Einleitung
In diesem Artikel greife ich auf Teile meines Gutachtens "Lokale Einrichtungen zur Förderung bürgerschaftlichen Engagements: Freiwilligenagenturen, Selbsthilfekontaktstellen, Seniorenbüros u. ä. - Chancen und Restriktionen" zurück, das für die Enquete-Kommission "Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements" des Deutschen Bundestages erstattet wurde.
Die Bundesrepublik Deutschland befindet sich in einer Phase des gesellschaftlichen Wandels, der mit Schlagworten wie Globalisierung, Pluralisierung und Individualisierung angedeutet ist. Dieser Wandel erfasst nicht nur den ökonomischen und politischen Bereich, sondern bedeutet - in den Worten von Manuel Castells einen "qualitativen Wandel in der menschlichen Erfahrung"
Empirisch immer besser fundiert, lässt sich festhalten, dass
1. sich eine Desynchronisation von individuellen Motivlagen und überkommenen Engagementformen vollzieht;
2. es institutionell ungebundene Engagementbereitschaften gibt, die als Potenziale für ein verändertes Freiwilligenengagement angesehen werden können und
3. in den letzten Jahren eine Reihe von Suchbewegungen entstanden sind, die zeitgerechte Passungen von individuellen Engagementmotiven und -bereitschaften erproben. Es kommt jetzt darauf an, deren Ertrag auszuwerten, ihre zukunftsfähigen Erfahrungsknoten herauszuarbeiten und nach den Bedingungen ihrer nachhaltigen Verstetigung zu fragen.
Auf der Basis dieser Ausgangsthese sollen hier vor allem die Erfahrungen jener Werkstätten eines "demokratischen Experimentalismus"
I. Freiwilliges Engagement löst sich aus den sozialen Figurationen traditioneller Milieubindung
Wenn man sich die vielfach beschriebene und empirisch gut gesicherte Diskrepanz zwischen der Erosion von Engagementbereitschaft bei traditionellen Institutionen und dem wachsenden Engagement in anderen Feldern freiwilliger Tätigkeit vergegenwärtigt, dann steht die Frage nach der stimmigen Passung zwischen Engagementmotiven und -potenzialen einerseits und gesellschaftlichen "Gelegenheitsstrukturen" andererseits zur Diskussion. Klassische Milieus schufen kollektive Identifikationen und bündelten Motivlagen, auf die sich Kirchen, Parteien, Gewerkschaften oder Wohlfahrtsverbände einigermaßen verlassen konnten. Die Passung zwischen ihren Aktivitäten und den Motivlagen der Individuen schien gesichert zu sein. Eine eigenständige und unabhängige Mittlerrolle zwischen individuellen Motiven und institutionellen Gelegenheitsstrukturen war in aller Regel nicht erforderlich. In den verschiedenen Milieus wurde durch sozialisatorische Leistungen diese Passung gefertigt. Vom zunehmenden Abschmelzen oder der Erosion traditioneller Milieus sind gerade diejenigen institutionellen Handlungsfelder besonders betroffen, die ohne große eigene Initiativen aus diesen Milieus personellen Nachschub erhielten. Auf die bewährten Rekrutierungsmechanismen scheint man sich nicht mehr problemlos verlassen zu können. Diese Erfahrung wird oft mit einer allgemeinen Klage über die "Ego-Gesellschaft", den Verlust von gemeinwohlorientierten Werten oder den Zerfall von elementaren Formen der Vergemeinschaftung beantwortet. Statt einer Verfalls- ist aber eine Wandlungsdiagnose erforderlich. Verfalls- oder Zerfallsdiagnosen haben in Phasen gesellschaftlichen Umbruchs Hochkonjunktur, was nicht erstaunlich ist, ist es doch ein Wesensmerkmal jeder dynamischen Entwicklung, dass etwas aufbricht, bislang selbstverständliche Muster nicht mehr tragen und neu gestaltet werden müssen.
Vor allem die individualisierungstheoretisch inspirierte Netzwerkforschung zeigt, dass sich die Beziehungsnetze der Menschen nicht einfach auflösen und an ihre Stelle die atomisierten Subjekte treten. Wir haben es nicht mit einem Verlust, sondern mit einem "Formwandel sozialer Integration"
Einzig die selbstverständliche Bereitschaft der Subjekte, das eigene Engagement in den Restformen traditioneller gesellschaftlichen Aktionsfelder (z. B. der Kirchen, Wohlfahrtsverbände, Gewerkschaften) zu organisieren, hat nachweislich Einbrüche erlebt, und diese Entwicklung verweist ja nicht auf Desintegration, sondern auf einen "Formwandel sozialer Integration". Ein gewachsenes Bedürfnis nach und eine mitgewachsene Fähigkeit zu selbstbestimmtem und kommunikativ hergestellten Lebensmustern verweist auf eine gesellschaftliche Ungleichzeitigkeit, die mit einer klagend vorgetragenen Anomiediagnose in aller Regel verfehlt wird.
Spannend ist es vielmehr, den Formenwandel sozialer Beziehungen genauer zu untersuchen. Da wird man beispielsweise an Stelle zwangsförmig gelebter Nachbarschaften in aller Regel einen souveränen Umgang mit Nähe- und Distanzbedürfnissen finden. Oder nachbarschaftliche Unterstützungen in praktischen Alltagsangelegenheiten werden nicht durch bezahlte Dienstleistungen, sondern durch effiziente Tauschringe ersetzt, in denen sich eine neue geldwertunabhängige Haushaltsökonomie entfaltet. Wenn man das Verschwinden spezifischer sozialer Integrationsformen wie die engen Netzwerkverbindungen in homogenen Arbeiterbezirken als Indikator für Desintegration nimmt, dann wird man in reichem Maße fündig. Bei den neuen Netzwerken spezifischer ethnischer Bevölkerungsgruppen ergibt sich ein anderes Bild. Nimmt man die traditionellen Organisationsmuster ehrenamtlicher Tätigkeit, dann schlägt der Desintegrationszeiger auf dem verfallstheoretisch geeichten soziologischen Geigerzähler kräftig aus. Nimmt man die neu entstehenden Freiwilligenzentren als Messziffer, kommt wieder ein ganz anderer Befund heraus. Auch das Pilzgeflecht von Selbsthilfegruppen, das sich überall entfaltet, führt zu einem anderen Ergebnis, man wird es nicht als Beleg für gesellschaftliche Desintegration werten dürfen.
Diese Diskurse über Verfall, Wandel oder Erneuerung von Freiwilligenengagement lassen sich seit einigen Jahren auch empirisch korrigieren oder fundieren. So lassen die Daten aus dem "Soziooekonomischen Panel" (SOEP) aus dem Jahr 1994 mit Vergleichsdaten bis ins Jahr 1984 zurück Zweifel an der Vermutung zu, wonach in der Bundesrepublik ein Rückgang des bürgerschaftlichen Engagements mit weiter fallender Tendenz stattfindet. Diese Daten
Die These von Helmut Klages, dass "ein frei flottierendes Potenzial an Gemeinsinn in der Gesellschaft" existiere,
Vor dem Hintergrund dieser Daten ist einerseits danach zu fragen, welche neue Engagementformen sich in den vergangenen Jahren herausgebildet haben und wie diese so weiterentwickelt werden könnten, dass sie als "Gelegenheitsstrukturen" für potenziell interessierte BürgerInnen genutzt werden können.
II. Lernprozesse für eine vitale Bürgergesellschaft
Der gesellschaftliche Modernisierungsschub, der vor allem seit den siebziger Jahren den gesellschaftlichen Grundriss der Bundesrepublik nachhaltig verändert hat, hat in Form neuer sozialer Bewegungen und Initiativen auch eine selbstaktive Gestaltungskraft hervorgebracht. Für viele neue Probleme des Alltags gab es in den traditionellen Strukturen alltäglicher Lebenswelten keinen Lösungsvorrat, auf den man einfach hätte zurückgreifen können. Für eine Reihe von neuen biografischen Konstellationen (wie z. B. die weibliche Doppeloption Familie und Beruf oder Erfahrungen von Vorruhestand) gab es keine institutionell abgesicherten Lösungsmöglichkeiten, und in vielen Bereichen war das Vertrauen auf "das Bewährte" erschüttert und gerade die neuen sozialen Bewegungen verstanden sich als kollektive Zukunftswerkstätten, in denen - im Sinne des "demokratischen Experimentalismus" - neue Lösungsentwürfe erprobt wurden. Das geschah in einer Vielzahl konkreter Projekte. Diese können als "soziale Experimentierbaustellen", als ,emanzipatorische Antworten auf Risiken der aktuellen Modernisierungsprozesse"" gedeutet werden.
Wir haben es mit mehreren Lernprozessen zutun, die zeitlich teilweise nacheinander bzw. parallel erfolgt sind. Sie haben sich unabhängig voneinander entwickelt oder voneinander profitiert. Insgesamt stellen sie ein gesellschaftliches Erfahrungsfeld dar, das man im Anschluss an Manuel Castells unter der Überschrift "Projekt-Identitäten"
III. Zwischenbilanz: Leistungen und Probleme der Projektfelder
Die Ausgangsüberlegung war, wie in der Bundesrepublik die empirisch nachgewiesenen Potenziale des Freiwilligenengagements, die nicht mehr über traditionelle Milieubindungen und Vergemeinschaftungsformen handlungswirksam werden können, neue "Gelegenheitsstrukturen" und offene Passungsangebote finden könnten. Die neuen experimentellen Vermittlungsinstanzen wie Freiwilligenagenturen, Selbsthilfekontaktstellen, Mütterzentren, Senioren- oder Agendabüros erfüllen genau an diesem Punkt eine zentrale Aufgabe.
Eine Bilanzierung dieser fünf Initiativenfelder zur Förderung bürgerschaftlichen Engagements ergibt ein Patchwork vielfältiger Formen der Freiwilligentätigkeit, und nur die relative Zersplitterung dieser Felder kann zu dem Eindruck führen, dass in der Bundesrepublik - verglichen mit vergleichbaren europäischen Staaten - eine starke Unterentwicklung des Engagements gegeben sei. Auch die Bundesrepublik hat eine reiche und vielfältige Freiwilligenkultur, sie ist nur in ihrer sektoralen Aufsplitterung zu wenig als eine solche Kultur wahrgenommen, wertgeschätzt und gestaltet worden. Über alle Engagementfelder lässt sich eine ähnliche Erfolgsgeschichte erzählen: "Wo bürgerschaftliches Engagement durch entsprechende Einrichtungen unterstützt wird, hat es sich quantitativ und qualitativ ausgeweitet".
Die beschriebenen Lernprozesse des Selbsthilfesektors, der Familienselbsthilfe, der Seniorenbüros, der Freiwilligenagenturen und der lokalen Agenda-21-Projekte weisen vielfältige Gemeinsamkeiten und sich überlappende Tätigkeitsfelder auf. Ein zentraler Punkt bei allen fünf Erfahrungsfeldern ist ihre bislang unzureichende institutionelle Gestaltung und die mangelnde finanzielle Absicherung. Es steht deshalb als zentrale Forderung im Raum, für diese existierenden Bausteine einer gelebten Zivilgesellschaft zukunftsfähige Rahmenbedingungen der institutionellen, finanziellen und professionellen Ausstattung zu sichern. Lösungsempfehlungen könnten dabei zwei Strategien verfolgen: Entweder wird für jeden Bereich nach Ressourcen gesucht, die dessen Stabilisierung und Verstetigung sichern könnten oder man sucht nach einer integrativen Verbundlösung, die von der Voraussetzung ausgeht, dass bürgerschaftliches Engagement nicht sektoral fraktioniert werden sollte, sondern schon im Förderkonzept eine synergetische Zusammenführung der Ressourcen aus den unterschiedlichen Erfahrungsfeldern anstrebt. Ein entscheidender politischer Gestaltungsschritt könnte darin bestehen, die verschiedenen Formen des gelebten Bürgerengagements unter einem Dach zu vereinigen und die Idee einer "kommunalen Infrastruktur zur Förderung bürgerschaftlichen Engagements" in ihren Umsetzungsmöglichkeiten zu erproben.
IV. Integrierte kommunale Infrastruktur zur Förderung bürgerschaftlichen Engagements
Für den Selbsthilfebereich, die Seniorenbüros und die Freiwilligenagenturen haben sich zu unterschiedlichen Zeitpunkten und von unterschiedlichen Initiativen getragene eigenständige Infrastrukturen entwickelt. Die Frage, die es jetzt zu beantworten gilt, ist die nach Vernetzung und eventuell auch institutioneller Integration zu gegliederten, aber zusammengeführten Anlaufstellen oder Förderzentren. Es muss "das oberste Ziel der Organisationsentwicklung der Kontaktstellen sein, eine weitere Segmentierung der engagementfördernden Infrastrukturen aufzuhalten und ein integriertes stadtteil- und gemeinwesenorientiertes Infrastrukturkonzept zu erreichen. Ob man dabei von Kontaktstelle spricht, ist sekundär gegenüber dem Ziel, eine zielgruppen- und sozialraumorientierte Engagementförderung in einer niedrigschwelligen Infrastruktur zu integrieren und Bürgern mit unterschiedlichen Anliegen den Zugang zu Selbsthilfegruppen und/oder anderen Eigenaktivitäten zu vermitteln."
In einer gemeinsamen Erklärung von Selbsthilfekontaktstellen und Freiwilligenagenturen (erarbeitet auf einer Kooperationstagung am 25. und 26. März 1999 von NAKOS (Nationale Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen) und der Stiftung Bürger für Bürger) wird "gegen Ressourcenkonkurrenz, für bessere finanzielle Absicherung beider Einrichtungsformen sowie für eine engere Zusammenarbeit" plädiert. Weiter heißt es: "Seit mehr als 15 Jahren sind bundesweit 160 professionelle Selbsthilfekontaktstellen entstanden. Sie arbeiten themenübergreifend auf örtlicher Ebene und informieren, beraten und unterstützen Selbsthilfegruppen und Interessierte. Gleichzeitig haben in den vergangenen drei Jahren mehr als 100 Freiwilligenagenturen in Deutschland eröffnet. Deren Aufgabe ist die Information und Beratung über ehrenamtliches und freiwilliges Engagement und die Vermittlung von ehrenamtlich Interessierten. ... Die Finanzierung von 80 Prozent der Einrichtungen ist mittelfristig nicht gesichert, von den öffentlichen Finanzgebern werden sie in eine Konkurrenz um Ressourcen getrieben. ... Einigkeit herrschte darüber, dass sich Selbsthilfekontaktstellen und Freiwilligenagenturen keinesfalls durch die jeweils andere Einrichtung ersetzen lassen."
Helmut Breitkopf und Jürgen Matzat, zwei gewichtige Repräsentanten der entwickelten Selbsthilfeszene der Bundesrepublik Deutschland, haben kürzlich einen skeptischen Blick auf die aktuelle Konjunktur um das "neue Ehrenamt" geworfen. Sie teilen nicht die Hoffnung, dass sich aus der Euphorie der Diskurse eine tragfähige institutionelle Gestalt ergeben wird und erinnern an die ihrer Auffassung nach vergleichbare Entwicklung im Selbsthilfebereich.
Die Konsequenz, die sie aus ihrer skeptischen Analyse ziehen, erscheint gut begründet und nachvollziehbar: "Wir brauchen keine Ausdifferenzierung der Infrastruktur in diesem Bereich und erst recht keine zusätzlichen Einrichtungen wie Freiwilligen-Börsen. Notwendig ist vielmehr die Stärkung und der Ausbau vorhandener Ansätze." Außerdem, so heißt es weiter, sei es sinnvoll, darüber nachzudenken, welche Voraussetzungen gegeben sein müssten, damit vorhandenen Institutionen in diesem Bereich (z. B. Selbsthilfekontaktstellen, Seniorenbüros, Mütterzentren) ohne Gefährdung ihrer fachlichen Standards z. B. zu Selbsthilfezentren zusammenwachsen könnten. Dies könne sicherlich nur schrittweise geschehen und möglicherweise zunächst nur die Zusammenfassung der verschiedenen Einrichtungen unter einem Dach bedeuten (Selbsthilfehaus). Vorteile für alle lägen u. a. in der gemeinsamen Nutzung der Infrastruktur (Veranstaltungsräume) und der Möglichkeit organisatorischer Absprachen (z. B. Auskünfte erteilen bei Krankheit oder Urlaub). Eine solche Zusammenführung verschiedener Ansätze biete sich zunächst vor allem für Träger an, die an einem Ort verschiedene Einrichtungen betrieben, die i. w. S. zum Selbsthilfe- und Engagementbereich gehörten. Es dürfe nicht um eine weitere Spezialisierung und Ausdifferenzierung, sondern um eine Stärkung, Qualifizierung und Bündelung der Ressourcen gehen.
Auch aus der Begleitforschung zu den Seniorenbüros kommt ein deutliches Plädoyer für eine differenzierte, auf Integration angelegte Infrastruktur, die Bürgerengagement unterstützen soll. Braun und Bischof listen auf dem Stand von 1999 Selbsthilfekontaktstellen, Seniorenbüros, Freiwilligenzentren und Bürgerbüros auf und gelangen dabei zu dem Schluss, dass diese teilweise nebeneinander bestünden. Es gebe hohe Übereinstimmung im Aufgabenprofil und in den Qualifikationsanforderungen an die Mitarbeiter sowie in den Engagement unterstützenden Leistungen dieser Anlauf- und Kontaktstellen, wenngleich sie sich an unterschiedliche Zielgruppen wendeten.
Für die Gewinnung von zukunftsfähigen kommunalen Gestaltungsfaktoren für eine nachhaltige Förderung bürgerschaftlichen Engagements sind die sechs kritischen Erfolgsfaktoren wichtig, welche die Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung (KGSt) formuliert hat:
1. Das Selbstverständnis der kommunalen Akteure: Erforderlich ist die Erkenntnis, "dass sich durch die Förderung von Mitgestaltungsprozessen die Chance bietet, eine neue Qualität politischen Handelns zu verwirklichen."
2. Die kommunalen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: "Ohne die aktive Mitwirkung der eigenen Mitarbeiter/innen wird die Förderung des Bürgerengagements scheitern."
3. Aktivierende, unterstützende und begleitende Elemente: "Informationen und Angebote müssen sich an bestimmte soziale Gruppen in ihren jeweiligen Lebenssituationen wenden. Am wirkungsvollsten ist das, wenn dies gemeinsam mit bereits bestehenden Gruppen/Initiativen und Verbänden geschieht. Darüber hinaus sollte ein Angebot bestehen, engagierte Bürger/innen fachlich zu beraten und ihnen Weiterqualifizierungen zu ermöglichen."
4. Eine kommunale Infrastruktur, die Engagement unterstützt: "Von großer Bedeutung ist eine Anlauf- und Informationsstelle, die gleichzeitig auch Koordinierungs- und Vernetzungsdrehscheibe ist. In einigen Modellprojekten gibt es positive Erfahrungen mit einer ,Agentur für Bürgerengagement". Sie kann in unterschiedlicher Trägerschaft sein. Vermieden werden muss allerdings, dass sie für die Interessen eines Trägers vereinnahmt wird. Darüber hinaus muss vermieden werden, dass Parallelstrukturen geschaffen werden."
5. Der verwaltungsinterne Prozess zur Förderung des Bürgerengagements: "...in der Regel nicht vorhanden ist ein gemeinsames, verwaltungsintern abgestimmtes Handeln zur Förderung des Bürgerengagements."
6. Das Zusammenwirken von Bund, Land und Kommunen: "Insgesamt zeigen die Erfahrungen, dass die Weiterentwicklung des Bürgerengagements am effektivsten an Ort und Stelle in der Kommune geleistet werden kann. Der Bund sollte die Bemühungen der Kommunen durch die Gewährung günstiger Rahmenbedingungen unterstützen. ... Die Rolle der Länder sollte vor allem darin bestehen, sich an der infrastrukturellen Unterstützung des bürgerschaftlichen Engagements zu beteiligen."
V. Qualitätsstandards für die kommunale Infrastruktur
Bei institutionellen Arrangements wird man sinnvollerweise nicht über die lokalen und regionalen Besonderheiten hinweg eine Standardstruktur setzen können, aber es ist sicher sinnvoll, einige zentrale Rahmenfigurationen zu benennen:
1. Ein kommunal-regional zentriertes Förderzentrum für bürgerschaftliches Engagement soll aus der vorhandenen Aktivitätsmasse geformt werden. Insoweit Selbsthilfekontaktstellen, Familienselbsthilfezentren, Seniorenbüros oder Freiwilligenagenturen bestehen, sollen sie eine aufgaben-zentrierte Verbundlösung schaffen.
2. Ein solches Förderzentrum soll eine zielgruppenorientierte Binnendifferenzierung aufweisen, um unterschiedliche Interessen und Bedürfnisse ansprechen und aufnehmen zu können. Es sollte Bereiche wie Soziales, Gesundheit, Kultur, Ökologie und Sport abdecken.
3. Eine integrative kommunale Förderstelle sollte entweder verbandsunabhängig sein oder durch eine plurale Trägerplattform (unter verpflichtender Einbeziehung von Kommune oder Kreis) die erforderliche Handlungsautonomie gewinnen.
4. Erforderlich ist ein politisch förderliches Klima, in dem bürgerschaftliches Handeln als zentraler Bestandteil der politischen Kultur geschätzt wird. In zahlreichen Kommunen und Ländern wird die Stabilisierung und Aktivierung der Ressourcen und Potenziale, die von den Bürgern in vielen bürgerschaftlichen Gruppen und Organisationen erbracht werden, als "eine nachrangige Aufgabe und als freiwillige Leistung betrachtet, die mangels Finanzen oft nur in reduzierter Form umgesetzt wird"
5. Für eine produktive zivilgesellschaftliche Handlungsperspektive bedarf es einer kooperativ gestalteten Schnittstelle zur Kommunalverwaltung. "Es zeichnet sich ein Paradigmenwechsel in der Engagementförderdiskussion ab. Das Verhältnis der von Kommunalverwaltungen und von den Bürgern zu erbringenden Leistungen muss neu bestimmt werden."
6. Freiwillig Engagierte zeigen in allen vorliegenden Untersuchungen einen ausgeprägten Wunsch nach Supervision, Qualifizierung und Weiterbildung. Vor diesem Hintergrund ist eine enge Kooperation mit Bildungswerken anzustreben, bei denen in aller Regel - neben verbandseigenen Qualifizierungsmaßnahmen - auch schon ein großes Reservoir an know how in den Bereichen Freiwilligenqualifizierung und -management besteht.
7. Die zu entwickelnde kommunale Förderstruktur für bürgerschaftliches Engagement braucht eine Schnittstelle zum Bildungsbereich, denn gerade Kinder und Jugendliche sollten systematisch an die neue Freiwilligenkultur herangeführt werden. Dazu sind neben den Jugendverbänden vor allem auch Schulen
8. In den kommunalen Förderstrukturen für Engagementaktivierung ist eine ausreichende Finanzierung notwendig, damit eine differenzierte und professionelle Profilbildung möglich ist. Die bisherige Erfahrung zeigt, dass die Formel gilt, wonach eine Kommune umso mehr aus der Freiwilligenkultur zurückbekommt, je mehr sie investiert.
9. Die Basisfinanzierung für kommunale Förderstrukturen bürgerschaftlichen Engagement ist durch Mischfinanzierungen zu sichern, aber es müssen berechenbare und verlässliche Förderanteile von Kommunen, Bundesländern, Bund und Krankenkassen gewährleistet werden. Braun und Bischof schlagen vor, den Aufbau einer Engagement unterstützenden Infrastruktur als eine gemeinsame Aufgabe des jeweiligen Landes und der Gebietskörperschaften zu begreifen, die vom Bund flankierend unterstützt werden sollte.
10. Auf der Basis einer gesicherter Grundfinanzierung sollten die kommunalen Infrastrukturen der Engagementförderung Fonds für spezielle kommunale Projekte bilden. Dies könnte durch die Schaffung von Bürgerstiftungen erfolgen (z. B. auch in Kooperation mit der Wirtschaft im Sinne von "Seitenwechsel" und "Switch"). Internetverweise des Autors: www.isab-institut.de www.buergerengagement.de www.ifj-2001.de www.wir-fuer-uns.bayern.de