I. Einleitung
"Der Anstieg des bowling alone stellt für die Betreiber der Bowlingbahnen eine existenzielle Bedrohung dar, denn Ligaspieler konsumieren im Vergleich zu Einzelspielern dreimal so viel Bier und Pizza", erklärt uns Amerikas Vorzeigekommunitarist Robert D. Putnam.
Dies gilt auch für Deutschland, wo Putnams Studien als "bahnbrechender Durchbruch"
Diesem Diskurs lieferte Putnam zunächst den empirischen Nachweis, dass Solidarität und Sozialität in den westlichen Demokratien längst verschwunden seien. In zahllosen Begriffspaaren wie z. B. "Sozialenergie" (Helmut Klages) oder "soziale Bindekraft" (Wolfgang Schäuble) vermengte sich Putnams Leitbegriff mit Erich Fromms berühmter Metapher vom "sozialen Kitt", um in blumiger Sprache zu umschreiben, was der Gesellschaft offenbar abhanden gekommen war. Parallel dazu erlebten die alten Antipoden des Individualisierungsbegriffs - Anomie und Verelendung - eine seit der industriellen Revolution nicht mehr gekannte Renaissance.
Ganz in der amerikanischen Denktradition, nach der auf den Gemeinschaftsverlust neue und sogar "bessere" Gemeinschaften folgen können, die indes nicht willkürlich entstehen, sondern mit sozialwissenschaftlicher Hilfe erzeugt werden, zeigte Putnam aber auch einen Ausweg: Stärkung der Bürgergesellschaft, republikanischer Traditionen, der "community" und des lokalen Assoziationswesens, so lautet seine Formel zur Schaffung neuen sozialen Kapitals, die er in einer "Agenda for Social Capitalists" niederlegte
Soziales Kapital ist mittlerweile zur rhetorischen Trumpfkarte all derer geworden, die sich einerseits um den sozialen Zusammenhalt der scheinbar hoch individualisierten deutschen Gesellschaft sorgen, die andererseits aber auch Hoffnung auf die Wiederbelebung von solidarischen Beziehungen, Netzwerken und sozialem Vertrauen in einer lebendigen Bürgergesellschaft hegen, die mit ihren unausgeschöpften Ressourcen die Leistung von Staat und Wirtschaft zu steigern vermöge. Denn zumindest in einem Punkt scheint hierzulande Einigkeit über die Bedeutung sozialen Kapitals zu bestehen: dass es - wie Claus Offe als scharfsinnigster Theoretiker im deutschen Sozialkapitaldiskurs formuliert - "einen Beitrag zur (kollektiven) Wohlfahrt" leiste, da es "einer wohlfahrtssteigernden sozialen und moralischen Kompetenz" von Gesellschaften gleiche.
Erstaunlich an der euphorischen Debatte ist allerdings, dass ein grundsätzlich anderer Diskurs über soziales Kapital weitgehend ausgeblendet bleibt, obwohl er seit Jahrzehnten die gesellschaftspolitische Diskussion in Frankreich beherrscht. Zwar geht es auch in diesem Diskurs um soziale Netzwerke, Solidaritätsverpflichtungen oder gegenseitiges Vertrauen. Soziales Kapital bezeichnet dabei aber das Netz von Beziehungen, die dazu beitragen, dass Karrieren, Macht und Reichtum nicht nur auf individuellen Leistungen basieren, sondern auch auf herkunftsbedingten Gruppenzugehörigkeiten und anderen vorteilhaften Verbindungen im Sinne des "Vitamin B".
Dieser Diskurs hinterfragt also kritisch die offizielle Selbstrechtfertigung von modernen Gesellschaften, die Leistung zu ihrem vermeintlich einzig legitimen Maßstab der Statuszuweisung erhoben haben. Soziales Kapital gilt dabei als ein zentrales Element, das im Zusammenspiel mit anderen Sorten von Kapital zu sozialen Ungleichheiten in "Leistungsgesellschaften" beiträgt. Diese Ungleichheiten haben in den öffentlichen Debatten jenseits des Rheins spätestens seit den neunziger Jahren wieder enorm an Brisanz gewonnen, insbesondere in den heftigen Auseinandersetzungen über die "zunehmende Kluft zwischen der herrschenden Wirtschaftslogik und den von ihr mit verursachten gesellschaftlichen Desintegrationstendenzen"
Beide Diskurse über soziales Kapital sind mit den Namen zweier prominenter Wissenschaftler verbunden: dem US-amerikanischen Politologen Robert D. Putnam und dem unlängst verstorbenen französischen Soziologen Pierre Bourdieu. Im Folgenden werde ich zunächst ihre Ansätze skizzieren, um den theoretischen Hintergrund der verschiedenen Diskurse über soziales Kapital zu verdeutlichen. Denn erst vor diesem Hintergrund lassen sich auch die politischen Diskussionen verstehen, die sich am jeweiligen Ansatz orientieren und die mit je unterschiedlicher Stossrichtung das Problem des gesellschaftlichen Zusammenhalts thematisieren. Diese Gegenüberstellung erlaubt es abschließend dann auch, den angesprochenen Diskurs über den sozialen Zusammenhalt der deutschen Gesellschaft differenzierter zu betrachten.
II. Soziales Kapital als Fundament gesellschaftlichen Zusammenhalts
Putnams Begriff social capital wurde zunächst durch seine Studie "Making Democracy Work" bekannt.
Mit diesen Kernannahmen greift Putnam sowohl auf die klassische Demokratietheorie als auch auf Ansätze der Transaktionskostenökonomie zurück: Einerseits betrachtet er Assoziationen als Grundpfeiler und Schule der Demokratie, da man in ihnen das Einmaleins demokratischen Handelns erlerne. Andererseits würden sich in Assoziationen Normen der Reziprozität und soziales Vertrauen herausbilden, die sich als generalisierte Reziprozität und generalisiertes Vertrauen über alle gesellschaftlichen Bereiche erstreckten und damit die Notwendigkeit zur sozialen Kontrolle reduzierten. Abbau von sozialer Kontrolle hieße aber auch Reduktion von Kosten, und zwar im staatlichen ebenso wie im ökonomischen Sektor.
Weniger abstrakt formuliert bedeutet das: "Fähigkeiten und Dispositionen wie Initiative, Aufmerksamkeit, Vertrauen, Organisationsfähigkeit, egalitäre Einstellungen und Toleranz gegenüber Fremden, die im Vereinsleben erworben und verstärkt werden, verbreiten sich über ihre jeweiligen sozialen, thematischen und temporären Entstehungszusammenhänge hinaus und können einen wesentlichen Beitrag zur demokratischen politischen Kultur" und zur Performanz von Staat und Wirtschaft leisten.
Im Mittelpunkt stehen dabei die "traditionellen" Assoziationen wie z. B. Sport-, Gesang-, Musik- oder religiöse Vereinigungen. Denn nur in diesen kleinen lokalen Vergemeinschaftungen, so Putnam, bestünden vielfältige "face-to-face"-Interaktionen zwischen den Mitgliedern, so dass sich identifikatorische, solidargemeinschaftliche Bindungen herausbilden würden. In der aktiven Mitgliedschaftsrolle - und nicht in "egozentrierten" Selbsthilfegruppen oder Scheckbuchmitgliedschaften - erlerne man jene Tugenden und Verhaltensdispositionen, welche die Kommunikation, Kooperation und das soziale Vertrauen innerhalb wie auch außerhalb der Assoziation erhöhten.
Mit diesem theoretischen Rüstzeug hat Putnam seine einflussreichen Analysen über die USA durchgeführt. Mit Hilfe von Zeitreihenvergleichen insbesondere zu Vereinsmitgliedschaften, bürgerschaftlichem Engagement und zum sozialen Vertrauen der US-Bürger versucht er nachzuweisen, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt der USA seit den sechziger Jahren erodiert sei. Hauptsächliche Ursache: die Nachkriegsgeneration der Baby-Boomer, die durch die Expansion des Fernsehens zu einer "uncivic generation" degeneriert sei.
Denn für Putnam verursachte vor allem die moderne Medienindustrie jenen Übergang von der Bürger- zur Massengesellschaft, in welcher der fernsehglotzende Konsummonade den kompetenten und engagierten Bürger ersetzt habe: "Jedes Jahr nimmt der Tod der amerikanischen Gesellschaft wieder eine Zahl engagierter Bürger weg, und die werden ersetzt durch wesentlich weniger engagierte Menschen. Wenn wir also nicht bald etwas tun, dann wird das Problem immer schlimmer werden"
III. Soziales Kapital als Basiselement sozialer Ungleichheit
Dreht man die beiden Worte in Putnams Erfolgsbegriff um und spricht sie französisch aus, dann befindet man sich unversehens in einer anderen Welt: Capital social ist jenseits des Rheins Bestandteil eines breiten öffentlichen Diskurses über wachsende soziale Ungleichheiten und Deklassierungen, die den sozialen Zusammenhalt moderner Gesellschaften massiv gefährdeten.
Hintergrund dieses Diskurses bildet die mittlerweile klassische Gesellschaftstheorie von Bourdieu, die längst zur "culture générale" im französischen Bildungssystem gehört. Bourdieus Thema sind die Mechanismen der Erzeugung und Erhaltung gesellschaftlicher Strukturen durch das Handeln der Menschen in der alltäglichen sozialen Praxis.
Um diese Mechanismen zu analysieren, führt Bourdieu den Kapitalbegriff in unterschiedlichen Erscheinungsformen ein. Neben dem ökonomischen Kapital (Geld, Landbesitz etc.) und dem kulturellen Kapital (Diplome, Zeugnisse, kognitive Kompetenzen etc.) unterscheidet er das soziale Kapital. Letzteres entstehe durch ständige "Beziehungsarbeit" und umfasse all jene Ressourcen, die aus einem Netz dauerhafter Beziehungen, gegenseitigen Kennens und Anerkennens resultieren; "oder, anders ausgedrückt, es handelt sich dabei um Ressourcen, die auf der Zugehörigkeit zu einer Gruppe beruhen"
Bourdieu entwirft soziales Kapital also nicht wie Putnam als kollektives Gut von Gesellschaften, sondern als individuelle Ressource.
In zweifacher Hinsicht, so Bourdieu, bestehe aber prinzipielle Gleichwertigkeit zwischen den drei Kapitalsorten: Zum einen dienten sie alle dazu, die soziale Position des Einzelnen in der Hierarchie der gesellschaftlichen Klassen zu erhalten oder zu verbessern. Zum anderen ließen sich die Kapitalsorten ineinander umwandeln. So könne z. B. das erworbene Bildungskapital in Berufspositionen und damit in ökonomisches Kapital umgewandelt werden. Ökonomisches Kapital ließe sich wiederum in Geld umtauschen oder in Eigentumsrechten festschreiben. Darüber hinaus könne es die beiden anderen Kapitalsorten verstärken, etwa das soziale Kapital, da derjenige, der das notwendige Geld besitze, auch über ein umfangreiches Beziehungsnetz verfüge. Kurzum: Bourdieu versucht "die Gesetze zu bestimmen, nach denen die verschiedenen Arten von Kapital (oder, was auf dasselbe herauskommt, die verschiedenen Arten von Macht) gegenseitig ineinander transformiert werden"
Exemplarisch dafür stehen Bourdieus Arbeiten über die Eliten Frankreichs, die über informelle und fest etablierte Assoziationen verfügen wie die Eliten in keinem anderen Land der westlichen Welt.
Das soziale Kapital einer solchen Elite manifestiert sich nicht nur in Förderungs- und Solidaritätsverpflichtungen oder im abgestimmten Ausschluss Gruppenfremder. Es trägt auch dazu bei, Transaktionskosten in Staat und Wirtschaft zu senken. Denn innerhalb des Eliten-Netzwerks erzeugt es Vertrauen, das unabhängig von der jeweils bekleideten Spitzenposition als Loyalitätsgarantie dient. Außerhalb des begünstigten Netzwerks kann dieses soziale Kapital aber auch Misstrauen erzeugen; denn die Grenze sozialen Kapitals wird durch normative Regeln und den öffentlichen Diskurs gezogen, der in Gefälligkeitsbanknoten, Vetternwirtschaft oder Seilschaften eine Verletzung universaler Normen sieht, die schlimmstenfalls in Korruption endet.
Ganz in diesem Sinne haben Erwin und Ute Scheuch mit ihrer Analyse des wieder hochaktuellen "Kölner Klüngels" den Eliten in Deutschland ein Denkmal gesetzt
IV. Putnam und Bourdieu - die politische Wirkung zweier Konzepte
Mit einer Definition, die soziales Kapital als wohlfahrtssteigernde soziale und moralische Kompetenz der Gesellschaft begreift, verliert man soziale Ungleichheiten, zu denen soziales Kapital als individuelle Ressource immer beiträgt, leicht aus den Augen. Insofern ist es auch wenig überraschend, dass sich der von Putnams Arbeiten inspirierte politische Diskurs bislang kaum von Problemen der sozialen Ungleichheit provozieren ließ. Mehr noch: Dieser Diskurs hat eine Weltversion erzeugt, der - wie US-amerikanische Sozialwissenschaftler zuletzt mehrfach kritisierten - selbst eine "elitäre Sichtweise" von der sozialen Welt eingeschrieben ist.
Denn für "The strange disappearance of civic America"
Wenig beachtet wurde bislang hingegen jener gesellschaftsstrukturelle Wandel in politischer, ökonomischer und technologischer Hinsicht, der in den letzten Jahrzehnten gerade für die wirtschaftliche Erfolgsstory der USA so bedeutsam war: die Verkündung des Marktes und des Minimalstaates als einzig legitime und lebensfähige Zukunft. Die neokonservative Wende in den USA, die den Menschen massive Veränderungen in ihren Arbeits- und Lebensweisen sowie Vergemeinschaftungsformen zumutete, wurde aber gerade nicht vom einfachen Bürger, sondern von Eliten in Wirtschaft, Politik, Administration und auch Wissenschaft forciert. Dass diese Zusammenhänge in dem an Putnams Arbeiten sich orientierenden politischen Diskurs bisher kaum diskutiert wurden, bezeichnet ein fundamentales Wirklichkeitsdefizit.
Diesem Defizit hat Jean Cohen unlängst eine explizit politische Stoßrichtung verliehen.
Genau diese Ungleichheiten, die aus dem Wandel gesellschaftsstruktureller Rahmenbedingungen re-sultieren, hat Bourdieu immer wieder ins Zentrum seiner wissenschaftlichen Arbeiten und zuletzt vor allem seines politischen Engagements gestellt. Exemplarisch dafür ist seine Untersuchung über "Das Elend der Welt", in der es nicht nur um eine Kritik an den ökonomischen Ungleichheiten zwischen "Modernisierungsgewinnern" und "Mo-dernisierungsverlierern" geht.
Diese Studie, die zum Bestseller in Frankreich avancierte, hat ihren politischen Sprengstoff vor allem darin, dass die Lebensgeschichte jedes Befragten "die Kluft zwischen Sorgen und Nöten des Volkes und dem hiervon völlig abgehobenen und dadurch zynischen Diskurs der Volksvertreter in ihrem ganzen, unüberbrückbar und unversöhnlich wirkenden Ausmaß zu Bewusstsein bringt und dadurch in eine offene gesellschaftliche Wunde unserer Zeit stößt"
Insofern ist diese Studie auch eine fundamentale Kritik an jenen gesellschaftlichen Gruppen, auf die sich Bourdieu seit seinen Studien der sechziger Jahre besonders konzentrierte: die Eliten, die für ihn den eigentlichen Schauplatz der sozialen und symbolischen Auseinandersetzungen darstellen. Denn bei der heutigen Verfassung der Gesellschaftsordnungen läge es prinzipiell in ihren Händen, wirtschaftliche Leistungsfähigkeit mit Verteilungsgerechtigkeit zu verbinden und in eine Kultur innen- und außenpolitischer Konfliktführung zu integrieren. Stattdessen ginge man aber, so Bourdieu, sukzessive "von einer staatlichen Politik, die auf eine Beeinflussung der Verteilungsstrukturen aus ist, zu einer Politik über, die nur noch eine Korrektur der Auswirkungen der ungleichen Ressourcenverteilung an ökonomischem und kulturellem Kapital zum Ziel hat, das heißt eine Staatswohltätigkeit für die würdigen Armen (deserving poors) wie zu den guten alten Zeiten religiöser Philanthropie"
V. Soziales Kapital, soziale Ungleichheiten und die Perspektiven gesellschaftlichen Zusammenhalts
Es ist vor allem den empirischen Studien einer Forschergruppe um Michael Vester zu verdanken, dass auch in Deutschland eine profunde Diskussion über die Perspektiven gesellschaftlichen Zusammenhalts geführt werden kann, ohne dabei ausschließlich in die Rhetorik von einem ungezügelten egoistischen Hyperindividualismus verfallen zu müssen, aus dem sich bislang die Sorge vor der "Auflösung des Sozialen" speist.
Die umfangreichen, an Bourdieus Gesellschaftstheorie angelehnten Studien dieser Gruppe machen zweierlei deutlich: Erstens widerlegen sie auf empirischer Basis die mittlerweile zum Common sense gehörenden Gegenwartsdiagnosen, dass sich die sozialen Milieus in Deutschland vollends aufgelöst hätten. Im Gegenteil: Gerade aufgrund ihrer Anpassungsfähigkeit an den sozialen Wandel erweisen sich die Klassenkulturen in der alltäglichen Lebenswelt offenbar als sehr stabil. Auffällig ist vor allem der Zusammenhang zwischen dem Gesellungsverhalten der verschiedenen Milieus in ihrem lebensweltlichen Umfeld - in Vereinen, mit Verwandten oder Freunden wie auch in Abgrenzung gegenüber anderen - und ihren gesellschaftspolitischen Grundeinstellungen. Ein bedrohliches Bild wird dabei für den wachsenden Teil der Modernisierungsverlierer gezeichnet, die sich vom rasanten sozialen Wandel überrollt fühlten und starke Ressentiments gegenüber allem Modernen, der "großen Politik" und nicht zuletzt gegenüber Ausländern hegten. Vor allem die jüngeren Modernisierungsverlierer ließen ihren ressentimentgeleiteten Aggressionen zunehmend freien Lauf und sympathisierten mit rechtsextremistischen Ideologien.
Zweitens - und damit eng verbunden - weisen die Ergebnisse darauf hin, dass die Hegemonien der Parteien in ihren "klassischen" gesellschaftspolitischen Lagern erodieren. Insofern "haben wir auch heute keine Krise der Milieus (als Folge des Wertewandels), sondern eine Krise der politischen Repräsentation (als Folge einer zunehmenden Distanz zwischen Eliten und Milieus)"
Folgt man den Ergebnissen dieser Studie, dann erhält der Diskurs über den sozialen Zusammenhalt der deutschen Gesellschaft eine andere Stoßrichtung. Denn neben der gängigen Annahme, dass "in der Hitze von Individualisierungsprozessen das Soziale, der Konsens verdampft "
Es werde ersichtlich, konstatiert Bourdieu vor diesem Hintergrund, dass der Rückzug des Staates unerwartete Wirkungen verursacht habe - Wirkungen, die zwar niemals beabsichtigt gewesen seien, die aber das Zusammenspiel der demokratischen Institutionen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt fundamental bedrohten.
Es bleibt zu hoffen, dass der in Deutschland so einflussreiche Sozialkapitaldiskurs à la Putnam das Problem der wachsenden sozialen Ungleichheiten zukünftig intensiver aufgreift und auf die Frage nach den Perspektiven des gesellschaftlichen Zusammenhalts bezieht. Vielleicht ist ja Putnams Resümee in einer unlängst vorgelegten internationalen Vergleichsstudie ein Anlass dafür. Zumindest heißt es dort, dass "die Besorgnis über die Ungleichheiten - vor allem über wachsende Ungleichheiten im Bereich des Sozialkapitals - . . . den vielleicht wichtigsten roten Faden der Länderstudien" darstelle und deshalb der "Verteilung von Sozialkapital mehr Aufmerksamkeit" geschenkt werden müsse.
Internet-Links:
http://www.zeg.org
http://www.soz.uni-hannover.de/agis/
www.worlbank.org/poverty/scapital/