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China und die Europäische Union im Kontext der GASP

Gunter Schubert

/ 22 Minuten zu lesen

Der Artikel geht folgender Frage nach: In welchem Maße wird die Chinapolitik der Europäischen Union als Element einer wirkungsvollen Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) bezeichnet?

I. Einleitung

Die schärfere Konturierung der von der Europäischen Union angestrebten Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) rückt zunehmend in den Mittelpunkt der europapolitischen Debatte. Was in der vergangenen Dekade noch eher als ein "nice to have"-Anhang zu den Prämissen einer EU-Vertiefung und -Erweiterung sowie der Herstellung einer funktionierenden monetären Integration verhandelt wurde, scheint nun allmählich in das Stadium der konzeptionellen und operativen Präzisierung überzugehen. Mit der GASP will sich die EU als ein internationaler Akteur profilieren, der mit einer Stimme zu reden und entschlossen zu handeln in der Lage ist.

Der Weg dorthin ist angesichts der noch ungeklärten Frage des Verhältnisses zwischen nationalstaatlicher Souveränität und institutionalisierter Supranationalität innerhalb der Union sowie nicht zu übersehender divergierender Interessenlagen wichtiger EU-Mitgliedsstaaten zwar sehr schwierig. Doch niemand stellt in Frage, dass dessen ungeachtet die Europäische Union gemeinsame außen- und sicherheitspolitische Grundsatzpositionen und Strategien entwickeln muss, um ihre überregionalen Ziele zu verwirklichen und gleichzeitig das Projekt der Konstruktion einer europäischen Identität voranzutreiben. Die GASP ist insofern nicht nur ein Instrument zur Realisierung wichtiger materieller Interessen der Union sowie zur Universalisierung europäischer Wertmaßstäbe, sondern auch ein unerlässliches Mittel zur langfristigen Verankerung der Europäischen Idee in den Köpfen der Bevölkerung von Euroland.

Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik bedeutet deshalb aber mehr als die politische Flankierung des Strebens nach guten Handelsbeziehungen oder nach dialogorientierten "strategischen Partnerschaften" mit Nicht-EU-Staaten und den außereuropäischen Regionen. Sie impliziert eine proaktive europäische Politik auf der weltpolitischen Bühne, z. B. bei der Vermittlung in internationalen Konflikten, bei der klaren Positionierung in weltpolitisch wichtigen Fragen (wie etwa bei der Auseinandersetzung mit dem extremistischen Islamismus und seinen Schutzmächten) sowie bei der Einforderung und Anwendung des zur Verfügung stehenden völkerrechtlichen Instrumentariums (Resolutionen und Sanktionen) zum Schutz der Menschenrechte, auf deren universalen Geltungsanspruch sich der europäische Gedanke wesentlich gründet. Dazu gehört aber auch der Aufbau eigener Kriseninterventionskräfte, mit denen man die als notwendig erkannten Maßnahmen zur Sicherung des Friedens und der eigenen Sicherheit durchführen kann. Klar ist, dass die Formulierung einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik die Vermittlung einzelstaatlicher Interessendivergenzen mit dem Ziel eines homogenen kollektiven Handelns zum grössten Nutzen aller Mitgliedsstaaten voraussetzt. Der Erfolg einer solchen Politik hängt deshalb maßgeblich vom Integrationsniveau der EU ab. Allerdings besteht ein Wechselverhältnis zwischen (wirtschaftlicher, politischer, kultureller) Integration hier und GASP dort: Im günstigen Fall verstärken sich beide gegenseitig.

Vor diesem allgemeinen Hintergrund soll im Folgenden der Frage nachgegangen werden, in welchem Maße die Chinapolitik der Europäischen Union als Element einer wirkungsvollen GASP bezeichnet werden kann: Inwieweit tritt die EU heute als homogener Akteur gegenüber der VR China auf und wie weitreichend ist ihr politischer Einfluss auf das "Reich der Mitte", gemessen an der Realisierung ihrer selbstgesetzten Ziele? Mit zu denken sind bei dieser Analyse die Perzeption der Europäischen Union in der VR China und die Erwartungen, die man dort gegenüber einer sich politisch zunehmend integrierenden EU hegt. So tritt die chinesische Regierung zwar einerseits für eine starke Europäische Union ein, doch soll dies andererseits nicht dazu führen, dass eine solche Organisation eines Tages gegen die Interessen Chinas zu handeln in der Lage wäre. Insgesamt soll Europa stark genug sein, um zusammen mit der VR China der weltpolitischen "Hegemonie" der USA entgegenzuwirken und als stabiler Pfeiler der neuen multipolaren Weltordnung zu fungieren - des chinesischen Paradigmas zur Erklärung der internationalen Beziehungen nach dem Ende des Ost-West-Konflikts. Europa soll gleichzeitig aber schwach genug bleiben, um sich nicht mit Erfolg gegen China wenden zu können. Welches die Elemente einer proaktiven, d. h. die Entstehung einer wirkungsvollen GASP fördernden, Chinapolitik sein könnten, wird am Schluss des Beitrags angedeutet.

II. Die theoretische Blaupause: Das Konzept der "umfassenden Partnerschaft mit China" von 1998 und seine jüngsten Adjustierungen

Das bisher umfassendste Strategiepapier zur europäischen Chinapolitik wurde im März 1998 von der EU-Kommission unter dem Titel "Für eine umfassende Partnerschaft mit China" veröffentlicht. Es gliedert sich in fünf Teile, die die Oberziele dieser Politik beschreiben und durch spezifische Unterziele bzw. konkrete Maßnahmen näher bestimmt werden. Damit wurde ein erstes, 1995 aufgelegtes Strategiepapier an neue - noch zu erörternde - Entwicklungen im sino-europäischen Verhältnis angepasst und der Rahmen der angestrebten Zusammenarbeit weiter gefasst. Am Ende eines jeden Teils formulierte die Kommission neue Initiativen, mit denen die europäische Chinapolitik intensiviert werden sollte. Die in dem Strategiepapier formulierten Oberziele sind:

1. stärkere Einbindung Chinas in die internationale Gemeinschaft;

2. Förderung der Transformation Chinas in eine offene und auf Rechtsstaatlichkeit gegründete Gesellschaft;

3. stärkere Integrierung Chinas in die Weltwirtschaft;

4. Verstärkung des finanziellen Engagements Europas in China;

5. Verbesserung der Sichtbarkeit der Europäischen Union in China.

In Teil A wird der politische Dialog mit der VR China konkretisiert. Dabei wird u. a. die Einrichtung eines jährlich stattfindenden Gipfeltreffens der EU-Regierungschefs und der chinesischen Regierung vorgeschlagen. Der sino-europäische Dialog innerhalb des ASEM-Prozesses (Asia-Europe Meeting; ein 1996 eingerichtetes Dialogforum der Europäischen Union und der ASEAN+3 [Japan, China, Südkorea] - Staatengruppe) soll aufgewertet, wichtige globale Fragen - wie die Reform der Vereinten Nationen, nukleare Abrüstung und Rüstungskontrolle, illegale Immigration, Drogenhandel und Geldwäsche sowie Menschenrechte und Umweltschutz - sollen gemeinsam diskutiert werden. Auch gibt die EU zu Protokoll, in ihrem Streben nach einer größeren Rolle bei der Behandlung regionaler Sicherheitsprobleme in Asien stärker mit China im Rahmen des ASEAN Regional Forum zusammenarbeiten zu wollen. Gemeinsam mit China will sie nach Lösungen für den Koreakonflikt suchen sowie existierende Spannungen zwischen den Staaten Südostasiens ausräumen helfen. Explizit begrüßt die EU jeden Schritt auf dem Weg zu einer friedlichen Lösung der Taiwanfrage. Letztlich unterstreicht sie in diesem Teil, ein wachsames Auge auf die Garantie der Autonomie und der Freiheiten Hongkongs zu haben sowie die Einführung des universalen Wahlrechts in der neuen Sonderverwaltungsregion zu unterstützen.

Das Ziel einer offenen und rechtsstaatlich verfassten Gesellschaft soll vor allem auf dem Weg eines offen geführten Dialogs sowie durch eine darauf aufbauende systematische Projektkooperation erreicht werden. Das Papier verweist in Teil B dabei zunächst auf den nach einer kurzen Unterbrechung im November 1997 wieder aufgenommenen Menschenrechtsdialog zwischen der EU und China und konstatiert eine neue Bereitschaft der chinesischen Führung, diesen engagiert und ernsthaft führen zu wollen. Der Dialog habe es der EU nicht nur ermöglicht, die Zustimmung Chinas für eine Reihe von Projekten zur Stärkung der Herrschaft des Rechts sowie zur Förderung der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rechte der Bevölkerung zu erlangen; seit seiner Aufnahme habe es zudem ermutigende Zeichen für eine zunehmende Hinwendung der VR China zu den Normen des VN-Menschenrechtsregimes gegeben - vor allem durch die Unterschrift Beijings unter den VN-Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Dem Menschenrechtsdialog müsse es darum gehen, China zur vollumfänglichen Ratifizierung der maßgeblichen VN-Pakte und Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zu veranlassen sowie mehr Projekte zum Zwecke seiner praktischen Umsetzung zu fördern. Programmatisch heißt es dazu in dem Strategiepapier: "Die EU ist von der Überlegenheit des Dialogs - vor geeigneten Foren - über die Konfrontation überzeugt. Die EU und China sollten deshalb freimütig, offen und im gegenseitigen Respekt über ihre Differenzen reden."

Der umfangreichste Teil C definiert verschiedene Maßnahmen, mit denen die Weltmarktintegration Chinas vorangetrieben werden soll. Hier stehen vor allem Eckpunkte und Projekte zur Beschleunigung eines chinesischen WTO-Beitritts auf der Agenda, der auch im Zentrum der außenwirtschaftlichen Interessen der EU gegenüber China steht. In diesem Kontext strebt die EU eine wirksame Unterstützung der chinesischen Regierung bei der weiteren Transformierung ihres Wirtschafts- und Sozialsystems an. Schließlich soll das EU-Engagement in China weiter vertieft und das öffentliche Bewusstsein in der VR China für dieses Engagement durch gezielte Einzelmaßnahmen geschärft werden.

Seit seiner Verabschiedung ist das Konzept der "umfassenden Partnerschaft" um zwei weitere Stellungnahmen der EU-Kommission ergänzt worden, deren erste vor allem als reiner Evaluierungsbericht fungiert, während die zweite aus dieser Evaluierung konzeptionelle Konsequenzen zu ziehen bestrebt ist und den Versuch unternimmt, neue Vorschläge für eine effizientere Umsetzung des chinapolitischen Konzeptes der EU zu machen. Vor allem soll der politische Dialog mit der VR China, der 1994 formalisiert wurde, erweitert und hinsichtlich seiner Ergebnisse regelmäßig evaluiert werden. Dialog, so heißt es an anderer Stelle in hervorgehobenem Text, könne "nur dann als akzeptabler Weg betrachtet werden, wenn es vor Ort zu Fortschritten kommt".

Explizit verlangt die EU hier u. a. eine Reduzierung der Anwendung der Todesstrafe, eine Reform der außergerichtlichen Administrativhaft sowie die Herstellung der Gedanken-, Wissenschafts-, Religions-, Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit. Außerdem besteht sie auf einer vollumfänglichen Anwendung des von der VR China bereits ratifizierten VN-Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Bekanntlich macht die chinesische Regierung hier einen Vorbehalt gegen das Recht der freien Gewerkschaftsgründung geltend.

Vor dem Hintergrund der konzeptionellen Entwicklung der europäischen Chinapolitik seit 1995, als die EU das erste Mal ein diesbezügliches Strategiepapier veröffentlichte, vermitteln die in Angriff genommenen Kooperationsprojekte den Eindruck konsequenter operativer Stringenz. Sie werden umfassend auf der Homepage des Delegationsbüros der Europäischen Kommission in Beijing präsentiert, wo sie im Wesentlichen den Bereichen Human Ressource Development, Rule of Law and Good Governance, Economic and Social Reform, Environment sowie Rural and Agricultural Projects zugeordnet sind. Besondere Öffentlichkeitswirksamkeit haben in den letzten Jahren das Projekt der China-Europe International Business School zur Ausbildung eines hoch qualifizierten chinesischen Managernachwuchses, das EU-China Higher Education Programme für einen bilateralen Wissenschaftleraustausch, das WTO Accession Project, das Projekt der Social Security Reform, das EU-China Legal & Judicial Co-Operation Programme zur Ausbildung chinesischer Richter und Anwälte sowie das EU-China Training Programme on Village Governance zur Stärkung lokaler Wahlprozesse entfaltet.

Die offizielle Darstellung des Konzeptes einer "umfassenden Partnerschaft mit China" sowie die Bewertung der daran angeschlossenen Projekte zeichnen insgesamt das Bild kooperativer und erfolgreicher Beziehungen zwischen der Europäischen Union und der VR China. Die Frage ist trotzdem, ob die EU ihren politischen Handlungsspielraum gegenüber China damit wirklich ausfüllt.

III. EU-interne Probleme bei der Umsetzung einer kohärenten Chinapolitik

Das Schicksal einer kohärenten Chinapolitik (ebenso wie das einer wirkungsvollen GASP) wird sich am kollektiven Handlungswillen der beteiligten Akteure einerseits sowie an einer selbstbewussten Betonung und Einforderung der normativen Prinzipien der Europäischen Union bei der Ausgestaltung ihrer Beziehungen zur VR China andererseits entscheiden. Diese normativen Prinzipien gründen vor allem auf der Überzeugung von der Universalität der Menschenrechte und von der Humanität demokratisch und rechtsstaatlich verfasster Gesellschaften. Sie nicht im Geiste einer Zivilisierungsmission in die Welt zu tragen, sondern mit den Mitteln des Völkerrechts und des streitbaren Argumentierens offensiv zu vertreten, gehört ebenfalls zu den Pfeilern europäischer Identität. Eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU ohne den Willen aller Mitgliedsstaaten, die materiellen und normativen Ziele der Union gleichzeitig und gemeinsam zu verfolgen, wird es nicht geben können. Vor allem an der EU-Menschenrechtspolitik gegenüber China wird aber deutlich, dass es erstens kein echtes Gleichgewicht zwischen den materiellen und normativen Zielen dieser Politik gibt und dass zweitens die wichtigsten Mitgliedsstaaten an einem innereuropäischen Konsens über ein solches Gleichgewicht bisher nicht wirklich interessiert sind. Es überwiegt das ökonomisch motivierte Konkurrenzdenken.

1. Menschenrechte

Unter dem Eindruck der Geschehnisse auf dem Tiananmen-Platz im Juni 1989 hatte die EU in den frühen neunziger Jahren einen neuen Kurs in ihrer Menschenrechtspolitik gegenüber der VR China eingeschlagen und von der "stillen Diplomatie" der Vergangenheit Abstand genommen. 1994 veröffentlichte die Kommission erstmals ein Asienkonzept, das ein klares Bekenntnis der Europäischen Union zur Förderung von Demokratie und Menschenrechten enthält. An zentraler Stelle heißt es in diesem Dokument: "In erster Linie wird der Dialog über Menschenrechte in den entsprechenden bilateralen und multilateralen Gremien, wie der VN-Kommission für Menschenrechte, geführt, wo die Regierungen der Länder, um die es geht, am ehesten zur Verantwortung gezogen werden können." Ein Jahr später war es nicht zuletzt diese klare Positionierung der EU, die die VR China zum ersten Mal dicht an den Rand einer Verurteilung durch die VN-Menschenrechtskommission brachte. Das bereits erwähnte, im Juli 1995 von der EU-Kommission veröffentlichte erste chinapolitische Strategiepapier vermerkte in diesem Zusammenhang: "Die starke internationale Unterstützung, die die Resolution vom Februar 1995 gefunden hat, in der Kritik an der Situation in China geübt wurde, lässt die Vermutung zu, dass dieses Vorgehen Aussicht auf Erfolg hat." Wenige Zeilen vorher ist von der notwendigen "Konvertierung der Menschenrechtsdebatte auf internationale Ebene" die Rede sowie vom besonderen Wert der "Einbeziehung der internationalen Gemeinschaft, vertreten, durch die UN-Menschenrechtskommission" in die europäische Chinapolitik.

Die EU setzte zu diesem Zeitpunkt also auf Kooperation, ohne auf öffentliche Kritik verzichten zu wollen und betrachtete diese Doppelstrategie als Erfolg versprechenden Weg für die Erreichung der eigenen Ziele im Umgang mit der chinesischen Regierung. Dabei wies sie dem internationalen Recht und den von ihm geschaffenen Institutionen eine übergeordnete Bedeutung für den weltweiten Schutz der Menschenrechte zu. Diese Haltung dürfte maßgeblich dazu beigetragen haben, dass die VR China spätestens seit Mitte der neunziger Jahre engere Beziehungen zur EU anstrebte und ihr sogar einen Menschenrechtsdialog anbot, der erstmals im Januar 1995 stattfand. Denn hier drohte aus der Sicht Beijings die Formierung einer politischen Kraft, die durch ihre enge Bindung an die USA die Gefahr einer politischen Stigmatisierung und Marginalisierung der VR China auf der internationalen Bühne zu vergrößern drohte.

Obwohl Beijing die Europäische Union 1995 noch nicht von ihrer Zustimmung zu einer Verurteilung der VR China in Genf abbringen konnte und daraufhin den gerade begonnenen Menschenrechtsdialog mit Brüssel wieder beendete, begann sich das Blatt schon bald zu wenden. Ein Jahr später nämlich drängte Frankreich plötzlich massiv auf die Verschiebung eines EU-Resolutionsbeschlusses gegen China, um den Abschluss lukrativer Airbus-Geschäfte im Rahmen eines Besuches des chinesischen Ministerpräsidenten Li Peng in Paris nicht zu gefährden. 1997 war Frankreich dann definitiv nicht mehr dazu bereit, der Aufforderung des Europäischen Parlaments zur Verabschiedung einer chinakritischen Resolution zu folgen. Wieder ging es u. a. um Aufträge für das Airbus-Konsortium, diesmal anlässlich eines Besuchs des französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac in Beijing. Dieser Entscheidung Frankreichs schlossen sich Spanien, Italien, Griechenland und auch Deutschland an. Als sich eine andere Staatengruppe unter der Führung Dänemarks und der Niederlande trotzdem auf das Einbringen einer Resolution in Genf einigte, zeigte sich die Spaltung der Europäischen Union in dieser Frage in aller Deutlichkeit. Für die VR China war es anschließend ein Leichtes, durch diplomatischen, vor allem aber wirtschaftlichen Druck die politisch weniger schwergewichtigen "Abweichler" innerhalb der Union zur Räson zu bringen.

Seit 1997 kommt die EU den Aufforderungen des Europäischen Parlaments zur Verabschiedung eines gegen die VR China gerichteten Resolutionsentwurfes nicht mehr nach. Sie folgt damit der Linie ihrer einflussreichsten Mitglieder Deutschland und Frankreich, die nur noch auf der Ebene des zwischen Brüssel und Beijing eingerichteten (nichtöffentlichen) Menschenrechtsdialogs agieren wollen. Zu dessen Wiederaufnahme erklärte sich die chinesische Regierung 1997 - unter dem Eindruck des Abrückens Frankreichs von der bisherigen EU-Position und der sukzessiven Auflösung der "Resolutionsfront" - bereit. Trotz der kontinuierlich neben dem Europäischen Parlament auch von Rat und Kommission zum Ausdruck gebrachten "Besorgnis" über die Menschenrechtslage in der VR China wird heute keine öffentliche Kritik auf Kommissions- und Ratsebene an der chinesischen Regierung mehr geübt. Wurde der sino-europäische Menschenrechtsdialog noch 1995 explizit lediglich als flankierende Maßnahme des EU-Engagements auf VN-Ebene betrachtet, so hat er seit 1997/98 die volle Suprematie über diese Ebene gewonnen.

2. Außenwirtschaftliche Konkurrenz

Zweifellos ist die Menschenrechtspolitik der Europäischen Union gegenüber der VR China eine Resultante aus den konkurrierenden handelspolitischen Interessen der EU-Mitgliedsstaaten. Obwohl in einigen Fällen - so etwa bei Produktion und Verkauf des Airbus - eine gemeinsame europäische Front in Form transnationaler Konsortien gebildet werden konnte, hat es die VR China bei der Vergabe von Großprojekten in der Regel mit europäischen Einzelanbietern, d. h. mit verschiedenen Allianzen aus nationalen Unternehmen und Regierungen zu tun. Das gilt z. B. für den anhaltenden und scharfen Wettbewerb zwischen Frankreich und Deutschland bei der chinesischen Auftragsvergabe zum Bau von Untergrundbahnlinien, Heizkraftwerken, Nuklearreaktoren oder Telefonschaltzentralen. Diese Konkurrenz erleichtert es der VR China nicht nur, einen politischen Preis für ihre wirtschaftspolitische Entscheidungsfindung einzufordern und damit die Europäische Union als homogene (handels-)politische Kraft zu schwächen; es bringt sie darüber hinaus oft genug in den Genuss vorteilhafter Kreditbürgschaften und umfangreicher Wirtschafts- und Entwicklungshilfetransfers seitens der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten. Der Mangel an Koordinierung innerhalb der Europäischen Union wird besonders augenfällig durch die großen nationalen Wirtschaftsdelegationen, die einen europäischen Regierungschef zum Staatsbesuch in die VR China begleiten und suggerieren, dass sich der Erfolg eines solchen Besuchs an der Zahl der neu abgeschlossenen bilateralen Handelsverträge bemisst - wobei diese häufig nur pure Absichtserklärungen ohne unmittelbare wirtschaftliche Relevanz enthalten.

Eine besondere Note erhält die außenwirtschaftliche Konkurrenz der EU-Mitgliedsstaaten durch ihre unterschiedliche Positionierung in der Frage der Waffenexportpolitik. So besteht seit 1989 - als letztes Relikt der damaligen EU-Sanktionsmaßnahmen gegen die chinesische Regierung wegen der Geschehnisse auf dem Platz des Himmlischen Friedens - ein Waffenembargo gegenüber der VR China, dessen Bestimmungen 1994 noch einmal bestätigt und präzisiert wurden. Ungeachtet einiger Lieferungen von so genannter dual use-Technologie hat die Europäische Union dieses Embargo bisher aufrechterhalten. Es steht jedoch schon seit geraumer Zeit unter dem Druck jener EU-Länder, die eine starke Waffenindustrie und eine dementsprechend einflussreiche Rüstungslobby besitzen (v. a. Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Italien). Auch die VR China drängt auf Aufhebung des Embargos. Dass es bisher noch nicht gefallen ist, hat eher mit politischem Kalkül als mit Prinzipientreue zu tun: In diesem Fall gerieten die Europäische Union und die Einzelnen nationalen Regierungen ins Kreuzfeuer ihrer chinakritischen Öffentlichkeiten, weil man ihnen die Aufrüstung einer angeblich expansionistisch ambitionierten Regierung vorwerfen würde, die zudem die Menschenrechte verletze. Vor allem die nördlichen EU-Mitgliedsstaaten, die selbst über keine nennenswerte Rüstungsindustrie verfügen, verweigern sich deshalb einer Aufhebung des Waffenembargos und bekräftigen damit die Spaltung der Europäischen Union in der Chinapolitik.

Vor diesem Hintergrund haben es in den letzten Jahren vor allem Deutschland, Frankreich und Großbritannien erfolgreich verstanden, ihre bilateralen Beziehungen mit der VR China zu vertiefen. Gleichzeitig gelang es der VR China unter Ausnutzung der besagten außenwirtschaftlichen Konkurrenz der EU-Mitgliedsstaaten, unbequeme Themen wie die der Menschenrechte auf die europäische "Ebene des kleinsten gemeinsamen Nenners" zu verlagern und damit spürbar zu entschärfen. Insofern lassen sich an der europäischen Chinapolitik die Defizite der EU-internen Voraussetzungen für eine wirkungsvolle GASP exemplarisch herausarbeiten. Es dominiert das Festhalten am nationalstaatlichen Einzelinteresse bzw. am Primat relativer handelspolitischer Vorteile, auch wenn dies hinter dem gut ausformulierten Konzept einer "umfassenden strategischen Partnerschaft mit China" kaschiert wird.

Tatsächlich strebt jeder EU-Mitgliedsstaat nach einer solchen "strategischen Partnerschaft", auch wenn bisher nur Frankreich Wert darauf gelegt hat, eine entsprechende Übereinkunft mit der chinesischen Seite schriftlich niederzulegen. Es spricht einiges dafür, dass das mehrfach erwähnte EU-Konzept von 1998 durch solche Aktionen kompromittiert wird. Es ergibt wenig Sinn, unterhalb der Ebene der Europäischen Union ein "Separatabkommen" mit Beijing anzustreben, wenn es eigentlich um eine gemeinsame Linie gehen soll. Das Streben nach "exzellenten" deutsch-chinesischen (französisch-chinesischen, britisch-chinesischen etc.) Beziehungen aus primär wirtschaftlichen Gründen degradiert die Europäische Union letztlich zum Erfüllungsgehilfen der handelspolitischen Ziele ihrer wichtigsten Mitgliedsstaaten. Substantielle Fortschritte beim Schutz der bürgerlichen und politischen Rechte in der VR China werden dadurch vielleicht unnötig verzögert. Gleichzeitig wird das Ziel verfehlt, die Chinapolitik der EU zum Element einer wirkungsvollen GASP zu machen - einer GASP, die nicht nur in materieller und normativer Hinsicht effektiv ist, sondern die auch die Bereitschaft zum kollektiven Handeln der EU-Mitgliedsstaaten aus sich selbst heraus zu erzeugen vermag.

IV. Elemente einer aktiven Chinapolitik

Politik ist die Kunst des Möglichen - mit dieser Binsenweisheit verwerfen viele Politiker und Experten jede prinzipielle Kritik an der derzeitigen Chinapolitik der EU. Demnach sei es nicht möglich, beim gegenwärtigen Stand der politischen Integration der Europäischen Union und der Dialogbereitschaft der chinesischen Regierung mehr chinapolitische Kohärenz zu erreichen als auf dem eingeschlagenen Weg des Aufbaus einer dialog- und praxisorientierten "umfassenden Partnerschaft". Allerdings muss sich die Effizienz dieses Konzepts, wie bereits mehrfach betont, sowohl an der Realisierung der grundlegenden materiellen und normativen Ziele der im EU-Vertrag ausdefinierten gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik messen lassen, als auch am Grad der davon ausgehenden Profilierung der EU als homogener außenpolitischer Akteur sowie an der damit verbundenen Produktion von Identität und weiterer kollektiver Handlungsfähigkeit der Union. Insofern stehen der Grad der politischen Integration bzw. die Möglichkeit einer wirkungsvollen GASP einerseits und der Wille zum gemeinsamen Handeln seitens der EU-Mitgliedsstaaten andererseits in einem Wechselverhältnis. Nur wer gemeinsam handeln will, wird es auch können; nur wer gemeinsam handeln kann, wird es auch wollen.

Dies vorausgesetzt, bleibt die Frage, wie sich eine kohärente und proaktive Chinapolitik von der bisherigen Praxis unterscheiden sollte. Mit Blick auf die Menschenrechtsproblematik ist erstens eine Rückkehr zu der zumindest in den frühen neunziger Jahren gezeigten Bereitschaft erforderlich, Verletzungen der bürgerlichen und politischen Rechte in der VR China den Verfahren und Sanktionsmechanismen des relevanten internationalen Rechts zu unterwerfen. Europäische Chinapolitik darf sich nicht in "stiller Diplomatie" bzw. "kritischen Dialogen" hinter verschlossenen Türen und in praktischer Zusammenarbeit erschöpfen, sondern muss - unter strikter Berufung auf geltendes Völkerrecht - auch für die europäische Definition von der Universalität der Menschenrechte gegenüber China (und natürlich gegenüber allen anderen Staaten) entschlossen eintreten. Das bedeutet konkret ein Geltendmachen des Rechts auf die öffentliche Darstellung eigener kritischer Positionen in den von der internationalen Staatengemeinschaft - unter Beteiligung der VR China - dafür geschaffenen speziellen Foren. Erst dadurch wird ein Dialog "kritisch".

Die These, solche Resolutionen seien nutzlos, weil sie niemals zur Abstimmung in der VN-Kommission gelangen können und ohne direkten Einfluss auf die Menschenrechtspraxis vor Ort bleiben, ist unbewiesen. Angesichts der hohen Sensibilität der chinesischen Regierung für diese Form der öffentlichen Anklage und ihrer Mitte der neunziger Jahre unter dem Eindruck der internationalen respektive europäischen Kritik vollzogenen Wende zu einer aktiveren Menschenrechtspolitik ist eher das Gegenteil richtig. Noch problematischer ist der Vorwurf, Resolutionen an die VN-Menschenrechtskommission stellten lediglich einen Akt symbolischer Politik dar, der in erster Linie für das Publikum zu Hause gedacht sei. Dieser Vorwurf verrät ungeachtet mancher Berechtigung ein weit gehendes Unverständnis bezüglich der normativen Autorität des Völkerrechts, der sich auch die VR China nicht entziehen kann. Die Ratifizierung der beiden VN-Menschenrechtspakte von 1966 in den Jahren 1997/98 durch die chinesische Regierung belegen das hinreichend. Zu solchen Schritten sieht sich die VR China nicht gezwungen, weil sie sich etwa den besseren Argumenten der europäischen Staaten in "kritischen Dialogen" hinter verschlossenen Türen beugt. Sie tut dies vielmehr, weil sie ein anerkanntes Mitglied der Staatengemeinschaft sein und sich nicht dem Vorwurf aussetzen will, die durch internationales Recht kodifizierten Normen dieser Gemeinschaft zu missachten. Eine solche Kritik entfaltet ihre Wirkung jedoch vor allem durch jene vielgescholtene "symbolische Politik" auf VN-Ebene, von der sich die Europäische Union bewusst entfernt hat.

Ein anderer Vorwurf, der in diesem Zusammenhang von den Kritikern der Kritiker der VR China häufig erhoben wird, verweist auf die allgemeine moralische Doppelbödigkeit des Menschenrechtsarguments: Nie würden alle Staaten in gleicher Weise zur Verantwortung gezogen, immer unterliege die Einforderung der Menschenrechte strategischen Sekundärinteressen und werde im Zweifelsfall diesen untergeordnet. Aus völkerrechtlicher Perspektive verfehlt aber auch dieses Argument sein Ziel. Dass der Menschenrechtsgedanke immer wieder politischen Opportunitätsüberlegungen zum Opfer fällt, ist ja gerade ein Grund für seine Fortentwicklung und Institutionalisierung im internationalen Recht, an dem alle Staaten mitwirken und das alle Staaten bindet. Wichtig ist natürlich, dass der Zugriff auf das internationale Recht konsistent erfolgt und nicht selbst wieder opportunistisch ausfällt. Wenn also die Staaten der Europäischen Union mit zweierlei Maß messen, weil sie China von der Kritik ausnehmen, während sie andere Staaten damit nicht verschonen, so ist dies energisch zu kritisieren, darf aber keinesfalls die Position jener stärken, die nur noch in der "stillen Diplomatie" - gewissermaßen die institutionalisierte Unterbietung des internationalen Rechts - eine erfolgreiche Strategie zum Schutz der Menschenrechte sehen.

Zweitens - und mit dem vorher Gesagten eng verbunden - muss eine proaktive Chinapolitik der Europäischen Union darauf achten, Politik und Wirtschaft streng zu trennen. Nur so ist ein kollektives europäisches Handeln überhaupt möglich. Dieses Prinzip ist der chinesischen Regierung keinesfalls fremd, besteht sie doch selbst stets darauf, dass ihre Wirtschaftsbeziehungen zum Westen keiner politischen Konditionalität unterworfen werden dürfen. Dann aber kann man von ihr fordern, dieses Prinzip auch auf ihr eigenes Verhalten anzuwenden und nicht mit wirtschaftlichen Konsequenzen bei "unbotmäßiger" Kritik - zum Beispiel mit Blick auf die Menschenrechte, aber auch in Bezug auf die Taiwan- und Tibetfrage - zu drohen. Gleichzeitig müssen die EU-Mitgliedsstaaten von ihrer Neigung zu "strategischen Sonderbeziehungen" zur VR China Abschied nehmen und solidarisch gegen die gut geübte "Zuckerbrot und Peitsche"-Politik der chinesischen Regierung auftreten. Das Verhalten Frankreichs vor und nach der Unterzeichnung seines Vertrages über eine "globale Partnerschaft" mit China, aber auch die deutsche Chinapolitik der Regierungen Kohl und Schröder haben die Europäische Union in dieser Hinsicht eher geschwächt und wenig zu ihrer inneren Geschlossenheit beigetragen.

Von einer solchen Geschlossenheit der Europäischen Union wird es zudem abhängen, ob man das im Konzept der "umfassenden Partnerschaft mit China" sich selbst gesetzte Ziel einer stärkeren sino-europäischen Zusammenarbeit bei der Lösung sicherheitspolitischer Probleme in Asien erreichen kann. Nur wenn die chinesische Führung erkennt, dass sie es mit einem starken Gegenüber zu tun hat, das notfalls auch gegen die Interessen Beijings zu handeln bereit und fähig ist, wird sie die EU überhaupt als einen relevanten Gesprächspartner ernst nehmen. Umgekehrt dürfte der Einfluss der EU auf die VR China mit zunehmender Geschlossenheit spürbar steigen. Da die EU - anders als die Vereinigten Staaten - keine geostrategischen Interessen in Asien hat, würde eine starke Europäische Union dort wahrscheinlich mehr (friedens)politische Glaubwürdigkeit besitzen als jeder andere Akteur. Dies könnte die EU z. B. für eine aktive Rolle bei der Lösung der Taiwanfrage oder bei der Befriedung der Territorialkonflikte in der Region des Südchinesischen Meers nutzen.

Insgesamt gilt, dass die wichtigste Voraussetzung für eine proaktive Chinapolitik und eine (dadurch geförderte) wirkungsvolle GASP der weiteren politischen Integration der Union bedürfen. Diese Integration ist jedoch ohne die erklärte und insbesondere praktizierte Einsicht ihrer Mitgliedsstaaten, dass dazu ein solidarisches, kollektives Handeln erforderlich ist, nicht zu haben. So gesehen denkt man in Berlin, Paris, London oder Rom noch längst nicht "europäisch" genug.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. hierzu Bertelsmann-Stiftung/Auswärtiges Amt (Hrsg.), Zukunftspanel deutsch/europäisch-asiatische Beziehungen, Gütersloh 2001.

  2. Zu den einzelnen Zielen der GASP nach Maßgabe des EU-Vertrags vgl. Werner Weidenfeld/Franco Algieri, Europas neue Rolle in der Welt, in: Werner Weidenfeld (Hrsg.), Europa-Handbuch, Gütersloh 1999, S. 1 - 15, hier S. 1f.

  3. Zur Frage nach den Inhalten dieser europäischen Identität vgl. jüngst Furio Cerutti/Enno Rudolph (Hrsg.), A Soul for Europe (Vol. 1: A Reader; Vol. 2: An Essay Collection), Sterling 2001.

  4. Mit "wirkungsvoll" meine ich sowohl die materielle und normative Effizienz der GASP im Sinne ihrer im EU-Vertrag definierten Ziele als auch einen durch die GASP selbst generierten hohen Grad kollektiver Handlungsfähigkeit der EU-Mitgliedsstaaten.

  5. Vgl. Multipolarisierung: eine Konkretisierung des Konzepts, in: China aktuell (Februar 2000), S. 109f.

  6. Dokument KOM (98) 181.

  7. Vgl. Dokument KOM (00) 552: "Die Umsetzung der Mitteilung ,Für eine umfassende Partnerschaft mit China."

  8. Vgl. Dokument KOM (01) 265: "Die China-Strategie der EU. Umsetzung der Grundsätze von 1998 und weitere Schritte zur Vertiefung des politischen Konzepts der EU."

  9. Vgl. Dokument KOM (95) 279: "Die langfristige Politik der Europäischen Union gegenüber China."

  10. Vgl. http://www.ecd.org.cn.

  11. Hier sind vor allem der Rat und die Kommission gemeint. Das Europäische Parlament vertrat stets einen offensiveren Standpunkt gegenüber der VR China. Vgl. hierzu jüngst die im April 2002 verabschiedete chinapolitische "Entschließung des Parlaments, v. a. die Abschnitte "Menschenrechte" und "Taiwan" (Dokument P5_TAPROV (2002)0179).

  12. Vgl. Dokument KOM (94) 314: "Auf dem Weg zu einer neuen Asien-Strategie."

  13. In den Jahren zuvor wusste es die chinesische Regierung schon im Vorfeld der jährlich stattfindenden Sitzungen der Kommission zu verhindern, dass über eine chinakritische Resolution auch nur diskutiert wurde. 1995 verhinderte dann lediglich die Gegenstimme Russlands eine Verurteilung Beijings. Vgl. hierzu Stefan Friedrich, Europa und China in den 90er Jahren. Verlust der neu gewonnenen politischen Bedeutung der EU?, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 27/98, S. 36 - 46, hier S. 39ff.

  14. KOM (95) 279.

  15. Ich stimme in diesem Punkt Stefan Friedrich (Anm. 13) zu, ohne dabei die grundsätzliche globalpolitische Präferenz der VR China seit dem Ende des Kalten Krieges für die Errichtung einer multipolaren Weltordnung aus dem Blick zu verlieren. Diese Präferenz machte Europa zu einem logischen Partner der chinesischen Führung in ihrem Bestreben, den Einfluss der Vereinigten Staaten auszubalancieren. Beide Aspekte - die Formierung einer möglicherweise gegenüber der VR China kritischen EU und das Ziel, Europa zu einem Pfeiler der von Beijing avisierten multipolaren Weltordnung zu machen - bilden jedoch keinen Widerspruch, sondern verstärken sich eher hinsichtlich des wachsenden Interesses der VR China an engen sino-europäischen Beziehungen. Vgl. hierzu auch Peter Opitz, China und Westeuropa: Metamorphosen einer Beziehung, in: Zeitschrift für Politik, 47 (2000) 1, S. 1 - 31.

  16. Vgl. St. Friedrich (Anm. 13), S. 42.

  17. Freilich geschieht dies nicht ohne kontroverse Diskussionen innerhalb des Europäischen Rats. Für Einzelheiten vgl. St. Friedrich (Anm. 13), S. 41ff.; P. Opitz (Anm. 15), S. 22f., sowie grundsätzlich zu den sino-französischen Beziehungen Françoise Mengin, La politique chinoise de la France. Du mythe de la relation privilégiée au syndrome de la normalisation, in: Critique internationale, (Juli 2000) 12, S. 89 - 110.

  18. Allerdings modifizierte die EU ihre Haltung im vergangenen Jahr dahin gehend, dass sie Unterstützung für eine chinakritische Resolution in der VN-Menschenrechts"kom"mission signalisierte, sofern diese den chinesischen Antrag auf Nichtbefassung "überleben" würde - was jedoch auf Grund der Mehrheitsverhältnisse in der Kommission kaum je geschehen dürfte.

  19. Die EU war 2001 zweitgrößter Importeur (nach Japan) und viertgrößter Exportmarkt (nach den USA, Hongkong und Taiwan) der VR China. Sie war zudem in den Jahren 1999 und 2000 nach Hongkong Chinas größter Investor.

  20. Vgl. Kay Möller, European Strategies vis-à-vis China: Myth and Reality, in: Ost-West-Kolleg der Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.), China"s International Role: Key Issues, Common Interests, Different Approaches, Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn 1997, S. 61 - 80, hier S. 76.

  21. Dabei soll keinesfalls übersehen werden, dass sich die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union in einem harten Wettbewerb mit den USA und Japan um die wichtigen chinesischen Märkte befinden. Dieses Faktum sollte jedoch eher dazu anleiten, verstärkt über eine Koordinierung der nationalen Außenhandelspolitiken innerhalb der EU nachzudenken, um die Wettbewerbsposition der Union zum Vorteil aller Mitgliedsstaaten zu verbessern. Eine solche Koordinierung dürfte für den gewünschten Erfolg der GASP immer wichtiger werden.

  22. So geschehen am 16. Mai 1997 mit der Unterzeichnung einer gemeinsamen sino-französischen Erklärung über die Bildung einer "globalen Partnerschaft".

  23. Vgl. Anm. 2.

  24. Vgl. Gunter Schubert, Menschenrechte in der VR China - eine Bestandsaufnahme, in: Jana Hasse/Erwin Müller/Patricia Schneider (Hrsg.), Menschenrechte. Bilanz und Perspektiven, Baden-Baden 2002, S. 239 - 258.

  25. Ich folge auch hier weitgehend der Argumentation von Stefan Friedrich, China's Policy vis-à-vis the European Union. Interests, Context, and Implications for Europe, in: China aktuell, (November 1997), S. 1092 - 1096.

  26. Auch der jüngste Besuch Jiang Zemins in Deutschland war von einer besonderen Rücksichtnahme der Bundesregierung gegenüber chinesischen Befindlichkeiten geprägt. Kritiker an der Menschenrechtspolitik der chinesischen Regierung wurden von Jiang ferngehalten und eine Pressekonferenz, auf der dieses Thema sicherlich zur Sprache gekommern wäre, absichtlich nicht anberaumt. Dem gegenüber standen Wirtschaftsthemen erneut ganz oben auf der bilateralen Gesprächsagenda, ohne dass darüber in nennenswerter Weise berichtet wurde. Vgl. u. a. Neue Zürcher Zeitung vom 10. April 2002, S. 1.

Dr. phil. habil., geb. 1963; wiss. Referent für Internationale Politik an der Forschungsstätte der ev. Studiengemeinschaft/Institut für Interdisziplinäre Forschung (FEST) in Heidelberg; Privatdozent am Institut für Politikwissenschaft der Heidelberger Universität.

Anschrift: FEST, Schmeilweg 8, 69118 Heidelberg.
E-Mail: cm7@ix.urz.uni-heidelberg.de

Veröffentlichungen u. a.: Menschenrechte in Ostasien. Zum Streit um die Universalität einer Idee, Tübingen 1999; China - Profil einer Übergangsgesellschaft auf dem Weg in das 21. Jahrhundert, Hamburg 2000; Der lange Kampf um die Nation - Dimensionen nationalistischen Denkens im China der 90er Jahre, Hamburg 2002.