I. Strukturprobleme in ländlichen Gesellschaften
Afrika gilt mittlerweile als ein Kontinent, dessen landwirtschaftliche Produktion und Ernährungssicherung in Frauenhand liegt, denn über 90 Prozent der Grundnahrungsmittel und über 30 Prozent der Marktfrüchte werden von Frauen produziert. In den meisten Ländern stellen sie 70-80 Prozent der Arbeitskräfte, dennoch sind ihre wirtschaftlichen Potenziale durch zahlreiche rechtliche, agrarpolitische und soziokulturelle Hindernisse beschränkt. Hierzu zählen vor allem die Schwierigkeiten im Landzugang, Beeinträchtigungen im Erbrecht und die in der Entwicklungsplanung sich hartnäckig haltende Vorstellung von kleinbäuerlichen Familienbetrieben unter männlicher Leitung. Obwohl seit einigen Jahrzehnten immer mehr ländliche Haushalte von Frauen geführt werden, bilden diese nur selten die Zielgruppe von Projekten. Somit ist die Geschlechterdifferenz eine zentrale Kategorie, die über Ressourcenzugang und -kontrolle entscheidet.
Es handelt sich hierbei im Wesentlichen um ein Erbe der Kolonialzeit, da in vielen Ländern, insbesondere im südlichen Afrika, die Männer mit hohen Steuerpflichten belastet und zur Arbeit in Minen und auf Großfarmen gezwungen wurden, was zum grundlegenden Wandel der ländlichen Ökonomie und der familiären Strukturen führte.
Junge Sudanesen zieht es seit Jahren in die Arabischen Emirate und Männer aus Lesotho bzw. Mosambik nach Südafrika. Die hohe Arbeitslosigkeit, eine unzureichende Ausbildung und die große Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt erschweren jedoch in den meisten Fällen den Aufbau einer eigenen Existenz und die finanzielle Unterstützung der Familien in den Herkunftsgebieten. Angesichts der hohen Lebenshaltungskosten in den Städten verbrauchen die Migranten das meiste Geld für sich - ein Verhalten, das durch die veränderten Normen, neue Konsummuster bzw. ein auf Individualität setzendes männliches Prestigedenken zusätzlich verstärkt wird. Von den negativen Konsequenzen dieser Entwicklungen sind vor allem Frauen und Kinder in den krisengeschüttelten Desertifikationsgebieten des Sahel, aber auch in Bürgerkriegsregionen, z. B. im Sudan, sowie in Ländern mit wenig landwirtschaftlichen Möglichkeiten und einer schlechten Infrastruktur betroffen, etwa in Lesotho.
Die Geschlechterdifferenz im Migrationsprozess ist sowohl durch die Interpretation traditioneller Normen begründet, mit der männliches Dominanzstreben gerechtfertigt wird, als auch durch die begrenzten Bildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten, die Frauen auf dem urbanen Arbeitsmarkt benachteiligen. Im südlichen Afrika kommt hinzu, dass die Abwanderung der Frauen von den Kolonialregierungen bzw. von der Apartheidverwaltung verboten wurde, um den Zuzug der Afrikaner in die Städte zu beschränken und die Versorgung von Alten, Kranken und Kindern auf dem Land sicherzustellen. Somit können die Frauen dort erst seit wenigen Jahren legal die ländlichen Gebiete verlassen.
Infolge der Abwanderung der Männer entsteht ein neues Ungleichgewicht in der geschlechtlichen Arbeitsteilung, denn die Frauen müssen deren Anbauaufgaben zusätzlich übernehmen und in kürzester Zeit neue landwirtschaftliche Kenntnisse erwerben, d. h., sie tragen nunmehr die Verantwortung für den gesamten Produktionsprozess. Dies betrifft auch Anbauleistungen für bestimmte Pflanzen, wie Hirse oder Jams, die zuvor als statussichernde "Männerpflanzen" deklariert worden waren und über die nur Männer die Verfügungsgewalt gehabt hatten. Zwar werden überkommene Kategorisierungen einzelner Arbeitsbereiche als Frauen- und Männerarbeit revidiert, indem Frauen nun in Eigenregie pflügen, säen oder ernten. Dies führt jedoch nicht dazu, dass ihre Arbeitsleistungen gesellschaftlich mehr anerkannt würden, etwa in der Form, dass ihnen größere Entscheidungsbefugnisse eingeräumt würden. Darüber hinaus mangelt es an technischen Innovationen, um die Arbeit der Frauen, z. B. beim Jäten oder Ernten, zu erleichtern und Arbeitsengpässe zu reduzieren.
Die Entwicklungen in Gambia illustrieren diese Probleme beispielhaft: Dort sorgte der Nassreis- und Hirseanbau in vorkolonialer Zeit für die Ernährungssicherung. Die Arbeitsprozesse und der Landzugang waren zwar nach Geschlechtern getrennt, jedoch verhältnismäßig egalitär aufgeteilt. Es gab Anbauflächen, die Frauen oder Männer individuell erschließen und vererben konnten, und Land, das von patrilinearen Familien bewirtschaftet wurde. Als Mitte des 19. Jahrhunderts die britische Kolonialregierung den Erdnussanbau für den Export einführte und mit hohen Steuerforderungen die Männer zur Erdnussproduktion zwang, verschob sich diese ökonomische Balance zuungunsten der Frauen: Die Männer zogen sich aus dem Reisanbau zurück und überließen die Arbeit ausschließlich den Frauen. Gleichzeitig beanspruchten sie nun alle Felder, auf denen zuvor Hirse für die familiäre Ernährung wuchs, für den Erdnussanbau. Die Geschlechterhierarchien verschoben sich dergestalt, dass die Frauen Jät- und Erntedienste im Erdnussanbau leisten mussten, gleichzeitig aber keinen Anteil aus dem Verkauf der Erdnussernte zur familiären Versorgung erhielten. Nach der Unabhängigkeit ließ die gambische Regierung mit internationaler Unterstützung umfangreiche künstlich bewässerte Nassreisfelder anlegen, die als Familienland deklariert und Männern als Familienvorständen und "Betriebsleitern" übereignet wurden. Erneut wurden die Nutzungsrechte der Frauen untergraben, und zusätzliche Arbeit beim Versetzen der Reispflanzen und Jäten erwartete sie, weil diese nach wie vor nicht mechanisiert war. Die Ernährungssituation blieb weiterhin problematisch, da Frauen immer weniger Zeit und Möglichkeiten hatten, eigene Nassreisfelder für die tägliche Versorgung zu bestellen und ihnen weder Saatgut noch Dünger oder technische Hilfsmittel zur Verfügung gestellt wurden. Erst in den achtziger Jahren versuchten einige Nicht-Regierungsorganisationen, ihre Innovationsinteressen ernst zu nehmen und Erntegeräte sowie Transportmittel bereitzustellen. Interviews zeigten, dass die Frauen über den Reisanbau hinaus den Gemüseanbau für die Selbstversorgung und die Vermarktung intensivieren wollten, was bislang noch nicht wahrgenommen worden war. Ihr Landzugang blieb aber weiterhin problematisch, da sie nur als "mithelfende Familienmitglieder" galten.
So erwies sich die bis in die achtziger Jahre verbreitete Annahme als falsch, dass Frauen durch die Veränderungen der Anbauformen, durch die punktuelle Mechanisierung und durch die Kommerzialisierung der Marktproduktion aus der Landwirtschaft verdrängt würden; ganz im Gegenteil - sie werden zu den tragenden Kräften der veränderten Produktion.
Diese Tendenz setzt sich sogar in denjenigen westafrikanischen Gesellschaften durch, bei denen Frauen in vorkolonialer Zeit ein eigenes Einkommen durch den Handel mit Nahrungsmitteln verdienten und in denen das Prinzip der "getrennten Kassen" vorherrschte, d. h. eine strikte Aufteilung von Rechten und Pflichten der Ehepartner, was den Frauen ein gewisses Maß an ökonomischer Autonomie ermöglichte und die Männer in die familiäre Versorgung einband. Als jedoch beispielsweise die matrilinearen Gesellschaften im tropischen Süd-Ghana auf Druck der britischen Kolonialverwaltung mit dem Kakaoanbau begannen, wurde das Land privatisiert, und die Arbeitsteilung verschob sich zu Lasten der Frauen. Viele büßten ihre Landrechte und damit auch ihre wirtschaftliche Eigenständigkeit ein. So verfügt heute nur noch eine kleine weibliche Elite über eigene Anbauflächen, auf denen sie vor allem Kakao produziert. Die Mehrheit der Frauen muss nun die Kakaofelder ihrer Ehemänner oder männlicher Verwandter bearbeiten. Ihr Landzugang beschränkt sich darauf, Gemüse zwischen junge Kakaobäume zu pflanzen, wobei sie über die Selbstversorgung hinaus Überschüsse für die Märkte zu erzielen versuchen. Wegen der zeitlichen Überschneidung von Anbauaufgaben gehen immer mehr Frauen dazu über, schnellwachsende Arten anzupflanzen, die wenig Arbeit erfordern, z. B. die Knollenfrucht Cassava, deren Nährwert allerdings gering ist. Die komplexen vorkolonialen Anbausysteme, die eine Pflanzenvielfalt umfassten und optimal an die lokale Ökologie angepasst waren, gehören der Vergangenheit an. Die damit verbundene Anbauleitlinie, Ertragsrisiken zu reduzieren, müssen die meisten Frauen aufgrund ihres Land- und Zeitmangels durch die Produktionsmaximierung ersetzen. Hierbei spielt die staatliche Agrarberatung keine unwesentliche Rolle, richtet sie doch ihre Informationen über neue Geräte, Dünger, Schädlingsbekämpfung und Kredite nur an Männer als Betriebsleiter in der kleinbäuerlichen Kakaoproduktion.
Vergleichbare Prozesse fanden in den ehemaligen britischen Siedlerkolonien im südlichen und östlichen Afrika statt, wo traditionelle Mischkulturen aus Hirse und Gemüse vom Maisanbau abgelöst wurden. Denn die Kolonialverwaltung schuf keine Anreize für den Verkauf der sehr nahrhaften und dürreresistenten Hirse. Daher sahen sich Männer und Frauen gezwungen, auf den Maisanbau umzustellen, um die Steuerforderungen zu erfüllen und Medikamente oder Schulgeld für die Kinder zu zahlen. Mais erfordert vergleichsweise wenig Arbeit, und die Ernte kann zum Verkauf, aber auch zur eigenen Ernährung genutzt werden. Allerdings sind die Nachteile bis heute offensichtlich, denn Mais laugt die Böden aus und beinhaltet wenige Nährstoffe. Die nachkoloniale Agrarpolitik Kenias, Sambias und Simbabwes ignoriert dennoch den Hirseanbau, der als Zeichen der Rückständigkeit abgetan wird, und setzt vorrangig auf die Maisproduktion in der Hoffnung, daraus Exporterträge zu erzielen.
Ihren Anspruch auf eine umfassende Ressourcenkontrolle leiten Männer in zahlreichen afrikanischen Ländern aus ihrem Status als Familienoberhäupter ab und interpretieren dabei lokale Traditionen äußerst selektiv, um ihr Vorgehen zu legitimieren.
Das Ergebnis ist ein starres, kodifiziertes Rechtssystem, das Geschlechterhierarchien und soziale Differenzen intensivierte, indem Brautpreiszahlungen monetarisiert wurden und Vorstellungen von Landnutzungsrechten durch Verwandtschaftsgruppen von privatrechtlichen Konzepten abgelöst wurden. Davon waren neben matrilinearen Gesellschaften in Westafrika auch solche im südlichen Afrika betroffen, z. B. in Nord-Rhodesien, dem heutigen Sambia, in Nyassaland, dem heutigen Malawi, und in Rhodesien, dem heutigen Simbabwe.
II. Differenzen zwischen Haushalten
Viele nachkoloniale Staaten Afrikas räumten Frauen die Rechtsgleichheit ein, dennoch beeinträchtigt der Dualismus von staatlichem Recht und "customary law" in der Rechtspraxis die Handlungsspielräume von Frauen. Faktisch gelten verheiratete Frauen nicht als vollwertige Rechtspersonen, was ihre wirtschaftlichen Handlungsspielräume und ihre Erbrechte drastisch beeinträchtigt. Gerade in Ländern wie Simbabwe und Südafrika, in denen die familiären Produktions- und Sicherungssysteme seit Jahrzehnten durch Zwangsumsiedlungen und Landenteignungen destabilisiert sind, häufen sich die Fälle, wo Witwen von Haus und Hof vertrieben werden. Von derartiger Willkür sind insbesondere De-jure-Haushaltsleiterinnen betroffen, deren marginale gesellschaftliche Stellung und begrenzter Ressour- cenzugang häufig zu existentiellen Versorgungsproblemen für ihre Kinder führt. Das Ausmaß dieses Problems lässt sich schon daran ermessen, dass in den meisten Ländern südlich der Sahara 30 bis 40 Prozent aller Haushalte von Witwen und geschiedenen Frauen geleitet werden.
Hingegen spiegelt die Situation der Ehefrauen von Wanderarbeitern, so genannter De-facto-Haushaltsleiterinnen, die sozioökonomische Differenzierung ländlicher Gesellschaften wider. Immerhin hat eine kleine Minderheit der Wanderarbeiter den Sprung in feste Beschäftigungsverhältnisse geschafft und verfügt über ein regelmäßiges Einkommen, das zu Zwecken des Sozialprestiges in der ländlichen Heimat investiert wird und von dem auch die Ehefrauen profitieren - allerdings oft nur indirekt, z. B. durch die Anschaffung technischer Geräte. Darüber hinaus ist der Erwerb von Land vielerorts das Hauptinteresse dieser Aufsteiger; selbst in Gebieten mit kommunaler Landnutzung werden durch die Privatisierung von Anbauflächen soziale Ungleichheiten verschärft, und der Ressourcendruck steigt.
So sieht sich die Mehrheit der jungen Männer ihrer Zukunftsperspektiven im ländlichen Raum beraubt und zieht sich aus der familiären Versorgung zurück, zumal veränderte Männlichkeitsideale in den Städten auf individuelle Freiheiten abzielen. Darüber hinaus steigt die Zahl derer, die nicht mehr bereit sind, die steigenden Brautpreisforderungen der älteren, männlichen Familienoberhäupter zu erfüllen. Anstatt eine Ehe einzugehen, bevorzugen sie zeitlich begrenzte Beziehungen, was zur Folge hat, dass die Frauen und ihre Kinder nur schwer Unterstützung einfordern können. Auch bleibt die überwiegende Zahl der älteren Menschen weiterhin auf die Freigebigkeit der Migranten angewiesen, weil es - abgesehen von Südafrika oder Namibia - in den meisten afrikanischen Ländern keine staatliche Altersrente gibt. Da alte Männer, wenn sie nicht gerade das Amt eines "Chiefs" oder Dorfvorstehers bekleiden, in vielen Bereichen des öffentlichen und familiären Lebens ihre Autorität verloren haben, eskalieren die Generationenkonflikte. Diese überschneiden sich mit Geschlechterkonflikten, weil die Mehrheit der Frauen gezwungen ist, die Unterstützungsleistungen ihrer Männer einzufordern.
Kleinbäuerliche Familien und Haushalte sind somit weit entfernt vom Ideal, harmonische Produktions-, Konsum- und Residenzeinheiten zu bilden; vielmehr prägen interne Interessenkonflikte zwischen den einzelnen Mitgliedern die Strukturen. Dies ist vor allem in polygamen Haushalten mit geringem Geldeinkommen der Männer und unzureichendem Landzugang für die Frauen der Fall. Während in der vorkolonialen Zeit in vielen bäuerlichen Gesellschaften West-, Ost- und Südafrikas familiäre Entscheidungsgremien darauf geachtet haben, dass ein Mann nur so viele Frauen heiratet, wie er mit Landnutzungsrechten versorgen konnte, ist diese Limitierung heute irrelevant geworden, weil die Familienstrukturen aufgebrochen sind.
Der insgesamt festzustellende Wandel führt in den von Witwen und geschiedenen Frauen geleiteten Haushalten zu zusätzlichen sozioökonomischen Dynamiken, denn sie kombinieren einerseits unterschiedliche landwirtschaftliche mit außerlandwirtschaftlichen Einkommensquellen, d. h. die Subsistenz- und Marktproduktion etwa mit dem Kleinhandel und dem Bierbrauen.
Ob und wie die Verwandten ihren Aufgaben in der Kindpflegschaft nachkommen, d. h., inwieweit diese Kinder als billige Arbeitskräfte eingesetzt werden oder ob ihnen der Schulbesuch tatsächlich ermöglicht wird, hängt von der wirtschaftlichen und familiären Situation, aber auch von der Einstellung der jeweiligen Pflegeeltern ab. Eine Garantie für die Ernährungs- und Zukunftssicherung der Kinder gibt es bei dieser Form der Problemlösung keineswegs, denn infolge wirtschaftlicher und sozialer Krisen steigt die Zahl der Kinder, die von Verwandten aufgenommen werden sollen. Hierbei müssen die Mütter den Verzicht auf die Arbeitskraft eines Kindes, z. B. einer heranwachsenden Tochter, die bei der Kleinkindversorgung und bei der arbeitsintensiven Wasser- und Feuerholzbeschaffung oder der Hausarbeit hilft, gegen die Kosten für die Schulgebühren und Schuluniformen abwägen.
Von Investitionen in die Ausbildung der Töchter versprechen sich viele Frauen eine Unterstützung im Alter, denn die Erfahrung zeigt vielerorts, dass berufstätige Töchter ihre Mütter weitaus mehr unterstützen, als die Söhne dies tun. Allerdings ist diese Differenz durch die unterschiedlichen Sozialisationsziele bedingt, die junge Mädchen in familiäre Pflichten drängen. Die Schulbildung und ein Beruf gelten dabei als Mittel zum Zweck, beispielsweise in Simbabwe, das in den achtziger Jahren den höchsten Bildungsetat in Afrika hatte und damit auch Mädchen den Schulbesuch ermöglichte. Jedoch wurden schon ab den neunziger Jahren im Rahmen der Strukturanpassungsprogramme die Staatsausgaben für Bildung drastisch reduziert und den Eltern wieder Schulgebühren abverlangt.
Problematisch ist es, wenn junge, berufstätige Frauen heiraten und die Unterstützungsforderungen ihrer Mütter in Widerspruch geraten zu den Erwartungen ihrer Ehemänner. Eine verbreitete Konfliktstrategie der verheirateten, berufstätigen Frauen ist es, Kleinkinder zu den (Groß)müttern aufs Land zu schicken, um die finanzielle Versorgung gegenüber ihren Ehemännern zu rechtfertigen. Dennoch sind die Interessendivergenzen für verheiratete, berufstätige Frauen nur schwer zu vereinbaren, vor allem in Zeiten wirtschaftlicher Rezessionen, steigender Inflationsraten, hoher Arbeitslosigkeit der Ehemänner sowie der grassierenden AIDS-Epidemie. Da viele Ehemänner ihre Virilität den HIV-Infektionsgefahren zum Trotz noch immer über eine Vielzahl von Partnerinnen definieren, entscheiden sich immer mehr junge berufstätige Frauen gegen eine Eheschließung, was tendenziell ihren Verwandten im ländlichen Raum zugute kommt.
Dennoch durchkreuzen HIV-Infektionen die Pläne vieler junger Frauen und die Erwartungen der älteren Landbewohnerinnen radikal, da oft schon Schülerinnen und Auszubildende infiziert werden; nicht nur durch Partner, die ungeschützten Sex als "Zeichen wahrer Liebe" erzwingen, sondern weil Lehrer und Vorgesetzte sexuelle Gewalt als Machtmittel einsetzen - eine Tendenz, die quer über den Kontinent an Verbreitung gewinnt.
So beeinflussen die Krankheiten, familiären Krisen und Lebensphasen sowie die Anzahl, das Geschlecht und das Alter der Kinder die Überlebensstrategien der Haushaltsleiterinnen. Dies betrifft einerseits die flexible Zusammensetzung der Konsum- und Residenzgruppen innerhalb eines Haushalts, aber andererseits auch die Diversifizierung der Produktion und des Einkommens, wobei beides an Jahreszeiten und Lebensphasen orientiert ist.
III. Vernetzung als Überlebens- strategie - Chancen und Grenzen
Obwohl alle Frauen ihre produktiven Arbeiten mit der alltäglichen Hausarbeit, der Kinder-, Alten- und Krankenversorgung vereinbaren müssen, sind insbesondere Ehefrauen einkommensschwacher Wanderarbeiter, Witwen und geschiedene Frauen durch die zeitliche Überschneidung vieler Arbeitsbereiche belastet. Ihre Schwierigkeiten im Ressourcenzugang und ihre eingeschränkte Ressourcenkontrolle reduzieren ihre Chancen, durch die Integration in die Marktproduktion wirtschaftlich autonomer zu werden. Äußerst pragmatisch versuchen viele Frauen dennoch, derartige Probleme im Alltag zu bewältigen. Dabei zählt die Beteiligung an traditionellen Arbeitsgruppen, aber auch an Sparvereinen und innovativen Formen der Zusammenarbeit im Rahmen von Entwicklungsprogrammen zu ihren Handlungsstrategien.
Während traditionelle, ad hoc gebildete reziproke Arbeitsgruppen zum Jäten, Ernten oder Dreschen schon in vorkolonialer Zeit dazu dienten, Arbeitsengpässe im Anbauzyklus rasch zu überbrücken, sind die während der Kolonialzeit entstandenen Spargruppen auf kontinuierliche Mitgliedschaft ausgerichtet und helfen den Mitgliedern bei größeren Ausgaben. Mit Prinzipien wie verwandtschaftliche oder nachbarschaftliche Bindungen, Vertrauen und gegenseitige Kontrolle wollen die Gruppen die Transparenz ihrer Finanzverwaltung gewährleisten, so dass auch Analphabetinnen eine faire Chance zur Partizipation erhalten.
Eine langfristige Mitarbeit ist die Voraussetzung zur Teilnahme an Gemüse produzierenden Gartengruppen, die seit den achtziger Jahren im Rahmen staatlicher und nichtstaatlicher Entwicklungszusammenarbeit gefördert werden.
Eine detaillierte Analyse der Gruppenmitgliedschaft zeigt jedoch, dass diese keineswegs homogen ist, denn im Zuge der häufig sehr attraktiven technischen Förderung sowie der Unterstützung bei der Vermarktung von Überschüssen werden etliche Gruppen von den Ehefrauen vergleichsweise wohlhabender Wanderarbeiter dominiert. Da ihre Kapazitäten, zeitlichen Möglichkeiten und Ziele häufig nicht denen der De-jure-Haushaltsleiterinnen entsprechen, kommt es immer wieder zu Konflikten über die Arbeitsorganisation, über Anbauprioritäten oder die Nutzung der Ernte, die mancherorts auch zum Aufbrechen der Gruppen führen und damit das Ende eines Projektes, z. B. eines gemeinsamen Gemüsegartens, bedeuten. So sorgt die Nutzung der Erträge häufig für Zündstoff: Während die Gruppenleiterinnen oft den Großteil der Gemüseernte zum Gelderwerb vermarkten wollen und dabei autoritär auftrumpfend auf ihre Führungsrolle pochen, plädieren ressourcenarme De-jure-Haushaltsleiterinnen für den Eigenkonsum, da sie meist nicht über andere Versorgungsmöglichkeiten verfügen. Für die Entwicklungszusammenarbeit stellt sich daher die Aufgabe, nicht nur technische und finanzielle Hilfe zu gewähren, sondern viel stärker als bisher die Gruppenkonflikte vermittelnd zu begleiten, z. B., indem sie Moderationsverfahren und Konfliktstrategien mit den Zusammenschlüssen erprobt.
Nur wenn die Differenzen zwischen Frauen im ländlichen Raum ernst genommen werden und Programme gezielt an den Bedürfnissen marginalisierter Haushaltsleiterinnen anknüpfen, kann der Feminisierung der ländlichen Armut gegengesteuert werden. Denn bei den Ressourcenkonflikten innerhalb der Gruppen handelt es sich nicht nur um Interessendivergenzen im sozialen Mikrobereich, vielmehr spiegeln sie gesellschaftliche Brüche und Strukturprobleme wider.
So hängt es auch von jedem speziellen Förderkonzept ab, inwieweit sich die Maßnahmen auf eine praktische Situationsverbesserung beschränken, oder ob sie darüber hinaus eine Basis zur Interessenvertretung bilden, indem sie beispielsweise mehr Sicherheiten in Landrechtsfragen und die Mitsprache in ländlichen Entscheidungsgremien durchsetzen.
IV. Herausforderungen für die Agrarpolitik
Solche Forderungen für Veränderungen auf der Mikroebene können jedoch nur dann erfolgreich sein, wenn auch die Agrarpolitik und die ländliche Entwicklungsplanung neue Akzente setzt. Im Zuge der internationalen Welt-Frauendekade (1975 - 1985) und nach der Weltfrauenkonferenz 1995 in Peking haben zwar einige afrikanische Regierungen die dort eingegangenen Verpflichtungen erfüllt und versucht, durch Veränderungen auf institutioneller Ebene Frauen zu fördern. Dennoch haben sich daraus noch keine positiven Impulse für Kleinbäuerinnen ergeben. Eine Abkehr vom überholten Konzept der Kommerzialisierung kleinbäuerlicher Familienbetriebe unter männlicher Leitung und die Ausrichtung der Agrarplanung an Frauen als Produzentinnen wäre ein wichtiger Beitrag, um die landwirtschaftlichen Potenziale von Frauen zu stärken.
Für eine derartige Umorientierung gäbe es vielfältige Ansatzpunkte, denn die Innovationsinteressen der Kleinbäuerinnen umfassen sowohl die Subsistenz- als auch die Marktproduktion. Studien aus Gambia, Ghana, Kamerun, Kenia, Tansania und Simbabwe zeigen, dass Frauen neues Saatgut und neue Anbaumethoden anwenden, wenn sie diese in den vorhandenen Anbauzyklus sowie die dabei erforderlichen Arbeitsprozesse integrieren können. Eine derartige Aufgeschlossenheit resultiert aus dem Selbstverständnis, Produzentin zu sein, und wird vom Wissen darüber getragen, durch eine Anbaudiversifizierung Ertragsrisiken reduzieren zu können.
Um einen dahingehenden Strukturwandel einzuleiten, sollten jedoch mehr Agrarberaterinnen ausgebildet und eingesetzt werden. Diese müssen in der Weise geschult werden, dass sie konstruktiv mit den haushaltsinternen Differenzen und den Geschlechterkonflikten umgehen können. Vor allem aber sollte ihr Augenmerk auf die Förderung von Witwen, geschiedenen Frauen und verarmten Ehefrauen in polygamen Haushalten gerichtet sein.
Darüber hinaus gilt es, arbeitssparende Geräte für das zeitintensive Jäten, Ernten, Verarbeiten und den Transport von Anbauprodukten zu entwickeln, die den lokalspezifischen Anforderungen der Frauen entsprechen und ihre Mehrfachbelastungen reduzieren sollten.
Dies bedeutet jedoch, dass von Regierungsseite ernsthaft Geschlechterhierarchien und soziale Machtungleichheiten angegangen werden müssten, um die Verhandlungsmacht von De-jure- und De-facto-Haushaltsleiterinnen zu stärken und ihrer Marginalisierung infolge fortschreitender sozioökonomischer Destabilisierungsprozesse gegenzusteuern.