I. Vom Marathon zur Datenautobahn
Wussten die Griechen von der Demokratie? Ideengeschichtlich wie etymologisch stammt die Herrschaft (kratein = herrschen) des Volkes (demos) von der Peloponnes. Ob allerdings jeder Bewohner des antiken Griechenlands über ihre Existenz im Bilde war, darf man bezweifeln. Damals kostete es bekanntlich mehrere Stunden, um im Laufschritt von Marathon aus die gut 42 Kilometer entfernt wartenden Athener über den Sieg der attischen Demokratie über die monarchisch regierten Perser zu informieren. Hätte der olympische Marathonläufer 2004 in Athen eine ähnlich bedeutende Nachricht zu überbringen, wäre diese bei seinem Zieleinlauf vermutlich bereits seit zwei Stunden weltweit in allen 199 Mitgliedsländern des IOC bekannt - nicht zuletzt dank des Internets. Heute ist die Demokratie in weiten Teilen der Welt eine Institution, garantiert durch den Staat: "Government of the people, by the people, for the people" wie es Abraham Lincoln in seiner Gettysburg Address 1863< formulierte. Doch haben es die Demokratie und ihre Garanten auch inhaltlich geschafft, den antiken Läufer zu überholen und mit dem Internet Schritt zu halten?
Ob im Arbeitsleben, dem privaten Bereich, der Gesundheitsvorsorge oder der politischen Kommunikation: Das Internet und die damit verbundene digitale Kommunikation werden mehr und mehr zu selbstverständlich genutzten Instrumenten des täglichen Lebens. Und auch vor Politik und Verwaltung macht die Einführung neuer Medien nicht Halt. Die elektronischen Medien werden zu einem immer wichtigeren Mittel, um intern Daten zu kommunizieren und mit der Öffentlichkeit in Austausch zu treten. Der Anstieg der Netznutzung beschleunigt die Kommunikation, Ereignisse gelangen unmittelbar an die Öffentlichkeit und werden kurz darauf von anderen überlagert, die Halbwertzeit von Informationen sinkt, während der Datenfluss bislang unbekannte Ausmaße annimmt.
Das Internet setzt mit seiner Effizienz und Schnelligkeit neue Maßstäbe - nicht nur wenn es um den Umschlag und Austausch von Informationen geht, sondern auch, um öffentliche Debatten und offene Deliberation - Analysen und Diskussionen - zu führen.
Die Realität sieht allerdings noch anders aus. Allzu häufig fehlt im öffentlichen Sektor ein strategischer ganzheitlicher Ansatz, ebenso die Fähigkeit, schnell und flexibel neue Wege in der Kommunikation zwischen Staat und Bürger zu testen. Technische Wandlungsprozesse wurden von der Gesellschaft selbstverständlich - aber äußerst selektiv und punktuell
Konkrete Züge nahm die Debatte über Potenziale und Probleme erst in den vergangenen Jahren an, als unter dem Terminus "E-Government" wesentliche Teilbereiche des Gesamtkomplexes subsumiert werden konnten. E-Government ist ein Sammelbegriff für Maßnahmen des öffentlichen Sektors in Bund, Ländern und Kommunen, die sich des Internet und anderer elektronischer Medien bedienen, um Verwaltungsprozesse für Bürger, Unternehmen und weitere Zielgruppen transparenter und effektiver zu gestalten sowie den verwaltungsinternen Daten-Austausch zu optimieren.
Drei Faktoren verleihen dem E-Government eine tragende Rolle im Aufbau der noch jungen "Netzwerkgesellschaft":
1. Die Elektronisierung der Kommunikation zwischen öffentlichem Sektor und Bürgern bietet neue Möglichkeiten der Partizipation und Interaktion. Zeitersparnis und Bequemlichkeit sind weitere Zugewinne. Zudem können die neuen Transaktionsformen zu einem vertieften Verständnis des Bürgers für staatliches Handeln und damit zu einer stärkeren Akzeptanz des Staates beitragen.
2. Der Cyberspace braucht keine Ärmelschoner. Das neue Medium bietet die große Chance, verkrustete Strukturen aufzubrechen und veraltete Verfahren zu überdenken. Realistische Ziele sind Effizienzgewinne und finanzielle Einsparungen. Nebenbei führt die Nutzung von Online-Informationsangeboten zu einem höheren Grad von Informiertheit beim Bürger.
3. E-Government ist ein Standortfaktor. Durch die Nutzung des Internets für die Interaktion zwischen Staat und Bürger wird auch die Nutzung der neuen Medien insgesamt gesteigert und zunehmend selbstverständlich. Dies führt wiederum zu einem Schub Richtung Mediengesellschaft, was industriepolitisch und im Hinblick auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit von Bedeutung ist.
Trotz des spektakulären Endes der ersten New-Economy-Euphorie bleiben Informations- und Kommunikationstechnologien sowie Medienmärkte zentrale Wachstumsmotoren der modernen Volkswirtschaften. Das Internet ist dabei zugleich Symbol und größter Hoffnungsträger: Ein Medium, das weltweit Akteure vernetzen kann und Kommunikation mit minimalen Transaktionskosten erlaubt, muss sich auf die Funktionsweisen von Wirtschaft und Gesellschaft auswirken. Welt- und europaweit offenere Güter- und Faktormärkte intensivieren den Wettbewerb auf allen Ebenen. Mit jedem Tag, an dem Staat und Verwaltung an überkommenen Strukturen festhalten, steigt so der Preis, den die Bürger dafür zahlen müssen.
Will der öffentliche Sektor diese Entwicklung aktiv steuern und das Internet auf dem Weg zu einem produktiven Element des gesellschaftlichen Systems stützen, dann muss er aktiv werden. Bürger brauchen Motivation, ausreichende Zugangsmöglichkeiten, Wissen im Umgang mit der Technik und ein Verständnis für deren Nutzen; und der Staat kann, mit einem durchdachten Plan, zur Erfüllung aller Voraussetzungen entscheidend beitragen. Obwohl fast alle Regierungen in den Industrieländern einer solchen Strategie folgen, sind im europäischen Vergleich deutliche Erfolgsunterschiede bei der Durchsetzung erkennbar.
Im Umkehrschluss ergibt sich aus den bisherigen Erkenntnissen folgende Interdependenz: Eine gut ausgebaute Internet-Versorgung quer durch die Gesellschaft ist Grundvoraussetzung und wesentliche Triebkraft für die Entwicklung von E-Government, während entwickelte E-Government-Angebote wiederum einen starken Impuls zur weiteren Durchsetzung des Internets als Massenmedium liefern können.
Diese wechselseitige Dynamik gilt es mit innovativen Strategien und ohne institutionelle Scheuklappen zu nutzen und zu fördern. Kernpunkte in der Entwicklung eines zukunftsfähigen E-Government der Zukunft sind eine stärkere Orientierung am Nutzer, die kreative Ausschöpfung von finanziellen Einsparpotenzialen und die Neuausrichtung der bisherigen Ansätze hin zu mehr partizipatorischen Elementen. E-Government ist für Staat und Verwaltung kein bloßes Beiwerk, sondern eine außergewöhnliche Chance, mit Hilfe neuer Medien eine Modernisierung in Gang zu setzen, die nicht nur interne Prozesse, sondern auch das Verhältnis zum Bürger fundamental verbessert und effizienter gestaltet.
II. Der beschwerliche Weg zum Nutzer
Zumindest in der Fachöffentlichkeit hat sich das Thema E-Government mittlerweile vom Marathon- ins Sprinttempo beschleunigt. Noch 1996 waren E-Government-Initiativen von Regierungen und kommunalen Körperschaften an einer Hand abzuzählen. Seither sind weltweit Tausende von Projekten gestartet worden, und jeden Tag kommen neue hinzu. Allein in den USA werden in den kommenden fünf Jahren voraussichtlich etwa 14 000 E-Government-Projekte realisiert werden. Nach Erhebungen des Taubman Center for Public Policy
Doch wie gehen die Bürger mit den neuen Angeboten um? Welche Informationen rufen sie ab, wie nehmen sie Online-Partizipationsangebote an? Der Nutzer steht zwar im Zentrum des E-Government-Universums, sein Verhalten ist aber noch weitgehend unerforscht. Dieses Defizit ist logischer Ausdruck der bisher unterentwickelten Orientierung der Anbieter an ihren Nutzern als "Kunden". Dabei gäbe es genügend Anknüpfungspunkte, aus den Grundlagen des Wirtschaftsmodells des Customer Relationship Management (CRM) ein Citizen Relationship Management zu entwickeln.
Auch die Bürger der Europäischen Union bedienen sich zunehmend elektronischer Dienstleistungen von staatlichen Einrichtungen. In den am stärksten vernetzten Nationen verspricht die Online-Verwaltung bereits ein Alltagsphänomen zu werden: In Schweden haben über 60 Prozent der Internet-Nutzer bereits von staatlichen Websites Informationen abgefragt oder Dienstleistungen in Anspruch genommen. Und bezogen auf die gesamte Europäische Union lässt sich feststellen, dass mehr als 40 Prozent der Internet-Nutzer schon einmal eine E-Government-Site angesteuert haben (vgl. Abb. 2 und 3).
"Online gehen statt Schlange stehen" bringt reale Vorteile für den Bürger - und daraus erklärt sich sicherlich ein großer Teil der Motivation, solche Angebote zu nutzen. Doch elektronisches Regieren reduziert sich nicht auf einen Zuwachs an Bequemlichkeit für den Einzelnen. E-Government kann eine neue Kultur des gegenseitigen Austauschs zwischen öffentlichem Sektor und Bürgerschaft herstellen. Auch dies impliziert Effizienzgewinne für das Gemeinwesen. Doch dazu muss E-Government konsequent implementiert werden. Denn die Bürger erwarten mehr von ihrer Regierung als bunte Websites und Online-Formulare für die Steuererklärung. Sie fordern Transparenz der öffentlichen Hand und sie wollen beteiligt werden.
Der "Balanced-E-Government"-Ansatz, den die Bertelsmann Stiftung für ihre gleichnamige Untersuchung internationaler Best-Practice-Beispiele
Unter diesen Voraussetzungen kam die Studie internationaler E-Government-Initiativen zu einem ambivalenten Gesamtergebnis: Unbestreitbar ist, dass in den vergangenen zwei Jahren bei der Realisierung von E-Government-Angeboten ein Quantensprung stattgefunden hat. Die Anzahl von einschlägigen Projekten weltweit hat längst ein Niveau erreicht, das zu einer ausgeprägten Eigendynamik geführt hat. Es gibt eine lebendige Forschungslandschaft, der Vernetzungsgrad der engagierten Akteure nimmt ständig zu. Dennoch besteht weiterhin ein großer Bedarf an Expertise und Gestaltungswillen in Bezug auf die zentrale Forderung, durch elektronische Staat/Bürger-Kommunikation mehr Transparenz und Partizipation herzustellen. Die meisten Verwaltungseinheiten konzentrieren sich auf das Internet als Service-Medium und Portal für Verwaltungsdienstleistungen; als Instrument zur Förderung der Bürgergesellschaft wird es häufig nicht begriffen.
Erfolg versprechende Ausnahmen finden sich zum Beispiel in den USA, Estland und Schottland. Online-Diskussionsforen und E-Mail-Eingaben sind mittlerweile ein fest etablierter und gut genutzter Teil des Angebotes vieler US-amerikanischer Regierungsorgane. Das schottische Parlament experimentiert erfolgreich mit elektronischen Petitionen;
Weder das eine noch das andere ist erreichbar, ohne auch auf institutioneller Ebene Anpassungen vorzunehmen. E-Government eröffnet den Befürwortern einer solchen Verwaltungsmodernisierung neue Perspektiven. Die unüberschaubare Tragweite dieses Eingriffs in die Arbeitsprozesse der Verwaltung weckt jedoch naturgemäß besonders starke Beharrungskräfte und macht diesen Schritt gleichzeitig so immens wichtig für den Erfolg.
III. Keine Reformerfolge ohne Restrukturierung
Nur wer die richtige Information zum richtigen Zeitpunkt zur Verfügung hat, kann effizient und kundenorientiert arbeiten. Diese "Kundschaft" der öffentlichen Verwaltungen ist vielschichtig: An erster Stelle zu nennen sind die Bürger und Unternehmen, aber auch zahlreiche intermediäre Akteure wie Nichtregierungsorganisationen und Lobby-Gruppen sowie nicht zuletzt die Mitarbeiter in Verwaltungen selbst zählen zu den Anspruchsgruppen. Bereits auf kommunaler Ebene lassen sich rund zwanzig Zielgruppen mit unterschiedlichen Ansprüchen unterscheiden.
Dies ist nicht zuletzt deswegen zwingend notwendig, um schließlich zu einer reibungsfreien vertikalen bzw. horizontalen Vernetzung im Rahmen eines "One-Stop-Government" zu gelangen, bei dem der Nachfrager einer Dienstleistung nur mit einer Stelle kommuniziert - auch wenn verschiedene Verwaltungseinheiten beteiligt sind. Die vom Bundesinnenministerium initiierte Online-Debatte über Standards und Architekturen für eGovernment-Anwendungen (SAGA) zeigt, wie die Etablierung geeigneter Standards künftig vonstatten gehen könnte.
Neben den positiven Effekten der Standardisierung hat sich besonders bei Portalen mit einer großen Zahl von angeschlossenen Webseiten und komplexen Inhalten gezeigt, dass eine Trennung der eigentlichen Daten und Applikationen mit Hilfe von Content-Management-Systemen sinnvoll ist, um die Pflege und ständige Überarbeitung des jeweiligen Portals zu erleichtern.
Jedwede institutionelle Neuorganisation kann und darf sich jedoch nicht nur auf technische Aspekte beschränken: Ohne die Ausbildung einer neuen Verwaltungskultur und die nachhaltige Einbindung der Verwaltungsmitarbeiter in die ablaufenden Modernisierungsprozesse würde der Nutzen neuer Technologien wirkungslos verpuffen.
Auch der Verwaltungsaufbau wird durch die Implementierung von E-Government in Frage gestellt. Der Trend geht eindeutig dahin, starre Hierarchien durch eine flachere Organisation abzulösen. Diese Notwendigkeit resultiert vor allem daraus, dass Informationen jederzeit dezentral für die entsprechenden Entscheider zur Verfügung stehen müssen. Unerlässlich ist es dabei, die Mitarbeiter mit dem nötigen Know-how auszustatten. Damit die Beteiligten von den Vorteilen der modernen Techniken überzeugt werden können, ist es notwendig, durch gezielte Schulungen diejenigen zu qualifizieren, die mit den neuen Medien arbeiten sollen. Dies kann durch verwaltungsinterne Verantwortliche geschehen, um die interne Akzeptanz der Techniken zu erhöhen, oder durch externe Partner, um zusätzliches Wissen einzubringen. Ziel der Schulungen ist es in jedem Fall, die Medienkompetenz der Verwaltungsangestellten zu erhöhen und nicht - wie oft unterstellt wird - die Mitarbeiter zu IT-Profis auszubilden.
IV. Mit E-Government Geld sparen?
Öffentliche Verwaltungen sollten sich den Herausforderungen der informationstechnischen Modernisierung auch deshalb stellen, weil erfolgreiches E-Government den oft desolaten Haushaltslagen entgegenwirken kann. In einigen staatlichen Institutionen beanspruchen die Personalkosten bis zu 90 Prozent der verfügbaren Etats. E-Government kann dazu beitragen, auch die interne Personalstruktur effizienter zu gestalten, da Zuständigkeiten neu sortiert und Routineaufgaben überwiegend elektronisch und automatisch abgewickelt werden können.
Enorme Effizienzgewinne kann die öffentliche Hand aber auch bei den Ausgaben erzielen. Die Adaptation und Weiterentwicklung des E-Procurement, also des elektronischen Beschaffungswesens, verspricht Einsparpotenziale für jede Behörde. So konnte das amerikanische Agrarministerium die Verwaltungskosten pro Beschaffungsvorgang um knapp 80 Prozent reduzieren.
Beschleunigende Wirkung auf für die Institutionalisierung der elektronischen Beschaffung könnte das Leitprojekt "E-Vergabe" der Bundesregierung haben. Als zentrales Ergebnis dieses Projekts kann seit Mai 2002 die öffentliche Beschaffung - von der Bekanntmachung bis zur Auftragsvergabe - erstmalig vollständig im Internet abgewickelt werden. Damit sollen Effizienz und Produktivität in Verwaltung und Wirtschaft gleichermaßen erhöht und gleichzeitig mehr Transparenz über öffentliche Bekanntmachungen hergestellt werden.
E-Procurement ist auch aus Unternehmersicht eine "win-win"-Lösung. Gerade mittelständische Firmen erhalten mehr Gelegenheit, sich an Ausschreibungen der öffentlichen Hand zu beteiligen. Mehr Wettbewerb bedeutet darüber hinaus günstigere Beschaffungspreise für die öffentliche Verwaltung als bislang. Das Projekt, das in die Initiative BundOnline 2005 der Bundesregierung eingebunden ist, hat damit erhebliche volkswirtschaftliche Bedeutung.
Prinzipiell sind Staat und Kommunen gut beraten, sich bei zentralen Aspekten des E-Government an der Privatwirtschaft zu orientieren. Hier könnten nicht nur im E-Procurement, sondern auch auf anderen Feldern Kooperationen von öffentlichen und privaten Institutionen der Schlüssel des Erfolges sein. Vor allem sollten sich auch hoheitliche Akteure an Modellen der betriebswirtschaftlichen Kostenrechnung orientieren. Gezielte Geschäftsprozessanalysen vor der Initiierung neuer E-Government-Projekte können helfen, kostspielige Fehlinvestitionen zu vermeiden. Aus den so gewonnenen Erkenntnissen lassen sich dann die technischen Lösungen passgenau in die entsprechenden Geschäftsprozesse integrieren. V. Baustein einer Bürgergesellschaft
So wichtig und richtungweisend E-Government für die interne Modernisierung und Effizienzsteigerung der Verwaltung auch sein mag: Es wäre wohl kaum gerechtfertigt, von einer Vision des elektronischen Regierens zu sprechen, wenn es dabei "nur" um die Installation moderner EDV- und Content-Management-Systeme in den öffentlichen Verwaltungen oder um elektronische Ausschreibungen ginge. E-Government ist definitiv mehr. Denn im Mittelpunkt der Idee von E-Government stehen die Forderungen nach einer neuen Verwaltungskultur, wie sie etwa im Begriff des New Public Management zum Ausdruck kommt, und nach einer erneuerten politischen Kultur, in der die traditionelle Distanz zwischen Staat und Bürgergesellschaft wenn schon nicht aufgehoben, so doch deutlich verringert sein wird.
Auffällig ist, dass der globale E-Government-Diskurs zwar unablässig fordert, den Bürger konsequent in den Mittelpunkt zu stellen und alles Staatshandeln an seinen Interessen auszurichten, dieses Lippenbekenntnis aber erstaunlich wenig konkrete Handlungsansätze nach sich gezogen hat. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang zum Beispiel, dass die Erwartungen und Bedürfnisse potenzieller E-Government-Nutzer bei weitem nicht so systematisch abgefragt und erforscht werden, wie es angesichts der zentralen Rolle dieser Daten angemessen wäre. Dabei führen solche Nutzerdaten - wenn sie denn einmal erhoben werden - zu durchaus irritierenden Ergebnissen. So ergab eine repräsentative Umfrage von D21 und eMind@emnid in der ersten Jahreshälfte 2002, dass lediglich 24 Prozent der befragten Internet-Nutzer mit den von staatlicher Seite angebotenen interaktiven Diensten zufrieden sind, wobei e-demokratische Angebote noch nicht einmal abgefragt wurden.
Trotz dieser Einschränkungen ist E-Government unzweifelhaft eines der wesentlichen Instrumente, um den Staat transparenter zu machen und den Bürgern konkrete Partizipationsmöglichkeiten zu offerieren. Umfragen und Nutzerstudien zeigen auch, dass viele Bürger sich durchaus Demokratiezugewinne von diesen neuen Möglichkeiten versprechen. In den von Hart-Teeter
Nehmen die Betreiber von E-Government-Angeboten den selbst gesteckten Anspruch ernst, den Bürger beim elektronischen Regieren in den Mittelpunkt zu stellen, hat dies für die administrative Praxis Konsequenzen, die weit über die Durchführung von einigen Fokusgruppen-Tests oder Online-Polls hinaus gehen. Solche vereinzelten Maßnahmen sind für die Annäherung zwischen Staat und Bürger eher kontraproduktiv, da sie den Bürgern das Gefühl vermitteln, nur pro forma konsultiert zu werden, ohne dass die von ihnen artikulierten Bedürfnisse wirklich in die Gestaltung von Angeboten und Prozessen einfließen. Fühlen sich die Bürger in ihren Interessen, Sorgen und Wünschen nicht ernst genommen, sinkt für viele von ihnen die Motivation, aktiv an der Gestaltung des Gemeinwesens mitzuwirken. Dieses grundsätzliche Akzeptanz- und Vertrauensproblem moderner Demokratien ist durch wohl überlegte E-Government-Angebote allein nicht aufzulösen. E-Government kann aber den Abbau einiger Vorbehalte gegenüber der Tätigkeit staatlicher Institutionen fördern und einen nicht unerheblichen Beitrag zur Annäherung der Bürger an den Staat leisten.
Der Bürger ist in diesem E-Government-Verständnis beides: einerseits "Kunde" des öffentlichen Sektors, andererseits Staatsbürger und politisches Subjekt mit Rechten und Pflichten. Schon deswegen darf der Ruf nach einer Integration "e-demokratischer Elemente" in unser politisches System nicht auf technische Fragen verkürzt werden, sondern muss Verknüpfungen zu anderen Diskursen - etwa dem über direkte Demokratie - suchen. Leitlinie bei der Einführung neuer Partizipationsformen (wie elektronisch durchgeführter Wahlen oder Online-Plebiszite) sollte nicht die technische Machbarkeit sein, sondern das Ergebnis eines gesellschaftlichen Selbstverständigungsprozesses darüber, wo Erweiterungen unserer Demokratie gebraucht werden. Besonders ausgeprägt, so wird vielfach angenommen, ist die Interessenlage auf lokaler Ebene und im unmittelbaren Lebensumfeld der Bürger.
Die technizistische Verkürzung von E-Democracy auf das anspruchsvolle Großprojekt E-Voting hat bereits zu viele Partizipationsansätze blockiert und den Blick darauf verstellt, dass die Teilnahme an Wahlen (online oder offline) nur ein winziger Teil dessen ist, was aktive Partizipation an demokratischen Prozessen ausmacht. Unmittelbarere Formen der Konsultation und Partizipation auf jenen Ebenen, die der Bürger für persönlich sehr viel relevanter erachtet, weil sie in seinem unmittelbaren Umfeld angesiedelt sind, erscheinen vielfach weit geeigneter, um sich dem Ideal der E-Democracy anzunähern. Denn dem natürlichen Streben des Individuums nach Bedeutung seiner individuellen Stimme und Meinung kann durch die Personalisierungs- und Individualisierungsmöglichkeiten, welche E-Government-Angebote heute schon regelmäßig bieten, Rechnung getragen werden.
Tatsächlich hat das Internet das Potenzial, nicht nur neue Bedeutungswege aufzuzeigen, sondern damit auch Bürger zu erreichen, die sich durch traditionelle Prozesse nicht eingebunden fühlten. Für diesen Schritt ist eine weitere Flexibilisierung nötig. Alternative Beteiligungsmethoden müssen alternative Wege der Meinungsäußerung, andere "Sprachen", zulassen, um einen echten Mehrwert für vordem politisch inaktive Bürger darzustellen.
VI. Vom Verkündungs-Apparat zur Interaktions-Schnittstelle
Die Etablierung eines neuen Verständnisses von E-Government ist auch in dem größeren Kontext der Modernisierung von politischer Kommunikation und Politikvermittlung zu sehen. Diese Prozesse sind vor allem durch die Bemühungen politischer Akteure gekennzeichnet, mehr und zielgruppengenauere Informationen an die eigene Klientel oder weitere Kreise der Bevölkerung weiterzugeben. Das Internet hat sich hier binnen kürzester Zeit zum Schlüsselmedium entwickelt. Staatliche Stellen stehen damit nun doppelt unter Druck, es den Parteien und Nichtregierungsorganisationen gleichzutun und relevante Informationen pro-aktiv nach außen zu kommunizieren.
Betroffen ist von dieser Entwicklung natürlich nicht zuletzt das Selbstverständnis staatlicher Öffentlichkeitsarbeit. Wurde diese jahrzehntelang als "Propaganda" oder billige "Verkaufe" betrachtet, so fand in den letzten 20 Jahren ein bemerkenswerter Wandlungsprozess statt. Staatliche Institutionen wurden vom Bundesverfassungsgericht in mehreren Urteilen zu einer pro-aktiven Informationspolitik verpflichtet. In seinem Grundsatzurteil vom 2. März 1977 bekannte sich das Gericht eindeutig zur Public-Relations-Tätigkeit der öffentlichen Hand: "Öffentlichkeitsarbeit von Regierung und gesetzgebenden Körperschaften ist in Grenzen nicht nur verfassungsrechtlich zulässig, sondern auch notwendig. Die Demokratie des Grundgesetzes bedarf ... eines weitgehenden Einverständnisses der Bürger mit der vom Grundgesetz geschaffenen Staatsordnung ... Diesen Grundkonsens lebendig zu erhalten, ist Aufgabe staatlicher Öffentlichkeitsarbeit."
Mittlerweile besteht weitgehend Einigkeit, dass gerade die Information und Aufklärung an der Basis der Gesellschaft eine bedeutende Rolle für den Willensbildungsprozess der Bürger und ihre aktive Einbindung in die Gesellschaft spielt. Die umfassende und objektive Information der lokalen Öffentlichkeit - dies wird allgemein anerkannt - ist zentral für die Herstellung eines gut unterrichteten Elektorats und die Integration des Einzelnen in die ihn umgebende Umwelt. Jenseits dieses Minimalkonsenses wurde aber jahrzehntelang um brauchbare Konzepte gerungen, wie die Vielzahl relevanter Informationen effektiv kommuniziert werden kann. Einen Teil der Antworten zur Erfüllung dieses gesellschaftlichen Auftrags wird man in der Nutzung des Internets finden.
Bei der Planung von virtuellen PR-Angeboten ist vor allem der besondere Charakter des Internets als eines Mediums, das sowohl Massen- wie Individualkommunikation zulässt, zu beachten. Massenkommunikation liegt dann vor, wenn etwa Pressemitteilungen, Ratsbeschlüsse oder Bekanntmachungen ins Netz eingestellt werden, die von jedem Nutzer gelesen werden können. Individualkommunikation im Netz verläuft meist über die einer Website integrierten Feedback-Mechanismen: Ein Nutzer schreibt eine E-Mail, trägt einen Kommentar in eine Newsgroup ein oder personalisiert einen Informationsdienst nach seinen persönlichen Bedürfnissen. Entscheidend dabei ist, dass der Nutzer, der die Möglichkeit erhält, individuell zu kommunizieren, auch eine direkte und persönliche Antwort erwartet - nicht erst nach einer Woche, sondern möglichst noch am selben Tag. Die Pressestelle sollte sich genau überlegen, wo sie ihr Netzangebot als kostengünstiges Massenmedium und wo als zeitintensiveres Individualmedium nutzen möchte.
Prinzipiell sollten auch unter PR-Gesichtspunkten erstellte Webseiten die Grundmöglichkeiten der Kommunikation im Internet, nämlich Information, Kommunikation, Transaktion/Partizipation und (in eingeschränktem Maße) Unterhaltung
VII. Neues Spiel, neuer Spieler
Einer der paradoxen Effekte "guten" E-Governments ist, dass dessen konsequente Praktizierung gleichzeitig einen Bedeutungsverlust des Staates impliziert, da es die Möglichkeit und Fähigkeit der Bürger erhöht, sich untereinander direkt zu vernetzen. Im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip werden dann bürgerschaftliche Aufgaben zunehmend im Rahmen gesellschaftlicher Selbstorganisation wahrgenommen; der Staat kann sich aus diesen Bereichen zurückziehen und übernimmt bestenfalls moderierende Funktionen. Möglichkeiten zur demokratischen Teilhabe sind dann nicht mehr auf den öffentlichen Sektor und seine Einrichtungen beschränkt, sondern verlagern sich zunehmend in den gesellschaftlichen Raum. Die Vernetzungsprozesse, die primär über das Internet vermittelt werden, folgen dann auch eher thematischen als räumlichen Vorgaben; staatliche Institutionen (und damit der Nationalstaat) als primäre Handlungsträger des Politischen konkurrieren mit nationenunabhängigen Netzwerken. Eine Studie des Harvard Information Infrastructure Project kommt gar zu dem Ergebnis, dass solche virtuell konstituierten Gemeinschaften für viele Menschen bald zu primären Bezugsräumen werden könnten.
Diese Prozesse implizieren für jeden Bürger allerdings eine weitaus höhere Komplexität seiner eigenen Lebensverhältnisse und eine zunehmende Virtualisierung seiner sozialen Welt. Vor allem aber steigt die Menge an potenziell verfügbaren Informationen ins Unermessliche. Deswegen wird die Medienkompetenz des Einzelnen auch für das Gelingen von E-Democracy zum entscheidenden Faktor.
Denn die einmal gewonnenen, verifizierten und für relevant erachteten Informationen können dann in bislang nicht gekannter Form in politisches Handeln umgesetzt werden. Das Internet bietet vielfältigste Möglichkeiten, unabhängig von Raum und Zeit Interessen zu vernetzen und in politische Aktionen zu überführen. Die große Frage lautet: Führen diese neuen Formen politischer Willensbildung dazu, dass Meinungen und Interessen der Bevölkerung künftig "gerechter" repräsentiert werden und der politische Prozess rationalere Ergebnisse produziert? Oder eröffnen die neuen Formen der E-Deliberation und E-Konsultation den populistischen Parolen kommunikativ geschickt agierender Interessengruppen Tür und Tor?
Auf jeden Fall dürften machtvolle Partikularinteressen der Offline-Welt auch in der Online-Welt einflussreich bleiben. Allerdings ist Kampagnenfähigkeit im Internet nicht so sehr eine Frage der zur Verfügung stehenden Ressourcen, sondern sie ist eher gebunden an kommunikative Kreativität und die Affinität der jeweiligen Interessengruppe zum Medium Internet und seinen Möglichkeiten. Selbst finanz- und strukturschwache Akteure können eine beeindruckende Web-Präsenz entwickeln und sie im politischen Mainstream integrieren. So konnte sich die Politiksimulation www.dol2day.de innerhalb von zwei Jahren von einer studentischen Freizeitidee zu einer Online-Plattform mit 17 000 Mitgliedern entwickeln; und den Globalisierungsgegnern von Attac gelang es, mit dem Minimalbudget von 7 300 Euro (im Jahr 2000) ein international integriertes Protestnetzwerk zu schaffen, das auch in der Offline-Welt große Beachtung findet.
Dies ist Beleg dafür, dass besonders Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) das Potenzial des Internets nutzen, um ihre Reichweite zu erhöhen und Mitglieder zu mobilisieren. Nicht zuletzt entstehen mit der Online-Präsenz von NGOs neue Medienanbieter, die mit ihren monothematischen und eng an den Bedürfnissen ihrer Klientel orientierten Inhalten den klassischen Medien Konkurrenz machen dürften. Speziell auf die individuellen Bedürfnisse einzelner Gruppen oder Aktivisten abgestimmte Nachrichtendienste, Newsletter und Netzzeitungen werden in den nächsten Jahren einen erheblichen Zuwachs erfahren.
Welche Konsequenzen diese Veränderungen auf lange Sicht für die Organisation unserer Gesellschaft haben können, ist noch nicht in seiner vollen Tragweite abzusehen. Erste Überlegungen zur künftigen dezentralen Architektur öffentlicher Einrichtungen werden genauso kontrovers diskutiert wie die noch weiter gehenden Vorschläge, Regierungen generell zu "virtualisieren", also auf ein räumlich lokalisierbares Machtzentrum zu verzichten.
Ob es jemals so weit kommen wird, kann mit einigem Recht bezweifelt werden. Abzusehen ist jedoch, dass traditionelle Zentrum-Peripherie-Strukturen zugunsten lose gestalteter und dezentral organisierter Netzwerke, die auf Basis des Internet funktionieren, an Bedeutung verlieren werden. Hier liegt der fundamentale Unterschied, der den Übergang ins Internet-Zeitalter kennzeichnet: Die Machtsicherheit der "big player", der großen Institutionen, die Medien und Politik dominierten, gehört vielleicht der Vergangenheit an. Netzinhalte, die von kleinen Interessengruppen online gestellt wurden, können gleichberechtigt neben den Angeboten von Regierungen und Großunternehmen stehen. Rezipienten werden zu Akteuren, Politiker zu Rezipienten - die klassischen Rollen der Politikvermittlung lösen sich auf.
VIII. Marathonlauf zum guten E-Government - Ein Fazit
Der Diskurs um die Ausgestaltung des E-Governments war lange Zeit vor allem durch die im Nachbargebiet E-Commerce gewonnenen Erfahrungen geprägt. Während die Diskussion um Netz-Demokratie im Wesentlichen von einigen Utopisten, Aktivisten und vereinzelt von interessierten Sozialwissenschaftlern geführt wurde, verdankt die Debatte über die Potenziale des E-Governments ihre Intensität und Breite vor allem einer ökonomisch motivierten Interessenlage. Kommunen und Regierungen ging es vor allem um die Frage, welche Effizienzgewinne sich durch elektronisches Regieren erzielen lassen. Nicht von ungefähr ist die Umsetzung von E-Government-Services, die in irgendeiner Weise Einnahmen generieren, europaweit überdurchschnittlich bereits fortgeschritten.
In jüngster Zeit scheint sich die Fachdiskussion über E-Government zu wandeln und eine neue Richtung zu nehmen. Die technischen Herausforderungen, welche die Grundlage für E-Government bilden, stellen sich zwar weiterhin als komplex, jedoch als nicht mehr ganz so prekär dar. Mehr und mehr kommerzielle Anbieter haben das Geschäftspotenzial erkannt und zum Teil fortgeschrittene technische Lösungen entwickelt. Statt der Technik rücken derzeit Finanzierungsfragen und die Erforschung der tatsächlichen Nutzerbedürfnisse in den Mittelpunkt des Interesses. Dieser Verlauf der Debatte dient als weiterer Beleg für die Notwendigkeit einer ganzheitlichen strategischen Vorgehensweise, die sich an kommerziellen Kosten-Nutzen-Rechnungen anlehnen kann.
Als letztendlich entscheidend für die Durchsetzung von E-Government wird sich die Frage der gesellschaftlichen Akzeptanz erweisen. Hierfür bedarf es neuer Zugänge und eines Prozesses des Umdenkens auf allen Seiten. Die Liste der Vorbehalte gegenüber dem digitalen Regieren ist lang und reicht von Fragen des Datenschutzes über den Schutz der Privatsphäre und der weltweiten Copyrights bis zu Warnungen vor einer digitalen Spaltung der Bevölkerung. Es gilt nun, die Probleme auszuräumen und die Bedenkenträger zu überzeugen. Hierzu bedarf es innovativer Ideen, weiterer Experimente und des globalen Austauschs zwischen allen Beteiligten. Und natürlich ist auch viel politischer Mut gefragt, die vorhandenen Ansätze nach erfolgreicher Erprobung in der Fläche umzusetzen. Initiativen wie etwa das Bundes-Projekt BundOnline 2005 des Bundesinnenministeriums können hier, nach Jahren deutscher Rückständigkeit im Bereich E-Government, entscheidende Beiträge leisten.
Bei allen Bemühungen des Staates um Unterstützung für die Entwicklung der Informationsrevolution muss eine sorgfältig Balance zwischen Push-, Pull- und Facilitation-Stategien gewählt werden.
Wie schwierig es ist, traditionelle - und zum Teil tradierte - Verfahrensweisen zu überwinden, um die Verwaltungsmodernisierung voran zu treiben, ist allen Beteiligten klar. Besonders starke Beharrungskräfte bestehen bezüglich der legislativen Grundlagen der Verwaltungstätigkeit. Erst im Juni 2002 scheiterte eine Gesetzesvorlage, die einen entscheidenden Schritt zur Anpassung an die Bedingungen der Informationsgesellschaft bedeutet hätte: das Recht auf freien Informationszugang In den USA bereits seit über 30 Jahren im Freedom of Information Act garantiert, bricht dieses informationelle Grundrecht mit den traditionellen Prinzipien der Amtsverschwiegenheit und der Geheimhaltung verwaltungsinterner Vorgänge. Informationsfreiheitsgesetze stellen die Regelung des Informationsflusses zwischen Staat und Bürger endlich vom Kopf auf die Füße. Nicht mehr der Bürger muss nachweisen, dass er ein Recht darauf hat, bestimmte Informationen einzusehen, sondern der Staat muss im Zweifelsfalle begründen, warum er bestimmte Informationen als vertraulich bzw. geheim einstuft oder diese aus datenschutzrechtlichen Erwägungen zurückhält. In den Bundesländern Berlin, Schleswig-Holstein, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen sind bereits derartige Gesetze verabschiedet worden. Die Einführung eines Bundesgesetzes wäre mehr als nur ein symbolischer Schritt hin zu mehr Transparenz, Bürgernähe und gegenseitiger Akzeptanz. Nahezu alle westlichen Industrienationen verfügen über eine rechtlich garantierte Informationsfreiheit. In Deutschland muss sich das Vertrauen in die kommunikative Vernunft einer sich online wie offline selbst organisierenden Bürgergesellschaft offenbar erst noch entwickeln.
Dies führt zum letzten Punkt: Bei aller Konzentration auf die praktische Umsetzung von E-Government dürfen die gesellschaftspolitischen Visionen, die mit diesem neuen Ansatz für das Regieren und Verwalten verbunden sind, nicht aus den Augen verloren werden. Das Ziel ist nicht die Implementierung einer modernen EDV-Infrastruktur in der öffentlichen Verwaltung - dies ist nur eine notwendige Vorbedingung -, sondern die Förderung einer selbstbewussten und aktiven Bürgergesellschaft. Das Leitbild der E-Government-Bewegung muss den Menschen in den Mittelpunkt aller Überlegungen stellen und einer Vision von Gesellschaft folgen, in der die Technik den Menschen hilft, sich in einer Zeit wachsender Anforderungen im öffentlichen, privaten und beruflichen Leben selbst zu entfalten.
Wie diese normativen Vorgaben konkret umgesetzt werden können, erläutert im Detail der "10-Punkte-Plan für gutes E-Government" der Bertelsmann Stiftung.