In der englischsprachigen Welt gewann der Begriff "Postfeminismus" in den 1990er Jahren an Bedeutung – als eine Möglichkeit, Widersprüche und Ungereimtheiten in der Darstellung von Frauen verständlich zu machen. In der Medienkultur dieser Zeit wurden "Frauenpower" und weiblicher Erfolg zelebriert, gleichzeitig wurden Frauen, die in der Öffentlichkeit standen, intensiv und ablehnend begutachtet. Forderungen nach der Gleichstellung der Geschlechter standen einer wachsenden Frauenfeindlichkeit aus den Reihen der sogenannten Lad Culture gegenüber, wie die in den 1990er Jahren mit dem Britpop aufgekommene britische Jugendkultur bezeichnet wird. Äußerungen, der Feminismus habe sich erübrigt, gingen einher mit einem verstärkten Interesse am Geschlechterunterschied, wobei jedwede noch vorhandene Ungleichheit als Resultat naturgegebener Unterschiede und/oder einer freien Entscheidung von Frauen dargestellt wurde. Die vermeintliche Gewissheit früherer Zeiten lag in Trümmern; in dieser Phase existierte keine singuläre Vorgabe normativer Weiblichkeit, und ein ausgeprägter Sinn für weibliche Autonomie, Handlungsmacht und Wahlmöglichkeiten durchdrang die Mediendiskurse.
Als Mittel der Intervention in diesem mehrdeutigen Kontext wurde "Postfeminismus" zum Schlüsselbegriff im feministischen Sprachgebrauch. In diesem Beitrag formuliere ich eine kritische Einführung des Begriffs und untersuche die langfristige Zweckmäßigkeit des Begriffs der "postfeministischen Sensibilität" in einer Zeit, in der wir sowohl einen Anstieg feministischer Aktivitäten und feministischer Sichtbarkeit erleben als auch einen ernüchternden Anstieg von Antifeminismus und Frauenfeindlichkeit. Meine Frage lautet: Inwieweit hilft der Begriff "Postfeminismus" heutigen Sozial- und Kulturanalytikerinnen, diese gegenläufigen Tendenzen zu verstehen?
Postfeminismus definieren
Eine der Herausforderungen bei der Untersuchung von Postfeminismus liegt darin, dass der Begriff sehr unterschiedlich verwendet wird – und häufig undefiniert bleibt. Seit der ersten Erwähnung in den 1980er Jahren existieren drei grundlegende Perspektiven.
Im Rahmen der ersten Perspektive wurde Postfeminismus zuweilen als eine neue theoretische Wende innerhalb des Feminismus verstanden, nämlich als epistemologischer Bruch, der von "der Überschneidung des Feminismus mit anderen antifundamentalistischen Bewegungen herrührte, etwa der Postmoderne, dem Poststrukturalismus und dem Postkolonialismus".
Daneben und im Einklang damit stand die von Postmoderne und Poststrukturalismus gestellte kritische Aufgabe, zu hinterfragen, inwiefern sich feministische Theorie auf Metaerzählungen und totalisierende Konzepte (etwa "Patriarchat") stützte. Der Soziologin Anna Yeatman zufolge bedeutet Postfeminismus bei einer Verwendung des Begriffs in diesem Sinne das "Erwachsenwerden" des Feminismus: imstande zu sein, Unterschiede zu tolerieren und über seine Verortung in Bezug auf andere intellektuelle und politische Bewegungen zu reflektieren.
Vertreterinnen einer zweiten These betrachteten Postfeminismus als eine historische Schwerpunktverlagerung innerhalb des Feminismus beziehungsweise als Teil seines kontinuierlichen Wandels. Eine solche Sichtweise stützt sich auf den Ansatz, Feminismus zu periodisieren – für gewöhnlich mittels Jahrzehnten oder Wellen; Postfeminismus gilt als eine Phase nach dem Höhepunkt der zweiten Welle des Feminismus. Insofern liegt hier ein Fokus auf einem Generationenwechsel, tritt der Postfeminismus doch gegen einen "älteren" Feminismus an und bietet sich als "mädchenhafte", "sexy" Form des Feminismus und mit Sicherheit als ein "Update" an.
Wie ich an anderer Stelle ausgeführt habe,
Eine dritte Verwendung des Begriffs "Postfeminismus" bezieht sich auf Diskurse, die Teil einer antifeministischen Gegenreaktion (Backlash) darstellen. Das Buch der Journalistin Susan Faludi zum Backlash gegen den Feminismus machte die These einer Gegenreaktion populär. Wie Faludi aufzeigt,
Der wiederauflebende Sexismus in Medien und Populärkultur nach der zweiten Welle des Feminismus und als Reaktion auf diese ist vielfach analysiert worden;
Postfeminismus als Sensibilität
Genau dieses "Verwobensein" ist es, das dem gegenwärtigen Gender-Regime seine kulturelle Kraft und ein mächtiges Schutzschild gegenüber Kritik verleiht. Dieser Gedanke ist Kern von Theorien zu einer postfeministischen Sensibilität.
Die Ansicht zu vertreten, Postfeminismus sei eine Sensibilität, bedeutet, Postfeminismus als einen Gegenstand der Analyse zu verorten, nicht als ein deskriptives Konzept, eine historische oder gar theoretische Perspektive. Es bedeutet, sich als kritische Analytikerin des Postfeminismus zu bezeichnen und nicht als postfeministische Analytikerin. Dies ist eine entscheidende Schwerpunktverlagerung; es gilt, das Augenmerk auf Postfeminismus als sich verbreitende Ideen, Bilder, Meme und sogar als Gefühlsstruktur zu richten. Diesbezügliche Arbeiten, vor allem in den Bereichen Medien- und Kulturwissenschaften, haben umfangreiche empirische Forschungsarbeiten und kritische Reflexionen über jene Ideen und Diskurse hervorgebracht, die die vorherrschende Geschlechterlandschaft in der zeitgenössischen Kultur prägen.
Eine wachsende Zahl von Schriften umreißt eine Reihe relativ stabiler Konturen beziehungsweise Merkmale einer postfeministischen Sensibilität in unterschiedlichen Kontexten. Zunächst einmal ist da die alles überragende Betonung des Körpers , zum einen als Ort der Weiblichkeit, zum anderen als entscheidender Punkt des Wertes von Frauen.
Ein weiteres viel diskutiertes Merkmal postfeministischer Medienkultur ist die verstärkte Überwachung von Frauen. Diese zeigt sich bei vielerlei Gelegenheiten – etwa am beispiellosen Niveau peinlich genauer Begutachtung und feindseliger Beurteilung, die dem Körper von Prominenten in sämtlichen Medien zuteil wird, und an der frappierenden kommerziellen Kolonialisierung von Frauenkörpern in der Werbung. Hinzu kommt in jüngerer Zeit die explosionsartige Verbreitung von Apps, die darauf ausgelegt sind, komplette Lebensbereiche von Frauen zu erfassen, zu überwachen und auszuwerten.
Interpretationen geschlechtsspezifischer Subjektivitäten und Verhältnisse wandeln sich, und Postfeminismus ist, weiter gefasst, an der Entstehung einer Reihe charakteristischer "neuer Weiblichkeiten" beteiligt.
In der postfeministischen Medienkultur hingegen stellen wir eine auffällige Verlagerung von diesen "traditionellen" Formen der Verobjektivierung auf die Definition von Frauen als aktive, selbstbewusste, begehrende Sexualsubjekte fest. Möglicherweise handelt es sich hier schlichtweg um eine Objektivierung in einer neuen Form, doch ist diese Verlagerung nichtsdestotrotz signifikant. Anstelle der Vorstellung, der Wert von Frauen auf dem heterosexuellen Markt (und darüber hinaus) bemesse sich an ihrer Unschuld und ihren jungfräulichen Eigenschaften, ist eine Betonung von sexueller Kenntnis, Erfahrung und Geschicklichkeit getreten, da derlei für die Operationalisierung "sexueller Techniken" vonnöten sei.
Das eingeforderte "Unternehmertum" beschränkt sich nicht auf "Sexy-Sein" oder die Arbeit an der Aufwertung des Körpers oder seiner Vermarktung. Diese Beispiele sind Belege für einen wesentlich umfassenderen Trend zu einem unternehmerischen Selbst, das eng mit dem Neoliberalismus verbunden ist. Dieser ist gekennzeichnet durch Aufforderungen, am eigenen Ich zu arbeiten, es zu disziplinieren, zu verbessern und zu optimieren. In Kulturen, die von einer postfeministischen Sensibilität gekennzeichnet sind, stehen Vorstellungen von individueller Entscheidungsfreiheit und Handlungsmacht im Rampenlicht und werden ständig zitiert. Zu den tief greifenden Konsequenzen zählt die Implikation, Frauen unterlägen keinerlei sozialen Ungerechtigkeiten oder Herrschaftsverhältnissen mehr, die sie behindern könnten: Ihr Leben, so versichert man uns, sei einzig und allein das Ergebnis ihrer eigenen Entscheidungen. Sowohl in der postfeministischen Sensibilität als auch allgemein in vom Neoliberalismus gekennzeichneten Kulturen sind Redeweisen, mit denen Strukturen und Kultur zur Sprache gebracht werden, bedeutungslos geworden. Verbliebene Machtunterschiede zwischen Frauen und Männern werden allesamt als Resultat individueller Entscheidungen verstanden, nicht als das von kulturellen Kräften oder ungerechten soziopolitischen Systemen. Ungleichheiten werden zunehmend "unaussprechlich",
Klar ist zudem, dass Postfeminismus ein psychisches Leben hat und auch ein ausgeprägtes affektives, auf Gefühle bezogenes Leben, ähnlich dem des Neoliberalismus,
In neueren Arbeiten wurden einige andere Merkmale der Gefühlslandschaft des Postfeminismus untersucht: "falscher Trotz",
Feminismus, Antifeminismus und Frauenfeindlichkeit
Diese kurze Darstellung gewährt Einblick in die groben Konturen des Postfeminismus, eine Sensibilität, die immer hegemonialer wird. Im Vergleich mit einem Jahrzehnt zuvor hat der Postfeminismus seine Rolle in der zeitgenössischen Kultur gefestigt; heute fällt es schwerer, seine Grenzen oder Konturen auszumachen, und es ist auch schwieriger, ihn als ein neuartiges und charakteristisches Gebilde zu erkennen. Er ist das "neue Normale" geworden, ein weithin als selbstverständlich erachteter Common Sense, der als geschlechtsspezifische Iteration des Neoliberalismus fungiert. Nichtsdestotrotz koexistiert Postfeminismus mit (mindestens) zwei weiteren einflussreichen zeitgenössischen Diskursen zu Gender, nämlich Feminismus und Frauenfeindlichkeit.
In den vergangenen Jahren hat Feminismus ein extrem hohes Maß an Aufmerksamkeit erlangt. Feministische Bücher führen die Bestsellerlisten an, Hochglanzmagazine lancieren "Feminismusthemen". Musikerinnen, Models und andere Prominente betonen mit Stolz ihre feministische Identität, und Storys über ungleiche Bezahlung oder sexuelle Belästigung sind zum Stoff für Schlagzeilen und Nachrichtensendungen in der Hauptsendezeit geworden. Zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Textes vergeht kaum ein Tag, ohne dass ein neuer Skandal aufkommt, und mit ihrem Protest erobern Frauen die Straßen zurück und nutzen das Internet, um Fälle publik zu machen, ihr Schweigen zu brechen und Solidarität zu üben. Feminismus ist "angesagt", "cool" und hat eine "neue Sichtbarkeit" erlangt.
Mitunter wird die Ansicht vertreten, die dem Feminismus zugestandene neue kulturelle Bedeutung hieße, wir sollten "Postfeminismus" radikal überdenken, den Begriff womöglich sogar aus unserem kritischen Wortschatz streichen.
Die neue Sichtbarkeit von (einigen Formen des) Feminismus wirft eine Reihe komplexer Fragen darüber auf, inwieweit Postfeminismus in Relation zu Feminismus definiert ist – oder definiert werden sollte. Meiner Ansicht nach muss die durch die Vorsilbe "Post" implizierte historische Linearität hinterfragt werden; Postfeminismus ist ebenso eine neoliberale Sensibilität wie eine durch das Verhältnis zum Feminismus definierte. Auffällig ist die Dynamik und Anpassungsfähigkeit der Sensibilität, ihre Fähigkeit, sich in Bezug auf neue Ideen zu verändern und zu mutieren. Dies zeigt sich anschaulich daran, dass postfeministische Logik gegenwärtig über das Zelebrieren (einer bestimmten Form) des Feminismus funktioniert und nicht, wie es zuvor der Fall war, über seine Ablehnung.
Tatsächlich haftet dem gegenwärtigen Zelebrieren des Feminismus, das in der Medienkultur die Runde macht, häufig ein ausgeprägter postfeministischer und neoliberaler Tenor an.
Erschreckenderweise sind bösartige Attacken und Drohungen von Vergewaltigung, Folter und sexualisiertem Mord ein allzu präsenter Bestandteil im Alltag für viele – vielleicht die meisten – Frauen im öffentlichen Leben geworden, ob Journalistinnen, Akademikerinnen, Aktivistinnen, Prominente oder Politikerinnen. Jess Phillips, eine für ihre fortschrittliche Gender-Politik bekannte Unterhausabgeordnete der Labour-Party, erhob 2017 ihre Stimme, nachdem sie an einem einzigen Tag 600 Vergewaltigungs- und Todesdrohungen erhalten hatte. Diese Form brutaler und bösartiger antifeministischer Frauenfeindlichkeit hat eindeutig verheerende Auswirkung auf die Individuen, die ihr ausgesetzt sind. Doch darüber hinaus wirkt sie auch auf viele andere einschüchternd, bringt sie zum Schweigen und hat zerstörerische Wirkung auf das öffentliche Leben. Die Kommunikationswissenschaftlerin Sarah Banet-Weiser formuliert es in ihrem neuen Buch wie folgt: "Wenn US-Präsident Donald Trump Frauen in der Politik und den Medien ganz selbstverständlich mit frauenfeindlichen und rassistischen Beleidigungen angreifen und sogar beiläufig andeuten kann, Frauen ‚zwischen die Beine zu greifen‘, und dies dann ebenso beiläufig als ‚Geschwätz in der Umkleidekabine‘ abtut; wenn zahlreiche junge Frauen nach dem Posten von Videos in sozialen Medien mit hasserfüllten und brutalen Kommentaren rechnen müssen, die sie beschämen und ihren Körper beurteilen, wenn ‚Rape Culture‘ als gemeinsames Merkmal der meisten College-Campus in den Vereinigten Staaten genannt wird, dann hat sich Frauenfeindlichkeit von fragwürdigen Ausdrucksformen und Praktiken hin zu einem strukturierenden, oft unsichtbaren Kontext für unser alltägliches Leben und unsere tägliche Routine verändert."
Fazit
Postfeminismus ist einer der strukturierenden Kontexte für das Leben von Frauen im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts. Er besitzt eine kulturelle Kraft, aber auch ein affektives und psychisches Leben, das eine zunehmend individuelle und neoliberale Subjektivität prägt. Postfeminismus existiert als in wachsendem Maße hegemonialer Common Sense, koexistiert aber mit anderen in Bezug auf Gender kursierenden Ansätzen und reagiert in mancher Hinsicht auf sie. Ich habe versucht darzulegen, dass das zeitgenössische kulturelle Feld sich aus feministischen, postfeministischen und antifeministischen Ideen zusammensetzt und diese in einem Zusammenspiel von dynamischer Spannung zirkulieren und koexistieren. Statt Postfeminismus als theoretische Perspektive, historische Epoche oder (nur) als Gegenreaktion zu betrachten, halte ich es für zielführend, ihn als eine zeitgenössische Sensibilität zu betrachten, die mit anderen koexistiert.
Indem wir gegenüber dem Postfeminismus als Studienobjekt eine kritische Haltung einnehmen, begreifen wir, inwiefern er sich feministische und antifeministische Ideen sowohl aneignet als auch ablehnt. Es ist daher unerlässlich, dass wir den Aufstieg des populären Feminismus zusammen mit der sich rasch verschärfenden Frauenfeindlichkeit und der andauernden kulturellen Kraft des Neoliberalismus betrachten. Von entscheidender Bedeutung ist es zudem, dass wir Konzepte von Postfeminismus erarbeiten, die sowohl Kontinuität als auch Veränderung theoretisch untermauern können und Wandel nicht bloß in Hinsicht auf simple Verlagerung begreifen – als ob das Aufkommen einer Idee eine andere automatisch in den Hintergrund rücken würde.
Übersetzung aus dem Englischen: Peter Beyer, Bonn.