerhafte Prägewirkung. Die konsumkulturelle Botschaft überlagert zumeist politische Ausdruckformen, macht sie unbestimmt und beliebig. So ist es kein Zufall, dass es in der Skin- und Rockkultur r gesellschaftskritische Stachel von jugendkultureller Provokation kaum zu spüren ist. Mit Blick auf die ökonomischen Globalisierungsprozesse erscheinen diese Jugendkulturen proaktiv und beschleunigend. Sie erweitern transnationale Konsummärkte und nutzen dazu die vorhandenen technischen Vernetzungsmöglichkeiten. Ihre Pluralität und Heterogenität, ihr hybrider Charakter, die hinzugefügten Elemente der Selbstgestaltung, selbst ihre gelegentliche Aufladung mit Protestelementen sprechen zwar gegen das vorschnelle Urteil einer homogenisierten, ja weltweit uniformen Konzernwelt, wie sie mit Begriffen wie McDonaldisierung oder Disneyfizierung suggeriert wird. Aber sie unterstützen gerade in ihrem flexiblen und "postmodernen" Charakter eher Marktorientierungen als gesteigerte Erwartungen an die politische Gestaltbarkeit globaler Transformationen.

2. Identitätsorientierter Widerstand und Rückzugsbewegungen

Im Kontrast zur proaktiven Grundströmung haben in jüngerer Zeit zwei andere Strömungen deutlich an Gewicht gewonnen. Es haben sich vielfältige lokale Gegenkulturen herausgebildet, die sich demonstrativ gegen die kulturelle Vereinheitlichung durch die beschriebenen Globalisierungsprozesse wenden. Religiöse, regionalistische, nationalistische und rechtsextreme Strömungen können ebenso dazu gehören wie ökologisch begründete Gemeinschaften. "Identität" ist ihr gemeinsames Zauberwort, um das alles kreist. Kollektive Identitäten werden erfunden oder ausgegraben, damit sie Sinnstiftung in einer unübersichtlich und beliebig gewordenen Welt bieten. Der Rückzug in Gemeinschaften soll den staatlichen Kontrollverlust kompensieren, mit dem die globalen Transformationsprozesse vermeintlich oder tatsächlich politisch einhergehen. Rechtsextreme, fremdenfeindliche und rassistische Strömungen haben weltweit - vor allem in den reichen Ländern des Nordens - in den letzten zwei Jahrzehnten, d. h. den Dekaden der Globalisierung, deutlich zugelegt. Ihr Protest gegen Globalisierung kreist um die zuweilen gewalttätige Identitätsbehauptung gegen kulturelle Überfremdung, Zuwanderung und offene Grenzen. Mobilisiert wird für eine Errichtung von Mauern gegen den Zuzug von Migranten. Was wir in den letzten 20 Jahren an wachsendem Rechtsextremismus erleben, vor allem auch unter Jugendlichen, ist vorrangig eine Reaktionsbildung auf Globalisierungsprozesse und die damit verbundenen Denationalisierungen, die als bedrohlich erfahren werden. Es handelt sich nicht um eine Wiederholung dessen, was in den zwanziger und dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts passierte. Trotz "alter Kameraden" und NS-Symbolik erhebt sich nicht der alte Nationalsozialismus oder Faschismus aus dem Grabe. So versammelten sich zum Beispiel am 27. Oktober 2001 in Heidelberg einige Hundert Demonstranten der NPD-Jugend hinter Transparenten mit der Aufschrift "Für eine Welt der freien Völker". Die Kritik richtete sich, so die Veranstalter, "gegen die Globalisierung und die dahinter stehenden US-Interessen".

Solche politisch-kulturell gestimmten Identitätsbehauptungen haben in der Regel einen ökonomischen Kern. Einmal geht es um die Verteidigung komparativer Vorteile im Globalisierungsprozess gegen die anstürmenden Habenichtse - ein Wohlstandschauvinismus, der sich in weit verbreiteten Leitbildern wie der "Festung Europa" niedergeschlagen hat. Aus dieser Quelle speisen sich auch die italienische Lega Nord oder die österreichische FPÖ unter Jörg Haider. Zum anderen greifen rechtspopulistische Mobilisierungen die Erfahrung oder auch nur die Angst auf, zu den Globalisierungsverlierern zu gehören. Der "Vereinigungsschock" mit dauerhafter Massenarbeitslosigkeit, die Nähe zur EU-Außengrenze und die befürchtete Konkurrenz billiger Arbeitsmigranten sind die besonderen ökonomischen Faktoren des Wahlerfolgs der rechtsextremen DVU, die mit Parolen wie "Deutsche zuerst, Deutsche Arbeitsplätze für Deutsche" 1998 in Sachsen-Anhalt immerhin 12,9 Prozent der Wählerstimmen erringen konnte. Bei den Wählerinnen und Wählern unter 30 Jahren war die DVU sogar die stärkste Partei.

3. Globalisierungskritische Milieus und Bewegungen

Von Seattle bis Genua ist deutlich geworden, dass es einen progressiven globalisierungskritischen Gegenpol in den gegenwärtigen Jugendkulturen gibt. Auffällig war bei all diesen Protesten der hohe Anteil von Jugendlichen und Schülern. Kosmopolitische Orientierungen, globale Verantwortung, Unbehagen im Wohlstand, moralische Sensibilität für Globalisierungsfolgen und Solidarität mit den Globalisierungsopfern in der Peripherie gehören zu den hervorstechenden normativen Orientierungen dieser Jugendszenen, die transnational in verschiedenen Netzwerken kooperieren. Sicherlich spielt auch die Furcht vor den unabsehbaren sozialen und ökologischen Folgen eine Rolle, die durch die vorherrschende Form der Globalisierung aufgehäuft werden. Sie markieren den äußersten Gegenpol zu den rechtsextremen Rückzugsbewegungen und deren Globalisierungskritik, die auf nationale und regionale Schließung setzt. Die gegenwärtigen globalisierungskritischen Initiativen heben sich auch von einem Internationalismus ab, der auf revolutionäre Vorbilder in der "Dritten Welt" setzte. Im Vergleich dazu nehmen sich Debatten, wie sie von globalisierungskritischen Initiativen auf dem Weltsozialforum in Porto Alegre Anfang 2001 geführt wurden, eher pragmatisch aus. Es gibt inzwischen - gerade auch in den USA und Kanada - eine Fülle von konsumkritischen Initiativen gegen eine konzerngeprägte Globalisierung, die Verstöße gegen soziale und ökologische Standards von Markenartikelherstellern in der Peripherie mit Boykottaufrufen beantworten. Naomi Klein hat mit ihrer stark beachteten Streitschrift "No Logo!" erheblich zur Aufklärung über diese Schattenseiten der globalen Konsumkultur und zur Verbreitung von Boykottinitiativen beigetragen. Mit "Reclaim the Streets" und den "Innenstadtaktionen" hat sie zudem auf Aktionsformen aufmerksam gemacht, die sich gegen die Privatisierung von öffentlichen Räumen und die Vertreibung von konsumstörenden "Randgruppen" aus den Innenstädten wenden. In die Proteste vieler Jugendlichen mischt sich deutlich die Scham, Nutznießer dieser globalen Ungleichheiten zu sein. Die Boykottaktionen gegen Markenhersteller sind übrigens keineswegs folgenlos. Mehr als die Hälfte aller Marken haben im Vergleich zum Vorjahr verloren, allen voran Nike, Coca Cola und McDonalds.

Es ist gegenwärtig nicht möglich, ein halbwegs vollständiges Bild der Jugendmilieus zu skizzieren, die heute in der einen oder anderen Form in globalisierungskritischen Initiativen tätig sind. In ihrer prägnanten Parole "Eine andere Welt ist möglich!" schwingt noch jenes jugendbewegte Pathos mit, das an der Gestaltbarkeit der Welt festhält. Allerdings hat es nichts mehr mit der trügerischen Gewissheit jener Generation zu tun, die zu Beginn des letzten Jahrhunderts beschwor: "Mit uns zieht die neue Zeit." Gemeinsames Ziel der vielfältigen Aktionsansätze und NGOs ist eine sozial gerechte, demokratische Gestaltung der Globalisierungsprozesse durch die Rückgewinnung politischer Gestaltungsspielräume. Die Tobin-Steuer auf Devisengeschäfte soll dafür lediglich ein erstes Exempel bieten. Die Jahrhundertaufgabe erfordert weit mehr. Wichtige Schritte könnten sein:

- eine Demokratisierung der Vereinten Nationen, der internationalen Organisationen und Regime, Öffentlichkeit und Transparenz ihrer Verhandlungen;

- die Schaffung einer transnationalen Öffentlichkeit, die nicht von einigen wenigen Konzernen geprägt ist;

- das Finden gemeinsamer normativer Maßstäbe, die sich durch einen möglichst gleichberechtigten interkulturellen Austausch der Gruppen entlang universeller Menschenrechte weltweit entwickeln können.

Die Liste ließe sich beliebig verlängern. Jugendspezifische Forderungen wird man dabei vermutlich weitgehend vergeblich suchen. Auch dies ist ein Hinweis auf den historischen Abstand zum Mythos Jugend.

4. Gemeinsamkeiten und Herausforderungen

Bei näherem Hinsehen weisen die beschriebenen konkurrierenden, mitunter antagonistischen Strömungen auch Gemeinsamkeiten auf, die noch einmal auf die Prägekraft globaler Transformationen aufmerksam machen.

Alle jugendkulturellen Strömungen stützen sich auf überlokale, oft auch transnationale Vernetzungen, die sie mit Gleichgesinnten verbinden. Dies gilt auch für die diversen rechtsextremen Szenen (Hammerskins, Oi-Musik usw.). Gemeinsam ist ihnen auch die intensive Nutzung des Internets, wie das Beispiel der Demonstrationsberichterstattung der Jungen Nationalen zeigt. Die Boykott-Initiativen der globalisierungskritischen Initiativen wären ohne Internet gar nicht denkbar, fehlte es doch sonst an authentischen Vor-Ort-Informationen.

Zu den größten negativen Herausforderungen zählt die Formierung regressiver und repressiver jugendlich geprägter Verteidigungsgemeinschaften, die als "national befreite Zonen" bereits in einigen Regionen Ostdeutschland proklamiert wurden und an einigen Orten auch praktisch durchgesetzt werden. Verdrängung und beschleunigter Wegzug sind die Folge. Dadurch entstehen in den neuen Bundesländern womöglich homogene Räume, die von Andersdenkenden, -lebenden und -aussehenden "gesäubert" sind. Sie funktionieren pervers. Spektakuläre Gewalttaten gegen Ausländer oder ausländisch aussehende Menschen - immerhin mit mehr als 100 Todesopfern seit Anfang der neunziger Jahre - haben als territoriale Aneignung objektiv die Funktion von Erpressung: Beachtet uns und gebt uns Geld, sonst erleidet die gesamte Bundesrepublik einen Imageschaden im globalen Wettbewerb. Dabei entstehen Gemeinschaften, die Elemente von gegenseitiger Hilfe ausbilden (Handwerker, die bevorzugt rechte Jugendliche einstellen) und sich lokaler Anerkennung erfreuen (Kameradschaften als Sicherheitskräfte).

Fussnoten

Fußnoten

  1. Einen eindrucksvollen Überblick bietet der Ausstellungskatalog Deutscher Werkbund e. V./Württembergischer Kunstverein Stuttgart (Hrsg.), Schock und Schöpfung. Jugendästhetik im 20. Jahrhundert, Darmstadt - Neuwied 1986.

  2. Aus der Fülle der aktuellen Literatur möchte ich zwei materialreiche Studien hervorheben, die auch einen Überblick zu theoretischen und empirischen Konzepten bieten: David Held/Anthony McGrew/David Goldblatt/Jonathan Perraton, Global Transformations. Politics, Economics and Culture, Stanford 1999; Elmar Altvater/Birgit Mahnkopf, Grenzen der Globalisierung. Ökonomie, Ökologie und Politik in der Weltgesellschaft, Münster 19994.

  3. Vgl. bspw. Manuel Castells, The Information Age: Economy, Society and Culture. Band I: The Rise of the Network Society, Malden - Oxford 1996; Band II: The Power of Identity, Malden - Oxford 1997; Band III: End of the Millenium, Malden - Oxford 1998; kürzlich ist der erste Band in deutscher Übersetzung erschienen: Die Netzwerkgesellschaft, Opladen 2001.

  4. Differenzierte Indikatoren über die globale Ungleichheitsdynamik bieten die jährlichen Berichte des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP); s. Bericht über die menschliche Entwicklung 2000 (Human Rights and Human Development), Bonn 2000.

  5. So lautet ein eingängiger Buchtitel von Claus Koch, Die Gier des Marktes. Die Ohnmacht des Staates im Kampf der Weltwirtschaft, München - Wien 1995; das politische Gestaltungsdefizit der Globalisierungsprozesse behandelt zentral das Standardwerk von Wolf-Dieter Narr/Alexander Schubert, Weltökonomie. Die Misere der Politik, Franfurt/M. 1994.

  6. Damit wird nicht nur eine Sichtweise, sondern auch ein Bündel von politischen Maßnahmen umschrieben, auf die sich diese Institutionen im Sinne der Marktöffnung und des Abbaus von Handelshemmnissen verpflichtet haben; s. E. Altvater/B. Mahnkopf (Anm. 2), S. 209 ff.

  7. Den konfliktreichen Wechsel von dem Primat staatlicher Regulierungen zum Marktkonsensus in den dominierenden Gesellschaften nach dem Zweiten Weltkrieg schildern Daniel Yergin/Joseph Stanislaw, The Commanding Heights. The battle between government and the marketplace that is remaking the modern world, New York 1998; deutsche Fassung: Staat oder Markt. Die Schlüsselfrage unserer Zeit, München 2001.

  8. Sie reichen vom Walfang, über die Atomenergienutzung, die Telekommunikation und den Agrarhandel bis zu Arbeits- und Umweltstandards. Sie haben sehr unterschiedliche Profile, Reichweiten und Arbeitsweisen, vor allem das Gewicht staatlicher und privater Akteure variiert erheblich. Eine umfassende Darstellung dieser internationalen Regime gibt es bislang nicht. Immerhin liegt eine umfangreiche vergleichende Studie über 13 dieser Regime vor: John Braithwaite/Peter Drahos, Global Business Regulations, Cambridge 2000. Informationen zu drei Politikfeldern bietet Wolfgang Zangl, Interessen auf zwei Ebenen. Internationale Regime in der Agrarhandels-, Währungs- und Walfangpolitik, Baden-Baden 1999.

  9. Meist sind es "interessierte" Gruppierungen (in der Codex-Alimentarius-Kommission dominieren etwa die Nahrungsmittelkonzerne), die öffentlich kaum sichtbar in die Regulierung verschiedener Handels- und Lebensbereiche eingreifen.Viele alte und neue internationale Regime weisen ein Entwicklungsmuster auf, das in Richtung "Privatisierung der Weltpolitik" deutet - vgl. A. Claire Cutler/Virginia Haufler/Tony Porter (Hrsg.), Private Authority and International Affairs, Albany 1999; neuerdings Tanja ent der OECD-Mittel für den Süden und unterstützen damit mehr als 100 000 regionale NGOs, die ca. 100 Millionen Menschen erreichen. Allerdings ist das NGO-Wachstum ungleich und die NGO-Welt weit davon entfernt, egalitär zu sein. Weitere Informationen und detaillierte Nachweise in Roland Roth, NGO und transnationale soziale Bewegungen: Akteure einer "Weltzivilgesellschaft"?, in: Ulrich Brand u. a. (Hrsg.), Nichtregierungsorganisationen in der Transformation des Staates, Münster 2001, S. 43 - 63; ders., Auf dem Wege zur transnationalen Demokratie? Vorläufiges zum Beitrag von Protestmobilisierungen und Nichtregierungsorganisationen, in: Achim Brunnengräber/Ansgar Klein/ Heike Walk (Hrsg.), NGOs als Legitimationsressource. Zivilgesellschaftliche Partizipationsformen im Globalisierungsprozess, Opladen 2001, S. 27 - 50.

  10. Im Jahre 1993 gab es 15 000 transnationale Institutionen, von denen 90 Prozent nach 1960 gegründet wurden. Während es in der Mitte des 19. Jahrhunderts nur zwei oder drei Konferenzen im Jahr gab, die von internationalen Regierungsorganisationen ausgerichtet bzw. unterstützt wurden, sind es gegenwärtig nahezu 4 000 jährlich. Vgl. D. Held/A.'McGrew/D. Goldblatt/J. Perraton (Anm. 2), S. 52 ff.

  11. Vgl. Kevin Bales, Die neue Sklaverei, München 2001.

  12. Ein weiterer Indikator macht die Dynamik der Ungleichheitsentwicklung besonders deutlich. Der Gini-Koeffizient, mit dem die Einkommensdifferenz zwischen dem reichsten und dem ärmsten Fünftel der Bevölkerung gemessen wird, betrug 1930 30 : 1; 1990 60 : 1 und 1997 bereits 74 : 1. Innerhalb von nur sieben Jahren kommt es also in den neunziger Jahren noch einmal zu einem Ungleichheitszuwachs, der bereits die Hälfte dessen ausmacht, wofür zuvor 60'Jahre nötig waren - eine enorme Beschleunigung in der Weltungleichheit. Aktuelle Daten finden sich in den UNDP-Berichten (Anm. 4).

  13. Zu dieser und anderen ökonomischen Strategien in der globalen Ökonomie vgl. J. Braithwaite/P. Drahos (Anm. 8).

  14. Statt vieler anderer Texte Saskia Sassen, Globalization and its Discontents. Essays on the new mobility of people and money, New York 1998.

  15. Vgl. die Szenarien bei D. Held/A. McGrew/D. Goldblatt/J. Perraton (Anm. 2), S. 32 ff.; U. Brand u. a. (Anm. 10) und die kritische Suche nach einer Alternative bei Ulrich Brand u. a. (Hrsg.), Global Governance. Alternative zur neoliberalen Globalisierung?, Münster 2000.

  16. Vgl. Stefan Krätke, Medienstadt. Urbane Cluster und globale Zentren der Kulturproduktion, Opladen 2002. Er identifiziert nur sechs Städte, die in der ersten weltweiten Liga operieren: Los Angeles, New York, London, Paris, Amsterdam, Berlin und München.

  17. Vgl. Dusan Reljic, Der Vormarsch der Megamedien und die Kommerzialisierung der Weltöffentlichkeit, in: T. Brühl u. a. (Anm. 9), S. 58-81; weitere empirische Trends in den'kulturellen Globalisierungsprozessen bei D. Held/A.'McGrew/D. Goldblatt/J. Perraton (Anm. 2), S. 327 ff.

  18. Eine frühe Version dieser These findet sich bei Benjamin Barber, Jihad vs. McWorld. How globalism and tribalism are reshaping the world, New York 1995.

  19. Vgl. M. Castells, The Power of Identity (Anm. 3).

  20. Vgl. Saskia Sassen, Losing Control? Sovereignty in an Age of Globalization, New York 1996.

  21. Zur Veränderung nationaler politischer Kulturen unter den Bedingungen von Globalisierungsprozessen s. Hanspeter Kriesi, Nationaler politischer Wandel in einer sich denationalisierenden Welt, in: Ansgar Klein/Ruud Koopmans/Heiko Geiling (Hrsg.), Globalisierung, Partizipation, Protest, Opladen 2001, S. 23 - 44.

  22. Naomi Klein, No Logo ! Der Kampf der global Players um Marktmacht. Ein Spiel mit vielen Verlierern und wenigen Gewinnern, Gütersloh 2001.

  23. Zu den Jugendbewegungen und -kulturen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vgl. Thomas Koebner/Rolf-Peter Janz/Frank Trommler (Hrsg.), "Mit uns zieht die neue Zeit". Der Mythos Jugend, Frankfurt/M 1985.

Dr. phil., geb. 1949; Professor für Politikwissenschaft am Fachbereich Sozial- und Gesundheitswesen der Hochschule Magdeburg-Stendal (FH).

Anschrift: Hochschule Magdeburg-Stendal, Breitscheidstr. 2, 39114 Magdeburg.
E-Mail: roland.roth@sgw.hs-magdeburg.de

Veröffentlichung u. a.: (Hrsg. zus. mit Dieter Rucht) Jugendkulturen und Protest, Opladen 2000.