Kurz nacheinander feiern am 15. und 16. September 1930 zwei Spielfilme in Berlin Premiere, die für zwei ganz unterschiedliche Formen des jüdischen Filmschaffens in der Weimarer Republik stehen. Der eine davon, "Die Drei von der Tankstelle", ist zu einem Klassiker geworden und Teil des kulturellen Gedächtnisses. Er war der erfolgreichste Film der Saison 1930/31, und es gab Zeiten, da konnte jeder die Lieder daraus mitsingen. Der andere Film ist heute vergessen und nur schwer zugänglich: "Zwei Welten", ein Drama, das 1917 in einem jüdischen Städtchen in Galizien spielt, in dem die Juden buchstäblich zwischen die Fronten geraten, misshandelt und diskriminiert werden. "Zwei Welten" rückt die bedrohte Lebenswelt der osteuropäischen Juden ins Licht und wirbt um Anteilnahme und Verständnis.
Der Kinostart der beiden Filme fällt mit den Reichstagswahlen vom 14. September 1930 zusammen, die für die deutschen Juden einen so katastrophalen Ausgang nehmen. Unter der Überschrift "6.400.000 nationalsozialistische Wähler" kommentiert die "Jüdische Rundschau", das Organ der deutschen Zionisten, das Ergebnis und seine Auswirkungen: "In Deutschland leben ungefähr 560.000 jüdische Seelen. Auf jede jüdische Seele kommen also 11 erwachsene Nichtjuden, die einem radikal-antisemitischen Programm zugestimmt haben und bereit sind, mit allen gesetzlichen und ungesetzlichen Mitteln die Juden zu schädigen. Das ist eine Tatsache, die in krassester Weise die Situation der deutschen Judenheit charakterisiert." Obwohl der Wahlerfolg der Nationalsozialisten "eine furchtbare Drohung für die Judenheit in Deutschland" darstelle, werde dies von den anderen Parteien nur als nachrangiges Problem wahrgenommen, beklagt die Zeitung. Die Juden würden allein gelassen. Der ganze Kampf gegen den Nationalsozialismus, insbesondere auch von jüdischer Seite, sei "gegenüber der durch die antisemitische Hetze erzeugten Grundstimmung großer Teile des deutschen Volkes nutzlos verpufft." Die zutreffende Prognose der "Jüdischen Rundschau" lautete: "Wie eine Sintflut bricht eine Welle rücksichtslosester Feindschaft über die deutschen Juden herein."
Während in dieser Situation eines neu entfesselten Judenhasses die Zugehörigkeit von "Zwei Welten" zum jüdischen Filmschaffen aufgrund des Stoffes und der jüdischen Abstammung des Regisseurs Ewald André Dupont klar auf der Hand liegt, stellt sich bei "Die Drei von der Tankstelle" doch die Frage, was der Film mit jüdischem Filmschaffen zu tun hat. Unbestreitbar waren für seinen Erfolg – wie auch für den Erfolg und die Weltgeltung des Weimarer Kinos überhaupt – großenteils jüdische Filmschaffende vor und hinter der Kamera verantwortlich. Ob sich aber der Produzent Erich Pommer, der Drehbuchautor Franz Schulz, der auch das Drehbuch von "Zwei Welten" verfasst hatte, der Regisseur Wilhelm Thiele, der Komponist Werner Richard Heymann und der Librettist Robert Gilbert selbst als jüdische Filmschaffende verstanden haben? Oder wurden sie erst in dem Moment zu jüdischen Filmschaffenden, als ihnen die neuen Machthaber 1933 mit der Begründung, sie seien Juden, die Weiterarbeit in der Filmbranche verboten, ihre Existenzgrundlage zerstörten und sie aus Deutschland vertrieben?
Die Frage nach dem jüdischen Filmschaffen in der Weimarer Republik ist von der Publizistik und der akademischen Forschung lange vernachlässigt worden. Sie spielt auch in den so wichtigen, zuerst 1947 und 1952 erschienenen Pionierstudien der ehemaligen Filmkritiker Siegfried Kracauer und Lotte Eisner, die beide als Juden aus Deutschland emigrieren mussten, keine Rolle.
Der Frage, was jüdisches Filmschaffen in der Weimarer Republik bedeutet, nähere ich mich im Folgenden von zwei Seiten, wobei mir "Zwei Welten" und "Die Drei von der Tankstelle" als Referenzen dienen. Zunächst gilt mein Interesse Filmen, die einen jüdischen Stoff haben und jüdische Figuren ins Zentrum stellen. Zwar waren Juden, gemessen an ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung Deutschlands, in der Filmbranche überaus stark vertreten. Angesichts einer Produktion von Hunderten Filmen pro Jahr blieb die Zahl deutscher Filme mit jüdischem Stoff dennoch marginal.
Anschließend komme ich auf "Die Drei von der Tankstelle" zurück. Der Film steht hier exemplarisch für jene Werke, deren Stoff gerade keine offensichtlichen Berührungspunkte mit dem Judentum ihrer Schöpfer aufweist. Dem Historiker Ofer Ashkenazi zufolge nutzten jüdische Filmschaffende solche gewissermaßen unverdächtigen Filme – populäre Komödien, Abenteuerfilme, Melodramen – dazu, Fragen der eigenen deutsch-jüdischen Identität und ihrer Stellung in der Gesellschaft der Weimarer Republik wenn schon nicht offenkundig, so doch auf metaphorischer und symbolischer Ebene zu reflektieren.
Moderner Rassenantisemitismus
In der Geschichte der Juden in Deutschland markiert der Erste Weltkrieg einen tiefen Einschnitt. Bis dahin war diese Geschichte von der Mitte des 19. Jahrhunderts an "im Wesentlichen eine Erfolgsgeschichte", stellt der Historiker Reinhard Rürup fest. Sie bedeutete "einen der spektakulärsten Sprünge einer Minderheit in die Gesellschaftsgeschichte Europas".
Die antisemitische Bewegung vollzieht in dieser Zeit den Wandel von einer religiös, wirtschaftlich und sozial motivierten Judenfeindschaft hin zu einer wissenschaftlich aufgemachten Rassenideologie, dem "modernen Rassenantisemitismus". Völkische und antisemitische Gruppen, Vereine und Verbände verzeichnen einen starken Zulauf. Zum Antisemitismus des geschriebenen oder bei Versammlungen gesprochenen Wortes kommt nun ein Antisemitismus der Aktion in Form von Kampagnen und Angriffen auf jüdische Personen und Einrichtungen hinzu.
Im Zentrum des antisemitischen Diskurses steht damals das Stereotyp des "Ostjuden". Dieser galt dem Historiker Moshe Zimmermann zufolge als "das genaue Gegenteil des deutschen bzw. des assimilierten Juden: faul und unproduktiv, verschmutzt und Krankheitsüberträger, Verbrecher von Geburt an, Asiat und Revolutionär".
Aufklärungsarbeit im Kino
Den antisemitischen Anfeindungen begegnen jüdische Verbände, Gemeinden und Einzelpersonen auf vielfältige Weise.
Exemplarisch steht dafür der Regisseur und Produzent Richard Oswald, der 1920 ein Filmprojekt mit dem Titel "Antisemiten" ankündigt. "Der Antisemitismus ist – vielleicht im höheren Maße als Kapitalismus oder Kommunismus – das Problem des Tages und der Stunde, die Frage, die dringlichst der Lösung bedarf", teilt er mit.
Bei seinem Film gegen den Antisemitismus will Oswald mit Persönlichkeiten aus allen politischen Lagern und "Geistesrichtungen" zusammenarbeiten und "objektiv und mit gelassener Kühle" vorgehen. "Das Auswärtige Amt interessiert sich nach seinen Angaben sehr lebhaft für seinen Plan. Eine Kulturaufgabe, eine Aufklärungsarbeit von größtem Format ist in Angriff genommen worden. Wird sie geleistet werden können?"
Die Frage ist schnell beantwortet: Zumindest aus dem geplanten Problem- oder Aufklärungsfilm "Antisemiten" wird nichts. Zwar spricht Oswald tatsächlich bei Vertretern der Regierung vor und wirbt für seine Idee eines Films, der versöhnen und dabei "keineswegs die Juden verherrlichen" wolle. Das Auswärtige Amt ist aber nicht interessiert. Im Gegenteil: Oswald bekommt den dringlichen Rat, sein Vorhaben nicht weiter zu verfolgen.
Die Beschäftigung mit jüdischen Sujets und dem Antisemitismus zieht sich trotzdem wie ein roter Faden durch sein Werk: Sie manifestiert sich etwa 1915 in "Der Schlemihl", angesiedelt im jüdischen Galizien und mit dem jüdischen Bühnenstar Rudolf Schildkraut in der Hauptrolle, 1918 in der Verfilmung der jüdischen Familiengeschichte "Jettchen Gebert" von Georg Hermann und 1927 in einem auffallenden Nebenstrang von "Dr. Bessels Verwandlung", in dem die Diskriminierung von emigrierten osteuropäischen Juden kritisiert wird und der nichtjüdische Held seine Solidarität mit den Verfolgten bekennt. Am deutlichsten nimmt Oswald 1930 in seinem Spielfilm "Dreyfus" Stellung, der die antisemitisch motivierte Dreyfus-Affäre in Frankreich beleuchtet und im September 1930, als "Zwei Welten" herauskommt, schon seit Wochen mit großem Erfolg in den Kinos läuft.
Mag Oswalds gescheitertes Filmprojekt "Antisemiten" auch symptomatisch für das Desinteresse einer Behörde sein, so entstehen in den frühen 1920er Jahren doch eine Reihe von Filmen mit jüdischen Sujets, die dem Judenhass entgegentreten. Oswalds Forderung nach "Aufklärungsarbeit größten Stiles" hallt in diesen Werken nach, zu denen auch "Zwei Welten" zählt.
Von "Pogrom" (1919) zu "Zwei Welten" (1930)
Bereits 1919 kommen drei groß angelegte, heute verschollene Produktionen über das Leben jener "Ostjuden" ins Kino, die im Fokus der antisemitischen Agitation stehen. Sie handeln von Juden im rückständigen Zarenreich der Vorkriegszeit, ihrer gesellschaftlichen Diskriminierung und dem Leben im Ghetto, dem folgenschweren Verdacht jüdischer Ritualmorde und antijüdischen Pogromen.
Verschollen sind mehrere Filme aus der unmittelbaren Nachkriegszeit, die jüdische Sujets in der Zeit des Altertums behandeln.
In deutschen Kinos laufen ab Mitte der 1920er Jahre auch amerikanische Spielfilme aus dem Milieu jüdischer Emigranten aus Osteuropa, darunter "His People" (1925) und "The Jazz Singer" (1927) mit dem immens populären jüdischen Entertainer Al Jolson.
Wer über das Unrecht, das Juden zugefügt wurde, aufklärt und informiert, wer um Verständnis und Sympathie wirbt, muss im ideologisch vergifteten Klima der Weimarer Republik mit heftiger Gegenwehr rechnen. So zetteln die Nationalsozialisten in München 1922/23 wegen der Verfilmung von "Nathan der Weise" durch den jüdischen Regisseur Manfred Noa einen Skandal an und setzen durch, dass der Film in München nicht im Kino zu sehen ist.
Eine gewisse Sonderstellung nimmt Ewald André Duponts Film "Das alte Gesetz" von 1923 ein, weil hier ein jüdischer Protagonist auftritt, der selbstbewusst, beharrlich und begehrenswert ist. Er wird weder verfolgt noch diskriminiert. "Das alte Gesetz" erzählt vielmehr eine Erfolgsgeschichte: eine Geschichte der gesellschaftlichen Anerkennung. Sie ist angesiedelt im Österreich des 19. Jahrhunderts, wo ein junger Jude gegen den Widerstand seines Vaters das Schtetl in Galizien verlässt und sich als Schauspieler am Wiener Burgtheater einen Namen macht. Der Film dreht sich um die konfliktreiche und leidvolle Beziehung zwischen Herkunft und Familie, Assimilation und Suche nach Identität.
Während "Das alte Gesetz" im November 1923 auf dem Höhepunkt der Inflation in den Kinos läuft, putscht Hitler in München gegen die Republik. In Berlin ereignet sich ein "Judenpogrom". Die "Jüdische Rundschau" spricht danach von der "Schicksalsstunde des deutschen Judentums" und mahnt: "Das deutsche Judentum muß heute verstehen, daß nur wir Juden uns selbst helfen können. Werden wir uns nicht helfen, wird uns niemand helfen."
Als Dupont mit "Zwei Welten" 1930 erneut einen Film mit jüdischem Stoff herausbringt, erreicht die antisemitische Agitation gerade einen neuen Höhepunkt. In dem Film besiegt ein österreichischer Offizier – wie in einem Entwicklungsroman – mitten im Weltkrieg seine Arroganz und Vorurteile gegen die Juden und ist schließlich sogar bereit, der Liebe zu einer Jüdin seine militärische Laufbahn zu opfern. Doch der orthodoxe Vater der Frau und auch der aus der Aristokratie stammende Vater des Mannes hintertreiben diese Beziehung: Die Väter stehen für die im Titel aufgerufene Vorstellung von zwei getrennten, sich unversöhnlich gegenüberstehenden Welten, bei deren Überwindung die junge Generation tragisch scheitert. So resignativ der Film endet, beschreibt er doch eine von romantischen und humanistischen Motiven getragene Liebesgeschichte zwischen Juden und Österreichern, die bei allem Anachronismus als Parabel in die Gegenwart von 1930 ausstrahlen soll.
In der Presse bekommt "Zwei Welten" nach der Premiere fast durchweg schlechte Kritiken. Bemängelt werden eine klischeehafte Darstellung der Figuren und Milieus und eine Neigung zu Kitsch und falscher melodramatischer Zuspitzung; die "Jüdisch-liberale Zeitung" spricht von einem "demagogischen Experiment, das in der heutigen Zeit unangebrachter denn je" sei, und wirft dem Film vor, "das alte Märchen von der Unvereinbarkeit der beiden Rassen wieder auf[zuwärmen]".
Trotz seiner Unzulänglichkeiten ist "Zwei Welten" ein Film gegen den Antisemitismus und reiht sich ein in den Kampf gegen den Nationalsozialismus. In Thüringen wird der Film denn auch vom dortigen Innenminister, dem NSDAP-Funktionär Wilhelm Frick, verboten; die Film-Prüfstelle gibt seinem Antrag, die Zulassung von "Zwei Welten" in ganz Deutschland zu widerrufen, allerdings nicht statt. Frick hatte argumentiert, "Zwei Welten" sei ein "Hetzfilm", weil er die mit den Deutschen verbündeten österreichischen Offiziere schlecht mache und den Eindruck erwecke, "die Juden seien gegenüber den Offizieren die besseren Menschen".
Dies gelingt ihnen aber wenig später im Dezember 1930: Anlässlich der Berliner Aufführung von "All Quiet on the Western Front", der amerikanischen Verfilmung von Erich Maria Remarques Antikriegsroman "Im Westen nichts Neues", inszenieren sie erneut einen Skandal und tragen diesen aus dem Kinosaal hinaus auf die Straße. Der Film dient als Vorwand, um den ihnen verhassten demokratischen Staat anzugreifen und ihre Macht lauthals und gewalttätig zu demonstrieren. Am Ende wird der angeblich antideutsche Film verboten. "Damit hat die nationalsozialistische Bewegung den Kampf gegen dieses jüdische Sudelwerk auf der ganzen Linie gewonnen", triumphiert der Drahtzieher Joseph Goebbels.
"Wenn die ganze Welt zusammenfällt"
"Ein Freund, ein guter Freund, das ist das Schönste, was es gibt auf der Welt." Gleich zu Beginn von "Die Drei von der Tankstelle" schmettern Willy Fritsch, Heinz Rühmann und Oskar Karlweis diesen Schlager und beschwören eine Freundschaft, die alle Krisen überdauert. Mit seinen Stars, Liedern und seiner selbstironischen Mischung aus Krisenkomödie und Musical erweist sich "Die Drei von der Tankstelle" als Idealtyp des Weimarer Kinos insgesamt. Kommerzielle und künstlerische Ansprüche, Genrekino und Avantgarde bilden darin keinen Widerspruch, sondern eine populäre Einheit.
"Die Drei von der Tankstelle" enthält in der Handlung, in den Dialogen, in der Ausstattung allenfalls versteckte Hinweise auf die Präsenz von Juden in Deutschland. Kurt, einer der drei Freunde, bezeichnet einmal einen geizigen Kunden als "Nebbich". Dieser jüdische Ausdruck könnte auf Kurts nie thematisierte jüdische Herkunft hindeuten.
Als die neue nationalsozialistische Regierung den Juden 1933 die Arbeit in der Filmbranche verbietet, geht ein Großteil von ihnen ins Exil, unter ihnen die Schöpfer von "Die Drei von der Tankstelle", Pommer, Schulz, Thiele, Heymann und Gilbert, ebenso der Cutter Viktor Gertler und der mit einer Jüdin verheiratete Kameramann Franz Planer. Von den ungefähr 10.000 Beschäftigten der deutschen Filmindustrie wurden 2.000 von den Nationalsozialisten vertrieben; die meisten davon waren Juden. Auch die deutsche Filmkarriere von Oskar Karlweis, der den Kurt spielt und so wunderbar mit Lilian Harvey tanzt und steppt und einmal "Nebbich" sagt, ist 1933 schlagartig beendet, weil er Jude ist. Karlweis überlebt den Holocaust im amerikanischen Exil. Kurt Gerron, der Darsteller des – jüdischen – Rechtsanwalts der drei Freunde, wird dagegen von den Schergen der Nationalsozialisten 1943 in Holland aufgespürt und 1944 in Auschwitz ermordet.
Während "Zwei Welten" schon mit der Wahl des jüdischen Stoffs eine auch politisch zu verstehende Aussage trifft, geht "Die Drei von der Tankstelle" einen anderen Weg. Just in dem Moment, als die Nationalsozialisten zur zweitstärksten Kraft im Reichstag werden, inszeniert "Die Drei von der Tankstelle" eine ganz eigene Utopie – und sei es auch nur auf hintergründige Art und Weise als Flaschenpost: Wenn es möglich ist, dass im beliebtesten Film des Jahres ganz nonchalant und nebenbei auf die jüdische Herkunft einer Figur angespielt werden kann, die obendrein von einem Juden gespielt wird, so heißt das doch nichts anderes, als dass es für die Freundschaft überhaupt keine Rolle spielt, ob einer Jude ist oder nicht. Die jüdische Figur, wenn man sie so nennen will, wird nicht irgendwie "anders" inszeniert, etwa als Außenseiter oder Mitglied einer Minderheit. Kurt ist gesellschaftlich emanzipiert und vollkommen integriert. In Anlehnung an Überlegungen von Kerry Wallach zum soziologischen Phänomen des "Passing" könnte man sagen, dass der Jude Kurt, gespielt vom Juden Oskar Karlweis, im Film als Nichtjude "durchgeht" und er anstelle einer jüdischen Identität seine Identität als verliebter Junggeselle auslebt oder – im Sinne einer "Performance" – aufführt; als Junggeselle ist er Teil eines Trios von Lebemännern, die in ihrem ganzen Auftreten die weltoffene Liberalität, die Kultiviertheit und den Hedonismus Berlins und der Weimarer Kultur in den "Roaring Twenties" verkörpern.
Mit "Zwei Welten" steht auf der anderen Seite ein Film, der genau das Gegenteil vor Augen führt: Er präsentiert eine von Krieg und Gewalt bedrohte jüdische Minderheit, die von Patriarchen mit überkommenen Wertvorstellungen und Rollenbildern beherrscht wird, deren Angehörige schon aufgrund von Kleidung, Sprache und Habitus "anders" erscheinen und die im Grunde passiv bleibende Opfer ständiger Gewalterfahrungen sind.
Die Frage, ob und wo es zwischen religiöser und kultureller Abgrenzung, nationaler Eigenständigkeit (wie von den Zionisten postuliert) und Integration in eine mehrheitlich nichtjüdische Gesellschaft einen Freiraum für eine jüdische Identität in der Moderne geben könnte, beantworten "Zwei Welten" und "Die Drei von der Tankstelle" mit je eigenen Geschichten. Beide Filme erzählen von Liebe und Freundschaft, der eine beschwörend im Angesicht des Scheiterns, der andere voller hintergründigem Witz. "Ein Freund bleibt immer Freund, auch wenn die ganze Welt zusammenfällt", heißt es im Lied. Während die Deutschen die Stehaufmännchen von der Tankstelle immer weiterliebten, blieb der gesungene Wunsch des einen, nicht alleingelassen zu werden, unerhört.
Für Hinweise und Korrekturen danke ich sehr herzlich Christian Rogowski (Amherst College).