I. Die Entdeckung der Freiwilligendienste
Freiwilligendienste, in denen sich Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 16 und 27 Jahren im Rahmen eines Freiwilligen Sozialen Jahres, eines Freiwilligen Ökologischen Jahres oder auch im Kontext der internationalen Friedensdienste engagieren, erfahren derzeit eine ungeahnte Aufmerksamkeit. Das öffentliche und fachpolitische Interesse findet seinen Ausdruck in zahlreichen Tagungen und Veröffentlichungen.
Das von der Robert Bosch Stiftung initiierte "Manifest für Freiwilligendienste in Deutschland und Europa" hat die Diskussion um eine Ausweitung der Freiwilligendienste auf neue Handlungsfelder und um veränderte fachliche Konzepte bei der Durchführung angeregt.
Diese starke Aufmerksamkeit für Freiwilligendienste speist sich insbesondere aus zwei Quellen: In den Debatten um eine Stärkung der Bürgergesellschaft werden auch die Freiwilligendienste in ihrer Bedeutung als Lernorte für bürgerschaftliches Engagement neu entdeckt. Die Ergebnisse des Freiwilligensurveys zeigen die Bedeutung einer frühen Sozialisation in gemeinwohlorientiertes Handeln.
Die Neuentdeckung der Freiwilligendienste in den öffentlichen Debatten ist - als zweiter Kontext - stark von den anstehenden Veränderungen bei der Wehrpflicht und deren Auswirkungen auf den Zivildienst geprägt. Die Vorschläge für einen Ausbau der Freiwilligendienste sind dabei von einer Gemengelage unterschiedlicher Interessen bestimmt, die von Erwartungen einer Kompensation des Wegfalls von Zivildienststellen durch mehr Freiwilligendienste bis hin zu Überlegungen reichen, die freigesetzten Gelder, die sich durch die Veränderungen beim Zivildienst ergeben, für einen umfassenden Ausbau der Freiwilligendienste zu nutzen, um damit mehr Jugendlichen einen Zugang zu ermöglichen. Nicht zuletzt spielt bei den aktuellen Debatten auch das Argument einer Ressourcensicherung hinein, wenn es um die Rolle des Bundesamtes für Zivildienst bei einem Ausbau der Freiwilligendienste geht.
II. Zwischen Tradition und Erneuerung
1. Das Spektrum der Freiwilligendienste
Wenn von Freiwilligendiensten die Rede ist, dann sind damit verschiedene "Dienste" gemeint, die sich in ihren rechtlichen Grundlagen, in ihren Finanzierungsmodi und in ihren Organisationsformen unterscheiden. Der etablierteste und wohl auch bekannteste Freiwilligendienst ist das Freiwillige Soziale Jahr mit bundesweit knapp 11 400 Freiwilligen im Jahr 2000/2001, 10 327 Frauen und 1 032 Männer.
Seit Ende der fünfziger Jahre gibt es auch die allgemeinen freiwilligen sozialen Dienste im Ausland, die vor allem von den in der "Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden" und im "Arbeitskreis Lernen und Helfen in Übersee" zusammengeschlossenen Trägern organisiert werden und im Bereich der Friedens- und Versöhnungsarbeit aktiv sind. Diese Dienste unterliegen bisher nicht den gesetzlichen Grundlagen für ein Freiwilliges Soziales und Freiwilliges Ökologisches Jahr und finanzieren sich weitgehend aus Spenden, Eigenleistungen der Träger, kirchlichen Zuwendungen und aus Unterstützergruppen der Freiwilligen. Aufgrund ihrer Programmatik und ihrer Organisationsstruktur sprechen sie zwar nur eine kleine Gruppe von Jugendlichen an. Mit ihrer friedenspolitischen und -pädagogischen Arbeit haben allerdings Trägerorganisationen wie die "Aktion Sühnezeichen" insbesondere in den siebziger und achtziger Jahren wichtige Impulse gegeben.
Seit Beginn der neunziger Jahre lässt sich eine Tendenz zur Ausweitung der Freiwilligendienste beobachten. 1993 wurde mit der Einrichtung des Freiwilligen Ökologischen Jahres die gesetzliche Grundlage für Freiwilligendienste im Umweltbereich geschaffen.
Auch mit dem Freiwilligen Jahr in der Denkmalpflege
Mit dem Europäischen Freiwilligendienst (EFD) erhält die Bildungs- und Lernorientierung der Freiwilligendienste eine explizit europäische Ausrichtung.
Tabelle: Teilnehmerinnen und Teilnehmer an den verschiedenen Freiwilligendiensten 2000/2001:
FÖJ 1 640
Auslandsdienste 658
EFD 1 057
FST 895
Angeregt durch das Manifest "Jugend erneuert Gemeinschaft"
2. Jugend- und bildungspolitische Bedeutung
Im Verlauf ihrer Geschichte haben sich die Freiwilligendienste immer stärker in Richtung auf ein jugend- und bildungspolitisches Instrument verändert, dem mit der pädagogischen Begleitung Rechnung getragen wird. In einer biografischen Phase, die von jugendspezifischen Anforderungen des Übergangs von der Jugendphase in den Erwachsenenstatus bestimmt ist, bieten die Freiwilligendienste Orientierung und Begleitung. Die Ablösung vom Elternhaus, die Erfahrung einer eigenständigen Lebensführung und Anforderungen zur Selbstfindung beeinflussen die Entscheidungen für einen Freiwilligendienst.
Voraussetzung für diese umfassenden Bildungserfahrungen ist die spezifische Konstruktion der Freiwilligendienste von Moratorium und Lernort einerseits sowie Tätigkeit mit konkreten Anforderungen und Verantwortlichkeiten andererseits. Im Unterschied zum Leben der Jugendlichen in ihren Herkunftsfamilien und in den Schulen stellt der Freiwilligendienst Anforderungen, die "Ernstcharakter" tragen. Die Freiwilligen übernehmen verantwortungsvolle Aufgaben, die für das Leben anderer folgenreich sein können, machen Erfahrungen mit einem gemeinwohlorientierten Handeln und engagieren sich für die Lösung gesellschaftlicher Probleme. Die besondere Mischung aus Moratorium und Anforderungen macht den Erfolg der Freiwilligendienste und ihre hohe Akzeptanz bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus. Anknüpfend an die Diskussion um bürgerschaftliches Engagement kann man hier auch von einem gelungenen Passungsverhältnis
In den vergangenen Jahrzehnten waren es vor allem Frauen und dabei vor allem diejenigen, die über eine gute schulische Ausbildung verfügten, die Freiwilligendienste leisteten. Im FSJ liegt der Frauenanteil bei über 90, bei den anderen Freiwilligendiensten bei über 80 Prozent.
III. Die aktuelle gesetzliche Novellierung der Freiwilligendienste
1. Gesetzliche Neuregelungen
Der vorliegende Gesetzentwurf zur Änderung der Gesetze für ein Freiwilliges Soziales Jahr und für ein Freiwilliges Ökologisches Jahr sowie die Änderungen des Zivildienstgesetzes zielen darauf, den neuen Erwartungen und Anforderungen an Freiwilligendienste gerecht zu werden.
Auch mit einer stärkeren Flexibilisierung der Dauer reagiert der Gesetzgeber auf veränderte Erwartungen und Ansprüche an einen Freiwilligendienst. So kann der Freiwilligendienst, der in der Regel zwölf Monate am Stück geleistet wird, nicht nur bis zu sechs Monaten unterschritten, sondern auch bis zu einer Dauer von 18 Monaten verlängert werden. Innerhalb eines Gesamtzeitraums von 24 Monaten kann der Dienst in zeitlichen Abschnitten von mindestens drei Monaten erbracht werden. Voraussetzung für den Beginn eines Freiwilligendienstes soll nicht mehr ein Mindestalter sein, sondern die Erfüllung der Vollzeitschulpflicht. Dies zielt darauf, vermehrt auch Hauptschülerinnen und -schülern einen Freiwilligendienst zu ermöglichen.
Eine weitere wichtige Neuerung besteht in der Sicherung der gesetzlichen Basis für ein FSJ und ein FÖJ Jahr im Ausland. Es gelten die selben Bestimmungen wie für die entsprechenden Dienste im Inland, so dass die Trägerorganisationen Ansprüche auf eine Unterstützung der pädagogischen Begleitung durch finanzielle Mittel aus dem Bundeskinder- und Jugendplan erwerben und für die Freiwilligen die Ansprüche auf eine Weiterzahlung des Kindergeldes oder den Bezug einer Waisenrente gesichert sind.
Insbesondere die Neuerungen bei der Ausweitung der Trägerorganisationen und bei den Handlungsfeldern stellen wichtige Verbesserungen der individuellen und institutionellen Rahmenbedingungen für die Freiwilligendienste dar. Allerdings bleiben zentrale Probleme auch mit dem neuen Gesetz ungelöst. Insbesondere für die Freiwilligendienste im Ausland besteht nach wie vor ein erheblicher Handlungsbedarf. Entgegen der Empfehlungen der Trägerorganisationen, die bislang Freiwilligendienste im europäischen und außereuropäischen Ausland durchgeführt haben,
Eine ähnlich paradoxe Situation wie bei den Auslandsdiensten könnte sich auch im Zusammenhang mit einer Ausweitung der Handlungsfelder ergeben. So ist in dem neuen Gesetz zwar eine Ausweitung auf die Bereiche Jugendarbeit und Jugendbildung, Kultur und Sport vorgesehen. Während die großen Träger im Spektrum ihrer breiten Angebotspalette über ,Refinanzierungsmöglichkeiten" verfügen, mit denen die Kosten für Freiwilligendienste gedeckt werden können, gibt es diese Möglichkeit für kleine Träger, die für Freiwilligendienste im Bereich der Jugendarbeit oder in der Soziokultur prädestiniert sind, nicht. Insofern könnte die Situation eintreten, dass die Möglichkeiten zur Ausweitung der Handlungsfelder in erster Linie den großen Trägerorganisationen zugute kommt, während kleine Vereine die neuen Potenziale nicht ausschöpfen können.
2. Ein "Freiwilliges Jahr" im Rahmen des Zivildienstgesetzes
Die Änderung des Zivildienstgesetzes, die in der gesetzlichen Novellierung ebenfalls vorgesehen ist, sieht die Einführung eines "Freiwilligen Jahres" für anerkannte Kriegsdienstverweigerer vor (§ 14c des Zivildienstgesetzes).
Vorteile dieser neuen gesetzlichen Regelung bestehen darin, dass damit einer spezifischen Gruppe junger Männer Zugänge zu neuen Tätigkeiten in der Wohlfahrts- und Gesundheitspflege sowie in der Jugendbildung und Jugendarbeit eröffnet werden. Zugleich wird damit eine Option eröffnet, finanzielle Mittel aus dem Haushalt des Bundesamtes für Zivildienst in den Bereich der Freiwilligendienste zu transferieren. Diese Option könnte noch größere Bedeutung gewinnen, wenn die Wehrpflicht aufgehoben und der Zivildienst wegfallen würden. Allerdings ist diese gesetzliche Regelung eines "Freiwilligen Jahres" im Rahmen des Zivildienstes mit diversen Problemen behaftet. Da der Zivildienst ein Pflichtdienst ist, ist der im Rahmen von Paragraf 14c geleistete Dienst kein Freiwilligendienst. Mit dieser Regelung werden die Freiwilligendienste aufs Engste mit der Wehrpflicht verknüpft, was ihrer stärkeren Einbindung in die Bürgergesellschaft entgegenläuft. Hinzu kommen spezifische Probleme, die sich aus der gesetzlichen Konstruktion ergeben. Da die Kosten für die Zivildienstleistenden den Trägern vom Bundesamt für Zivildienst erstattet werden, besteht die Gefahr einer Verdrängung der Freiwilligen - zumeist junger Frauen -, die ein FSJ oder FÖJ leisten, da sie für die Träger letztendlich ,teurer" als die Zivildienstleistenden sind.
IV. Freiwilligendienste als Ressource der Bürgergesellschaft
1. Politischer Handlungsbedarf
Mit dem neuen Gesetz bleiben wichtige Fragen offen, und es besteht nach wie vor politischer Handlungsbedarf. Dies gilt insbesondere für die Freiwilligendienste im europäischen und außereuropäischen Ausland, deren Ausweitung durch die volle Einbeziehung in die Sozialversicherung äußerst begrenzt sein dürfte. Wenn der Gesetzgeber an diesen Regelungen festhalten will und gleichzeitig eine Ausweitung der Auslandsdienste politisch gewollt wird, muss über alternative Finanzierungsmöglichkeiten nachgedacht werden.
Klärungsbedarf bleibt nach wie vor bei der Frage des besonderen Status der Freiwilligen. Insbesondere bei deutschen Freiwilligen im Ausland, aber auch für ausländische Freiwillige, die in Deutschland leben und einen Dienst im Ausland absolvieren wollen sowie für ausländische Freiwillige, die in Deutschland einen Freiwilligendienst übernehmen, führt die ungeklärte Statusfrage immer wieder zu Problemen. Zur Klärung dieser Fragen könnte ein Freiwilligengesetz beitragen, das die Freiwilligkeit betont und die verschiedenen Freiwilligendienste in einem gesetzlichen Rahmen zusammenführt. Dies sollte unter Berücksichtigung der internationalen Situation sowie auch unter Beachtung der Regelungen und Praxis in Deutschland erfolgen. Handlungsbedarf besteht auch auf europäischer Ebene bei der Angleichung der unterschiedlichen länderspezifischen Regelungen für Freiwilligendienste. Dabei wird vorgeschlagen, eine Richtlinie zur Freizügigkeit von Freiwilligen entsprechend der Regelung für Studierende zu schaffen.
Aus der Perspektive einer aktiven Bürgergesellschaft ergibt sich auch bei der Ausweitung der Handlungsfelder ein politischer Handlungsbedarf. So sieht der Gesetzentwurf zwar eine Ausweitung der Handlungsfelder auf gemeinwohlorientierte Einrichtungen anerkannter Träger in der Wohlfahrts- und Gesundheitspflege sowie in der Kinder- und Jugendhilfe und im Kulturbereich vor. Handlungsfelder mit einem stärkeren gesellschaftlich-politischen Anspruch wie politische Initiativen und Organisationen im lokalen Raum, aber auch Freiwilligenagenturen, Bürgerbüros und ähnliche Infrastruktureinrichtungen zur Förderung bürgerschaftlichen Engagements bleiben dabei allerdings ausgespart. Damit werden die Potenziale von Freiwilligendiensten als "Lernorte" für eine stärkere Partizipation und Mitgestaltung der Bürgerinnen und Bürger nicht ausgeschöpft.
Handlungsbedarf besteht angesichts der beschriebenen finanziellen Probleme insbesondere für kleine Träger auch im Hinblick auf Regelungen für neue Finanzierungsmodelle. Die neuen gesetzlichen Regelungen zur Flexibilisierung der Dauer der Freiwilligendienste sowie auch die vielfältigen Initiativen für eine Ausweitung der Handlungsfelder können dazu beitragen, das Interesse an Freiwilligendiensten zu wecken und neue Gruppen von Jugendlichen anzusprechen. Hier stellt sich die Frage der Finanzierung neuer Handlungsfelder und Einsatzstellen. Eine staatliche Lösung bestünde darin, dass der Staat hierbei neue finanzielle Verpflichtungen eingeht und die Träger zum Beispiel durch Zuschüsse zu den Sozialversicherungsbeiträgen unterstützt. Eine zivilgesellschaftliche Lösung wäre dass Stiftungsmodell, was im Kontext des "Manifestes für Freiwilligendienste" vorgeschlagen wird und eine gemeinsame Finanzierung aus öffentlichen Geldern und privaten Mitteln aus Spenden und Stiftungen vorsieht.
2. Grenzen einer Kompensation des Zivildienstes
Der Zivildienst hat sich im Verlauf der Jahre de facto zu einem Teil des Sozialsystems entwickelt. Mehr als zehn Prozent der Wochenarbeitsleistung des gesamten Personals in der Freien Wohlfahrtspflege werden mittlerweile von Zivildienstleistenden erbracht.
Verknüpft man die Kompensation des Zivildienstes durch Freiwilligendienste mit der Möglichkeit, damit auch die dabei freiwerdenden finanziellen Mittel in den Ausbau der Freiwilligendienste zu transferieren, so wirkt diese Idee durchaus attraktiv. Allerdings dürfte sich dieser Vorschlag angesichts haushaltsrechtlicher Regelungen, knapper finanzieller Mittel im Bundesetat sowie vor dem Hintergrund der Interessen anderer politischer Akteure nicht einfach verwirklichen lassen. Des weiteren ist auf die Grenzen einer Kompensation des Zivildienstes zu verweisen, die sich aus der begrenzten Nachfrage nach Freiwilligendiensten, aus den unterschiedlichen Strukturen beider "Dienste" sowie aus betriebswirtschaftlichen Gründen ergeben. Selbst bei einer Ausweitung der Handlungsfelder und einer attraktiveren Gestaltung der Freiwilligendienste ist nicht davon auszugehen, dass die 124 000 Zivildienstleistenden im Jahr 2000 durch die entsprechende Zahl von Freiwilligen ersetzt werden könnten.
Bei Überlegungen, Zivildienstleistende durch Freiwillige zu ersetzen, müssen auch die unterschiedlichen Arbeitsplatzanforderungen und Aufgaben bedacht werden, die in den unterschiedlichen Strukturen der Dienste begründet sind. Der Charakter des Zivildienstes als Pflichtdienst hat zur Folge, dass die Zivildienstleistenden zu allen Aufgaben, die in der Einsatzstelle anfallen, herangezogen werden können und ihnen vor diesem Hintergrund zahlreiche Aufgaben übertragen werden, die wenig attraktiv sind. Dies wird bei den Freiwilligen im Rahmen eines gesetzlich geregelten Freiwilligendienstes nicht so einfach möglich sein. Aufgrund der Freiwilligkeit der Tätigkeit müssen sich die Träger und Einsatzstellen auch immer um eine attraktive Gestaltung der Arbeitsbedingungen bemühen, um Freiwillige zu gewinnen und zu halten.
Angesichts dieser Grenzen kann nicht davon ausgegangen werden, dass Freiwilligendienste in absehbarer Zeit den Wegfall des Zivildienstes umfassend kompensieren können. Dies entbindet allerdings nicht von Überlegungen und Initiativen, wie man die Freiwilligendienste so gestalten könnte, dass sie bei weiteren Veränderungen oder gar einer Aufhebung der Wehrpflicht auch für junge Männer eine interessante Möglichkeit eines gesellschaftlichen Engagements eröffnen. Neue Handlungsfelder, gute Arbeitsbedingungen, die individuelle Bildungsprozesse ermöglichen, sowie eine Ausweitung der Auslandsdienste mit der Eröffnung interkultureller Lernerfahrungen sind dafür wichtige Rahmenbedingungen.
3. Freiwilligendienste in der Bürgergesellschaft
Der Begriff der Bürgergesellschaft beschreibt ein Gemeinwesen, in dem sich die Bürgerinnen und Bürger auf der Basis gesicherter Bürgerrechte und im Rahmen einer demokratischen Gesellschaft selbst organisieren und das Gemeinwesen mitgestalten. Freiwillige Zusammenschlüsse, in denen die Bürgerinnen und Bürger ihre Teilhabe- und Mitgestaltungsmöglichkeiten wahrnehmen, sind Ausdruck einer lebendigen Bürgergesellschaft. In der wissenschaftlichen und politischen Debatte werden unterschiedliche Konzepte einer Bürgergesellschaft diskutiert.
Freiwilligendienste stellen eine wichtige Ressource der Bürgergesellschaft dar, indem sie Jugendlichen und jungen Erwachsenen Erfahrungsräume und "Lernorte" für gesellschaftliche Partizipation und bürgerschaftliches Engagement eröffnen. Die jungen Freiwilligen entwickeln Sensibilitäten für die Probleme von Menschen, denen es in dieser Gesellschaft weniger gut geht, und machen Erfahrungen mit fremden Kulturen in anderen Ländern. In den Handlungsfeldern in Krankenhäusern, Altenheimen, Behinderteneinrichtungen oder auch in der Jugendarbeit erhalten sie Einblicke in die Lebenswelten von Menschen, die in besonderer Weise Benachteiligungen und Stigmatisierungen ausgesetzt und von gesellschaftlicher Marginalisierung bedroht sind. Im Freiwilligen Ökologischen Jahr werden die Freiwilligen mit Problemen der Umwelt, der Dorf- und Stadtentwicklung und mit ökologischen Fragen konfrontiert. Mit ihrem Freiwilligendienst übernehmen die Freiwilligen soziale Verantwortung für Belange des Gemeinwesens. Sie unterstützen andere Menschen in ihrer Lebensführung, geben Hilfestellung bei der Bewältigung von Problemen und engagieren sich für die Umwelt. Insofern erfüllen die Freiwilligendienste eine wichtige Funktion für die Sozialisation Jugendlicher und junger Erwachsener in ein gemeinwohlorientiertes bürgerschaftliches Engagement.
Die Besonderheit der Freiwilligendienste als Bildungsjahr und Orientierungsphase für junge Erwachsene einerseits sowie als Übernahme sozialer Verantwortung und Einführung in gemeinwohlorientiertes Handeln andererseits, die in der bisherigen Debatte eher unterbelichtet ist, gilt es zu stärken. Als Ressource der Bürgergesellschaft, in der Gemeinsinn und Engagement nicht mehr selbstläufig hervorgebracht werden, kommt Institutionen wie den Freiwilligendiensten, aber auch Schulen und Einrichtungen der Jugendarbeit eine wichtige Rolle für die Einführung in ein gemeinwohlorientiertes Handeln zu. Da ein Engagement nicht mehr einfach abrufbar ist und sich infolge gesellschaftlicher Modernisierungsprozesse und eines Strukturwandels in Veränderung befindet,
Eine Reformierung der Freiwilligendienste sollte sich an ihrer Bedeutung für die Bürgergesellschaft ausrichten. Dabei geht es sowohl um Veränderungen bei der Gestaltung von Arbeitsabläufen in den jeweiligen Handlungsfeldern, um neue Beteiligungsstrukturen für die Freiwilligen, die ihnen Mitsprache- und Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen als auch um die Erprobung zusätzlicher Formen der Begleitung der Freiwilligen durch ehrenamtliche Mentoren, die eine Öffnung der Freiwilligendienste in die Gesellschaft schaffen können. Aus der Perspektive einer Stärkung der Bürgergesellschaft ist des weiteren eine Ausweitung der Handlungsfelder und eine Anerkennung weiterer Trägerorganisationen erforderlich. "Lernorte" für ein bürgerschaftliches Engagement wären dann auch Initiativen im Bereich der Stadtteilarbeit, Netzwerke bürgerschaftlichen Engagements wie Freiwilligenagenturen und Bürgerbüros sowie auch Organisationen im politischen Bereich wie Parteien, Bürgerinitiativen, Eine-Welt-Gruppen und Agenda-21-Initiativen.
Internetverweise der Autorin
Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden:
www.friedensdienst.de
Arbeitskreis Lernen und Helfen in Übersee:
www.entwicklungsdienst.de
Enquete-Kommission "Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements":
www.bundestag.de/buergerengagement
Europäischer Freiwilligendienst:
www.ijab.de/euro
Freiwilliges Soziales Jahr u. a.:
www.bmfsfj.de/Anlage15549/Adressen.pdf
Robert Bosch Stiftung:
www.bosch-stiftung.de