I. Reformstau in Deutschland
Seit der Wiedervereinigung gibt Deutschland in der Wirtschafts- und Sozialpolitik ein denkbar schlechtes Bild ab. Die wirtschaftliche Entwicklung hinkt allen anderen entwickelten Volkswirtschaften, ausgenommen Japan, hinterher. Die Arbeitslosigkeit scheint allenfalls konjunkturell bedingt sinken zu können, an den strukturellen Ursachen ändert sich jedoch kaum etwas. Die Funktionsfähigkeit des Arbeitsmarktes ist nach wie vor gering, was einerseits auf die hohe Regulierungsdichte zurückzuführen ist. Andererseits erweisen sich auch die Systeme der sozialen Sicherung zunehmend als Belastung für den Faktor Arbeit, allen voran die gesetzliche Kranken- und Rentenversicherung.
Deutschland steckt nicht erst seit gestern in der strukturellen Krise. Im Jahr 1997 hat der damalige Bundespräsident Roman Herzog in seiner viel beachteten Rede im Berliner Hotel Adlon die eigentliche Problematik klar umrissen: "Es ist ja nicht so, als ob wir nicht wüssten, dass wir Wirtschaft und Gesellschaft dringend modernisieren müssen. Trotzdem geht es nur mit quälender Langsamkeit voran. Uns fehlt der Schwung zur Erneuerung, die Bereitschaft, Risiken einzugehen, eingefahrene Wege zu verlassen, Neues zu wagen."
II. Berichtsnetzwerk "Internationaler Reformmonitor"
An dieser Stelle setzt das Projekt "Internationaler Reformmonitor: Sozial-, Arbeitsmarkt- und Tarifpolitik" der Bertelsmann Stiftung an. Ein möglicher Weg, die Ursachen für die gegenwärtige Unbeweglichkeit - fehlende konkrete Vorschläge und fehlender Mut zur Umsetzung - zu finden und zu beseitigen, besteht darin, den Blick auf andere Länder von vergleichbarem Entwicklungsstand zu richten, die mit ähnlichen wirtschafts- und sozialpolitischen Problemlagen zu kämpfen haben. Meist ist es gar nicht notwendig, von Grund auf neue Lösungskonzepte zu entwerfen. Häufig genügt schon der Blick über den eigenen Tellerrand hinaus, um Anregungen und Muster zur Überwindung von Defiziten zu erhalten. Zu dem inhaltlichen Nutzen tritt noch ein weiterer: Es schafft Druck auf politische Entscheidungsträger und macht Mut, dringend notwendige Reformen auch in Deutschland endlich in Angriff zu nehmen, wenn andere Länder ähnliche Probleme bereits mit Hilfe konkreter Reforminitiativen lösen konnten. Insofern will der Internationale Reformmonitor zweierlei bewirken: einerseits konkrete, gangbare Reformoptionen aufzeigen und andererseits die politische Debatte über die Notwendigkeit von Reformen in Gang bringen und halten.
Zu diesem Zweck werden im Internationalen Reformmonitor derzeit 15 Länder beobachtet. Zu ihnen zählen jenseits des Atlantiks Kanada und die USA, im pazifischen Raum Australien und Japan sowie in Europa Schweden, Finnland und Dänemark, Spanien und Italien, Österreich und die Schweiz, die Niederlande sowie schließlich Frankreich, Großbritannien und Deutschland. Im halbjährlichen Turnus berichten Experten von international renommierten Forschungseinrichtungen und Universitäten über aktuelle Reformvorhaben.
III. Einordnung von Reformen
Eine häufig vorgebrachte Kritik von internationalen Vergleichen sozialstaatlicher Institutionen ist die unzureichende Vergleichbarkeit und Übertragbarkeit auf ein bestimmtes System. In der Tat ergibt es wenig Sinn, eine viel versprechende Reform direkt und ohne Modifikationen auf Deutschland übertragen zu wollen. Das ist aber auch nicht die Absicht des Reformmonitors. Es geht vielmehr darum, generelle Reformoptionen aufzuzeigen, deren konkrete Ausgestaltung aber nach wie vor den hiesigen politischen Akteuren obliegt. Doch selbst dieser Anspruch ist nicht frei von Problemen. Das liegt vor allem daran, dass den Ländern des Reformmonitors ganz unterschiedliche sozialstaatliche Konzepte zugrunde liegen. Gemäß der Systematik von Esping-Andersen lassen sich die Länder grob in drei Kategorien einordnen.
Erstens gibt es den Typus des liberalen Sozialstaates. Bedürftige werden nur minimal im Sinne reiner Armutsvermeidung unterstützt, die Absicherung durch die sozialen Sicherungssysteme ist selektiv und findet zu großen Teilen auf der freiwilligen, privaten Ebene statt. Zu dieser Ausprägung werden im Wesentlichen die angelsächsischen Staaten gezählt, wobei jedoch innerhalb dieser Gruppe, wie auch in den folgenden Ländergruppen, die Variationsbreite beträchtlich ist, etwa zwischen den USA und Kanada.
Der zweite Typus wird als konservativ bezeichnet. Er steht in der Tradition von Bismarck und stützt sich auf das Prinzip der beitragsfinanzierten Sozialversicherung, die dazu dient, den individuellen sozioökonomischen Status zu sichern. Zu den Ländern mit einer konservativen sozialstaatlichen Ausrichtung zählen neben Deutschland auch Frankreich und die Benelux-Länder.
Die dritte große Ländergruppe wird als sozialdemokratisch bezeichnet. Ihr liegt ein universalistisches Prinzip zugrunde, wonach die soziale Sicherheit unabhängig vom Erwerbsstatus gewährleistet sein soll. Die Finanzierung erfolgt hauptsächlich über Steuereinnahmen, was sich in einem hohen Maß an staatlicher Umverteilung niederschlägt. Dieser Typus findet sich vor allem in skandinavischen Ländern.
IV. Gemeinsamkeiten der Länder
Diese Systematik sollte bei der Beurteilung von Reformen stets berücksichtigt werden, da mit ihrer Hilfe die Motivation für Veränderungen in die eine oder andere Richtung erst deutlich wird. Bei allen Unterschieden zwischen einzelnen Ländern lassen sich jedoch auch bedeutsame Gemeinsamkeiten hinsichtlich der Ziele und Prioritäten in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik feststellen.
In nahezu allen Ländern wird erstens nach Mitteln und Wegen gesucht, das Gesundheitswesen und die Alterssicherung leistungsfähig und gleichzeitig bezahlbar zu halten. Der demographische Wandel und der technologische Fortschritt im Gesundheitswesen berühren sämtliche entwickelten Volkswirtschaften, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß.
Als zweite große Gemeinsamkeit erweist sich die Aufwertung der Familienpolitik. Diese ist einerseits als Reaktion auf die Alterung und den Rückgang der Bevölkerung zu sehen, andererseits aber auch auf veränderte Erwerbswünsche von Frauen zurückzuführen. Folglich steht nicht nur eine bessere materielle Absicherung der Familie im Vordergrund, sondern auch die Suche nach Wegen, wie insbesondere Frauen Familie und Beruf unter einen Hut bringen können.
Die Reform der Arbeitsmarktpolitik ist im internationalen Vergleich ebenfalls ein viel bestelltes Feld. In diesem Bereich geht es vornehmlich darum, die Arbeitslosigkeit nicht mehr nur zu alimentieren oder durch eine künstliche Verknappung des Arbeitsangebotes, etwa durch Frühverrentung, zu reduzieren, sondern sie vielmehr durch eine aktivierende, präventive Arbeitsmarktpolitik erst gar nicht entstehen zu lassen oder möglichst rasch den Übergang in eine neue Beschäftigung zu gewährleisten.
Doch nicht nur die Arbeitsmarktpolitik im engeren Sinne befindet sich momentan im Umbruch. Die Unterstützungssysteme für Geringqualifizierte und Langzeitarbeitslose sind in vielen Ländern darauf ausgerichtet worden, die Chancen und Anreize für arbeitsfähige Leistungsempfänger zu steigern, ihren Lebensunterhalt zumindest zum Teil aus eigener Kraft zu verdienen.
Schließlich sind gerade in Ländern, die eher dem konservativen oder sozialdemokratischen Typ entsprechen, Bestrebungen zu beobachten, den Arbeitsmarkt flexibler und somit funktionsfähiger zu gestalten. Dies betrifft etwa die Einführung von flexiblen Arbeitszeitmodellen oder den Abbau von Einstellungshemmnissen.
V. Ausgewählte Reformbeispiele
Im Folgenden werden einige Reformvorhaben aus den Bereichen soziale Sicherung und Arbeitmarktpolitik im weiteren Sinne vertieft dargestellt, die für Deutschland relevante Problembereiche zum Gegenstand haben und instruktiv für die hiesige Reformdiskussion sind.
1. Reform der Krankenversicherung
Die Reform des deutschen Gesundheitssystems wird in dieser Legislaturperiode eine zentrale Rolle spielen. Anregungen für das Teilgebiet der gesetzlichen Krankenversicherung liefert die Neufassung des Krankenversicherungsgesetzes in der Schweiz aus dem Jahr 1996 sowie Änderungen in der Folgezeit.
Diese obligatorische Krankenversicherung umfasst lediglich die Grundversicherung, mit der alle notwendigen medizinischen Leistungen abgedeckt sind, mit Ausnahme der zahnärztlichen Versorgung. Zusätzliche Leistungen, etwa die Unterbringung in Ein- oder Zweibettzimmern, müssen im Rahmen von Zusatzversicherungen abgedeckt werden. Dort werden risikogerechte Prämien erhoben. Anders als in Deutschland haben die Versicherten sowohl im Rahmen der Grundversicherung als auch durch die Zusatzversicherungen Gestaltungsoptionen. So erhalten Versicherte eine Prämienreduktion, wenn sie auf die freie Wahl der Leistungserbringer, z. B. durch eine Beschränkung auf bestimmte Ärztelisten, verzichten. Ferner können sie auch höhere Selbstbeteiligungen im Krankheitsfall wählen.
2. Rentenversicherung und Beschäftigung älterer Arbeitnehmer
Die Situation älterer Arbeitnehmer ist sowohl für den Arbeitsmarkt als auch für die Rentenversicherung von großer Bedeutung. Angesichts des demographischen Wandels gerät die gesetzliche Rentenversicherung in den nächsten Jahren in immer größere finanzielle Bedrängnis. Trotz zahlreicher Anstrengungen, wie etwa die teilweise Finanzierung der Rentenversicherung über die Ökosteuer oder die Stärkung der betrieblichen und privaten Vorsorge im Rahmen der Riester-Rente, wird die deutsche Erwerbsbevölkerung nicht umhinkommen, in Zukunft erst später in Rente zu gehen, um das Verhältnis von Beitragszahlern und Rentnern wieder zu verbessern.
Doch der demographische Wandel bringt nicht nur die Rentenversicherung in Bedrängnis. Der Geburtenrückgang und die Alterung der Gesellschaft führen gemeinsam mit den Auswirkungen des Strukturwandels zu einem Mangel an qualifizierten Fachkräften in Teilen des Arbeitsmarktes. Um diesen zu lindern, werden ältere Arbeitnehmer in Zukunft einen größeren Beitrag zum volkswirtschaftlichen Arbeitsvolumen leisten müssen.
Eine zentrale Herausforderung für die nächsten Jahre wird dabei sein, ältere Arbeitnehmer länger im Erwerbsleben zu halten. Es liegen bereits vielfältige Erfahrungen anderer Länder vor, die auf diesem Weg ein gutes Stück weiter vorangeschritten sind als Deutschland. In Finnland haben Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften und Rentenversicherungsträger im November 2001 eine umfassende Reform der betrieblichen Renten beschlossen, deren Elemente aber auch für die Reformdebatte um die gesetzliche Rentenversicherung in Deutschland instruktiv sind.
Die Reform sieht zunächst vor, das gesetzliche Renteneintrittsalter flexibel zu gestalten. Der Übergang in den Ruhestand kann zwischen dem 62. und dem 68. Lebensjahr erfolgen. Dadurch wird einerseits dem Wunsch Rechnung getragen, vorzeitig in Rente zu gehen. Andererseits wird aber auch die Möglichkeit geschaffen, länger als bisher erwerbstätig zu bleiben. Um das faktische Renteneintrittsalter zu erhöhen, wird die individuelle Frühverrentung vollständig abgeschafft. Das Eintrittsalter für Altersteilzeitregelungen wird von 56 auf 58 Jahre angehoben, und die während der Altersteilzeit erworbenen Rentenansprüche werden reduziert. Damit wird Altersteilzeit für die Versicherten weniger attraktiv. Auch die Rente wegen Arbeitslosigkeit wird abgeschafft. An ihre Stelle treten Weiterbildungsmaßnahmen, die das Entstehen von Arbeitslosigkeit unter Älteren verhindern bzw. Arbeitslosen den Wiedereinstieg in Beschäftigung erleichtern sollen. Neben der Abschaffung von Regelungen, die einen frühen Austritt aus dem Erwerbsleben begünstigen, werden auch finanzielle Anreize für Ältere geschaffen, länger berufstätig zu bleiben. Die Rentenzuwächse, die pro Jahr in Erwerbstätigkeit anfallen und die durchschnittlich 1,5 Prozent des Jahreseinkommens betragen, werden ab dem 63. Lebensjahr auf 4,5 Prozent gesteigert. Der Lohn eines verlängerten Erwerbslebens liegt also in einer überproportional höheren Rente.
Mit dieser Kombination aus eingeschränkten Möglichkeiten und zusätzlichen Anreizen soll ein Verhaltenswandel eingeleitet werden, der langfristig zu einer Senkung des Beitragssatzes um zwei bis vier Prozentpunkte führen soll. Es wird erwartet, dass in zehn Jahren die Mehrheit älterer Arbeitskräfte mit 62 Jahren noch beschäftigt ist.
Während die Reform in Finnland hauptsächlich an der Angebotsseite ansetzt, indem älteren Arbeitnehmern Möglichkeiten zur Frühverrentung verwehrt und Anreize zum längeren Verbleib in Arbeit geschaffen werden, berücksichtigt Italien stärker den Erhalt von Arbeitsplätzen für Ältere.
3. Familienpolitik
Der demographische Wandel lässt auch die Anforderungen an eine moderne Familienpolitik nicht unberührt. Zu einer besseren Ausschöpfung des schrumpfenden Erwerbspersonenpotenzials kann eine steigende Erwerbsbeteiligung von Frauen einen wesentlichen Beitrag leisten. Zu diesem Zweck muss jedoch die Familienpolitik so ausgerichtet werden, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf besser als in der Vergangenheit gewährleistet ist. Es zeigt sich, dass Deutschland immer noch dem althergebrachten Modell verhaftet ist, bei dem der Mann einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachgeht, während die Frau zu Hause bleibt und sich um die Kindererziehung kümmert.
An dieser Stelle setzen mehrere Länder mit neuen Transfersystemen an, die Anreize zur Arbeitsaufnahme bieten und gleichzeitig die materielle Absicherung der Familie nicht aus den Augen verlieren. In den USA ist im Jahr 1997 eine Steuergutschrift für Eltern, der so genannte "Child Tax Credit" (CTC), eingeführt worden.
Eine ähnliche Entwicklung ist in Großbritannien zu beobachten, wo 1999 der "Working Families Tax Credit" (WFTC) eingeführt wurde.
4. Arbeitsmarktflexibilität
Die Steigerung der Flexibilität des Arbeitsmarktes steht vor allem in konservativ und sozialdemokratisch geprägten Staaten ganz oben auf der Reformagenda. Auch über die eigenen Grenzen hinaus gelangte das niederländische Konzept der "Flexicurity"
Neben der Neuordnung von befristeten Beschäftigungsverhältnissen, die in vielen europäischen Ländern auf eine neue EU-Richtlinie zurückzuführen sind, hat Österreich auf eine Reform des Systems der Abfindungszahlungen gesetzt, um dem Arbeitsmarkt mehr Dynamik zu verleihen. Dies könnte auch für Deutschland ein viel versprechender Weg sein. Hierzulande bestehen kaum gesetzliche Vorschriften für Abfindungen. Bei Massenentlassungen können Sozialpläne oder Nachteilsausgleiche Abfindungszahlungen vorsehen. Sie können auch tarifvertraglich geregelt sein. Ansonsten kommt es zu Abfindungen bei arbeitsgerichtlichen Vergleichen oder bei Auflösungsverträgen. Letzteres ist der häufigste Fall. Ihre Höhe richtet sich in der Regel nach der Höhe des Einkommens und der Dauer der Betriebszugehörigkeit. Diese Ausrichtung am Senioritätsprinzip hemmt aber die Mobilität der Arbeitnehmer. Wechselt ein langjährig Beschäftigter in ein anderes Unternehmen, verliert er seinen Anspruch auf die Zahlung einer Abfindung für den Fall der Entlassung. Risikoscheue Arbeitnehmer werden demnach davor zurückschrecken, nach langer Betriebszugehörigkeit den Wechsel zu einem anderen Arbeitgeber zu wagen. An diesem Problem setzt die Reform des Abfindungssystems in Österreich an.
Die Reform zum 1. Januar 2003 sieht nun die Einführung eines Fonds vor, in den die Arbeitgeber für jeden Beschäftigten vom ersten Tag bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses 1,5377 Prozent des Gehalts einzahlen. Bei der Kündigung kann der Arbeitnehmer wählen, ob er sich seinen individuellen Anspruch auszahlen lassen will oder ob die Ansprüche im Fonds verbleiben und später verzinst als zusätzliche Altersrente ausgezahlt werden sollen. Die Ansprüche werden grundsätzlich nicht ausgezahlt, wenn der Arbeitnehmer selbst gekündigt hat oder noch nicht mindestens drei Jahre im Betrieb beschäftigt war. Sie gehen jedoch nicht verloren, sondern bleiben auf dem "Konto" des Arbeitnehmers und kumulieren sich. Der jährliche Anstieg der Abfindungsansprüche wird allerdings gebremst, Anspruch auf ein volles Jahreseinkommen besteht erst nach 37 Beschäftigungsjahren. Mit dieser Reform wird sichergestellt, dass Beschäftigte ihre erworbenen Abfindungsansprüche zu einem anderen Arbeitgeber mitnehmen können. Mobilitätshemmnisse werden auf diese Weise abgebaut. Darüber hinaus wird mit dem Abfindungsfonds eine zusätzliche, kapitalgedeckte Säule der Alterssicherung geschaffen.
VI. Fazit
An Reformvorschlägen für die drängenden Probleme in Deutschland mangelt es nicht. Es gibt hierzulande genügend kluge Köpfe, und auch die Erfahrungen anderer Länder bieten vielfältige Ansatzpunkte für ein entschlossenes, zielführendes Handeln im sozialen Bereich und auf dem Arbeitsmarkt. Allerdings leistet sich Deutschland - im Gegensatz zu anderen Ländern - den Luxus der Langsamkeit, des Stillstandes und in manchen Fällen sogar des Rückschritts.
Die Ursachen dafür liegen in der großen Zahl von Vetospielern
Es stellt sich die Frage, wie die Reformblockade in Deutschland beseitigt werden kann. Angesichts der vielfältigen konfligierenden Interessenlagen und Verflechtungen im politischen System erscheint ein Aufbruch aus eigener Kraft unwahrscheinlich, auch wenn, wie mancherorts gefordert, verstärkt große Verhandlungskoalitionen gebildet werden, um nachhaltige Reformschritte gehen zu können.
Aber möglicherweise hilft ein Blick auf die Ebene der Europäischen Union. Dort erfreut sich das Konzept der "offenen Methode der Koordination" wachsender Beliebtheit.