I. Ausgangsbedingungen
Die neunziger Jahre waren nicht nur eine Dekade des fundamentalen Wandels für Europa, sondern auch für Afrika südlich der Sahara. Eine Welle der Demokratisierung erfasste den Kontinent - und verschonte kaum ein autoritäres Regime. Wenig beachtet, entfaltete sich auch eine Welle der regionalen Integration und Kooperation, deren Beginn der Vertrag von Abuja aus dem Jahre 1991 markiert.
Diese Regionalisierung unterscheidet sich in ihrem Charakter fundamental von den ersten Anstrengungen grenzüberschreitender Zusammenarbeit afrikanischer Staaten in den späten sechziger, frühen siebziger Jahren. Regionale Integration verfolgte damals zwei Hauptzielsetzungen: erstens die Überwindung oder zumindest Milderung der künstlichen Trennung der afrikanischen Völker durch die kolonialen Grenzen; zweitens die Beendigung der neokolonialen Abhängigkeit der jungen afrikanischen Staaten von den ehemaligen Kolonialmächten und den neokolonialen USA. Entsprechend hatte sich die regionale Zusammenarbeit der Importsubstitution und - zumindest rhetorisch - dem Pan-Afrikanismus verschrieben. Der neue Regionalismus der neunziger Jahre hat sich dagegen dem Paradigma der Weltmarktintegration verschrieben. Durch regionale Integration sollen afrikanische Ökonomien international wettbewerbsfähig, für Auslandsinvestoren attraktiv und in die Lage versetzt werden, den Globalisierungsprozess aktiv mitzugestalten. Zentrale Elemente dieser außenorientierten Strategie sind die Senkung von Zolltarifen, die Harmonisierung nationaler Wirtschaftspolitiken, volkswirtschaftliche Deregulierung, die Standardisierung von Normen und Verfahren, die Liberalisierung des Banken- und anderer Dienstleistungssektoren sowie die Erleichterung von grenzüberschreitenden Investitionen. Diese Neuorientierung ist Folge des wirtschaftlichen Niedergangs Afrikas in den achtziger Jahren, seiner ökonomischen und politischen Marginalisierung nach dem Ende des Ost-West-Konflikts.
Dieser Beitrag vergleicht zwei afrikanische Regionalorganisationen: die westafrikanische "Economic Community of West African States"
Die SADC ist formal gesehen eine junge Organisation. Ihr Gründungsvertrag stammt aus dem Jahr 1992. Sie ging aus der alten "Southern African Development Co-ordination Conference" (SADCC) hervor, wobei der Wegfall des zweiten "C" nicht nur eine kosmetische Änderung, sondern eine Ausweitung der Zielsetzung bedeutete: Statt ausschließlicher Sektorkooperation, um die Abhängigkeit der so genannten Frontlinienstaaten von Südafrika zu mildern, stand nun Integration im südlichen Afrika im Vordergrund der Anstrengungen. Nach dem Ende des Apartheid-Regimes in Südafrika galt es, den potenziellen Hegemon einzubinden sowie seine Wirtschaftskraft und seine wirtschaftliche Dynamik für die Mitgliedsländer der SADC nutzbar zu machen.
Die ECOWAS kann bereits auf eine 25-jährige Existenz zurückblicken, pflegte aber bis zu Beginn der neunziger Jahre ein Dornröschendasein. Die verstärkte Hinwendung der EU zur SADC sowie die deutlich spürbaren Bemühungen der frankophonen Staaten Westafrikas, ihre Integration voranzutreiben, dürften - zusätzlich zu den eingangs genannten - wesentliche Gründe der Wiederbelebung der ECOWAS gewesen sein. Formalen Ausdruck fand dies in der Unterzeichnung eines überarbeiteten Gründungsvertrags 1993. Dennoch hat sich die grundlegende Ratio der Existenz der ECOWAS nicht entscheidend verändert: Nach wie vor gilt sie als Versuch Nigerias, seinem regionalen Vormachtstreben - in Konkurrenz zu Frankreich - einen institutionalisierten Rahmen zu geben.
Westafrika ist mit beträchtlichen Vorkommen hochwertigen Erdöls, international bedeutsamen Gold-, Bauxit-, Eisenerz-, Uran- und Diamantenlagern selbst im internationalen Vergleich gut ausgestattet. Die Bevölkerungszahl des regionalen Marktes ist hoch, wenngleich die Nachfrage privater Haushalte aufgrund des geringen Einkommensniveaus relativ niedrig ist. Der intraregionale Handel mit einem Anteil von um die zehn Prozent am gesamten Außenhandel der Mitgliedsländer
Das südliche Afrika übertrifft das Wirtschaftspotenzial Westafrikas bei weitem. Es verfügt nicht nur über umfangreiche mineralische Rohstoffe - Erdöl, Diamanten, Gold, Eisenerze, Kupfer, Uran - und ein weltweit herausragendes hydro-elektrisches Energiepotenzial, sondern auch über eine Volkswirtschaft, die international als einzige Afrikas zu den Emerging markets gerechnet wird: Südafrika. Daneben weist Simbabwe einen durchaus bedeutsamen Industriesektor auf. Obschon die wirtschaftlichen Probleme Südafrikas groß sind, besteht berechtigte Hoffnung auf eine Lokomotivfunktion. Jene bedingt allerdings auch, dass der intraregionale Handel mit einem Anteil von 20 Prozent am Gesamthandel der Mitgliedsstaaten einseitig von südafrikanischen Exporten in die Region dominiert wird und die Nachbarländer mehr und mehr von südafrikanischen Investoren penetriert werden. Dies verursacht wirtschaftliche Abwehrreaktionen, insbesondere in Simbabwe - zusätzlich genährt durch die Weigerung Südafrikas, den Gewinn, den es aus den Exporten in die Region zieht, durch Transferzahlungen zumindest teilweise zu kompensieren. Das regionale Wirtschaftswachstum war in den neunziger Jahren mäßig. Eine relativ gut ausgebaute und funktionierende physische Infrastruktur im Süden der Region steht dem fast völligen Verfall und der weiträumigen Zerstörung von Verkehrswegen, Kommunikationsverbindungen und der Energieversorgung im Norden gegenüber.
Die beiden Vergleichsregionen sind traditionell durch eine hohe Mobilität ethnischer Gruppen und Arbeitskräfte gekennzeichnet, was wiederum zu einer intensiven ethnisch-regionalen Vermischung führte. Die primären Aufnahmeländer der Arbeitsmigration der vergangenen Jahrzehnte waren im westlichen und südlichen Afrika Südafrika, die Elfenbeinküste, Nigeria, Senegal, Simbabwe und Ghana. Der Zustrom von Arbeitssuchenden hat in den Aufnahmeländern zu einem spürbaren Anstieg von Xenophobie geführt, die sich immer häufiger gewaltsam Bahn bricht. Darüber hinaus hat die koloniale Grenzziehung, insbesondere in West-, aber auch im südlichen Afrika, Volksgruppen zerschnitten. Unterdrückung von oder Aggressivität gegen eine Volksgruppe in einem Staat mobilisiert zuweilen grenzüberschreitende Solidarität bei den Volksgenossen, was wiederum zu zwischenstaatlichen Konflikten und Spannungen führen kann.
Der kulturelle Austausch der autochthonen Völker der Regionen war in der vorkolonialen Phase intensiv, insbesondere der Mischbevölkerungen in Westafrika. Allerdings war diese Region von der zersplitternden Wirkung des Kolonialismus am nachdrücklichsten betroffen. Die Spaltung der an sich ineinander verzahnten Region in französische und englische Kolonialgebiete ließ über die Jahrzehnte der Kolonialherrschaft nicht nur unterschiedliches Staatsverständnis und Sprachprobleme wachsen, sondern schlug sich auch in tiefgreifenden kognitiven Dissonanzen nieder, die Ursache für wechselseitiges Misstrauen und schwach ausgeprägte Kooperationsbereitschaft zwischen anglophonen und frankophonen Staaten der Region sind. Gemeinsame historische Erfahrungen und die systemischen Vorgaben der britischen Kolonialherrschaft erleichtern demgegenüber die regionale Kooperation im südlichen Afrika. Der Prozess regionaler Vertrauensbildung wurde allerdings in der, für einige Länder kurzen, nachkolonialen Zeit durch zwei Faktoren gestört: erstens durch die Prägung Angolas und der DR Kongo durch die portugiesische bzw. belgische Kolonialherrschaft - Mosambik ist mittlerweile weitgehend in den anglophonen Block integriert -, die zudem nur geringe Aufbauleistungen erbrachten; und zweitens durch die Unterwerfung Simbabwes, Namibias und Südafrikas unter die Apartheidherrschaft, deren Erbe Südafrika selbst nach dem Ende der Minderheitsdiktatur den Zugang zu den Nachbarländern der Region noch immer erschwert. Andererseits förderte der gemeinsame Widerstand gegen die Apartheidherrschaft eine gewisse Solidarität zwischen den nationalen Befreiungsbewegungen.
Die Qualität der sozialen Infrastruktur hat in beiden Regionen in den vergangenen zehn Jahren abgenommen. Gesundheits- und Bildungswesen haben unter der Einschränkung der Staatsausgaben generell und unter falscher Prioritätensetzung beim Einsatz der knappen öffentlichen Mittel darüberhinaus gelitten. Gemessen an HDI, Analphabetenrate, Lebenserwartung und Anteil der absolut Armen an der Gesamtbevölkerung muss Westafrika als die unterentwickeltere Region gelten. Der relativ positive Wert im südlichen Afrika wird durch den vergleichsweise hohen Entwicklungsstand Südafrikas verzerrt, der wiederum das erhebliche Niveaugefälle zwischen Ober- und Unterschicht in der Kaprepublik nicht widerspiegelt.
In Bezug auf die politischen Rahmenbedingungen sind sowohl Westafrika als auch das südliche Afrika gespalten, wobei die Extreme bei letzterem noch weiter auseinander liegen. Mit Südafrika, Namibia, Botswana und Mauritius verfügt die Region des südlichen Afrika über vier Staaten, die als relativ stabil und demokratisch gefestigt gelten können. Die Fähigkeit dieser Staaten, administrative, wirtschaftliche und soziale Prozesse zu steuern, ist vergleichsweise hoch. Gewalt als Mittel der Auseinandersetzung ist auf wachsende Kriminalität und sich spontan Bahn brechende soziale Spannungen beschränkt. Angola und die DR Kongo liegen am anderen Ende des Spektrums, geprägt von Gewaltherrschaft, Bürgerkrieg und Staatszerfall. Seit Ende der Apartheid in Südafrika ist die Region von zwischenstaatlichen bewaffneten Konflikten verschont geblieben. Allerdings liegt im Misstrauen Simbabwes und auch anderer Staaten der Region gegenüber unterstellten südafrikanischen Hegemonialbestrebungen ein zentraler Hemmschuh für ein Fortschreiten des Integrationsprozesses. Problematisch ist auch die hohe Abhängigkeit einiger Länder der Region von Zolleinnahmen, besonders in jenen, die bisher noch nicht mit Südafrika in einer Zollunion vereint sind.
In Westafrika ist eine demokratische Konsolidierung bisher nur Benin, Senegal, Ghana und - mit wesentlichen Einschränkungen - Mali gelungen. Angesichts der historischen Erfahrungen in der Region kann allerdings auch in diesen Fällen nicht von einem hohen Maß an politischer Stabilität ausgegangen werden. Die Region weist seit der Unabhängigkeit die im internationalen Vergleich höchste Anzahl von Staatsstreichen auf. Auch während der Periode der Demokratisierung in den neunziger Jahren gab es eine Reihe von Rückschlägen in Form von Militärputschen. In Sierra Leone hält der Bürgerkrieg an - mit wesentlicher Beteiligung von Staaten der Region auf beiden Seiten der Front.
Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere Spannungen zwischen Nachbarländern Westafrikas. Jederzeit droht ein Wiederaufbrechen kriegerischer Auseinandersetzungen. So werden beispielsweise die sozialen Konflikte in Nigeria zwischen Volksgruppen und Religionen immer häufiger gewaltsam ausgetragen. Die Steuerungsfähigkeit selbst der wirtschaftlich relativ entwickelten Staaten ist mäßig, in anderen reicht sie kaum über die Hauptstadt hinaus. Organisierte Kriminalität und Schmuggel haben die Region weitgehend durchdrungen, Kriegsherren sind in Teilräumen an die Stelle staatlicher Machtausübung getreten. Die Abhängigkeit der Staatshaushalte von Zolleinnahmen übertrifft im Durchschnitt die des südlichen Afrika bei weitem. Sie schwankt für die Mehrzahl der Mitgliedsländer zwischen 30 und 50 Prozent!
II. Struktur
In der Struktur der beiden Regionalorganisationen finden sich zahlreiche Parallelen, am ausgeprägtesten hinsichtlich der politischen Entscheidungsorgane. Sowohl bei der ECOWAS als auch bei der SADC trifft allein das jährliche Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs für die Mitglieder verbindliche Entscheidungen, wobei das Prinzip der Einstimmigkeit herrscht. Entscheidungen mit Bindungswirkung für die Mitgliedsländer bedürfen eines Protokolls, das wiederum von einem bestimmten Quorum der Mitglieder ratifiziert werden muss, bevor es in Kraft tritt. Unterhalb der Gipfeltreffen ist ein Ministerrat für das politische Alltagsgeschäft zuständig. Bei der ECOWAS nehmen hierbei die Außen- bzw. Regionalminister eine zentrale Rolle ein, im Falle der SADC dominieren nach wie vor die Finanzminister, die zwar zögerlicher in der Übertragung zentraler Bereiche der Fiskalverantwortung auf die Regionalorganisationen sind, die aber innerhalb ihrer nationalen Kabinette über eine stärkere Stellung verfügen, um im Ministerrat gefasste Beschlüsse auch auf Landesebene durchzusetzen. Dem Ministerrat stehen wiederum Fachausschüsse zur Seite, die im Fall der EAC mit Staatssekretären, im Fall der ECOWAS und der SADC in der Regel mit niederrangigen Vertretern der Fachministerien besetzt sind.
Beiden Regionalorganisationen ist ein großes Machtgefälle zwischen dem obersten Entscheidungsorgan - dem Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs - und den untergeordneten Entscheidungsebenen zu Eigen. Dies ist aus verschiedenen Gründen höchst problematisch: Erstens besteht bei den Gipfeltreffen eine gewisse Tendenz zu wenig durchdachten Ad-hoc-Entscheidungen. Deren zum Teil negative Implikationen für einige Staaten werden häufig erst dann wahrgenommen, wenn ihre Umsetzung ansteht - was wiederum nicht zur Revision der Entscheidung, sondern zur Blockade des Integrationsvorhabens führt. Zweitens hängt der Fortschritt regionaler Integration wesentlich von der Bereitschaft der Staats- und Regierungschefs ab, sich an den Gipfeltreffen zu beteiligen, und von deren Fähigkeit, sich untereinander zu verständigen. In beiden Organisationen sind persönliche Animositäten zwischen den Präsidenten ein wesentliches Integrationshemmnis. Drittens werden die dem Gipfeltreffen untergeordneten Organe demotiviert, da ihre Vorarbeit häufig ignoriert oder ihnen gar entgegen gehandelt wird.
Im Zuge der verstärkten Bemühungen um regionale Konfliktprävention und -bewältigung sowie um die Überwachung der vertraglich vereinbarten politischen Grundwerte - Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit - haben sich ECOWAS und SADC hierfür spezielle Organe geschaffen. Die SADC richtete 1996 das "Organ for Defence, Politics and Security" (ODPS) ein, dessen Funktionsfähigkeit allerdings von Beginn an durch einen Streit zwischen Südafrika und Simbabwe um den Vorsitz des Gremiums beeinträchtigt wurde. Erst im März 2001 gelang es, diesen Konflikt auf- und den simbabwischen Präsidenten Mugabe als Vorsitzenden abzulösen. Trotz des militärischen Eingreifens der "ECOWAS Monitoring Group" (ECOMOG) in Liberia bereits 1994 waren deren Strukturen in Bezug auf Konfliktprävention und -bewältigung bis 1999 sehr fluide. Erst in jenem Jahr schuf sich die ECOWAS auf Drängen der frankophonen Staaten einen neunköpfigen Sicherheitsrat auf Präsidentenebene, der den Missbrauch der ECOMOG durch Nigeria zur Wahrung regionaler Machtinteressen eindämmen sollte. Dieser Sicherheitsrat ist mittlerweile in einen umfassenderen Mechanismus für Konfliktprävention, -bewältigung und -lösung eingebettet, der Vermittlungsausschüsse und eine schnelle Eingreiftruppe umfasst. Die Rolle von ODPS und des ECOWAS-Mechanismus ist nicht nur auf die Prävention und Lösung von Konflikten beschränkt, sie sollen auch die Einhaltung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten in den Mitgliedsländern überwachen.
Beide Regionalorganisationen verfügen über Zentralsekretariate, die jedoch zu schwach sind, um den ihnen zugedachten Aufgaben - Vorantreiben und Umsetzen des Integrationsprozesses - gerecht zu werden. Der Hauptgrund für die Schwäche des ECOWAS-Sekretariats besteht in seiner Organisationsstruktur. Einer Vielzahl von Angestellten auf Leitungsebene steht nur eine geringe Zahl von Sachbearbeitern gegenüber. Das bis vor kurzem übliche nationale Proporzsystem bei der Postenvergabe begünstigte Inkompetenz und Demotivation. Schließlich steht dem ECOWAS-Sekreteriat jenseits seiner Sach- und Personalmittel nur ein geringer Etat für operative Maßnahmen zur Verfügung. Auch die auf der Ebene des Sekretariats angesiedelte eigenständige Verwaltung des ECOWAS-Regionalfonds gilt als weitgehend ineffizient. Aus ihnen sollen regionale Projekte finanziert, Entwicklungsunterschiede gemindert und Einnahmeausfälle von Mitgliedsstaaten kompensiert werden. Die Unterfinanzierung des Fonds und die unzureichende Erfüllung von Zahlungsverpflichtungen schränken dessen Funktionsfähigkeit gründlich ein. Die Führung des Zentralsekretariats der SADC verfügt ebenso wie die der ECOWAS nur über geringes politisches Gewicht. Der Exekutivsekretär wird von den Ministern in der Regel nicht als Gleicher unter Gleichen wahrgenommen, der aus eigener Kraft Integrationsprozesse vorantreiben könnte. Noch sehr viel mehr wird seine Funktionsfähigkeit durch die dezentrale Verwaltungsstruktur der SADC beeinträchtigt. Jedem Mitgliedsland wurde die Verantwortlichkeit für einen oder zwei Kooperationssektoren übertragen. Die Sektoreinheiten sind in dem jeweils verantwortlichen Mitgliedsland angesiedelt, ihr Mitarbeiterstab wird in der Regel aus dem jeweils zuständigen nationalen Ministerium rekrutiert und ist nicht nur den zentralen SADC-Organen, sondern auch dem für sie verantwortlichen nationalen Ministerium rechenschaftspflichtig. Die nationalen Zuständigkeiten entscheiden wesentlich über die Effizienz und das Tempo von Fortschritten in bestimmten Sektoren. Reformanstrengungen der SADC laufen auf eine Bündelung der Sektorverantwortlichkeiten und die Anbindung der Einheiten an das Zentralsekretariat hinaus.
ECOWAS und SADC streben gleichermaßen die Schaffung nichtexekutiver Kontroll- und Beratungsorgane an. Dazu gehören ein regionaler Gerichtshof bzw. Tribunal, eine regionale parlamentarische Vertretung und ein Forum zur Abstimmung mit Interessenverbänden und Nichtregierungsorganisationen. Bei der Ausgestaltung dieser Organe schlagen die Regionalverbände allerdings unterschiedliche Wege ein. Noch am ehesten ähneln sich diese im Falle der Organe der Rechtsprechung und Streitbeilegung. Deren Hauptzuständigkeit besteht in der Überwachung der rechtlichen Umsetzung von Verträgen und Protokollen und in der Streitbeilegung zwischen Mitgliedsländern sowie zwischen Mitgliedsland und regionalen Organen. Noch keiner der beiden Regionalverbände verfügt über voll funktionsfähige Gerichtshöfe. Die ECOWAS hat allerdings wesentliche Schritte zur Schaffung von regionalen Gerichtshöfen zurückgelegt. Die Richter für das ECOWAS-Tribunal wurden bereits ausgewählt. Im Fall der SADC wurde nach langen Kontroversen erst kürzlich die Entscheidung für die Einrichtung eines Tribunals gefällt. Eine ähnlich große Diskrepanz zwischen ehrgeizigen Zielsetzungen in den Gründungsverträgen und der Realität besteht bei den regionalen parlamentarischen Versammlungen. Auch hier weist die ECOWAS einen erheblichen Vorsprung gegenüber der SADC auf, der vor allem im Treffen entsprechender Vereinbarungen besteht. Die ECOWAS hat Mitte 2001 ein 120-köpfiges Regionalparlament eingesetzt. In ihm verfügen die großen Mitgliedsländer über ein Grundquorum hinaus über zusätzliche Abgeordnete. Sie werden von den nationalen Parlamenten aus den eigenen Reihen gewählt. Die indirekte Wahl der Mitglieder der Regionalparlamente beeinträchtigt ihre demokratische Legitimation, ihre geringe Zahl erlaubt ihnen kaum die kompetente Erfüllung ihrer Aufgaben. Die SADC hat sich bisher nur zur Schaffung eines parlamentarischen Forums durchgerungen, zu dem jede nationale Volksvertretung die gleiche Zahl von Abgeordneten entsendet und dessen Tätigkeit sich bisher weitgehend in der Entsendung von Wahlbeobachtern erschöpfte. Die für das Regionalparlament der ECOWAS geplante Beratung der Exekutivorgane und Debatte regionaler Fragestellungen hat im SADC-Forum bisher nicht stattgefunden.
Selbst wenn diese Aufgaben wahrgenommen werden können, gehen damit die Kompetenzen des Regionalparlaments kaum über das hinaus, was in den Gründungsverträgen der Regionalorganisationen Interessenverbänden und Nichtregierungsorganisationen zugestanden wird. Die ECOWAS strebt für deren beratende Teilnahme am Integrationsprozess die Schaffung eines "Economic and Social Council" an - eine Vorgabe, die allerdings bisher nicht einmal ansatzweise umgesetzt wurde. ECOWAS und SADC sehen gleichermaßen die Registrierung von regionalen Dachverbänden bei der Regionalorganisation vor, die ihnen bei Gipfeltreffen Beobachterstatus und auf technischer Ebene Beteiligung an Beratungsprozessen gewährt. Dass Letzteres in der Praxis zuweilen dünn ausfällt, ist nicht nur Ausdruck mangelnder Bereitschaft der Staatspräsidenten der Region und der Zentralsekretariate, nichtstaatliche Akteure zu konsultieren. Es ist auch ein Zeichen der Unfähigkeit dieser Organisationen, eine solche Aufgabe auszufüllen. Diese Schwäche äußert sich vor allem in den frankophonen Mitgliedsstaaten Westafrikas und den gesellschaftlich wenig ausdifferenzierten Mitgliedsstaaten des westlichen und des südlichen Afrikas.
Die SADC sieht zur Finanzierung der Aktivitäten der Regionalorgane jeweils gleiche Beiträge der Mitgliedsländer vor. Die Zuwendungen reichen bei weitem nicht aus, um regionale Entwicklungsprojekte zu finanzieren. Deren Kosten werden vor allem durch Zuschüsse der internationalen Gebergemeinschaft bestritten. Die jährlichen Beiträge der Mitgliedsländer zur Finanzierung der ECOWAS errechnen sich auf Basis eines Koeffizienten aus Bruttoinlandsprodukt und Pro-Kopf-Einkommen. Derselbe Schlüssel bestimmt die Zahlungen der Mitglieder an den Kompensationsfond. Die ECOWAS erhielt bisher nur in geringem Umfang Zuschüsse seitens der internationalen Gebergemeinschaft. Die Zahlungsmoral gilt in beiden Regionalorganisationen als schlecht, am schlechtesten im Falle der ECOWAS. Hier erreichten die tatsächlichen jährlichen Beiträge nie mehr als 50 Prozent der Verpflichtungen. Die Gesamtaufwendungen der Mitgliedsländer liegen damit aber immer noch höher als im Falle der SADC, wenn auch der Prozentualwert der eingehaltenen Zahlungsverpflichtungen bei ihr höher sein dürfte. Zahlen sind hierzu nicht verfügbar.
III. Stand der Integration und Kooperation
ECOWAS und SADC verfolgen gleichermaßen das Ziel der wirtschaftlichen Integration. Die beabsichtigte Abfolge zur Umsetzung dieser Vorgabe folgt dem klassischen Muster Freihandelszone, Zollunion, Wirtschafts- und Währungsunion. Hierbei hat sich die ECOWAS den ehrgeizigsten Zeitplan gesetzt: Der so genannte "Trade Liberalization Scheme" (TLS) sollte, beginnend am 1. Januar 1990, innerhalb von zehn Jahren zu einer völligen Liberalisierung des intraregionalen Handels, also zur Errichtung einer Freihandelszone führen. Ab dem 1. Januar 2000 war die Bildung der Zollunion innerhalb der ECOWAS vorgesehen, woraus im Jahr 2005 die Wirtschafts- und Währungsunion hervorgehen sollte. Nachdem 1999 endgültig feststand, dass die ECOWAS bereits in der Umsetzung des TLS weit hinter den ursprünglichen Vorgaben zurücklag, wurde der Zeitplan gestreckt. Gleichzeitig vereinbarten Ghana und Nigeria mit Billigung der übrigen Mitgliedsländer das Starten einer Fast-Track-Initiative, die bis zum Jahr 2003 zur Bildung einer zweiten Währungsunion innerhalb des Integrations- raums führen soll. Diese soll dann ein Jahr später mit dem Währungsverbund der frankophon dominierten Staaten der Westafrikanischen Wirtschafts- und Währungsunion (UEMOA) verschmelzen. Unter den beiden Regionalorganisationen sieht allein die ECOWAS einen finanziellen Ausgleich für die aus der Regionalintegration erwachsenden Kosten einzelner Mitgliedsländer vor. Die SADC hat lange um die Vereinbarung eines Freihandelsprotokolls, präziser um dessen Durchführungsbestimmungen, gerungen. Im Jahr 2000 trat es schließlich in Kraft. Demnach soll bis 2008 der intraregionale Handel vollkommen liberalisiert werden. Südafrika gesteht in der Übergangsphase den Mitgliedsstaaten, die nicht der Zollunion der SACU angehören, einseitige Handelspräferenzen zu. Im Gegenzug konnte sich Südafrika bei den Ursprungsregeln und bezüglich gesonderter Vereinbarungen für die Textil- und Schuhindustrie durchsetzen. Parallel zum Warenverkehr soll auch in beiden Regionalorganisationen der Personenverkehr liberalisiert werden - mit dem Ziel der völligen Niederlassungsfreiheit. Erste Schritte hierzu bestehen in der Abschaffung der Visumspflicht, der Vereinfachung der Einreisebestimmungen und einer gegenüber dem herkömmlichen Verfahren erweiterten Aufenthaltsdauer im Falle der ECOWAS. Entsprechende Fortschritte innerhalb der SADC scheitern noch immer an der restriktiven Einwanderungspolitik Südafrikas.
In puncto wirtschaftlicher Integration weist die ECOWAS förmlich das höchste Integrationsniveau auf. Diese begründet sich auf der teilweisen Umsetzung des Trade Liberalisation Scheme und auf rudimentären Schritten zur Erleichterung des Personenverkehrs - zu einem Zeitpunkt, an dem die SADC erst Vereinbarungen zur Errichtung einer Freihandelszone ausgehandelt hat. Innerhalb beider Regionalorganisationen gehen allerdings die realen Integrationsfortschritte weit über die offiziell dokumentierten Anstrengungen hinaus. Dabei sind zwei Ebenen zu unterscheiden: die informelle und die privatwirtschaftliche Integration. Insbesondere in Westafrika hat der informelle Handel zur wechselseitigen Durchdringung der nationalen Märkte geführt. Dabei werden vor allem Rohstoffe von den unterentwickelten in die wirtschaftlich fortgeschritteneren Länder geschmuggelt, Konsumgüter aus den halbwegs industrialisierten Ökonomien in die vom Primärsektor geprägten. Auch bezüglich des freien Personenverkehrs wurden die Mitgliedsländer der ECOWAS und der SADC von der Wirklichkeit überholt. Die schwer zu kontrollierende Einwanderung geht weit über das Niveau hinaus, das die Regierungen bisher auf dem Papier vereinbart haben. Während in Westafrika die informelle Integration überwiegt, macht im südlichen Afrika die privatwirtschaftliche Integration große Fortschritte. Sie beruht vor allem auf der erheblich gesteigerten Investitionstätigkeit südafrikanischer Unternehmer in den Nachbarländern. Grundlage hierfür sind allerdings nicht SADC-Vereinbarungen, sondern bilateral geschlossene Investitionsschutzabkommen.
Eine wesentliche Vorbedingung zur Wirtschaftsintegration ist die Harmonisierung von Wirtschafts- und Finanzpolitik. Obwohl alle Staaten der Regionalverbände bis auf wenige Ausnahmen den Konditionalitäten von IWF und Weltbank unterworfen sind, gibt es sowohl beim Tempo als auch bei der Intensität von Privatisierung und Deregulierung erhebliche Unterschiede. Insbesondere die Privatisierung von Staatsunternehmen hängt in zahlreichen Staaten weit hinter dem Zeitplan zurück. Auch die Deregulierung von Finanzkontrollen und die Freigabe von Wechselkursen ist bisher so unvollständig erfolgt, dass nur wenige Währungen innerhalb der drei Integrationsräume voll konvertibel sind. Schließlich deuten zentrale makroökonomische Daten - Wachstums- und Inflationsraten - sowie Kennzahlen staatlicher Haus- haltsführung - Schuldenniveau und jährliche Neuverschuldung - auf keine Konvergenz hin.
ECOWAS und SADC verpflichten sich explizit nur zur politischen Kooperation, wobei jedoch die vertraglich vereinbarten Prinzipien dieser Zusammenarbeit durchaus darauf hindeuten, dass eine politische Union als Krönung der Integrationsbemühungen nicht ausgeschlossen wird. Die politische Kooperation zielt im Wesentlichen auf zwei Idealzustände ab: die Garantie von Frieden und Sicherheit in der Region sowie die Konsolidierung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechtsschutz in den Mitgliedsländern. Dabei gelten aber nach wie vor als oberste Prinzipien die nationale Souveränität und die Gleichberechtigung der Mitgliedsländer. Als weiteres Kooperationsziel wird in beiden Regionalverbänden die Vertretung gemeinsamer Interessen in internationalen Gremien und gegenüber Drittstaaten definiert. Keiner der Regionalverbände hat bisher nennenswerte Schritte hin zu einer politischen Union unternommen. In Bezug auf politische Kooperation gibt es zwischen den Verbänden erhebliche Unterschiede. Erneut weist die ECOWAS die größten Fortschritte auf, wobei hier - anders als im Fall der wirtschaftlichen Integration - dieser theoretische Befund auch durch die Empirie gestützt wird. Die ECOWAS hat in Liberia, Sierra Leone und Guinea-Bissau militärisch interveniert, um Frieden und Sicherheit wiederherzustellen - teilweise gegen den erheblichen Widerstand einiger Mitgliedstaaten. Die ECOWAS darf sich in den vergangenen Jahren - seit dem Ende der Militärdiktatur in Nigeria - auch einer relativ entschlossenen Haltung zugunsten von Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit rühmen. Der Lackmustest war die militärische Machtübernahme in der Elfenbeinküste, wo die ECOWAS durch ihre eindeutige Haltung gegen die Putschisten zu deren Scheitern beigetragen hat.
Dem Selbstanspruch einer politischen Wertegemeinschaft konnte die SADC bisher nicht gerecht werden. Eine deutliche Kritik an der Zerstörung rechtsstaatlicher Verhältnisse in Simbabwe blieb aus, und die Haltung gegenüber dem quasifaschistischen Regime Mugabes ist nach wie vor von Rücksichtnahme und falsch verstandener Solidarität geprägt. Die Bilanz der SADC hinsichtlich politischer Kooperation wird durch ihre Uneinigkeit in der Haltung zum Bürgerkrieg in der DR Kongo verschlechtert. Hier haben zwar Angola, Namibia und Simbabwe im Namen der SADC militärisch interveniert, allerdings auf einer rechtlich kaum haltbaren Grundlage und gegen den anfänglich erbitterten Widerstand Südafrikas. Der größte Erfolg der SADC in Sachen politischer Kooperation besteht zweifelsohne in der Positionierung als weltweit privilegierter Gesprächs- und Verhandlungspartner der EU, welcher im Gegensatz zum Versagen hinsichtlich des eigenen Selbstanspruchs steht.
Die Bereitschaft der Mitgliedsländer der beiden Regionalorganisationen, politisch zu kooperieren, in die politischen Belange eines Partnerlandes einzugreifen oder eine solche Intervention zu dulden, hängt wesentlich von der regionalen Machtkonfiguration ab, ihrer realen Ausprägung und ihrer Perzeption durch die Staatsführer. Im Mittelpunkt des Interesses stehen dabei insbesondere regionale Führungsmächte. Es gibt kaum Zweifel daran, dass Nigeria und Südafrika innerhalb der ECOWAS bzw. der SADC eine politisch und wirtschaftlich dominante Stellung einnehmen. Der Elfenbeinküste und Simbabwe fällt es aus unterschiedlichen Gründen außerordentlich schwer, diese zu akzeptieren. Sie haben wiederholt versucht, im Verbund mit anderen Partnerländern oder Drittstaaten eine Gegenmacht gegen den Hegemon aufzubauen und damit entscheidend zur Blockade von Integrationsfortschritten beigetragen. Hingegen ist das derzeitige Integrationsniveau letztlich Resultat des Engagements Nigerias als Führungsmacht. Die Stagnation der SADC wird zu einem Großteil durch die Unentschlossenheit Südafrikas bezüglich der Ziele ihrer Regionalpolitik verursacht.
Die Regionalverbände verpflichten sich in ihren Gründungsverträgen zur Kooperation in zahlreichen Politikfeldern. Dabei gibt es jedoch beim Umfang der diesbezüglichen Zielvorgaben erhebliche Unterschiede. Im Falle der SADC nehmen sie einen prominenten Platz ein, im Fall der ECOWAS werden sie eher als Randaspekt behandelt. Für die SADC war eben diese Sektorkooperation die alleinige Ratio der Vorgängerorganisation SADCC. Eine regionale Integration wurde erst 1992 zwischen den Mitgliedsländern vereinbart, nachdem bereits über zwölf Jahre lang die Sektorkooperation gepflegt worden war. Gemein ist beiden Regionalverbänden, dass sie zumindest in ihren Grundlagenverträgen eine explizite Prioritäts- und Schwerpunktsetzung bei der umfangreichen Liste der Kooperationsfelder verweigern. Faktisch liegt die Schwerpunktsetzung jedoch bei der Errichtung eines regionalen Straßennetzes, einer regionalen Telekommunikationsinfrastruktur und der regionalen Energieversorgung. Hierzu gibt es detailliert ausgearbeitete Pläne. Beide Regionalverbände nehmen für sich erhebliche Fortschritte bei der Umsetzung dieser Pläne in Anspruch. Aufgrund der instabilen Lage in der ECOWAS-Zone erhielt der Ausbau der Verkehrswege einen herben Rückschlag. Im Bereich der Telekommunikationsverbindungen blieb eine Steigerung des Qualitätsniveaus bisher aus; die Erfolge beim Aufbau eines regionalen Energienetzes beschränken sich auf Teilregionen. Die SADC-Staaten profitieren nach wie vor von den Infrastrukturinvestitionen der früheren britischen Kolonialherren in das Straßen- und Schienennetz sowie von den Ausbauleistungen des ehemaligen südafrikanischen Apartheidstaates vor dem Beitritt zur SADC. Wie auch bei der ECOWAS ist der Ausbau des regionalen Energieverbundes bisher auf Teilregionen beschränkt. Ein Erfolg der jüngsten Zeit war der Wiederaufbau der mosambikanischen Infrastruktur mittels SADC-Projekten. Auch bei der regionalen Nahrungsmittelsicherheit hat das südliche Afrika ein Niveau erreicht, von dem die Staaten der ECOWAS noch weit entfernt sind.
IV. Verhältnis zu anderen Regionalorganisationen
ECOWAS und SADC sind nicht die einzigen Organisationen, die in ihren Regionen Integration und Kooperation anstreben. Der größten Herausforderung sieht sich die ECOWAS ausgesetzt. Mit der fast ausschließlich aus frankophonen Staaten Westafrikas bestehenden UEMOA ist ihr ein Konkurrent erwachsen, der mit ihr um die knappen regionalen Ressourcen - Personaleinsatz und Finanzausstattung wetteifert - und der ihr zudem in wichtigen Integrationsfeldern mehr als einen Schritt voraus ist. Die UEMOA bildet eine, wenn auch von außen gesteuerte, Währungsunion und eine Zollunion. Ihre Kommission gilt als effizient und kompetent besetzt, bis in die politische Leitungsebene. Solange die frankophone Führungsmacht der Region, die Elfenbeinküste, mit Unterstützung Frankreichs ihre regionale Rolle vor allem in Konkurrenz zu Nigeria definiert, wird die UEMOA ein wesentliches Integrationshindernis für die ECOWAS bleiben. Sie spaltet die ECOWAS in ein Lager der UEMOA-Mitglieder und der Übrigen.
Dagegen sind die Herausforderungen der SADC durch konkurrierende Regionalorganisationen gering. Außer Sambia betrachtet keines der in Frage kommenden SADC-Mitglieder seine Mitgliedschaft im "Common Market for Eastern and Southern Africa" (COMESA) als prioritär. Tansania ist innerhalb der SADC eher ein Randakteur, dessen regionale Prioritätensetzungen nur geringen Einfluss auf den Integrationsprozess der SADC haben.
V. Externe Förderung
Die Förderung regionaler Integration und Kooperation kann kein Selbstzweck der Entwicklungspolitik sein. Sie muss unter dem Vorbehalt stehen, dass Regionalorganisationen eher als staatliche oder lokale Einheiten in der Lage sind, grundlegende Entwicklungsziele zu realisieren. Anders ist die Ausgangslage für die Außen-, Sicherheits- und Außenwirtschaftspolitik. Die zunehmende Vergemeinschaftung der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik bedingt das wachsende Interesse an der Formierung ähnlich strukturierter Partnerregionen. Hierfür sind der Lomé-Prozess und die Kooperation mit den Mittelmeeranrainern deutliche Indizien. Mit Regionalorganisationen wird auch die Hoffnung auf größere regionale Stabilität verbunden. Schließlich ist es für die Außenwirtschaftspolitik attraktiver, mit einem einheitlich agierenden Verbund und großen regionalen Märkten zu interagieren als mit einer Vielzahl staatlicher Einheiten und fragmentierter Märkte.
Es gibt zwei unterschiedliche Ansätze für die externe Förderung regionaler Integration und Kooperation in Afrika südlich der Sahara, einen radikalen und einen konventionellen:
- die massive Umschichtung personeller und materieller Mittel der Entwicklungszusammenarbeit zugunsten der Regionalorganisationen und zu Lasten der bilateralen Hilfe;
- die Beschränkung der Unterstützung auf Projekte regionaler Kooperation und auf die Verbesserung der Managementkapazitäten regionaler Organe, verbunden mit einer Unterstützung des Differenzierungsprozesses innerhalb der Regionalorganisationen.
Die radikale Lösung trägt der Tatsache Rechnung, dass eine zunehmende Anzahl von Staaten in Afrika nicht mehr in der Lage ist, wirtschaftliche und gesellschaftliche Prozesse zu steuern sowie Entwicklung zu fördern. Sie basiert zudem auf der Annahme, dass bestehende Grenzen entscheidende Entwicklungshemmnisse sind. Dementsprechend wird eine Stärkung der Regionalorganisationen zur zentralen Entwicklungsagentur angestrebt, um nicht nur grenzüberschreitende, sondern auch lokale Projekte durchzuführen und langfristig einen Suprastaat hervorzubringen. Tendenzen hierzu gibt es im Bereich Konfliktmanagement sowohl in der ECOWAS als auch in der SADC, wo Mitgliedsländer in zerfallenden Nachbarstaaten eine Art regionales Gewaltmonopol ausüben. Die Realisierung dieses radikalen Ziels erfordert umfangreiche Entwicklungszusammenarbeit mit den Regionalverbänden und massive Beteiligung an regionalen Kompensationsfonds, um das Kosten-Nutzen-Kalkül neopatrimonialer Herrscher in Bezug auf Regionalintegration umfassend zu verändern - verbunden mit der Auflage, effektive und kompetente regionale Institutionen der politischen Partizipation und Kontrolle zu schaffen.
Dieser Ansatz setzt eine konzertierte Aktion aller bi- und multilateralen Geber voraus. Ferner vertraut er darauf, dass auf der Ebene der Regionalorganisationen gelingen könnte, was auf nationaler Ebene weitgehend misslungen ist: effizientes Ressourcenmanagement, Gewährleistung von "good governance", Zurückdrängen neopatrimonialer Herrschaft sowie Funktionieren der exekutiven, legislativen und judikativen Institutionen. Bisher gibt es wenig Anzeichen für die Richtigkeit dieser Annahme. Schließlich würde ein solcher Ansatz zumindest kurzfristig die Bemühungen zivilgesellschaftlicher Gruppen entmutigen, auf nationaler Ebene demokratische Institutionen und Beteiligungsformen zu schaffen sowie die Willkür neopatrimonialer Herrschaft zurückzudrängen. Die Übertragung staatlicher Kompetenzen und Ressourcen auf Regionalorganisationen, die gegenwärtig noch demokratischer Partizipationsmöglichkeiten entbehren, ist für Staaten und Gesellschaften, die sich in einer Phase demokratischer Transition oder gar Konsolidierung befinden, kontraproduktiv.
Dies alles sind gute Gründe, um einen radikalen Ansatz zu verwerfen und auf eher konventionelle Formen der Förderung regionaler Integration und Kooperation zurückzugreifen, auch wenn sie die Ursachen des bisherigen Versagens regionaler Integration nur sehr langfristig und indirekt bekämpfen können. Dies bedeutet eine Konzentration auf die Unterstützung regionaler Kooperation in ausgewählten Politikfeldern. Regionale Integrationsprozesse werden nur gefördert, um regionale Organe in die Lage zu versetzen, diese Kooperationsprojekte zu planen und effizient durchzuführen. Darüber hinaus erfahren Fast-track-Initiativen, die auf ein Vorantreiben der Integrationsprozesse innerhalb einer subregionalen Staatengruppe aus sind, besondere Gewichtung. Dieser Ansatz umfasst schließlich die Förderung staatlicher Institutionenbildung und Demokratisierungsprozesse sowie zivilgesellschaftlicher Partizipation mit besonderer Betonung der außen- und regionalpolitischen Komponente. Er bedeutet einen weitgehenden Verzicht auf die finanzielle Beteiligung an Kompensationsfonds, da nach gegenwärtiger Lage die Gefahr besteht, dass diese Fonds zur Stabilisierung neopatrimonialer Herrschaftsausübung missbraucht werden.
Im Einzelnen beinhaltet dieser Ansatz folgende Maßnahmen:
1. Förderung regionaler Kooperationsprojekte insbesondere im Hinblick auf die allgemeinen entwicklungspolitischen Ziele der Bundesregierung;
2. Förderung ausgewählter Organe der Regionalorganisationen, insbesondere des Sekretariats, regionaler Gerichtshöfe und parlamentarischer Versammlungen, um die Institutionalisierung politischer Prozesse voranzutreiben;
3. Verbesserung der zwischenstaatlichen Beziehungen;
4. Verbreiterung des außen- und sicherheitspolitischen Diskurses in den Mitgliedsländern und in der Region;
5. Förderung regionaler Zusammenschlüsse von Interessenverbänden, Medien und Nichtregierungsorganisationen;
6. Förderung des Aufbaus von nationalen Besteuerungssystemen und
7. Förderung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und "good governance".