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Übergänge mit besonderen Hürden | Krankheit und Gesellschaft | bpb.de

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Übergänge mit besonderen Hürden Erwachsenwerden mit chronischer Erkrankung

Martina Oldhafer

/ 13 Minuten zu lesen

Kinder und Jugendliche mit chronischer Erkrankung stehen nicht nur vor medizinischen und gesundheitlichen Herausforderungen. Auch finanzielle, psychosoziale und bildungspolitische Faktoren spielen eine große Rolle.

In den vergangenen Jahrzehnten treten immer häufiger chronische Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter auf, die sowohl aus medizinischer als auch aus psychosozialer Sicht größeren Handlungsbedarf nach sich ziehen. Insgesamt ist davon auszugehen, dass rund zehn Prozent aller vier- bis siebzehnjährigen Kinder chronisch krank sind, wobei Kinder mit Asthma, Allergien und in jüngster Zeit Adipositas die mit Abstand größten Krankheitsgruppen ausmachen. Mit einer chronischen Erkrankung aufzuwachsen und erwachsen zu werden ist für die Betroffenen, ihre Eltern und die gesamte Familie eine besondere Herausforderung. Wichtig ist, dabei nicht alle Erkrankungen über einen Kamm zu scheren. Es gibt chronische Erkrankungen, mit denen Kinder und Jugendliche beinahe unbeschwert leben können, da sie dank der Weiterentwicklung der Medizin gut therapierbar geworden sind. Auf der anderen Seite gibt es Erkrankungen, bei denen der Betroffene nie Eigenständigkeit erreichen wird und dauerhaft auf fremde Hilfe angewiesen ist. Die Transitionsmedizin beschäftigt sich mit der Fragestellung, wie eine gute Begleitung von der Kinder- und Jugendmedizin in die Erwachsenenmedizin für all diese Patienten aussehen kann, damit eine kontinuierliche medizinische Betreuung gewährleistet ist. Es wird dabei zwischen Transfer und Transition unterschieden. Der Transfer ist der begrenzte Zeitraum des Übergangs von der Kinder- und Jugendsprechstunde zur Erwachsenensprechstunde. Die Transition bezeichnet den gesamten Prozess der Vorbereitung des Transfers, den Transfer selbst und die regelmäßige Anschlussbetreuung.

Die Patienten und Patientinnen mit chronischen Erkrankungen, die von Transitionsaktivitäten profitieren, lassen sich in drei Gruppen gliedern: erstens Patienten mit Erkrankungen, die in der Erwachsenenmedizin bekannt sind, wie Diabetes mellitus, Asthma bronchiale, chronisch entzündliche Darmerkrankungen, Epilepsie, von Hypothalamus und Hypophyse ausgehende Hormonstörungen, angeborene Herzfehler, neuromuskuläre Erkrankungen (Myasthenia gravis, Polyneuropathien). Dann gibt es zweitens Erkrankungen, die in der Erwachsenenmedizin wenig bekannt sind, weil die Betroffenen bis vor einigen Jahren das Erwachsenenalter nicht erreicht haben. Dazu gehören zystische Fibrose sowie seltene Stoffwechselerkrankungen und neuromuskuläre Erkrankungen (kongenitale Myasthenien, kongenitale Muskeldystrophien). Drittens gibt es Patienten mit psychomentalen und statomotorischen Retardierungen, geistigen und Mehrfachbehinderungen, die auch im Erwachsenenalter keine oder nur begrenzte Autonomie gewinnen können.

Hieraus wird bereits ersichtlich, dass es schwer sein wird, eine einheitliche Vorgehensweise zu propagieren. Aber die Herausforderungen, vor denen Betroffene und ihre Familien stehen, gehen noch weit über die medizinische Versorgung hinaus: Psychosoziale, finanzielle und bildungspolitische Faktoren müssen ebenso berücksichtigt werden. Diese Aspekte werden in ihrem Zusammenspiel im Folgenden vorgestellt.

Medizinische Aspekte

Die Deutsche Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin e.V. gibt an, dass über 1,3 Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland chronisch erkrankt sind. Dabei handelt es sich um eine Vielzahl von Erkrankungen unterschiedlicher Genese und Organsysteme. In der Inneren Medizin zählen zum Beispiel Erkrankungen aus den Bereichen Diabetologie, Rheumatologie, Nephrologie, Pneumologie, Gastroenterologie dazu. In der Neurologie sind Epilepsie, Spina bifida, Multiple Sklerose, Muskelerkrankungen zu nennen, ebenso Krankheitsbilder aus der Chirurgie (angeborene Herzfehler und Fehlbildungen) sowie Psychiatrie (ADHS, Schizophrenie). Die Liste ist nicht vollständig, da einige chronische Erkrankungen sich auch durch Infektionen und Traumata entwickeln können. Darüber hinaus zählen Tumorerkrankungen dazu, wie zum Beispiel die Leukämie, und ebenso alle "Seltenen Erkrankungen". Zunehmend handelt es sich auch um Erkrankungen, die durch den Lebensstil der jungen Generation geprägt sind, wie etwa Adipositas. In Deutschland allein stieg der Anteil übergewichtiger Kinder von etwa drei Prozent 1975 auf sieben Prozent der Mädchen und elf Prozent der Jungen 2016.

Während Adipositas zu den Zivilisationskrankheiten gehört – also stark durch Lebensumstände und Verhalten beeinflusst wird –, ist dies bei kindlichem Diabetes (Typ-1-Diabetes), der eine Stoffwechselerkrankung ist, ganz anders. In Deutschland sind davon etwa 31.000 Kinder und Jugendliche unter 20 Jahren betroffen, die mit einer lebenslangen Insulinsubstitution behandelt werden. Hauptschwerpunkt und Ziel der medizinischen Behandlung ist die Förderung der normalen körperlichen und psychosozialen Entwicklung und das Vermeiden von Komplikationen. Beinahe genauso viele Kinder und Jugendliche leiden unter einer chronisch-entzündlichen rheumatischen Erkrankung. Hier stehen die Entzündungsunterdrückung, das Vermeiden von bleibenden Schäden und der Erhalt einer bestmöglichen Lebensqualität durch ein optimales Schmerzmanagement im Vordergrund.

Wie diese Bespiele zeigen, sind ganz unterschiedliche Therapien nötig. Neben Erkrankungen, die dauerhaft mit Medikamenten und Ernährungsumstellungen begleitet werden, gibt es auch Erkrankungen, die einer chirurgischen Therapie bedürfen, wie angeborene Herzerkrankungen, Fehlbildungen des Magen- und Darmtraktes sowie Erkrankungen, die eine Organtransplantation notwendig machen.

Psychosoziale Aspekte

Ein chronisch krankes Kind bis zum Erwachsenwerden zu begleiten, ist eine besondere Herausforderung für die Eltern, die Familie und das direkte soziale Umfeld. Wie bei allen Erkrankungen ist ausschlaggebend, wie einschneidend sie das tägliche Leben beeinflusst und wie sie sich auf die Lebensqualität, die Mobilität des Kindes und der Eltern sowie die gesellschaftliche Reaktion auf die Erkrankung auswirkt. Eine deutlich sichtbare Erkrankung/Behinderung stellt die Familien sicher vor andere Herausforderungen als ein Kind mit einem Typ-1-Diabetes.

Von besonderer Bedeutung ist die Rolle der Eltern, meist der Mutter, die sich in der Regel im Laufe der Zeit zur "Co-Therapeutin" entwickelt und mit mehr oder weniger ausgeprägten Zukunftsängsten und Sorgen belastet ist. Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen loszulassen und ihnen Verantwortung zu übergeben, kann dadurch besonders erschwert sein. Ebenso leiden Geschwisterkinder unter der andauernden Präsenz von Krankheit, die sie oft zu Rücksichtnahme und Verzicht verpflichtet und ihre kindliche Entwicklung dadurch, häufig unbemerkt, belastet und beeinflusst. Bei schweren und/oder zeitintensiven Erkrankungen reduzieren sich die sozialen Kontakte, und auch der Anteil der Ehen, die diese Belastung nicht schultern können, steigt.

Die betroffenen Kinder und Jugendlichen, die mit einer chronischen Erkrankung heranwachsen, verarbeiten dies ganz unterschiedlich und in Abhängigkeit vom Grad der Einschränkung und Belastung durch die Erkrankung. Regelmäßige Arztbesuche, medikamentöse Therapien, Diätvorschriften und Bewegungseinschränkungen spielen eine große Rolle bei der Freizeitgestaltung und Integration in die Gruppe der Gleichaltrigen (Peers). Kommen dann noch häufige Krankenhausaufenthalte hinzu oder ein Wechsel der Klassenstufen in der Schule, dann leben diese Kinder und Jugendlichen recht "isoliert" in ihrer Kernfamilie und in ihrem zweiten "Zuhause", dem Krankenhaus. Der Wunsch nach Normalität und Teilhabe ist durch die Erkrankung ja nicht reduziert, die Erkrankung wird zunehmend als Einschränkung erlebt, auf die mit Wut und Groll reagiert wird. Dabei stehen besonders folgende Problembereiche im Fokus: Zum einen sind es die krankheits- und therapiebedingten Abweichungen von Gleichaltrigen in Zeiten eines gesteigerten Bedürfnisses nach Übereinstimmung mit den Peers, zum anderen kollidiert die vermehrte und verlängerte Abhängigkeit mit dem Bedürfnis nach Unabhängigkeit und Abgrenzung. Ebenfalls problematisch kann eine Verpflichtung zu Therapiedisziplin und -treue in einer Entwicklungsphase sein, die durch Impulsivität und Sprunghaftigkeit gekennzeichnet ist. Der Wunsch, sich auszuprobieren und Risiken einzugehen, spielt in dieser Phase eine besondere Rolle im Rahmen der Identitätsentwicklung. Die Fallbeispiele im Kasten zeigen, wie die Transition von Kinder- und Jugendlichenmedizin zur Erwachsenenmedizin ablaufen kann.

Transition einer jungen Rheumapatientin und eines Jungen nach einer Nierentransplantation

Transition einer jungen Rheumapatientin

„Endlich die Schule hinter mir gelassen und mit vielen Ideen wollte ich nun weiter mein Leben in die eigenen Hände nehmen. Aber mich beschäftigten auch viele Fragen wie ‚Was mache ich jetzt?‘ oder ‚Wie weit weg traue ich mich von zu Hause?‘. Nur ein Thema hatte ich völlig verdrängt: den Wechsel vom Kinder- zum Erwachsenenrheumatologen. Die genaue Diagnose ‚Juvenile idiopathische Polyarthritis‘ bekam ich mit 15, das hat mich damals erst mal ganz schön umgehauen. Zwei Jahre später hatte ich mich dann aber mit der Krankheit, den Medikamenten und den regelmäßigen Besuchen bei meinem Kinderrheumatologen abgefunden. Der hatte das Thema [Transition] fest im Blick und sprach mit mir über den Wechsel zu einem Erwachsenenrheumatologen und Übergangssprechstunden, was mich anfangs etwas verwirrte, denn ich hatte doch das Gefühl, dass alles gut läuft. Aber er hatte Recht und in der Übergangssprechstunde erfuhr ich alles, was ich brauchte, um auch hier meinen Abschluss zu machen. Der Wechsel war dann ganz leicht und unproblematisch.“

Transitionsbegleitung eines Jungen nach Nierentransplantation

Der junge Patient ist seit seiner Geburt nierenkrank und wurde zuerst mit der Bauchfelldialyse, einer Form der Nierenersatztherapie, behandelt. Mit sieben Jahren erhält er eine Spenderniere, die sein Leben maßgeblich veränderte. Er erlebt dies als großen Schritt in die Freiheit, wenn da nicht die vielen Medikamente gewesen wären, die seine Niere schützen und eine Abstoßung verhindern sollten. Seine Mutter kümmert sich um die regelmäßige Einnahme, er selbst fühlt sich befreit von der bisherigen Therapie: Endlich richtig Fußball spielen, auf den Kindergeburtstagen seiner Klassenkameraden alles essen und trinken dürfen und weniger auf alles achten müssen.
Mit fünfzehn empfindet er die stete Sorge seiner Mutter zunehmend nervig. Die Ambulanztermine mit seiner Mutter gefallen ihm ebenso wenig und so ist er fast erleichtert, als die Ärztin ihn auffordert, das nächste Mal alleine zu kommen. Behandelt zu werden wie ein normaler Jugendlicher findet er großartig; er konnte endlich seine Fragen loswerden ohne schief angesehen zu werden. Beim nächsten Termin berichtet er stolz: „Und dann kam das Beste, ich konnte mit anderen Transplantierten in ein Jugendcamp fahren und da haben alle ganz viel über ihre Erkrankung gelernt.“ Er glaubt jetzt, fit zu sein für einen Übergang zur Erwachsenenmedizin. Im nächsten Schritt wurde der wohnortnahe Erwachsenmediziner für Nierenerkrankung dazu eingeladen und zu dritt das weitere Vorgehen besprochen. Den Wechsel in die neue Praxis empfand er als halb so schlimm. Zum einen war der Arzt bekannt und zum anderen war er gut vorbereitet. Heute begleitet der Patient nierenkranke Jugendliche im Camp, an dem er selbst teilgenommen hat, und arbeitet als Mechatroniker.

Finanzielle Aspekte

Die medizinische Versorgung ist regelhaft über die Krankenkassen finanziert. Dennoch kommen auf Eltern mit einem chronisch kranken Kind häufig Zusatzkosten hinzu, die von der Krankenkasse nicht übernommen werden, etwa für Zusatztherapien, Hilfsmittel, barrierefreies Wohnen oder spezielle Nahrung. Besonders betroffen sind Familien mit geringem Einkommen und Alleinerziehende, die durch die krankheitsbedingten Mehrkosten schnell in eine finanzielle Schieflage geraten. Wenn Kinder chronisch erkrankt sind, sind Krankenhausaufenthalte in Spezialkliniken in anderen Städten oft unumgänglich. In solchen Fällen zahlt die Krankenkasse zwar die Behandlung, doch die Kosten der Eltern wie Fahrt, Übernachtung und Verpflegung werden nicht übernommen. Wenn dann auch noch Geschwisterkinder am Heimatort betreut werden müssen und die Großeltern nicht aushelfen können, wird es umso schwerer. Je nach Schwere der Erkrankung kümmert sich meistens ein Elternteil vollständig um das betroffene Kind, während der andere Elternteil alleine für das Familieneinkommen sorgen muss.

Kostenintensiv kann auch eine nicht gelungene Transition oder Übergangsbegleitung werden. Gerade, wenn Jugendliche ihre Therapie aussetzen oder verweigern und die Symptome für eine Verschlechterung ihrer Gesundheit nicht rechtzeitig erkennen, können dadurch erhöhte Therapiekosten entstehen, um den Gesundheitszustand wieder zu stabilisieren. Manchmal lässt sich aber auch nichts mehr stabilisieren wie etwa bei nicht eingenommenen Medikamenten nach einer Organtransplantation. Wenn das Organ vom Körper abgestoßen wird, muss entweder eine Ersatztherapie wie die kostenintensive Dialysebehandlung bei Verlust der Nierenfunktion erfolgen oder eine erneute Organtransplantation in Betracht gezogen werden. Leider ist es keine Seltenheit, dass junge Erwachsene Risiken und Folgen einer Nichteinhaltung der ärztlichen Anweisungen völlig unterschätzen und es zu einer verspäteten medizinischen Behandlung kommt.

Bildungspolitische Aspekte

Trotz vermehrter Inklusionsbemühungen haben es Kinder mit einer chronischen Erkrankung schwer in der Regelbeschulung. Häufiges Fehlen wegen Krankenhausaufenthalten und eine verminderte körperliche und kognitive Leistungsfähigkeit sind nur Teilaspekte, die die Teilhabe an einem normalen Schulleben be- oder verhindern. Schülerinnen und Schüler mit Handicap in der Klasse zu haben, stellt auch Lehrkräfte mitunter vor Herausforderungen, die Mitschüler müssen sich in Rücksichtnahme üben, und Klassenfahrten werden für Eltern und Lehrer zu einer Vertrauensprobe, wenn zum Beispiel Lehrer jüngerer Kinder den Umgang mit Insulin lernen müssen. Im schlimmsten Fall müssen Eltern als medizinische Betreuung an den Klassenfahrten teilnehmen oder ihren Kindern die Teilnahme verweigern, wenn eine medizinische Betreuung nicht gewährleistet ist.

Kinder und Jugendliche mit chronischen Erkrankungen besuchen Schulen aller Schularten und Klassenstufen. Aufgrund ihrer Krankheit und der daraus resultierenden Belastungen benötigen diese Kinder und Jugendliche vermehrte Rücksichtnahme, Unterstützung und Förderung in der Schule. Dies gehört vielerorts bereits zum pädagogischen Selbstverständnis und zur alltäglichen Praxis der Lehrkräfte. Ein offener, kontinuierlicher Austausch zwischen Eltern, Lehrern und auch dem Kinder- und Jugendarzt sind hier sehr hilfreich und zielfördernd im Sinne des betroffenen chronisch kranken Kindes und Jugendlichen. Das ist nicht immer ganz einfach, weil betroffene Eltern häufig divergente Vorstellungen von der Beschulung ihrer Kinder haben und zu hohe Ziele und Erwartungen haben.

Mit dem Eintritt in das Erwachsenalter, der Wahl des Berufes, der Frage nach Ausbildung oder Studium bleiben die Herausforderungen bestehen und neue kommen hinzu. Mitarbeiter der Berufsberatung haben selten ein differenziertes Wissen über Erkrankungen und die damit verbunden Möglichkeiten der Berufswahl. Arbeitgeber haben Angst vor hohem krankheitsbedingten Ausfall und die Jugendlichen und ihre Eltern häufig Vorstellungen, die nicht immer der Realität entsprechen. Andererseits müssen die Jugendlichen berufliche Wünsche und Ziele mitunter so anpassen, dass sie nicht mit der medizinischen Behandlung kollidieren, dass etwa Arbeitszeiten flexibel genug sind, um Arztbesuche und Therapien zu ermöglichen.

Haben die Jugendlichen und jungen Erwachsenen einen hohen Bildungsabschluss und können studieren, finden sie sich in allen Studiengängen wieder. Das Deutsche Studentenwerk erhebt regelmäßig die gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Studienerschwernisse. In der letzten Erhebung gaben 11% aller Studierenden eine oder mehrere studienrelevante Beeinträchtigung/en an – ein Anstieg um 57% gegenüber 2012, als der Anteil noch bei 7% lag. Die absoluten Zahlen haben sich fast verdoppelt (2016: 264.000 Studierende, 2012: 137.000 Studierende). 6% aller Studierenden geben an, dass sich ihre Beeinträchtigungen stark oder sehr stark studienerschwerend auswirken. Die größte Gruppe unter den studienrelevant Beeinträchtigten bilden Studierende mit psychischen Erkrankungen. Ihr Anteil lag 2016 bei 55%. Gleichzeitig wirken sich psychische Erkrankungen überdurchschnittlich häufig besonders stark auf das Studium aus: So gaben 2016 63% der psychisch Erkrankten an, dass sich ihre Erkrankung (sehr) stark studienerschwerend auswirkt.Auch der Studienverlauf ist davon beeinflusst: Studierende mit Beeinträchtigungen unterbrechen deutlich häufiger (und länger) ihr Studium als ihre nicht-beeinträchtigten Kommilitonen und Kommilitoninnen, wechseln öfter die Hochschule oder den Studiengang und studieren länger. Auch sehen Studierende mit Beeinträchtigungen die Finanzierung ihres Lebensunterhalts im Vergleich zu Studierenden ohne Beeinträchtigung deutlich seltener als gesichert an.

Übergang in die Erwachsenenmedizin

Aus dem bereits Geschilderten wird deutlich, welchen Stellenwert eine gute medizinische Begleitung des Übergangs in die Erwachsenenmedizin hat. Sie ist der Garant dafür, dass der Gesundheitszustand stabil bleibt. Mit zunehmendem Alter haben die Jugendlichen, so wie alle anderen Jugendlichen, den Wunsch nach Normalität, nach Zugehörigkeit und Ähnlichkeit zu den Peers, nach vermehrter Teilhabe und Lösung vom Elternhaus. Viele Studien haben gezeigt, dass betroffene Jugendliche ihre eigene Lebenssituation besser einschätzen als ihre Eltern und damit der Wunsch nach entwicklungsbedingter Veränderung für sie eine logische Konsequenz ist.

Dieser Ablösungsprozess ist für die Eltern besonders schwierig, waren sie doch lange für den reibungslosen Ablauf jeglicher medizinischer Intervention verantwortlich. Jugendliche müssen auf diese Phase gut und frühzeitig vorbereitet werden, ein gewisses Maß an Gesundheitskompetenz entwickeln und Verantwortung übernehmen. Die medizinische Begleitung verändert sich von der kinderärztlichen Betreuung zur Betreuung bei Ärzten, die Erwachsene behandeln. Die Praxisabläufe in der Erwachsenenmedizin entsprechen eher einer patienten- beziehungsweise symptomorientierten Betreuung, die Verantwortlichkeit liegt beim Patienten und die Betreuungsintensität ist eher kurz. Im Gegensatz dazu sind die Jugendlichen eine familienorientierte Teambetreuung gewohnt, bei der die Verantwortlichkeit bei den Eltern liegt und die Betreuung sehr intensiv ist. So wird zum Beispiel bei einem nicht eingehaltenen Termin von der Praxis aus angerufen und nachgefragt. Eine lange Bindung sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich geben Sicherheit und Vertrauen und führen zu einer deutlichen Entlastung. Ändert sich dies, muss Vertrauen auf allen Seiten (Patient/Arzt/Eltern) neu aufgebaut werden, Verlässlichkeit und Eigenverantwortung neu definiert werden. Die Erwartungshaltungen verschieben sich.

Gefahren und Risiken gibt es einerseits in medizinischer Hinsicht, wenn der Jugendliche die Therapieempfehlungen nicht einhält und/oder damit experimentiert. Zum anderen geht es um die gleichzeitig stattfindenden körperlichen und entwicklungsbedingten Veränderungen, die schon für gesunde Jugendliche eine Herausforderung im Rahmen der Identitätsentwicklung darstellen. Ein weiteres Hindernis stellt das Finden eines Arztes in der Erwachsenenmedizin dar, der sich mit dem Krankheitsbild des chronisch kranken Jugendlichen auskennt und bereit ist, dessen Behandlung zu übernehmen. Meist bedeutet dies für den Erwachsenenmediziner, dass mehr zeitliche Ressourcen für diese Patienten aufgebracht werden müssen, Vertrauen aufgebaut werden muss und nicht selten für eine intensive Begleitung die Zeit fehlt.

Eine gute Begleitung in der Phase des Übergangs hat durchaus nachgewiesene positive Effekte auf die Zufriedenheit der Patienten, Eltern und Versorgenden, den Abbau von Hürden bei der Transition, die Gesundheit und Lebensqualität von Betroffenen sowie das Krankheitswissen von Patienten und Eltern. Ebenso positiv wirkt sich Transition auf Selbstmanagement-Fähigkeiten, die Vorbereitung auf den Berufseinstieg, Organisation und Qualität in der Versorgung sowie das Follow-up zum Beispiel in der Erwachsenenrheumatologie aus. Diese positiven Effekte sind nicht nur in der Rheumatologie zu beobachten, sondern auch bei anderen chronischen Erkrankungen.

Als einziges regional und medizinisch übergreifendes Unterstützungsangebot ist das Berliner TransitionsProgramm (BTP) zu nennen. Neben einem ausgezeichneten Fallmanagement und einem umfassenden Angebot von Schulungsmaßnahmen wird im BTP eine strukturierte Vorgehensweise propagiert und unterstützt. Besonders das Fallmanagement hat für die Transition eine herausragende Bedeutung. Als unabhängiges Beratungs- und Begleitungsangebot ist es den Berlinern gelungen, das Vertrauen vieler chronisch kranker Jugendlicher und ihrer Eltern zu gewinnen. Darüber hinaus gibt es auch einige Angebote, die auf einzelne Krankheiten spezialisiert sind, wie etwa zum Beispiel Rheuma-Camps der Rheumaliga oder das Programm "endlich erwachsen" für nierenkranke Jugendliche.

Ausblick

Was braucht es in der Zukunft für Jugendliche und junge Erwachsene mit chronischer Krankheit? Es braucht einen geregelten Prozess nach dem Muster der Vorsorgeuntersuchungen beim Kinderarzt. Es braucht eine gesundheitspolitische Initiative, die Gesundheitskompetenz ab dem Kindergartenalter fördert. Dies ist nicht nur für chronisch kranke Kinder und Jugendliche wichtig, sondern für alle. Es braucht keine Gesundheitserziehung im Sinne eines Befolgens starrer Vorgaben, sondern einen bewussten Umgang mit der eigenen Gesundheit und das Zurechtfinden im Gesundheitssystem. Es geht darum, Verantwortung für seinen Körper zu übernehmen sowie die Rolle und den Nutzen von Prävention zu erkennen. Für die Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die nicht autonom leben können, werden alternative Wohnprojekte entwickelt werden müssen, da es keine anderen Alternativen außer der häuslichen Betreuung gibt. Als ambulantes interdisziplinäres Betreuungsangebot für Über-18-Jährige mit schweren Entwicklungsstörungen müssen Medizinische Zentren für Erwachsene mit Behinderung gefördert werden (MZEB). Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Transition bei chronisch kranken Jugendlichen immer dem Bedarf entsprechend erfolgen muss.

Die unterschiedlichen Professionen in der Medizin müssen darüber hinaus erkennen, dass Spezialisierung einerseits wichtig ist, andererseits die Behandlung immer im Team erfolgt und eine gemeinsame Behandlung in der Transition entscheidend für den erfolgreichen Übergang ist. Es braucht Fort- und Weiterbildung sowohl für Ärzte als auch für alle anderen medizinischen Berufe, die sich um diese Patienten kümmern. Die medizinischen Fachgesellschaften müssen aufgefordert werden, den spezifischen Informationstransfer zu gestalten und Fort- und Weiterbildungsangebote zu unterstützen. Die Deutsche Gesellschaft für Transitionsmedizin e.V. kann dabei den Austausch und die Entwicklung von Leitlinien unterstützen und koordinieren. Auch Patientenorganisationen müssen stärker akzeptiert und einbezogen werden. Ihr Netzwerk und Wissen sollte nicht als Konkurrenz, sondern als Unterstützung verstanden werden.

All diese Ziele tragen dazu bei, der Forderung, Transitionsleistungen in die Regelversorgung aufzunehmen, Nachdruck zu verleihen. Diese Forderung ist primär wichtig für die betroffenen Kinder und Jugendlichen, damit eine optimale Betreuung erfolgt und Versorgungslücken vermieden werden. Sie ist aber auch gesundheitsökonomisch wichtig, weil jeder Patient, der in eine Versorgungslücke gerät, anschließend einen noch höheren Versorgungsbedarf hat. Somit haben Transitionsbemühungen auch einen hohen präventiven Charakter.

Die unterschiedlichen Professionen in der Medizin müssen erkennen, dass Spezialisierung einerseits wichtig ist, andererseits die Behandlung immer im Team erfolgt und eine gemeinsame Behandlung in der Transition entscheidend für den erfolgreichen Übergang ist. Es braucht Fort- und Weiterbildung sowohl für Ärzte als auch für alle anderen medizinischen Berufe, die sich um diese Patienten kümmern.

ist Vorstandsvorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Transitionsmedizin e.V. und Leiterin des Change Managements am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH).

E-Mail Link: martina.oldhafer@uksh.de