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Keine Lösung durch Gewalt | Gewalt und Gegengewalt im "Heiligen Land" | bpb.de

Gewalt und Gegengewalt im "Heiligen Land" Editorial Endlos nach der "Endlösung": Deutsche und Juden Keine Lösung durch Gewalt Der Osloer Friedensprozess als ein Weg zum Frieden? Eine Mauer wird errichtet Das besetzte Palästina zwischen Macht und Gerechtigkeit

Keine Lösung durch Gewalt

Avi Primor

/ 22 Minuten zu lesen

Die israelischen Angebote für einen Palästinenserstaat wurden vor fast zwei Jahren mit Gewalt beantwortet. Und die Serie von Attentaten scheint nicht abzureißen.

I. Abschnitt

Selbst in einer Diktatur übt die öffentliche Meinung einen gewissen Druck auf die Regierenden aus. In einer Demokratie aber ist die Regierung vollkommen von der Meinung der Bevölkerung abhängig, wobei sie natürlich mit allen Mitteln, gelegentlich auch mit fraglichen Mitteln, versucht, diese Meinung zu beeinflussen. Dennoch ist sie von der Bevölkerung abhängig und tut oft Dinge, die sie zwar nicht für richtig hält, die sie aber tut, um sich der öffentlichen Meinung zu beugen. Der Unterschied zwischen einem Staatsmann und einem Politiker liege darin, sagte David Ben-Gurion, dass der Staatsmann an die nächste Generation denkt, während der Politiker nur die nächste Wahl im Auge hat. Nun waren aber im Laufe der Geschichte - und sind auch heute - Staatsmänner nur sehr selten zu finden. Der Politiker in einer Demokratie, der an die nächsten Wahlen denkt, ist demgegenüber die häufig anzutreffende Erscheinung.

Heutzutage ist das beste und wichtigste Beispiel dafür US-Präsident Bush, der in seiner letzten Rede alles darangesetzt hat, die arabischen Alliierten der Vereinigten Staaten nicht zu verletzen, vor allem aber seine eigenen Wähler, und besonders den rechten Flügel der republikanischen Partei, nicht zu brüskieren. Der Präsident steht vor Teilparlamentswahlen im kommenden November. Sollte er bei diesen Wahlen für seine Partei nicht die Mehrheit im Parlament gewährleisten können, wird er nicht nur beim Regieren behindert werden, sondern auch als "gelähmter" Präsident im Jahr 2004 die größten Schwierigkeiten haben, wieder gewählt zu werden. Das Ergebnis dieser Konstellation ist bekannt: Die höchst ungeduldig erwartete Rede des Präsidenten zur Situation im Nahen Osten hat die meisten Zuhörer der Welt verblüfft oder frustiert, denn eines war klar - der Präsident hat keinen Operationsplan für den Nahen Osten vorgestellt. Wie aber geht es seitens der Amerikaner nun weiter, fragen sich alle. Die Antwort lautet: Wenn es keine außerordentlichen Vorkommnisse gibt, wie z. B. einen Krieg im Irak oder neue Terroranschläge gegen die Vereinigten Staaten, dann wird bis November nichts geschehen. Wenn überhaupt, könnte sich dann im Laufe des nächsten Jahres eine amerikanische Initiative abzeichnen. Aber auch diese würde nur von kurzfristiger Wirksamkeit sein, denn Ende 2003 beginnt für den Präsidenten bereits wieder ein Wahljahr. Also ist der Politiker Bush der typische Politiker, der an die nächsten Wahlen denkt und diesen alles unterordnet.

Die israelische Regierung - oder sollte ich sagen, die meisten israelischen Regierungen - verhalten sich nicht anders. Ben-Gurion war eine Ausnahme. Auch kann nicht jede Regierung wie Peres, als er Regierungschef war, behaupten, die Regierung sei wie ein Busfahrer, der seine Hände am Lenkrad halten müsse, die Augen auf die Straße gerichtet, um den Bus ans Ziel zu bringen. Er könne sich nicht leisten, dauernd zurückzublicken und sich darüber Gedanken zu machen, ob seine Passagiere glücklich seien. Seine Pflicht sei es, sie ans Ziel zu bringen. Wie wir wissen, waren die Passagiere tatsächlich unzufrieden, und sie haben den seltenen israelischen Staatsmann Shimon Peres gestürzt. So ist also alles von der öffentlichen Meinung in Amerika und in Israel abhängig. Die amerikanische führte zur Blockade. Die israelische hat Peres - wie auch Netanjahu, aber auch Barak - gestürzt.

II. Abschnitt

Was will also die israelische Öffentlichkeit? Grosso modo würde ich sie in drei Teile aufteilen: Es gibt diejenigen, die traditionell einen Frieden anstreben, für den sie bereit sind, Zugeständnisse hinzunehmen und sogar Opfer zu bringen, und all dies aus Überzeugung. Ich schätze diesen Anteil der Bevölkerung auf etwa 40 Prozent. Traditionell sind oder waren dies die Wähler der Arbeitspartei und der noch gemäßigteren Meretzpartei. Auf der anderen Seite der Skala stehen diejenigen, die unter keinen Umständen Kompromisse akzeptieren werden. Es geht hier um Menschen, die ideologisch sehr hoch motiviert sind; die davon überzeugt sind, dass es beim Ringen im Nahen Osten letztlich um unser Vaterland geht. Die Gebiete, die die Welt als besetzte oder palästinensische Gebiete betrachtet - also die umstrittenen Gebiete -, sind für diese Leute das biblische Kernland des jüdischen Volkes, das nicht nur aus historischen Gründen uns gehört, sondern die enge Verbundenheit des Volkes mit diesen Gebieten ist eine göttliche Verheißung, auf die zu verzichten wir kein Recht haben. Für das Vaterland tötet man, für das Vaterland stirbt man - so hieß es auch in Europa in nicht allzu weit zurückliegenden Zeiten. Auf das Vaterland, das Gott uns vererbt hat, verzichtet man unter keinen Umständen. Ich schätze diesen Anteil der Bevölkerung, der für seine Überzeugungen bereit wäre, einen Bürgerkrieg zu entfesseln, auf etwa 20 Prozent.

Die übrigen 40 Prozent sind also die entscheidenden. Stehen sie hinter den 40 Prozent der Gemäßigten dann schaffen sie für Zugeständnisse eine Masse von 80 Prozent, gegen die keiner Widerstand leisten kann. Das war der Fall, als wir in den späten siebziger Jahren mit Ägypten verhandelt hatten, wie es auch der Fall war, als wir 1994 den Frieden mit Jordanien geschlossen haben. Stehen diese 40 Prozent aber nicht hinter den Gemäßigten bzw. unterstützen sie die Extremisten, dann kommt der Friedensprozess nicht voran, dann kann er sogar auch scheitern. Das ist allerdings zumindest ab und zu der Fall im Laufe des Friedensprozesses mit den Palästinensern seit Unterzeichnung der Oslo-Verträge im Jahr 1993. Wer sind also diese übrigen 40 Prozent, und warum pendeln sie von einer Seite zur anderen? Das sind Menschen, die im Grunde genommen weder von der einen noch von der anderen politischen Überzeugung motiviert sind. Die meisten sind Likud-Wähler, die im Gegensatz zu den Likud-Politikern keine ausgeprägten ideologischen Motive haben. Was diese Leute wirklich bewegt, ist die Frage der Sicherheit. Frieden wollen sie haben, einen Frieden, der ihnen vor allem Ruhe und Sicherheit gewährleistet. Nachdem sie von dem ägyptischen Präsidenten Sadat und von dem jordanischen König Hussein überzeugt worden waren, dass diese Gesprächspartner uns nicht nur einen theoretischen Frieden anboten, sondern eine ganz sachliche und glaubwürdige Sicherheit, schwenkten sie damals auf die Seite der Gemäßigten.

Als im Jahr 1993 die Regierung Rabin-Peres vollkommen überraschend und ohne jegliche Vorbereitung der Bevölkerung verkündete, dass sie im Geheimen einen Vertrag mit den verhassten "ewigen Terroristen und Mördern", der PLO-Führung, unterzeichnet habe, die sie auch als Vertreter der Palästinenser anerkannt hatte, war die Bevölkerung - der 40-prozentige, nicht motivierte Anteil eingeschlossen - erstaunlich ruhig geblieben. Dieser Teil der Bevölkerung wollte zunächst beobachten und abwarten: Bringt uns der Friedensprozess mit der PLO Sicherheit, dann unterstützen wir ihn - obwohl dies bedeuten würde, dass wir zum ersten Mal auf Hauptteile des historischen biblischen Kernlandes des jüdischen Volkes auf ewig zu verzichten gezwungen sein würden. Die Erfahrung hat uns gelehrt, dass - anders als mit Ägypten und Jordanien - der Friedensprozess mit den Palästinensern kein Ende des Terrors mit sich gebracht hat. Dies ist besonders klar geworden, als Shimon Peres 1995 nach der Ermordung Rabins wieder an die Spitze der Macht gekommen war. Dieser Bannerträger der "Tauben" in der Arbeitspartei gewährte den Palästinensern die besten Chancen, die sie seitens einer israelischen Regierung jemals hatten. Erstaunlicherweise hatten wir ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt unter einer Welle blutigster Terroranschläge in den Großstädten Tel Aviv und Jerusalem zu leiden.

Die verunsicherte Bevölkerung, die im Grunde genommen den Friedensprozess unterstützt hat, stellte sich nun die Frage, ob wir den richtigen Friedensprozess vor uns hatten. Ein Friedensprozess ohne Sicherheit bedeutet für die Mehrheit der Israelis pure Heuchelei. Und so haben sie, besonders die "mittleren" 40 Prozent, Netanjahu an die Macht gebracht, der - weil er wusste, dass die israelische Bevölkerung im Grunde genommen den Frieden anstrebt - ihr einen Frieden, aber einen Frieden mit Sicherheit versprach. Den ihm verhassten Oslo-Prozess fortzusetzen versprach er ebenfalls, aber ohne die Sicherheit zu vernachlässigen, wie es Peres, so sein Vorwurf, getan habe.

Nach dem Scheitern Netanjahus schwenkte die Bevölkerung wieder auf die Seite der Gemäßigten. Mit großer Mehrheit wurde der Spitzenkandidat der Arbeitspartei, Ehud Barak, gewählt, obwohl er ganz klar von der Notwendigkeit weitgehender Zugeständnisse sprach. Zunächst wollte Ehud Barak Frieden mit den Syrern schließen, da er davon ausging, dass die Schwierigkeiten mit Syrien weniger kompliziert seien als die mit den Palästinensern. Es würde genügen, dachte er, fast hundertprozentig auf die Golanhöhen zu verzichten, um den endgültigen Frieden mit Syrien zu erreichen. Und tatsächlich flog Präsident Clinton im April 2000 eigens nach Genf, um den damaligen syrischen Präsidenten Hafez el-Assad zu treffen, weil er Gründe hatte, davon auszugehen, dass Assad angesichts der sehr weitgehenden Zugeständnisse von Barak zu einem Friedensvertrag bereit sei. Das war nicht eine einfache Vermutung des amerikanischen Präsidenten, sondern gründete sich auf einer Botschaft, die er von dem syrischen Außenminister, der kurz zuvor nach Washington geflogen war, persönlich erhalten hatte. Der syrische Präsident hat dann in allerletzter Minute seine Meinung geändert. Im Nachhinein glauben die Kommentatoren, dass dem syrischen Präsidenten zu diesem Zeitpunkt klar geworden war, dass seine Tage gezählt seien, und dass er deshalb der Machtübergabe an seinen Sohn den Vorzug gegeben hat. Wahrscheinlich dachte er, dass er die beiden schwierigen Vorhaben - sowohl einen Frieden mit Israel zu schließen als auch gleichzeitig seinen Sohn als zukünftigen Machthaber zu etablieren - nicht gleichzeitig durchsetzen könne. Auf das erste Vorhaben hat er also unter den gegebenen Umständen verzichtet.

III. Abschnitt

Die Palästinenser, die sich wegen Baraks Bemühungen in Richtung der Syrer zunächst im Stich gelassen fühlten und frustiert waren, stellten nun fest, dass, sobald Barak mit Syrien in die Sackgasse geraten war und er deshalb auch ohne Verständigung mit den Syrern einseitig den Südlibanon evakuierte, er sich jetzt an sie wandte und mit aller Energie einen Friedensvertrag mit ihnen anstrebte. Für die israelische Bevölkerung wiederum waren die weitgehenden Zugeständnisse, die Barak den Syrern angeboten hatte, nicht einfach zu verdauen. Doch die Zugeständnisse, die er für die Palästinenser vorbereitet hatte, waren für einen Großteil der israelischen Bevölkerung noch schmerzhafter. Dennoch reagierte die Mehrheit der Israelis mit Gelassenheit und wollte die Fortsetzung von Baraks politischem Manöver beobachten, bevor sie dann darauf regieren würde.

Unumstritten ist, dass Barak in seinem Vorgehen überaus viele und grobe Fehler gemacht hat. Ein Buch, das heute in Israel besonders erfolgreich ist, beschreibt die Amtszeit Baraks unter dem Titel "Harakiri". Mit einem solchen Titel muss man das Buch eigentlich gar nicht mehr lesen. Die Fehler Baraks haben sich gegen alle gerichtet: gegen seine eigene Partei, gegen seine Koalitionspartner, sogar gegen seine persönlichen Freunde und Mitarbeiter und - warum auch nicht - gegen den palästinensischen Kontrahenten. Dennoch muss man feststellen, dass Barak eine klare Strategie hatte, dass er äußerst mutig war und sehr viele Risiken eingehen wollte, einschließlich des Bruchs hiesiger Tabus, um den Palästinensern sehr weitgehende und unerwartete Zugeständnisse zu unterbreiten. Die Palästinenser hingegen konzentrierten sich hauptsächlich auf das, was in Baraks Angebot fehlte, und auf sein unerträgliches Verhalten.

Anders als allgemein angenommen, scheiterten die Verhandlungen zwischen Barak und Arafat in Camp David im Juli 2000 nicht endgültig. Es gab noch weitere Verhandlungen in dem ägyptischen Ort Taba, und dies bis zum letzten Moment - bis zu den Wahlen im Februar 2001, die Barak verloren hat. Es gab nicht nur weitere Angebote und Zugeständnisse der israelischen Regierung. Es gab auch den Entwurf eines Friedensvertrags von Präsident Clinton, der weitgehender war als das, was Barak vorgeschlagen hatte. All dies haben die Palästinenser abgelehnt. Sie haben nicht nur die verschiedenen Angebote abgelehnt, sondern sie überdies mit Gewalt erwidert. Den Vorwand, den die Palästinenser gebrauchen, um die Israelis für die Intifada verantwortlich zu machen - der Besuch Sharons auf dem Tempelberg -, kann man nicht als wirklichen Grund für einen bereits zweijährigen blutigen Terrorkrieg benutzen. Im schlimmsten Fall war der Besuch auf dem Tempelberg ein Auslöser - und auch das kaum, da man hinterher noch monatelang in Taba verhandelt hat.

Wie gesagt, hat die israelische Seite viele Fehler gemacht. Dennoch versteht die israelische Bevölkerung nicht, wieso die weitgehendsten Angebote, die die Israelis den Palästinensern jemals gemacht haben, mit Krieg und Terror erwidert wurden. Man hätte höchstens verstehen können, dass die Palästinenser sich mit den israelischen und amerikanischen Angeboten nicht vollkommen zufrieden geben, dass sie sagen würden, sie wollten weiter verhandeln. Aber zu behaupten, dass sie nichts bekommen hätten, um dann mit Terror zu antworten, ist für die Israelis, selbst für die Gemäßigten, vollkommen unbegreiflich. Die meisten Israelis versuchen, sich diese bizarre Reaktion der Palästinenser zu erklären. Sie stellen fest, dass die Palästinenser zumeist nicht in den besetzten Gebieten Terror ausüben, nicht in den Siedlungen, sondern in den israelischen Städten, im Kernland Israels, gegen die Zivilbevölkerung. Die Schlussfolgerung lautet: Die Palästinenser streben nicht das Ende der Besetzung an, nicht einen Palästinenserstaat in den Gebieten, in denen sie leben, sondern wie in alten Zeiten die Vernichtung des Staates Israel. Und wenn das so ist, sagen die Israelis, bleibt uns nur eines übrig, und das ist, uns zu verteidigen. Erstaunlicherweise ist das nicht nur die Meinung der 20 Prozent Rechtsnationalisten, auch nicht nur des 40-prozentigen nichtideologischen Bevölkerungsanteils, der sich nur um die Sicherheit Sorgen macht, sondern heute ist das zum ersten Mal auch die Meinung der Mehrheit der 40 Prozent überzeugten Gemäßigten.

Wer sich die Meinungsumfragen zu diesem Thema in Israel anschaut, ist allerdings verwundert. Für den Ausländer sehen die Ergebnisse sehr widersprüchlich aus. Auf die Frage nach der Bereitschaft zu Zugeständnissen, zur Beendigung der Besetzung der palästinensischen Gebiete, zur Räumung von Siedlungen und zur Anerkennung eines Palästinenserstaats bekommt man 70 Prozent positive Antworten. Aber die nächste Frage: Unterstützen Sie Sharon und, ganz ausdrücklich, seine Politik, erhält sogar mehr als 70 Prozent Zustimmung. Wie ist so etwas zu erklären? Die Israelis sagen: Wir hätten Zugeständnisse hingenommen, wir hätten einen Palästinenserstaat anerkannt, Siedlungen geräumt usw., wenn wir einen glaubwürdigen Gesprächspartner gehabt hätten, wie wir ihn zu Zeiten der Verhandlungen mit Ägypten oder mit Jordanien hatten. Das ist nicht der Fall. Arafat hat unsere Angebote abgelehnt und mit Terror erwidert. Gab es vor zwei Jahren noch Israelis, die glaubten, dass Arafat persönlich kein Interesse an Terror habe, dass er nur die Extremisten nicht unter Kontrolle habe und dass das sein großer Fehler sei, so glaubt heute die Mehrheit der Israelis, dass Arafat und seine Organisation selbst hinter dem Terror stehen.

Was soll der durchschnittliche israelische Politiker unter diesen Umständen tun? Die Extremisten sind zufrieden, schließen sich einer Koalition mit der Arbeitspartei an, weil sie wissen, dass sich keiner im Regierungslager heute leisten kann, den Palästinensern Zugeständnisse anzubieten und auf Teile der historischen biblischen Heimat zu verzichten. In der Regierung befinden sich solche, die aus ideologischen Gründen auf das Westjordanland und auf den Gazastreifen nicht verzichten wollen, und andere, die nur sagen, dass wir uns heute keine gemäßigte Politik leisten können. Wir können auf Teile der Gebiete nicht verzichten, weil wir keinen Gesprächspartner haben, weil die Bevölkerung unter den heutigen Umständen so etwas nicht zulassen würde.

Diejenigen, die die Führung der Arbeitspartei dazu drängen, die Koalition zu verlassen, bleiben wirkungslos, weil die Parteiführung davon ausgeht, dass die meisten Wähler in der Koalition bleiben wollen, denn sie meinen, dass es keine Alternative zur heutigen Verteidigungspolitik gibt und dass in diesem Verteidigungskrieg gegen den Terror ein Auszug aus der Koalition einer Desertion gleichkäme. Insofern also gibt es einen Konsens von etwa 75 Prozent der Bevölkerung, die die heutige Koalition und die heutige Politik entweder aus Überzeugung oder aus Not unterstützen. Rund zehn Prozent der Bevölkerung glauben sogar, dass die Politik nicht hart genug ist, und der Rest sind dennoch Gemäßigte. Sind alle Politiker, die an dieser sehr großen Koalition teilnehmen, insofern zufrieden? Alle bestimmt nicht; sie gehen aber davon aus, dass sie vorerst keine Alternative haben.

IV. Abschnitt

Wohin soll das alles führen? Oft wird behauptet, die heutige israelische Regierung habe keinen Plan und keine Strategie. Zutreffend ist jedoch, dass die verschiedenen Gruppierungen und Personen innerhalb der Koalition ihre politischen Vorstellungen haben, wenn auch in einer widersprüchlichen Art und Weise. Da ist die Arbeitspartei, deren Plan einen Rückzug aus fast allen Gebieten, die Räumung eines Teiles der Siedlungen und die Anerkennung eines palästinensischen Staates beinhaltet. Wie gesagt, glauben aber die Arbeitsparteiminister in der Regierung, dass unter den heutigen Umständen dieser Plan vorübergehend auf Eis gelegt werden muss. Der Vorsitzende der Arbeitspartei, Verteidigungsminister Benjamin Ben-Eliezer, führt mit großen Aufwand und viel Werbung ein Projekt durch, dem die Zustimmung der meisten Israelis zuteil wird. Es geht um den Bau eines Zauns, der zwischen Israel und den palästinensischen Gebieten eine Trennung erzwingt. Die Gemäßigten sehen darin einen Meilenstein auf dem Weg zur Beendigung einer israelischen Anwesenheit in den palästinensischen Gebieten - eine Trennung, die, wenn auch nicht sofort, zweifellos zur Errichtung eines Palästinenserstaates führen wird.

Aus diesem Grund müssten eigentlich die Rechten einen solchen Zaun ablehnen, wenn sie immer noch davon ausgehen, dass diese Gebiete, oder ein Teil davon, auf ewig israelisches Besitztum bleiben sollten. Dennoch akzeptieren auch Leute dieser Überzeugung den Zaun. Wie der Verteidigungsminister selbst sagt, ist der Zaun keine Markierung einer politischen Grenze. Schließlich bleiben die Siedlungen im Westjordanland und im Gazastreifen hinter dem Zaun, ohne dass eine einzige im Rahmen des Zaunprojekts geräumt werden wird, und die israelische Armee wird sie nach wie vor vor Ort verteidigen. Also handelt es sich nur um ein technisches Mittel, um den Terroristen ihr Handwerk zu erschweren; es sollte aber weder die politische noch die militärische Situation in irgendeiner Weise ändern.

Andere in der Regierung glauben, dass man einen politischen Prozess schrittweise fortsetzen sollte, beginnend mit einem Palästinenserstaat, der in einem ersten Schritt nur über 42 Prozent des Territoriums herrschen und eingeschränkte Befugnisse genießen soll. Andere, wie z. B. die Rechtsextremisten, denken an eine Vertreibung der Palästinenserbevölkerung aus dem Westjordanland und aus dem Gazastreifen, und andere wiederum denken an eine ehemals südafrikanische Lösung. Damit wird nicht Apartheid gemeint, sondern eine "Homeland"-Lösung: Wir sollten das gesamte Westjordanland und den Gazastreifen behalten, und in den Großstädten und um sie herum soll eine Palästinenserbehörde herrschen, allerdings nicht die von Yasser Arafat. Diese Palästinenserstädte, von Israel umzingelt, würden dann "Palästinenserstaat" heißen, so dass Israel den größten Teil der Gebiete annektieren kann, ohne jedoch deren Bevölkerung die israelische Staatsbürgerschaft zu gewähren. Diese Palästinenser würden Staatsbürger eines zerstückelten, von Israel kontrollierten Palästinenserstaats sein.

Vorerst kann sich jede Gruppierung innerhalb der Koalition eine Lösung vorstellen, wie es ihrer Überzeugung entspricht. Es gibt ja ohnehin keine Verhandlungen. Die Bevölkerung drängt keinen Politiker zu einem politischen Prozess, und das Ausland, obwohl da viel analysiert wird, schon gar nicht. Heute heißt es, man muss den Terror bekämpfen und alles andere soll nur warten. Beobachter behaupten einstimmig, dass man sich in Israel wenig für das Leiden der Palästinenser interessiert, wenig für eine politische Lösung, wenig für die Zukunft. Wenn man sich die israelischen Zeitungen anschaut, liest man vor allem persönliche Horrorgeschichten von Terroropfern und deren Familien. Die Nachrichten in Radio und Fernsehen beginnen ständig mit Meldungen über die nächsten Beerdigungen und über den Zustand der Verletzten. Die Journalisten, die über die Tragödie und das Leiden der Palästinenser berichten, werden beschimpft, wenn nicht gar als Verräter verleumdet. Selbst für diejenigen, die mahnen, dass es ohne politische Perspektive keine Lösung des Terrorproblems gebe, hat die Bevölkerung wenig Verständnis. Angesichts der fortwährenden Terroranschläge haben die Leute keine Akzeptanz für anderes als die Terrorbekämpfung. Sogar die zunehmende Verschlechterung der Wirtschaftslage wird nur dem Feind und dem Terror zugeschrieben. Unter solchen Umständen bleibt den Behörden wenig Wahl, auch nicht jenen Politikern, die es sich anders gewünscht hätten.

Sollte das Ausland sich einmischen? Ja, das wünscht Arafat sich seit geraumer Zeit. Den verschiedenen Äußerungen Arafats darf man entnehmen, dass er in den letzten zwei, drei Jahren zu zwei Schlussfolgerungen gelangt ist, aus denen er allerdings falsche Konsequenzen gezogen hat: Er hat sich die Lage im Kosovo wie auch die im Südlibanon zum Vorbild genommen. Im Kosovo hat sich die internationale Gemeinschaft eingesetzt, um eine Lösung zu erzwingen. In Südlibanon haben sich die israelischen Truppen unter dem Druck der Hisbollah einseitig zurückgezogen. Arafat dachte, dass er daraus sowohl für das Westjordanland als auch für den Gazastreifen Schlüsse ziehen könnte. Sollte er die Lage durch Terror eskalieren lassen, so würde sich die internationale Gemeinschaft wie im Kosovo für eine Beilegung des Konflikts einsetzen, oder Israel würde sich dann, wie im Südlibanon, einseitig aus den palästinensischen Gebeiten zurückziehen. Beide Vorstellungen entsprechen aber keineswegs der Realität.

Israel hat niemals Anspruch auf libanesisches Territorium erhoben. Keine israelische Regierung konnte sich irgendeine Annexion eines Teils des Südlibanons vorstellen. Es gab auch keine Siedlungen auf libanesischem Boden. Libanon ist keine biblische Heimat des jüdischen Volkes. Im Libanon ging es nur um Sicherheit für die nordisraelischen Städte und Dörfer. Als die Regierung davon ausgehen konnte, dass die Räumung des Libanon keine Gefahr für den Norden Israels mehr bedeuten würde, hat man die Armee aus diesem Teil des Nachbarlandes abgezogen. Zwar hätte Barak einen Rückzug aus dem Südlibanon im Rahmen eines Vertrags mit Syrien bevorzugt, da er dies aber nicht erreichen konnte, blieben seine Überlegungen in Bezug auf den Südlibanon und auf den Norden Israels unverändert. Das Westjordanland hingegen wird nicht nur von einem Teil der Israelis aus historischen Gründen beansprucht, es leben dort nicht nur israelische Siedler, die man verteidigen muss, sondern die Israelis gehen auch davon aus, dass, sollten sie das Westjordanland und den Gazastreifen räumen, sie anders als nach dem Abzug aus dem Südlibanon keine Ruhe bekommen werden. Denn anders als die Libanesen, so fürchten die Israelis, beanspruchen die Palästinenser nicht nur ihr eigenes Gebiet, sondern den ganzen Staat Israel. Das bedeutet, dass nach Ansicht der meisten Israelis ein einseitiger Rückzug aus den palästinensischen Gebieten uns keine Ruhe bringen würde, sondern weitere Angriffe der palästinensischen Terroristen, gegen die wir dann weniger Mittel zur Verteidigung zur Verfügung haben würden als jetzt.

Eine internationale Einmischung? Ein deutscher Besucher erzählte mir vor einem Jahr, dass Arafat, als er von diesem empfangen wurde, von einer Kosovolösung für den Nahen Osten sprach. Welche Streitkräfte, fragte der deutsche Besucher, sollten sich hier einmischen, um eine Lösung zu erzwingen? Die Bundeswehr etwa? Auf die Amerikaner könne er ja wohl nicht zählen, wie er zweifellos selber wisse. Es schien dem deutschen Besucher nicht, dass er den Palästinenserführer beeindruckt hat.

Es bleiben die Amerikaner. Nur sie könnten, wenn sie wollten, im Nahen Osten etwas bewegen. Das wollen sie heute aber aus verschiedenen Gründen nicht. Nachdem Bush an die Macht gekommen war, wollte er sich von dem Nahen Osten lösen. Die energische Einmischung seines Vorgängers hat er nicht sehr respektiert. Er ist schließlich nicht gewählt worden, um die Politik seines Vorgängers fortzusetzen - dies umso mehr, als die Politik nicht erfolgreich war. Nach dem 11. September 2001 sah es aber etwas anders aus. Sollten vielleicht die Amerikaner diesmal wieder wie zu Zeiten des Golfkrieges eine arabische Allianz brauchen? Sollten sie, um arabische Alliierte zu gewinnen, Druck auf Israel ausüben? Viele dachten so. Diese Strategie, die kurzfristig vielleicht auch von den Amerikanern erwogen wurde, hat sich sehr schnell als falsch erwiesen. Zum einen waren die proamerikanischen arabischen Regierungen diesmal weniger darauf erpicht, hinter den Amerikanern zu stehen angesichts der großen Bewunderung, die die Bevölkerungen ihrer Länder für Bin Laden hegen. Zum anderne haben die Amerikaner sehr bald erfahren, dass sie den Krieg in Afghanistan auch ohne arabische Unterstützung führen konnten, und zwar erfolgreich. Überhaupt haben die Araber in Amerika an politischem Gewicht verloren. Zur Zeit des Golfkrieges gab es noch eine Sowjetunion, heute sind die Amerikaner die einzige Weltmacht. Zur Zeit des Golfkrieges waren die Amerikaner überwiegend von arabischem Öl abhängig, heute weniger, weil sie zunehmend Öl aus Russland und aus den ehemaligen islamischen Sowjetrepubliken beziehen. Die amerikanische Regierung sah also keine besondere Eile, Druck auf Israel auszuüben.

Dennoch hätte der 11. September eine Chance für die Palästinenser sein können. Hätten sie verstanden, dass in Amerika eine neue Stimmung herrscht und dass man sich in der neuen Situation anders verhalten sollte, hätten sie in Amerika vielleicht auf Sympathie stoßen können. Vor allem hätten sie verstehen müssen, dass man sich nach dem 11. September keinen Terror, keine Selbstmordattentate leisten kann, zumindest vorübergehend. Was für die Amerikaner merkwürdige Sitten entfernter Regionen waren, ist plötzlich in ihrer Heimat eine Realität geworden. Terror und Selbstmordanschläge sind für die Amerikaner nicht mehr Sciencefiction. Sie wissen genau, was das bedeutet, denn sie haben es am eigenen Leib erfahren müssen. Die Fortsetzung der palästinensischen Terroranschläge führte unmittelbar dazu, dass der durchschnittliche Amerikaner die Palästinenser mit der Al Quaida identifiziert. Die Welt ist nun für den normalen Amerikaner, der sich traditionell für die Außenwelt nicht interessiert, eine Welt des Western-Films geworden: Es gibt die Guten und die Bösen. Die Guten sind makellos und gerecht, und die Bösen sind hundertprozentig Schurken, die Verkörperung des Teufels. Der Slogan "Die Vereinigten Staaten und Israel stehen Hand in Hand nebeneinander im Kampf gegen den Weltterrorismus" ist heute für die Mehrheit der Amerikaner eine Selbstverständlichkeit. Keiner denkt darüber nach, welche Kluft zwischen dem amerikanischen Riesen und dem israelischen Zwerg gähnt. Die Hauptsache ist das gemeinsame Ziel.

Dass die Palästinenser das nicht begriffen haben und immer noch nicht begreifen, ist verblüffend. Wenn die Amerikaner also weder aus außenpolitischen Erwägungen heraus noch aus innenpolitischen Gründen einen Drang zur Einmischung im Nahen Osten verspüren, wer soll den Traum Arafats, im Nahen Osten eine Kosovopolitik zu führen, in die Tat umsetzen? Auch viel weniger als eine militärische Einmischung kann Arafat unter solchen Umständen sich nicht erhoffen. Mittlerweile gab es für Arafat noch andere Vorkommnisse, möglicherweise schlimmere sogar, in seinen Beziehungen zu den USA. Er hat die Amerikaner mehrfach belogen und betrogen, und dies in einer lächerlichen Art und Weise. Lügen in der Politik sind nicht unbedingt eine Seltenheit, dennoch darf eine Lüge nicht vollkommen durchsichtig sein, sonst ist sie eher beleidigend. Nach jeder Lüge Arafats muss der amerikanische Präsident sich fragen, ob dieser Mann ihn für einen Dummkopf hält. Dies erklärt die Abneigung des amerikanischen Präsidenten gegen Arafat viel mehr als feindselige politische Erwägungen.

Vorerst sieht es also nicht danach aus, dass die Amerikaner sich in den Konflikt im Nahen Osten einmischen werden. Sollten es die Europäer tun? Zunächst haben die Europäer noch immer keine gemeinsame Sicherheits- und Außenpolitik. Zu Opfern in der Nahostkrise sind sie auch nicht bereit - nicht nur Menschenleben würden sie für den Frieden im Nahen Osten nicht riskieren, sondern auch wirtschaftlich würden sie nicht groß darein investieren. Es gibt das so genannte Quartett - sollte das eine Lösung bringen? Das Quartett setzt sich zusammen aus den Europäern, den Amerikanern, den Russen, die heute in Sachen Außenpolitik den Amerikanern fast mit geschlossenen Augen folgen, und dem Generalsekretär der UNO, der nach den bitteren Erfahrungen seines Vorgängers jegliche Reibungen mit Washington vorsichtig vermeidet. Nein, offensichtlich gibt es keine internationale Lösung. Man möge bis nach den Wahlen im November in Amerika warten. Vielleicht wird sich dann in Washington etwas ändern. Zwar ist das kaum anzunehmen, doch bis zu den Wahlen wird sich keinesfalls irgendetwas ändern.

V. Abschnitt

Wie auch schon in der Vergangenheit, muss man sich auf die Kontrahenten selbst verlassen. Selbst die Amerikaner haben noch nie einen Friedensprozess im Nahen Osten ins Leben gerufen. Jeder Friedensprozess, ob gelungen oder gescheitert, hat hinter dem Rücken der Amerikaner begonnen. So wussten die Amerikaner von Sadats Friedensinitiative nichts, solange Sadat sie nicht veröffentlicht hatte. So haben die Amerikaner von den Verhandlungen mit der PLO in Oslo nichts geahnt, solange Palästinenser und Israelis diese nicht publik gemacht hatten. Und so war es auch mit dem Friedensprozess mit Jordanien und sogar mit Syrien. Erst wenn die Kontrahenten so weit sind, einen Friedensprozess zu wollen, kommen die Amerikaner als Vermittler in Frage und sind dann auch tatsächlich unentbehrlich. Der erste Schritt muss also vor Ort gemacht werden. Es gibt nur eine Macht, die eine Politik in Israel initiieren und erzwingen kann, und das ist die israelische Bevölkerung. Sie hat die Politik Israels gegenüber Sadat bestimmt, auch gegenüber König Hussein, und sie war eine Zeit lang bereit, einen Friedensprozess mit der PLO zu unterstützen. Diese Bevölkerung muss man heute von den Friedensabsichten der anderen Seite überzeugen.

Als der saudische Kronprinz Abdullah dem New-York-Times-Korrespondenten Thomas Friedmann im Frühjahr ein überraschendes Interview gegeben hatte, sah es so aus, als würde den Israelis seitens der arabischen Welt ein revolutionäres Angebot unterbreitet. Natürlich sprach Abdullah von der Räumung aller besetzten Gebiete und Siedlungen wie auch von der Anerkennung eines unabhängigen Palästinenserstaats, versprach aber den Israelis, was sie bisher noch nie gehört hatten, nämlich einen umfassenden Frieden mit der arabischen Welt, d. h. nicht nur mit den unmittelbaren Nachbarn Israels, und vor allem versprach er eine "Normalisierung" der Beziehungen. Damit ist viel mehr als nur ein Frieden gemeint, der keine Alltagskontakte zwischen den Bevölkerungen ermöglicht oder sogar entwickelt, mehr als ein kalter Frieden - das heißt mehr als ein Frieden, der in Wirklichkeit nicht mehr als ein Waffenstillstand ist bzw. ein vorübergehender Waffenstillstand, als Frieden getarnt.

Als man den Außenminister Shimon Peres fragte, ob er den Saudi-Plan nicht als Licht am Ende des Tunnels betrachte, erwiderte er positiv, fügte aber hinzu: "Mein Problem ist, dass ich den Tunnel selbst nicht sehen kann." Der Tunnel diesbezüglich ist die arabische Welt. Wenn wir davon ausgehen, dass wir seitens der Palästinenser keinen glaubwürdigen Gesprächspartner haben, dann könnte doch die gemeinsame arabische Welt die Verantwortung übernehmen, auch für die Palästinenser. Die Unterstützung des Saudi-Plans durch die arabischen Staaten kam aber nur zögernd. Und nicht den ursprünglichen Plan haben sie unterstützt, sondern eher einen verwässerten. Insofern haben sie das Ziel, die israelische Bevölkerung von den arabischen Friedensabsichten zu überzeugen, verfehlt.

Klar ist, dass es keine Lösung geben wird, auch nicht für die Israelis, solange die Palästinenser im Elend und ohne Würde leben. Die Israelis werden in keiner glaubwürdigen und endgültigen Art und Weise Ruhe und Sicherheit erzielen können, solange ihre Nachbarbevölkerung unter ihrer Besatzung lebt und deren Kinder nicht dieselben Zukunftschancen bekommen, die ihre eigenen Kinder haben. Klar ist aber auch, dass weder die Palästinenser noch die Israelis ihr Ziel durch Gewalt erreichen können. Die Palästinenser sind nicht mächtig genug, die Israelis zu vertreiben, und die Israelis sind nicht mächtig genug, langfristig über eine andere Bevölkerung zu herrschen. Napoleon sagte einmal, man könne mit Bajonetten vieles erreichen, nur auf ihnen sitzen könne man nicht. Wir sitzen schon allzu lange auf Bajonetten und brauchten dringend eine Leiter, um herunterzuklettern. Diese Leiter können wir aber nur von unseren Nachbarn bekommen.

geb. 1935 in Tel Aviv; 1993-1999 Botschafter des Staates Israel in der Bundesrepublik Deutschland; seit 1999 Vizepräsident der Universität Tel Aviv.

Anschrift: University of Tel Aviv, Ramat Aviv, Tel Aviv 69978, Israel.

Veröffentlichungen u.a.: Europa, Israel und der Nahe Osten, Düsseldorf 1998; Le Triangle des Passions, Paris 2000.