I. Einleitung
Die Terrorangriffe vom 11. September 2001 haben der Welt signalisiert, dass die mit den Veränderungen der ausgehenden achtziger und frühen neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts verbundene Hoffnung auf ein friedlicheres und sichereres Zeitalter trügerisch war. Die Anschläge richteten sich nicht nur gegen die USA als mächtigstes Symbol der demokratischen Wertegemeinschaft, sondern auch gegen deren Bündnispartner als Teil dieser Gemeinschaft. Sie signalisieren, dass wir Massenvernichtungswaffen künftig nicht nur in Kategorien von Atomwaffen, sondern auch biologischer und chemischer Angriffe auf unsere Sicherheit denken müssen.
Washingtons Außenpolitik wird traditionell von drei Grundprämissen bestimmt: der globalen Machtverteilung, der ihr entsprechenden Selbsteinschätzung der USA und ihrem daraus resultierenden weltweiten Führungsanspruch und -willen. Nur die USA verfügen sowohl über das militärische wie auch politische und wirtschaftliche Potenzial, das sie zur herausragenden Zentralmacht erhebt. Die sicherheitspolitische Dominanz wird dabei einzig relativiert durch die politische und ökonomische Eingebundenheit in einen multilateralen Ordnungsrahmen, dem man sich von Zeit zu Zeit entzieht oder den man zur Durchsetzung eigener Interessen instrumentalisiert; entsprechend verfolgte Washington in der Vergangenheit in Fragen der Handelspolitik stets einen weitaus flexibleren Multilateralismus als in Fragen der äußeren Sicherheit.
II. Amerikas "grand strategies"
Dieses Grundmuster amerikanischer Außenpolitik ist nicht neu und bestimmt die transatlantischen Beziehungen seit Ende des Zweiten Weltkrieges. Es zeigt, dass Europa und Amerika Außenpolitik von unterschiedlichen Ausgangspunkten aus betrieben haben. Die Frage Multilateralismus und/oder Unilateralismus ist dabei, wie radikale Unilateralisten heute meinen, keine eines "entweder oder" bzw. von moralischer Überlegenheit des einen Systems über das andere, sondern eines "sowohl als auch". Die europäische Haltung ist die Konsequenz sowohl von Machtbeziehungen wie von unterschiedlichen Auffassungen über die Rolle von Macht, Gewalt und Krieg.
Dieser amerikanische Impuls hat sich bis über den Zweiten Weltkrieg hinaus gehalten. Er hatte nicht nur im außenpolitischen Denken von Wilson einen bedeutenden Platz, sondern auch bei jenen Präsidenten der unmittelbaren Nachkriegszeit, die am Aufbau eben jenes institutionellen Ordnungsrahmens (GATT, NATO, UN) maßgeblich beteiligt waren, der die Weltpolitik nach wie vor bestimmt.
Multilateralismus und Unilateralismus sind somit traditionell zwei Seiten ein und derselben Medaille in der amerikanischen Außenpolitik. Diese honoriert Multilateralismus und den Rechtsstaat und versucht gleichzeitig, internationales politisches Kapital für die Fälle zu bilden, in denen unilaterales Handeln unausweichlich ist. Nach den Anschlägen des vergangenen Jahres stellt sich jedoch aus der Sicht Washingtons die Frage, ob es nicht zunehmend zum Unilateralismus gezwungen wird.
III. Amerikanische Außenpolitik nach dem 11. September
Die Reaktion der Bush-Administration auf die Anschläge des vergangenen Jahres ist der Reflex auf eine neue Bewusstseinslage, die einerseits anzeigt, dass man den Krieg gegen den internationalen Terrorismus nicht allein bzw. ausschließlich mit militärischen Mitteln gewinnen kann, andererseits aus dem Bedrohungsgefühl heraus die Notwendigkeit ableitet, die eigene Abschreckungsfähigkeit auch für so genannte asymmetrische Konflikte mit allen Mitteln und eiserner Entschlossenheit wiederherzustellen. Die Rede des amerikanischen Präsidenten vor dem Kongress am 20. September 2001, unmittelbar nach den Anschlägen, markierte nach Ansicht von Beobachtern in Washington zunächst gar einen Paradigmenwechsel im amerikanischen strategischen Denken hin zu multilateraler Diplomatie auch in der Sicherheitspolitik.
Tatsächlich schmiedete Washington sofort nach den Anschlägen Allianzen auch mit nichtverbündeten Staaten, allen voran Russland, China, Pakistan, Usbekistan und Indien, von denen viele hoff(t)en, sie würden nachhaltiger wirken als die im Golfkrieg gegen Hussein erprobte Ad-hoc-Allianz.
Auf der anderen Seite aber setzten die USA im Bewusstsein ihrer militärischen Stärke neben diplomatischem, polizeilichem und nachrichtendienstlichem Vorgehen von Beginn an auch auf den unilateralen Einsatz militärischer Mittel. Das schließt das energische Weiterbetreiben einer Raketenabwehr sowie umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen für die Abwehr eines möglichen Einsatzes von so genannten "schmutzigen Nuklearwaffen" (dirty bombs) durch Terroristen, die durch Zündung von waffenfähigem Uran Verseuchungskatastrophen auslösen könnten, mit ein.
Der finanzielle Aufwand für die totale und dauerhafte Mobilmachung gegen den Terrorismus ist gewaltig. Amerika lässt sich die Fähigkeit zur Verteidigung seines Territoriums, seiner Bürger und Interessen jederzeit und überall täglich nahezu eine Mrd. US-Dollar kosten. Die Steigerungsrate für den US-Verteidigungshaushalt beträgt allein für das Haushaltsjahr 2002/03 rund 48 Mrd. US-Dollar. Das Gesamtbudget wird 379 Mrd. US-Dollar betragen, bis 2007 soll es auf 451 Mrd. US-Dollar steigen. Damit ist der Haushalt des Pentagons bereits zweieinhalb Mal so hoch wie die Verteidigungsausgaben der 15 EU-Mitgliedsländer insgesamt. Selbst die Verteidigungsausgaben der zehn den USA - gemessen an den Verteidigungsausgaben - dem Rang nach folgenden Staaten (Russland, China, Japan, Großbritannien, Saudi-Arabien, Frankreich, Deutschland, Brasilien, Indien und Italien) reichen bei weitem nicht an die Größenordnung des amerikanischen Verteidigungshaushalts heran.
Darüber hinaus haben die USA innenpolitisch sofort reagiert und dabei in parteiübergreifendem Schulterschluss eigene Prinzipien über Bord geworfen, um sich als handlungsfähig zu präsentieren. Der Gesetzgebungsakt zur Terrorismusbekämpfung weitet die Kompetenzen der Bundespolizei (FBI) und des CIA aus und weist neue Bestimmungen bezüglich der Geldwäsche, Finanzierung terroristischer Aktivitäten, Landesgrenzen und des Opferausgleichs aus.
Washington hat sich bei diesen Reaktionen sowie seinen Angriffen auf Afghanistan auf das Recht der Selbstverteidigung berufen. Bestärkt wurde es dabei durch die Beschlüsse des UN-Sicherheitsrates vom 12. und 28. September 2001 (Resolutionen 1368 und 1373), die de facto eine Weiterentwicklung des Völkerrechts darstellen und denen zufolge Maßnahmen der individuellen und kollektiven Sicherheit nach Art. 51 der UN-Charta auch gegen terroristische Angriffe legimiert sind. Die mit der Bush-Doktrin vom bedingungslosen Kampf gegen den Terrorismus verbundene Warnung, auch gegen alle diejenigen Staaten entschlossen vorzugehen, die den Terrorismus in irgendeiner Form unterstützen, hat jedoch mittlerweile unter den Allianzpartnern die stereotypen Befürchtungen hinsichtlich neuerlicher amerikanischer Alleingänge in der Weltpolitik hervorgerufen.
IV. Vier Gründe für amerikanischen Unilateralismus
Europäer, die angesichts dieser Warnungen und der amerikanischen Anti-Terrorismus-Strategie nunmehr, da der Anti-Terror-Krieg in seine zweite Phase getreten ist, die Solidarität mit Washington zunehmend in Frage stellen, sollten allerdings zweierlei zur Kenntnis nehmen: Erstens, die Bush-Administration neigte in den Wochen nach dem 11. September keineswegs zum Schnellschuss, sondern schmiedete sehr sorgfältig eine weltumspannende Koalition gegen den Terrorismus. Zweitens, Amerika kann wenigstens vier gute Gründe für sein teilweise unilaterales Vorgehen gegen den Terrorismus ins Feld führen:
1. Diejenigen, die im Zusammenhang mit dem Kampf gegen den Terrorismus gar von einem Bedeutungsverlust der NATO sprechen, sollten zunächst anerkennen, dass das Bündnis mit seinem Beschluss vom 12. September den Bündnisfall auf eine Situation bezogen hat, die völlig verschieden ist von der, die bei der Gründung der NATO für denkbar gehalten wurde.
2. Dass Washington es vorzieht, beim Feldzug gegen den Terrorismus notfalls allein zu handeln, hat auch etwas mit den strukturellen Problemen der Europäer bei der Entwicklung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und den daraus resultierenden unzureichenden militärischen Fähigkeiten zur Durchführung größerer Einsätze zu tun.
3. Belastet werden das Bündnis wie die breite Anti-Terror-Allianz auch durch die unterschiedlichen Bedrohungsvorstellungen und ihren daraus resultierenden Antworten.
Washington erwartet daher im Gegenzug für bedächtiges und multilaterales Handeln eine weitere Annäherung der Sichtweisen darüber, ob und woher die Gefahren drohen, auch wenn es sich wohl keine Illusion über deren Fliehkräfte im Falle eines neuerlichen militärischen Schwures macht. Schon auf dem Washingtoner Gipfel 1999 strebten die USA an, die Allianz künftig auch als Instrument für Aufgaben außerhalb Europas auszurichten. Die damalige Verständigung auf die "Peripherie Europas" stellt lediglich einen vagen Reichweitenkompromiss im Neuen Strategischen Konzept der NATO dar. Dass die Europäer wohl auch noch auf längere Sicht nicht in der Lage sein werden, Krisenmanagement in größerem Umfang durchzuführen, ändert nichts daran, dass Washington eine Beteiligung Europas an einer strategischen Partnerschaft in den betroffenen Regionen gerade nach den Anschlägen vom 11. September weiter einfordert.
Eine solche Partnerschaft impliziert, dass der Westen nicht - vermeintlich gleichmütig - ignoriert, wenn ein Diktator vom Schlage Saddam Husseins nach nuklearen, biologischen oder chemischen Waffen greift. Andernfalls ist Amerika entschlossen, notfalls allein zu handeln. Jedenfalls schließt die Bush-Doktrin auch Präventivschläge zur Verhinderung von terroristischen Anschlägen nicht aus. Diese Androhung richtet sich nicht nur gegen Staaten, die Terroristen Unterschlupf gewähren, sondern schließt auch solche Staaten mit ein, welche die Unterstützung der USA gegen den internationalen Terrorismus ablehnen und über Massenvernichtungswaffen verfügen. Eben in diesem Zusammenhang brandmarkte Bush in seinem erwähnten Bericht zur Lage der Nation den Irak, Iran und Nordkorea als "Achse des Bösen"
Bislang ist es nur bei der Androhung von Präventivschlägen geblieben, und auch der anstelle des Oil for Food-Programms verabredete neue Sanktionsmechanismus gegenüber dem Irak lässt erkennen, dass Washington eine politische Lösung bzw. ein multilaterales Vorgehen gegen das Regime in Bagdad allemal bevorzugen würde.
4. Ganz abgesehen davon, dass es zum Selbstverständnis der Weltmacht USA gehört, zur Durchsetzung ihres politischen Willens notfalls auch militärische Alleingänge vorzubereiten und durchzuführen - selbst wenn die UN Washington dabei erklärtermaßen nicht unterstützen -, beruft sich die Bush-Administration zur Legitimation ihres Feldzuges gegen den Terrorismus nicht zuletzt auf die UN-Resolutionen 1368 (2001) und 1373 (2001), auf Artikel 51 der Satzung der UN sowie Artikel 5 des NATO-Vertrages. Zwar entspricht es der sicherheitspolitischen Kultur der USA, auf die Entscheidungsfreiheit, auf die Prüfung des Falles im Lichte der eigenen Interessen und gegebenenfalls auch auf die Blockade kollektiver Maßnahmen keinesfalls zu verzichten; grundsätzlich gilt, was im "National Security Strategy"-Bericht aus dem Jahre 1994 auf Druck der republikanischen Opposition Eingang gefunden hat, wonach im Falle der Bedrohung vitaler amerikanischer Interessen unilaterales Handeln explizit an erster Stelle steht (an zweiter Stelle folgt allianzpolitisches und erst an dritter Stelle multilaterales Handeln). Ebenso aber bieten die UN jenen Rahmen, der es dem amerikanischen Präsidenten ermöglicht, den grundsätzlich antimilitärischen liberalen Reflex der Gesellschaft gegenüber einer stehenden Armee und einem starken, letztlich global einzigartigen Militärpotenzial zu entschärfen und zu kanalisieren. Im Prozess der Legitimationsbeschaffung einer Beteiligung von US-Truppen an Konflikten und Kriegen hatten die UN in der Begründungsrhetorik amerikanischer Regierungen somit stets einen zentralen Platz, zumal sie verhandlungspolitisch für Washington bislang ohnehin nur in macht- und sicherheitspolitisch peripheren Problemzonen agier(t)en.
Europa und die Welt sollten daher die amerikanische Bereitschaft zu einem multilateralen Vorgehen nicht bloß als leere Worthülse abtun und sich von dem Klischee lösen, das Thema Massenvernichtungswaffen in Terroristenhand sei eine amerikanische Obsession und der Präsident ein unverbesserlicher Unilateralist, auch wenn die ersten sechs Monaten seiner Amtszeit exakt dieses Image suggerierten.
Auf der anderen Seite erscheint ein ausschließlich auf politische Einbindung des "Gegners" setzender Ansatz mit den Instrumenten des interkulturellen Dialoges, von Sanktionen und Wirtschaftshilfe auch in der amerikanischen Öffentlichkeit eher als Appeasement denn als geeignete Gegenstrategie. Umgekehrt nämlich wird die Gefahr einer Auseinandersetzung mit dem Islam in den USA keinesfalls ausgeschlossen. Die Bush-Administration hat sich bislang zwar geweigert, allein auf die Theorie eines von außen gesteuerten Bio-Terrorismus zu setzen, und bevorzugt wie erwähnt ein multilaterales Vorgehen auch gegen den Irak. Sie weist aber auch darauf hin, dass fünf von sieben Staaten, die das US State Department als den internationalen Terrorismus unterstützende Regime auflistet, islamisch sind, und dass gleiches für die Mehrheit von mit dem Terrorismus in Berührung stehenden ausländischen Organisationen gilt.
V. Bleibt der Multilateralismus auf der Strecke? Amerikas neuer Pragmatismus
Diese scheinbar ambivalente Haltung der US-Administration entspricht der Erkenntnis, dass Amerika einerseits stark genug ist, in bestimmten Situationen allein zu handeln - nicht zuletzt aus dem Reflex der "indispensable power" heraus, die globale Stabilität projiziert,
Die deutlichsten Anzeichen dafür sind jene bekannten Differenzen im transatlantischen Verhältnis, die vorübergehend durch die Ereignisse des vergangenen Jahres überlagert wurden, jetzt aber erneut auftauchen.
Vor allem in der Außen- und Sicherheitspolitik zeigt sich unverändert nicht nur ein unterschiedliches Verhältnis zu internationalen Organisationen, sondern auch die grundsätzlich andersartige Vorstellung von der Notwendigkeit der Entwicklung einer über die Abschreckungsfähigkeit hinausreichenden Verteidigungskapazität. Die derzeitige Strategie betrifft nicht nur die innere Sicherheit, der mit dem Ziel des Schutzes aller Standorte und strategischen Einrichtungen auf dem nationalen Territorium ("homeland defense") offenkundig eine höhere Priorität eingeräumt wird, sondern enthält erstmals auch eine explizit "offensive" Komponente.
Diese Art "burden-sharing" zeigt den Verbündeten, wo sie stehen und welche Rolle ihnen Washington zuweist. In der Raktenabwehrfrage sah sich die Bush-Administration vor dem 11. September auf Grund der Sorgen der Europäer zwar noch veranlasst, die nationale Abwehr zugunsten eines weltweiten Schutzsystems der Alliierten, in das ausdrücklich auch Russland integriert werden sollte, in den Hintergrund zu stellen. Danach aber schien aus Sicht der amerikanischen Strategen die Konzentration auf die nationale Verteidigung wieder legitim. Abgesehen davon wird das neue Sicherheitsverständnis auch auf die Verbündeten übertragen, die entsprechend der Qualität und des Umfangs ihrer militärischen Ressourcen und abhängig von ihrer sonstigen Unterstützung bzw. Kritik an Washington entweder als mehr oder weniger nützlich oder als Trittbrettfahrer eingestuft werden. Keiner hat diesen neuen Pragmatismus und die Flexibilität in der Sicherheitspolitik deutlicher formuliert als der Stellvertretende Verteidigungsminister Paul Wolfowitz, als er in München ankündigte, dass künftig "die Mission die Koalition bestimmen muss und nicht andersherum"
Auf der anderen Seite nämlich wächst der Druck auf die Administration zu einem kooperativeren Führungsstil nicht zuletzt aus der Einsicht, dass die transatlantische Solidargemeinschaft nur stabil bleiben kann, wenn Washington zu engen Konsultationen bereit und zum Interessenausgleich fähig ist. Außenminister Powell hat dies fünf Wochen nach den Anschlägen eindringlich bestätigt, indem er betonte, dass vor allem die gemeinsame Auswertung von Nachrichten und der Austausch von Informationen durch die Geheimdienste, die verstärkte Zusammenarbeit bei grenzüberschreitender Kriminalität und Migration sowie die Überwachung und das Austrocknen der Finanzquellen des internationalen Terrorismus den Erfolg bei dessen Bekämpfung ausmachen. Dazu, so Powell, "brauche man Koalitionen"
Je deutlicher somit die Kosten des amerikanischen Unilateralismus zum Tragen kommen, desto stärker werden der amerikanischen Öffentlichkeit die Vorteile des Multilateralismus bewusst; selbst Neorealisten betonen, dass die institutionelle Einbindung letztlich auch die Akzeptanz unilateralen Handelns und amerikanischer Hegemonieansprüche nur erhöht.
Wahrscheinlich wird diese Erkenntnis in dem Maße wachsen, wie Amerika auch die Grenzen seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verspürt. Die Tatsache, dass die US-Wirtschaft in den letzten zehn Jahren so boomte, trug sicherlich mit bei zu der Neigung von Alleingängen und gab umgekehrt Anlass zu heftiger Kritik nicht nur der Europäer an der Art und Weise, wie Washington seine Interessen verfolgte. Der Wettbewerb im transatlantischen Verhältnis fand in den letzten Jahren verstärkt als Konsequenz des unterschiedlichen Umgangs mit den Folgen der Globalisierung statt, aus der die USA dank eines atemberaubenden Investitionsbooms als der klare Sieger hervorgegangen sind.
Deutlich wird dies auch im Zusammenhang mit der Außenwirtschaftspolitik des Landes. Die derzeitigen Diskussionen auf beiden Seiten des Atlantiks kreisen hier um Fragen nach der amerikanischer Dominanz des IWF und der Weltbank, freiem versus geregeltem Kapitalverkehr, festen oder flexiblen Wechselkursen, Dollarisierung bzw. Schaffung von Abhängigkeiten durch ungezügelte Kapitalflut versus nachhaltige Unterstützung der Anpassungskurse in den betroffenen Ländern, US-geprägter Globalisierung versus Anerkennung globaler wirtschaftlicher Diversität.
Nach den Anschlägen vom 11. September dürfte die Tendenz zu Alleingängen in den USA durch verschärfte Kontrollmechanismen für den internationalen Handel noch zunehmen.