Die Darstellung von Krankheiten in Spielfilmen und Fernsehserien kann auf vielfältige Art und Weise erfolgen,
Im Filmlexikon der Universität Kiel etwa heißt es, dass "die Inszenierung der Krankheit immer davon abhängig [ist], wie tabuisiert der Diskurs über Krankheit(en) – insbesondere deren visuelle Darstellung – zur Produktionszeit eines jeweiligen Films ist".
Die Frage nach der Rolle fiktionaler audiovisueller Erzählungen ist dabei insofern interessant, als Filme und Fernsehserien durch die Bilder von Kranken und ihr Erzählverläufe die öffentliche Diskussion beeinflussen. Daran anschließend ist nicht zu Unrecht eine oft negative, zu simplifizierende Darstellung kritisiert worden.
Spielfilme und Fernsehserien sind als Teil eines kollektiven kulturellen Kommunikationsprozesses vorrangig emotional und unterhaltend. Sie vermögen bei ihrem Publikum bestimmte affektiv-kognitive Zustände (wie etwa Vergnügen oder Trauer) hervorzurufen sowie gerade bei komplexen Unterhaltungsangeboten jenseits hedonistischer Aspekte auch eine emotional-bewegende, nachdenklichere Medienrezeption zu zeitigen.
Um dies genauer auszuführen, wird im Folgenden zunächst der kulturelle Bedeutungsrahmen reflektiert, in dem Spielfilme und Fernsehserien Krankheiten verhandeln. Daran anschließend werden innerhalb der Rezeptions- und Wirkungsdiskurse die damit verbundenen Medieneffekte wie vor allem Stigmatisierung und Diskriminierung, aber auch Komplexität und Differenzierung diskutiert. Als Beispiel dienen dabei vornehmlich die populärkulturellen Repräsentationen von psychischen Krankheiten.
Krankheit und Populärkultur
Der Inszenierung psychischer Erkrankungen und Befindlichkeitsstörungen wird seit der Erfindung des Kinos kontinuierlich eine große Aufmerksamkeit zuteil. Im Fokus stehen Depressionen, Panikattacken, Angst- und Wahnzustände, Halluzinationen, Störung der Wahrnehmung, der Erinnerung, des Gefühls- und Gemütszustandes.
Spielfilme und TV-Serien entfalten ihr Bedeutungspotenzial in der Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Fragen und Herausforderungen, ihre ästhetische Inszenierungsweise bleibt dabei jedoch unterhaltungsspezifisch. Ausprägungen symbolischer Ordnungen, unterschiedliche Handlungen und Aussagen (von Akteuren), in denen sich bestimmte Selbst-, Welt- und Menschenbilder sowie individuelle als auch kollektive Wahrnehmungsweisen widerspiegeln, werden narrativ verfasst und sind auf diese Weise Teil eines populärkulturellen Interpretations- und Aushandlungsprozesses.
Audiovisuelle Erzählungen befördern infolge der medialen Inszenierung zumeist einen "externalisierte[n] Blick" auf Krankheiten und leisten somit auch einer vornehmlich von außen nachvollziehbaren "Interpretation dessen [Vorschub], was mit einem Individuum, einer Gesellschaft und beiderlei Interaktionen im Krankheitsfalle geschieht".
So betrachtet, stellen Spielfilme und Fernsehserien kulturelle Wissensressourcen dar, indem sie das Erkennen und Verstehen auch von Krankheiten beeinflussen können. Ihnen ist "eine Verfremdung spezialdiskursiver Komponenten [das heißt aus dem Diskursbereich der Wissenschaft] sowie deren Anbindung an alltagsnahe, mediale oder cineastisch relevante Diskurse aus ästhetischen Gründen bereits inhärent".
Medieneffekte
Das Sprichwort "madness is as madness looks" (deutsch "Wahnsinn ist, was nach Wahnsinn aussieht") legt, wie der Medien- und Kulturwissenschaftler Simon Cross schreibt, in der kulturellen Auslegung von psychischer Krankheit nicht selten eine angsteinflößende Distanzhaltung nahe.
Dagegen finden sich ebenso fiktionale Erzählungen, die psychische Erkrankungen jenseits solch bedrohlicher und vor allem angstbesetzter Inszenierungsmuster verhandeln. Filme wie "Still Alice" ("Still Alice – Mein Leben ohne Gestern", USA 2014), der den Umgang einer Linguistin mit ihrer Alzheimererkrankung erzählt, oder auch "Angel Baby" (Australien 1995), der die Geschichte zweier an Schizophrenie erkrankter Personen präsentiert, widmen sich dem Thema auf komplexere Art und Weise. Auch Serien wie "ER" ("Emergency Room", USA 1994–2009), "Grey’s Anatomy" und auch "Club der roten Bänder" verfolgen auf jeweils eigene Art eine differenziertere Auseinandersetzung mit unterschiedlichen, auch psychischen Krankheiten. Neben dem Kriterium der "Genauigkeit" in der Darstellung gilt es jedoch, noch weitere Aspekte hinsichtlich Komplexität und Differenzierung zu reflektieren.
Stigmatisierung und Diskriminierung
Inszenierungen, die Wahnsinn und Gewalttätigkeit beziehungsweise Gefährlichkeit miteinander verknüpfen, zeichnen sich durch eine jahrzehntelange populärkulturelle Beständigkeit aus. Trotzdem sollte man sich auch ihren Entwicklungs- und Veränderungsprozess vergegenwärtigen, um zeitgenössische Darstellungen in einem medialen und gesellschaftlichen Referenzrahmen betrachten zu können.
Auf der anderen Seite wirft der Medienwissenschaftler Stephen Harper dem medienkritischen Diskurs vor, die stigmatisierenden Effekte populärkultureller Erzählungen zu negativ-generalisierend zu betrachten. Er plädiert stattdessen für eine differenziertere Analyse medialer Texte unter Beachtung der spezifischen Komplexität medialer Formen, den genrespezifischen Eigenschaften und somit auch den unterschiedlichen Bedeutungsebenen gerade fiktionaler Erzählmuster.
Komplexität und Differenzierung
In ihrer vielfach beachteten Publikation "Movies and Mental Illness" verweisen auch Danny Wedding und Ryan M. Niemiec auf den kritischen Diskurs zu Filmen, die eindimensionale stereotype und dabei zumeist negativ besetzte Bilder entwerfen und so zu einer Stigmatisierung beitragen.
Trotzdem muss eine ausgewogene Darstellung eben nicht immer auch einer Stigmatisierung entgegenwirken. So wurde der Film "Angel Baby" dafür gelobt, im Sinne einer kulturellen Wissensvermittlung eine weitestgehend akkurate und differenzierte Inszenierung der Krankheitsschübe von an Schizophrenie erkrankten Personen darzustellen.
Ein ähnlich komplexes Bild ergibt sich für das Wissen und die Einschätzungen von Testpersonen bezüglich Schizophrenie, Zwangsstörungen und Depressionen. In einer Untersuchung, in der Testpersonen beurteilen sollten, ob Erkrankte stärker zu Gewalttätigkeit neigen, zeigte sich, dass es keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen dem Medienkonsum der Testpersonen und ihren Beurteilungen gab.
Im Bereich der Serienerzählungen des Fernsehens sind in den vergangenen knapp drei Jahrzehnten vergleichbar differenziertere Geschichten auch über Krankheiten und die damit verbundenen individuellen und gesellschaftlichen Herausforderungen entstanden. Im Zuge dessen, was als sogenanntes Qualitätsfernsehen diskutiert und in der Forschung mittlerweile fundierter als "komplexes Erzählen" konzeptualisiert wird,
Auch Serien wie "Grey’s Anatomy" und "Club der roten Bänder" setzen auf eine differenziertere Erzähl- und Darstellungsweise. Gerade letztere zeigt jugendliche Figuren, denen infolge einer Krebserkrankung Gliedmaßen amputiert werden müssen, die Rückschläge durch erneut gestreuten Krebs auszuhalten haben, die an Magersucht erkrankt sind, mit Ängsten zu kämpfen haben oder Merkmale autistischer Störungen aufweisen. Dennoch werden sie als lebensbejahend dargestellt, die trotz ihrer schweren und zum Teil auch unheilbaren Erkrankungen soziale und intime Beziehungen eingehen wollen; das heißt Krankheiten – hier im Spannungsfeld von physischen wie psychischen Leiden, Formen der Bewältigung und der sozialen Einbindung in Strukturen von Gemeinschaftlichkeit – werden nicht grundlegend als bedrückend oder desillusionierend dargestellt. Stattdessen stehen die individuellen als auch und gerade die sozialen, gemeinschaftlichen Herausforderungen im Umgang damit im Vordergrund. Zuschauende wiederum sind hier mit Geschichten konfrontiert, die keine eindimensionale Rezeption provozieren, sondern kognitiv-emotional nachhaltig herausfordern. Solcherart Krankenhausserien wird in diesem Zusammenhang ein "ethnografischer Wert" zugeschrieben, da sie eine kulturelle Übersetzungsleistung vollziehen zwischen Alltagskultur und medialer Inszenierung in Hinblick auf die Darstellung und Aushandlung von Gesundheit, Krankheit und Behandlung.
Fazit
Populärkulturelle Inszenierungen von Krankheit können durch ihre Darstellungs- und Erzählmuster zu einer differenzierteren Auseinandersetzung mit dem Themenfeld Krankheit beitragen. Rezeptions- und Wirkungsstudien haben jedoch gezeigt, dass eine vermeintlich stärker realitätsorientierte Darstellung nicht immer ausreichend ist, um eine Stigmatisierung durch die mediale Inszenierung zu verhindern.