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Außenpolitik der Bundesrepublik Editorial Die amerikanische Weltordnung Die Außenpolitik der Regierung Schröder/Fischer: Zwischenbilanz und Perspektiven Deutschland und die USA - eine Beziehungskrise? Deutschland in Europa: Eine symbiotische Beziehung Deutschland als Motor einer europäischen Politik in den Vereinten Nationen? Wohin gehen die USA? Die neue Nationale Sicherheitsstrategie der Bush-Administration

Deutschland in Europa: Eine symbiotische Beziehung

Gunther Hellmann

/ 22 Minuten zu lesen

In einer Harmonisierung der unterschiedlichen Interessenlagen liegt auch eine zentrale Aufgabe deutscher Außenpolitik. Die EU ist heute die wichtigste internationale Institution, deutsche Interessen zu artikulieren.

Einleitung

"Ist es ein Widerspruch zu unserem Engagement in Europa, in dem wir fest verankert sind, wenn wir gleichzeitig sagen, es gibt deutsche Interessen? Leisetreterei bei der Vertretung der eigenen Interessen war noch nie angetan, Respekt auch bei den Partnern zu finden. Insofern, wenn wir das betonen, was in unserem eigenen Interesse liegt, tun wir zugleich etwas für Europa."

I. Normalisierung als "Machtgewöhnung"

Der 11. September 2001 hat nach Ansicht vieler Beobachter eine neue Zeitrechnung eingeläutet. Für Bundeskanzler Gerhard Schröder jedenfalls brachten die Terroranschläge in den USA auch weit reichende Folgen für die deutsche Außenpolitik mit sich. "Ich denke, wir haben Grund", so Schröder in einer Regierungserklärung im Oktober 2001, "bei der Formulierung und Durchsetzung unserer Außenpolitik ... das eine oder andere zu verändern." Deutschland müsse sich "in einer neuen Weise der internationalen Verantwortung" stellen. "Noch vor zehn Jahren hätte niemand von uns erwartet, dass Deutschland sich anders als durch so etwas wie ,sekundäre Hilfsleistungen' - also Zurverfügungstellung von Infrastruktur oder Gewährung von Finanzmitteln - an internationalen Bemühungen zur Sicherung von Freiheit, Gerechtigkeit und Stabilität beteiligt. ... Diese Etappe deutscher Nachkriegspolitik ... ist unwiederbringlich vorbei. Gerade wir Deutschen ... haben nun auch eine Verpflichtung, unserer neuen Verantwortung umfassend gerecht zu werden. Das schließt - und das sage ich unmissverständlich - auch die Beteiligung an militärischen Operationen zur Verteidigung von Freiheit und Menschenrechten, zur Herstellung von Stabilität und Sicherheit ausdrücklich ein."

Die meisten Beobachter interpretierten diese Erklärung als Verabschiedung jener "Kultur der militärischen Zurückhaltung", die für die alte "Bonner Republik" kennzeichnend war. Dabei wurde übersehen, worin die eigentliche Botschaft lag. Ihr Kern bestand weniger darin, dass nun dem Schreckgespenst von SPD und Bündnis 90/Die Grünen von Anfang der neunziger Jahre, der "Militarisierung deutscher Außenpolitik" , ein Engelsgewand übergestülpt oder gar, wie eine weit radikalere Forderung lautete, die "Lizenz zur Selbstsuspendierung vom Weltgeschehen" endgültig gekündigt und die "Remilitarisierung deutscher Außenpolitik ... konsequenterweise" bis zum "Tisch der Atommächte" vorangetrieben werden sollte. Vielmehr fügte sich die Botschaft des Bundeskanzlers in eine längere Reihe von Stellungnahmen ein, die eine umfassende "Normalisierung" der deutschen Außenpolitik einforderten. Diese erschien zwingend, weil sich in der Selbstwahrnehmung der rot-grünen Bundesregierung mit dem Regierungswechsel 1998 "auch ein Generationswechsel im Leben unserer Nation" vollzogen hatte. Die "Befangenheit", die bei der vorangehenden Generation überwogen habe, sei, so Schröder, durch die Überzeugung verdrängt worden, dass das deutsche Volk "schon lange" ein "normales Volk" sei, so dass die neue Generation "ohne Schuldkomplexe" in die Zukunft blicken und "unbefangener die eigenen Interessen vertreten" könne.

Die unmissverständliche Absage Schröders zu einer Beteiligung deutscher Soldaten an einer militärischen Operation zur Beseitigung des Regimes von Saddam Hussein im Bundestagswahlkampf 2002 stellt vor diesem Hintergrund keinen Widerspruch zu der ein knappes Jahr zuvor verkündeten "uneingeschränkten Solidarität" dar. Vielmehr konnte sich Schröder in beiden Fällen sicher sein, dass seine Position von großen Teilen der Bevölkerung geteilt wurde und zumindest insofern "deutschen Interessen" entsprach. Der frühere US-Außenminister Henry Kissinger sieht in der Irak-Position Deutschlands daher vor allem einen "Vorwand für eine stärker national ausgerichtete Neuorientierung der deutschen Außenpolitik" . Sein alter Gegenspieler, der außenpolitische Altmeister der SPD und gelegentliche Berater Schröders, Egon Bahr, würde dem wohl nicht widersprechen, das Ergebnis aber wohlwollender beurteilen. Denn dass das vereinte Deutschland "wieder machtgewohnt werden" müsse und "Machtgewöhnung" nur "ein anderes Wort für Normalität" sei, meint Bahr schon lange.

Am veränderten militärischen Engagement Deutschlands - seiner gewachsenen Bereitschaft, sich aktiv zu beteiligen oder eben auch unter Berufung auf deutsche Interessen sich selbst dann zu enthalten, wenn die alte Maxime einer strikt multilateralen Politik eine Beteiligung gebietet - zeigt sich sicherlich am eindringlichsten, wie sehr sich Deutschlands Außenpolitik seit der Vereinigung verändert hat. Selbst jene Beobachter, die insgesamt ein Bild der Kontinuität deutscher Außenpolitik nach 1990 zeichnen, gestehen in dieser Hinsicht bedeutende Anpassungen an eine veränderte Weltlage ein. Wenn man allerdings in Rechnung stellt, dass angesichts grundlegender Veränderungen in den Rahmenbedingungen deutscher Außenpolitik die überkommenen Referenzpunkte zur Beurteilung von Kontinuität oder Wandel nur noch bedingt geeignet sind, überwiegen die Veränderungen auch weit über den militärischen Bereich hinaus.

II. Veränderte Rahmenbedingungen, neuer Problemhaushalt

Mit der deutschen Vereinigung und dem damit einhergehenden Ende des Ost-West-Konflikts hatte Deutschland an Gewicht gewonnen, frühere (selbst gewählte und fremdbestimmte) politische Abhängigkeiten abgeworfen und zugleich ein sichereres Umfeld gewonnen. Parallel zur gestiegenen Gestaltungsmacht stellte allerdings auch der neue Problemhaushalt wachsende Anforderungen. Im Laufe des vergangenen Jahrzehnts haben die tief greifenden Transformationsprozesse im östlichen und südöstlichen Europa daher nicht nur die Funktionen der aus deutscher Sicht wichtigsten internationalen Institutionen, der EU und der NATO, sondern auch die Ziele und die Mittel deutscher Außenpolitik verändert. "Stabilitätsexport" verdrängte Wohlstands- und Überlebenssicherung.

Die Neubestimmung ihrer Funktionen akzentuierte allerdings auch die unterschiedlichen nationalstaatlichen Interessen innerhalb der NATO und der EU. Die Ausdehnung der westlichen Stabilitätszone durch eine Erweiterung der Mitgliedschaft in diesen beiden Organisationen bildete zwar den gemeinsamen Nenner westlicher Politik. Dieser fiel insgesamt aber nicht allzu groß aus, weil der kollektive Stabilitätsgewinn gerade im innereuropäischen Verhältnis auch auf seine Implikationen für Zugewinne oder Verluste an nationalstaatlicher Macht kritisch geprüft wurde. Für die NATO fiel diese Kalkulation weniger stark ins Gewicht, weil die Dominanz der USA in allen denkbaren Szenarien offensichtlich blieb. Im Zuge der Ereignisse des 11. September 2001 und der damit einhergehenden weiteren Entwertung des westlichen Bündnisses aus amerikanischer Sicht verlor sie weiter an Bedeutung.

Mit der Herabstufung Europas auf der Prioritätenliste Washingtons bricht jedoch das Fundament einer der beiden Säulen früherer deutscher Außenpolitik weg. Die USA überlassen die Europäer im Allgemeinen und die Deutschen im Besonderen ihrem Schicksal. Verschärfend kommt hinzu, dass sie immer mehr den paradigmatischen Gegenpol dessen markieren, wofür Deutschland in den internationalen Beziehungen stehen will. Während die Ereignisse des 11. September 2001 die immer schon vorhandene Präferenz der Weltmacht USA für ein Maximum an Bewegungsfreiheit in der internationalen Politik deutlich verstärkten, haben sie die deutsche Präferenz für eine Zivilisierung der internationalen Beziehungen nicht nachhaltig geschwächt. Die beiden wichtigsten Mitglieder der NATO marschieren damit in zentralen Fragen der internationalen Politik - vom Klimaschutz über den Internationalen Strafgerichtshof bis zur Irak-Politik - entschiedener denn je in entgegengesetzte Richtungen - mit weit reichenden Folgen für die strategische Ausrichtung deutscher Außenpolitik.

III. Das unvollendete Projekt der europäischen Integration

Wenn sich in Europa nach wie vor (wenn auch in abgeschwächter Form) "das alte und immer wieder neue Problem der ,kritischen Größenordnung' Deutschlands" stellt und mit der zunehmenden Abkehr der USA von Europa deren klassische Funktion als machtpolitischer Übervater der westeuropäischen Befriedung im Allgemeinen und als Rückversicherungsinstanz gegenüber verbliebenen Restängsten vor einem dominierenden Deutschland im Besonderen entfällt, lastet ein umso schwereres Gewicht auf der traditionellen zweiten Säule deutscher Nachkriegsaußenpolitik, der EU. Neben der NATO wurde vor allem mit dem Projekt der europäischen Integration die Hoffnung verbunden, das "ordnungspolitische Grundproblem" der europäischen Neuzeit zu lösen. Die Beziehungen innerhalb Europas sowie zwischen Deutschland und seinen Nachbarn mussten so organisiert werden, dass "Deutschland in Europa existieren und sich entfalten kann, ohne einen bestimmenden Einfluss in Europa zu erlangen" .

Auf den ersten Blick kann man die Entwicklung der vergangenen zehn Jahre als durchaus angemessene Antwort interpretieren. Erstens haben die integrationswilligen Mitglieder auf Vorschlag Deutschlands und Frankreichs eine gemeinsame Währung eingeführt, welche die wechselseitigen Abhängigkeiten und Kooperationszwänge deutlich verstärkt hat. Zweitens hat die Gemeinschaft aus den desillusionierenden Erfahrungen einer anfangs zerstrittenen EU-Außenpolitik auf dem Balkan ihre Lehren gezogen. Anfängliche "Sonderwege", wie sie vor allem im Zusammenhang mit der einseitigen deutschen Anerkennung von Kroatien und Slowenien wahrgenommen wurden, haben sich genauso wenig als überlebensfähig erwiesen wie jene anfänglichen Koalitionsbildungen entlang klassischer Allianzlinien des Zweiten Weltkrieges, mit denen kurzzeitig einige Diplomaten in europäischen Außenministerien liebäugelten (z. B. Deutschland und Kroatien oder Frankreich/Großbritannien und Serbien). Die gegenwärtigen Differenzen zwischen Frankreich, Großbritannien und Deutschland im Blick auf die europäische Irak-Politik sind insofern nicht ohne Vorläufer. Drittens hat die magnetische Strahlkraft der Union auf angrenzende Regionen im Laufe der neunziger Jahre erheblich zugenommen. Dies gilt zum einen für jene angrenzenden Staaten, die mittelfristig gute Aussichten haben, dem exklusiven Club als Mitglied mit allen Rechten und Pflichten beizutreten. Es gilt in abgeschwächter Form aber auch für jene Nachbarn, die, obwohl sie nicht damit rechnen können, Mitglied der Union zu werden, durch abgestufte Kooperationsarrangements an die Integrationsstrukturen der EU angebunden werden.

Dass Deutschland in allen diesen Fragen nie der (keineswegs völlig irrealen) Versuchung erlag, die Stabilisierung seines Umfeldes "aus eigenen Sicherheitszwängen ... alleine und in der traditionellen Weise zu bewerkstelligen" , ist ein eindrucksvoller Beleg für außenpolitische Lernfähigkeit nicht nur in Bonn und Berlin, sondern auch in Paris, London und Brüssel: Deutschen Interessen kann nicht nur im europäischen Verbund erfolgreich Rechnung getragen werden, sondern es gibt auch keine vernünftige Alternative, die auch nur annähernd zu ähnlich positiven Ergebnissen für alle Betroffenen führen würde. Wenn die Erweiterung der Union erfolgreich fortgesetzt und damit die Teilung Europas endgültig überwunden wird, wird der Statusunterschied zwischen Deutschlands östlichen und westlichen Nachbarn verschwunden und die "Zentralmacht Europas" (H. P. Schwarz) damit rundum in ein die einzelnen Nationalstaaten überwölbendes Netzwerk gemeinsamen Regierens eingebunden sein. Damit würde für Deutschland ein historisch ungekanntes Maß an Sicherheit einhergehen, ohne dass damit (im Sinne eines Nullsummenspiels) Sicherheitseinbußen für seine Nachbarn verbunden wären.

Nun resultieren Lernprozesse in der Außenpolitik wie in allen anderen Bereichen auch aus einem (in der Selbstwahrnehmung der Akteure) intelligenten Umgang mit Problemen. "Irreversibel" sind solche Prozesse allerdings schon deshalb nicht, weil (Ir-)Reversibilität keine signifikante Kategorie im Prozess kreativen Handelns ist. Zudem lassen sich verlässliche Urteile über Erfolg oder Misserfolg einer spezifischen Lernerfahrung häufig erst in deutlichem Abstand zu den jeweiligen Ereignissen fällen. Ein zweiter Blick auf die nunmehr mit Abstand wichtigste Säule deutscher Außenpolitik lässt daher bei aller Zuversicht über die erzielten strukturellen Erfolge zur Lösung des ordnungspolitischen Grundproblems Europas zur Vorsicht mahnen. Dies hängt zum einen damit zusammen, dass man die immer wieder auftauchenden, in einem großen geschichtlichen Kontext keineswegs unplausiblen, vor dem Erfahrungshintergrund des europäischen Integrationsprojektes jedoch recht anachronistisch anmutenden "realistischen" Szenarien eines Europa unter deutscher Dominanz nicht leichtfertig ad acta legen sollte. Viel wichtiger jedoch erscheint, dass sich im Hinblick auf die Dynamik des europäischen Integrationsprozesses sowie auf dessen Verknüpfungen mit der deutschen Innenpolitik eine komplexe Gemengelage ergibt, die - möglicherweise auch ungewollt - Effekte produziert, die das ordnungspolitische Grundproblem Europas in neuer Form aufwerfen. Drei Aspekte sind dabei von besonderer Bedeutung: der zunehmende Hang, deutschen Interessen in der EU mehr Nachdruck zu verleihen; die symbiotische Verquickung deutscher und europäischer Interessen in der Wahrnehmung der deutschen Eliten wie auch der Öffentlichkeit; die nationalstaatliche Konkurrenz im EU-Gefüge.

1. Deutsche Interessen

Wie die brüske Zurückweisung des drohenden "Blauen Briefes" durch Bundeskanzler Schröder im Frühjahr 2002 sowie seine polternd vorgetragene Forderung nach einer stärkeren Berücksichtigung deutscher industriepolitischer Interessen gezeigt hat, wächst mit zunehmenden innenpolitischen Problemen die Versuchung der auf Machterhalt erpichten Spitzenpolitiker, mit einem Fingerzeig auf "Brüssel" von der eigenen Verantwortung abzulenken. Sowohl in Brüssel wie auch in anderen Hauptstädten ist dies mit großer Verärgerung registriert worden. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich derartige Vorgänge zukünftig wiederholen, ist umso größer, je stärker der innenpolitische Problemdruck und je prekärer die eigene Machtbasis erscheint. Sie wird zudem durch mindestens drei weitere, eher strukturelle Faktoren befördert: Erstens durch eine (von der politischen Führung teilweise sogar genährte) diffuse Grundstimmung im öffentlichen Diskurs, dass die Deutschen im Verhältnis zu ihren hohen Beiträgen zum gemeinsamen EU-Budget zu wenig bekommen. In der öffentlichen Wahrnehmung ist Deutschland nicht nur finanziell, sondern auch politisch (etwa im Hinblick auf seine Stimmenzahl im Ministerrat) schlechter gestellt. Verstärkt wird diese Wahrnehmung in Elitenzirkeln, zweitens, durch den Nachweis in wissenschaftlichen Untersuchungen, dass Deutschland nach gängigen Kriterien zwar "mächtig" erscheine, de facto "aber wenig einflussreich" sei. Obwohl das bevölkerungsreichste Land der Union finanziell überproportional zum EU-Budget beiträgt, setzt es sich sowohl im Hinblick auf sachpolitische wie auch personalpolitische Entscheidungen weit schlechter durch, als dies etwa für Frankreich oder Großbritannien gilt. Solche Beobachtungen sind natürlich, drittens, Wasser auf die Mühlen öffentlicher Stimmungen.

Ohnehin wird seit mehreren Jahren und in allen Umfragen ein klarer Trend gemessen, dass die Bevölkerung eine stärkere Berücksichtigung deutscher Interessen einfordert. Zwar wird auf der einen Seite gesehen, dass der deutsche Einfluss in der EU in den vergangenen zehn Jahren zugenommen hat (im Januar 2002 sahen dies 53 Prozent der Befragten so, 30 Prozent meinten, der Einfluss sei gleichgeblieben, 9 Prozent meinten, er hätte abgenommen) und auch absolut "groß" (57 Prozent) oder sogar "sehr groß" (13 Prozent) sei. Ein Drittel der Deutschen meinte sogar, dass Deutschland heute "die führende Macht in Europa" sei (was nur 18 Prozent von Großbritannien bzw. 19 Prozent von Frankreich behaupten würden).

Allerdings zeigen andere Umfragen auch, dass in der öffentlichen Wahrnehmung auf deutsche Interessen "nicht genügend Rücksicht genommen" wird. In einer Umfrage von Emnid aus dem Jahr 2000 stimmten 23 Prozent der Befragten dieser Aussage "vollständig" und weitere 26 Prozent "eher" zu. Unentschieden zeigten sich 29 Prozent, und nur 20 Prozent lehnten diese Einschätzung eher oder vollständig ab. Im Vergleich zu anderen internationalen Organisationen würden deutsche Interessen zwar noch am ehesten in der EU "sehr gut" (6 Prozent der Befragten) oder "eher gut" (25 Prozent) durchgesetzt werden, aber 50 Prozent sind hier unentschieden, und 16 Prozent sehen deutsche Interessen eher schlecht oder sehr schlecht vertreten. Kurzum, mit dem verbreiteten Eindruck unter den politischen Eliten wie auch in der Öffentlichkeit, dass Deutschlands Gewicht in der EU gewachsen sei, es allerdings strukturell benachteiligt werde und zudem die eigenen Interessen nicht hinreichend durchsetze, existiert nicht nur ein beträchtlicher Resonanzboden für die Forderung Schröders, gegenüber den Partnern selbstbewusster die deutsche Stimme zu erheben. Es besteht auch die Versuchung, dies tatsächlich zu tun - und zwar umso eher, je mehr eine Ablenkungsstrategie Erleichterung von der Bürde innenpolitischer Probleme verspricht.

2. Deutschland in Europa

Für eine dauerhafte Lösung des ordnungspolitischen Grundproblems Europas ist allerdings noch eine weitere Beobachtung von Bedeutung, welche die Komplexität der Beziehung Deutschland-EU zusätzlich unterstreicht. Denn es wäre eine irreführende Interpretation, aus dem Befund eines verbreiteten Gefühls der Benachteiligung Deutschlands und der gleichzeitigen Entschlossenheit zur selbstbewussteren Verfolgung deutscher Interessen schnell auf einen wachsenden Gegensatz zwischen Deutschland auf der einen und der EU bzw. den EU-Partnerstaaten auf der anderen Seite zu schließen. Gewiss, Spannungen nehmen zu, aber das Etikett der "Renationalisierung", das in diesem Zusammenhang manchmal verwendet wird, ist deshalb irreführend, weil es den viel interessanteren Befund einer zunehmend symbiotischen Beziehung zwischen Deutschland und EU-Europa verfehlt. Nicht der Gegensatz zwischen beiden ist bemerkenswert, sondern wie eng Deutschland und Europa in der Wahrnehmung sowohl der deutschen Eliten wie auch der Öffentlichkeit zueinander gehören und miteinander verflochten sind. Dies lässt sich an mehreren Indikatoren aufzeigen.

Erstens zeigt sich dies im politischen Diskurs in der steten Wiederholung von Formeln, welche die deutsche Außenpolitik als wesentlich über Europa definiert erscheinen lassen. Selbst bei Gerhard Schröder, der stets vor "Leisetreterei" gegenüber Brüssel warnt, lässt sich deutsche Außenpolitik nur begreifen als "Politik in Europa, für Europa und als Folge dessen auch von Europa aus" . Auch wenn die nationalstaatlichen und die europäischen Akteure in Brüssel häufig als Widerpart deutscher Politik gesehen werden, ist doch unter den deutschen Eliten mittlerweile die Überzeugung tief verwurzelt, dass deutsche Politik nicht mehr losgelöst von der europäischen betrachtet werden kann. Umso mehr steigt auch das Bestreben, deutsche Interessen als mit europäischen zumindest kompatibel, wenn nicht sogar identisch darzustellen.

Zweitens ist in einer ganzen Reihe wissenschaftlicher Untersuchungen nicht nur aufgezeigt worden, wie sehr die EU als höchst passfähige Erweiterung des politischen Systems Deutschlands (gleichsam als logische vierte Ebene des Regierens) fungiert, sondern auch, wie weit "Europäisierung und Selbstbehauptung" als die zwei Seiten ein und derselben Medaille zu sehen sind. Die institutionelle Verflechtung und die politischen Prozesse innerhalb der EU haben bei allen Akteuren zu einer "Erweiterung des Wahrnehmungshorizontes und des politischen Handlungsraumes um die europäische Dimension" geführt und gerade im Blick auf Deutschland Kräfte freigesetzt, "die eine Beziehung zwischen Deutschland und Europa zu einem Deutschland in Europa umgestaltet haben" .

Diese zunehmende Verschmelzung von europäischer und deutscher Politik spiegelt sich drittens auch in der Wahrnehmung der deutschen Öffentlichkeit. Für viele Deutsche symbolisiert die EU nach wie vor ein großes Friedensprojekt unter den Völkern Europas. Dass dabei die nationale Identifikation nicht verloren geht, wird seit langem nachgewiesen. Jeweils 30 Prozent stimmen der Aussage "voll" oder "eher" zu, dass die Deutschen ihr "nationales Bewusstsein bewahren" müssen (36 Prozent stimmen eher nicht oder überhaupt nicht zu). Weit beeindruckender ist allerdings, dass zugleich der Aussage, dass "wir ... ein stärkeres europäisches Bewusstsein entwickeln" müssen, 52 Prozent der Befragten voll und weitere 36 Prozent eher zustimmen und nur neun Prozent diese Aussage eher nicht oder überhaupt nicht unterstützen. Eine überwältigende Mehrheit der Deutschen sieht daher nicht nur keinen Gegensatz, sondern sogar eine notwendige Ergänzung zwischen nationalem und europäischem Bewusstsein. Selbst wenn fast suggestiv gefragt wird, ob sich die EU "zu viel in die Angelegenheiten der einzelnen Mitgliedsländer ein(mischt)" oder ob sie "das tun (muss), damit Europa möglichst bald zusammenwächst", werden die Euroskeptiker von 42 Prozent der Deutschen enttäuscht, die sich offen zugunsten von EU-Interventionen bekennen (31 Prozent geht die Einmischung zu weit, 27 Prozent sind unentschieden oder machen keine Angaben).

All dies bedeutet sicherlich noch nicht, dass die Deutschen zugunsten eines "europäischen Staates" auf einen "selbständigen Staat" verzichten wollen. Aber wenn sie statt nach ihrer Präferenz nach ihrer Prognose gefragt werden, ob Deutschland in 50 Jahren "in einen europäischen Gesamtstaat eingegliedert" sein wird, erwarten dies mehr als zwei Drittel der Befragten. Zusammenfassend kann daher festgehalten werden, dass Deutschland und Europa eine zunehmend symbiotische Beziehung eingehen. Eine historische Analogie zum Verhältnis zwischen Bayern und Deutschland - in dem es für alle Betroffenen weder Identitätskonflikte noch politische Probleme aufwirft, sich Bayern als integrierten Teil Deutschlands zu denken - mag zwar noch nicht ganz zutreffen, aber alle Indikatoren aus dem Vorstellungshorizont der Deutschen weisen eher in diese Richtung als in Richtung eines Staatenbundes. Ob dies allerdings für die europäischen Partner Deutschlands ausschließlich positive Assoziationen weckt, steht auf einem anderen Blatt.

3. Die EU und die Konkurrenz der Nationalstaaten

An dieser Stelle kommt als wichtiger dritter Bedingungsfaktor für die Entwicklung der deutschen Europapolitik die Politik der europäischen Partner, und insbesondere Frankreichs, ins Spiel. Nach Einschätzung der meisten Experten hat sich in der EU seit der Vereinigung eine weit reichende machtpolitische Verschiebung zugunsten der Deutschen ergeben. Vor allem die außenpolitische Elite Frankreichs, die dem internationalen Rang der Nation traditionell eine weit höhere Bedeutung beimisst als die deutsche Elite, hat dies als schmerzlichen Statusverlust registriert. Die möglichen Folgen dieser veränderten Wahrnehmung sind weit reichend. Nicht wenige Diplomaten und Wissenschaftler sprechen mittlerweile hinter vorgehaltener Hand davon, dass - aus einer gesamteuropäischen Perspektive betrachtet - das klassische "deutsche Problem" durch ein "französisches Problem" ergänzt, wenn nicht sogar verdrängt wurde. Auf einen knappen Nenner gebracht besteht es darin, dass der Erfolg einer dauerhaften gesamteuropäischen Stabilisierung mit Hilfe der EU an französischen Widerständen scheitern könnte, die teilweise mit der Pariser Fixierung auf die gewachsene deutsche Macht zusammenhängen, teilweise aber auch dadurch hervorgerufen werden, dass in Frankreich seit den frühen neunziger Jahren die grundlegenden Überzeugungen über das Verhältnis von Staat, Nation und Europa wachsenden Spannungen ausgesetzt sind.

Erschwerend kommt hinzu, dass diese Spannungen just in einer Phase zunehmen, in der - wie die obige Diskussion gezeigt hat - die Kompatibilität dieser drei zentralen Referenzpunkte für die Ausgestaltung von Außenpolitik im deutschen Fall eher zunimmt und dadurch die ohnehin gewachsene deutsche Macht zusätzlich akzentuiert wird. Obwohl seit dem Regierungswechsel in Frankreich im Frühsommer 2002 die innen- wie auch außenpolitische Lähmung durch die Kohabitation beseitigt wurde, ist das grundlegende Problem noch nicht gelöst, dass die französische Elite über keine hinreichend konsensfähige, vor allem aber auch realitätstaugliche Vorstellung verfügt, welche Rolle das Land in welcher Art von Europa anstreben soll. Die EU als Projektionsfläche globaler französischer Ambitionen und als internationales Gegengewicht zu den USA wird zwar von den Deutschen wohlwollender betrachtet als früher, aber zumindest gegenwärtig weder von ihnen noch von den Briten als neue strategische Vision unterstützt. Gleichzeitig erscheint die Fesselung deutscher Macht in einem Europa der Nationalstaaten zunehmend prekär, das, wie die stark in der gaullistischen Tradition stehenden französischen Vorschläge im Rahmen des Konvents zeigen, nicht nur in den klassischen Sektoren der Außen- und Verteidigungspolitik auf intergouvernementale Strukturen setzen sollte.

Dieses "französische Problem" Europas ist aber gerade deshalb ein zentrales Problem Deutschlands, weil die Verwirklichung der übergreifenden Ziele deutscher Außenpolitik - d. h. die Stabilisierung des Ostens und Südostens Europas durch abgestufte Formen der Einbindung in oder Anbindung an die EU bei gleichzeitiger Verbesserung europäischen Regierens im Rahmen der EU - nach wie vor wesentlich von französischer Zustimmung abhängt. Die Rhetorik der Zentralität deutsch-französischer Zusammenarbeit hat sich im Übergang von der Bonner zur Berliner Republik zwar nicht verändert und mittlerweile auch einen festen Platz im Repertoire des anfangs eher anglophilen Gerhard Schröder gefunden. Aber die Begründung dieser Zusammenarbeit ist heute eine völlig andere. Einige Beobachter sprechen bereits davon, dass in den deutsch-französischen Beziehungen eine Ära zu ihrem Ende gekommen ist und ein "Prozess der Banalisierung" begonnen hat. Es geht daher nicht mehr um Aussöhnung, sondern um eine neue Form der innereuropäischen Ausbalancierung der Interessen, die auch dazu beiträgt, den Macht- und Statusverlust französischer Außenpolitik abzufedern.

Nur wenn es gelingt, die wachsenden Zweifel der französischen Elite zu beseitigen, dass Frankreich in der zukünftigen europäischen Architektur wie auch bei der Neuverteilung der Gewichte zwischen den wichtigsten nationalen und institutionellen Akteuren einen seinem Selbstverständnis entsprechenden (und das heißt in vielerlei Hinsicht noch immer: hervorgehobenen) Platz erhält, wird das Integrationsprojekt die unterschiedlichen Kraftfelder innerhalb der EU wie auch in den angrenzenden Zonen auf ein europäisches Zentrum hin bündeln können. In dem Maße, in dem allerdings die Beziehungen "banal" erscheinen, wird die ohnehin bereits beobachtbare Tendenz einer neuen Generation deutscher Außenpolitiker wachsen, die Belastbarkeit der Beziehungen zu testen - und auch dies umso mehr, je stärker der innenpolitische Problemdruck und je ungerechter die Verteilung von Kosten (z. B. Agrarhaushalt) und Nutzen (z. B. Stimmenverteilung im Ministerrat) empfunden werden.

Die Entsendung von Außenminister Joschka Fischer in den EU-Konvent, seine Ankündigung neuer europapolitischer Initiativen, die über alles bisher Diskutierte hinausgehen und das Ziel "voller politischer Integration" beinhalten müssten , sowie der Hinweis in der Koalitionsvereinbarung, dass der 40. Jahrestag des Elysée-Vertrages genutzt werden solle, um "die europäische Integration mit gemeinsamen deutsch-französischen Vorschlägen weiter voranzubringen" , zeugen von einer grundsätzlichen Bereitschaft der Bundesregierung, dem Integrationsprojekt über die deutsch-französische Schiene neue Impulse zu verleihen. Wie diese im Einzelnen aussehen werden, ist im Moment noch unklar. Angesichts der in den jeweiligen Verfassungstraditionen verwurzelten Positionen, die beide Länder im EU-Konvent vorgetragen haben, spricht aber viel für eine Kompromisslinie, die eine neue Balance zwischen intergouvernementalen und vergemeinschafteten Aspekten sucht. In dem Maße, in dem diese Neujustierung zugunsten einer (von Frankreich durchaus befürworteten) "Reintergouvernementalisierung bereits vergemeinschafteter Politik" ausfällt, wird sie allerdings auch den von vielen geforderten machtpolitischen "Wettkampf der Europäer untereinander um die besten Plätze" akzentuieren.

IV. Die Versöhnung deutscher und europäischer Interessen

"Außenpolitik ist Interessenpolitik. Sie geht aus vom nationalen Interesse, deutlicher gesagt: vom Eigennutz. Aber kein Staat dieser Erde kann heute seine nationalen Interessen allein und aus sich selbst heraus verwirklichen. Es ist nicht möglich, daß es der Bundesrepublik Deutschland allein gut geht, dass sie allein politisch, wirtschaftlich und sozial stabil ist, dass nur ihre eigene Sicherheit garantiert ist." Mit dieser Botschaft warb die sozial-liberale Koalition bereits vor mehr als zwanzig Jahren für ihre Politik. Anders als es mancher Berliner Großmachtstratege heute gerne darstellt, ist die Verfolgung nationaler Interessen keine Erfindung der Berliner Republik. Das Bewusstsein, dass der Erfolg Deutschlands wesentlich vom Erfolg seiner Partner abhängt, war damals allerdings deutlich stärker ausgeprägt. Im Kontrast zu den materiellen Fakten, die heute noch weit mehr als Anfang der achtziger Jahre für die schicksalhafte Verquickung Deutschlands und EU-Europas sprechen, erweckt die neue, vor "Leisetreterei" warnende Berliner Rhetorik manchmal den Anschein, als müsse man eher die Differenz als die Übereinstimmung deutscher und europäischer Interessen betonen. Gerade weil Deutschland heute sein gewachsenes Gewicht in die Waagschale der europäischen Politik wirft, wächst die Gefahr einer Wiederbelebung überkommener Hegemonialverdächtigungen unter seinen Nachbarn, wenn es sich ihren "Respekt", den der deutsche Bundeskanzler anscheinend vermisst, vor allem auf dem Wege machtvoller Interessendurchsetzung sichern will.

Die Europäische Union ist heute für Deutschland aber weit mehr als die wichtigste internationale Institution zur Vertretung deutscher Interessen. In fast allen Lebensbereichen - d.h. weit über sichtbare Projekte wie den Euro hinaus - ist sie zu einem festen Bestandteil des politischen Systems Deutschlands geworden. Ob "Eigennutz" (im Gegensatz zum Nutzen der Partner) unter diesen Bedingungen noch eine sinnvolle handlungsleitende Kategorie darstellen kann, ist vor allem auch deshalb fraglich, weil die Grenzen dessen, was zu "uns" gehört, zunehmend verschwimmen. Seiner Führungsrolle wird Deutschland daher umso eher gerecht werden können, je weniger die nationalstaatlichen Grenzen in der Rede von den "eigenen" Interessen akzentuiert werden, d.h., je mehr deutsche und europäische Interessen versöhnt erscheinen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Interview mit Bundeskanzler Gerhard Schröder im ARD-"Bericht aus Berlin, 9. August 2002, zit. nach http://www.bundeskanzler.de/Interviews.7716.428321/Interview mit Bundeskanzler Schröder im ARD-Bericht aus Berlin.

  2. Regierungserklärung von Bundeskanzler Gerhard Schröder zur aktuellen Lage nach Beginn der Operation gegen den internationalen Terrorismus in Afghanistan vor dem Deutschen Bundestag am 11. Oktober 2001 in Berlin, in: Bulletin der Bundesregierung, Nr. 69 - 1 vom 12. Oktober 2001 (Bundesregierung online), S. 6 - 7.

  3. Vgl. Peter Finn, Germany Sheds Its Backseat Military Role, in: International Herald Tribune vom 12. Oktober 2001.

  4. Zur Position der SPD vgl. etwa den Redebeitrag des damaligen Kanzlerkandidaten der SPD, Oskar Lafontaine, in der Bundestagsdebatte vom 20. September 1990, DB, 11/226, S. 17809 C - 17810 C; vgl. ferner: "Kaum ist die Einheit da, schickt man deutsche Soldaten zur Front." Interview mit dem Fraktionssprecher der hessischen Grünen, Joschka Fischer, zum Golfkonflikt, in: Frankfurter Rundschau vom 9. Januar 1991, S. 6.

  5. Ulrich Clauss, Deutschland braucht die Bombe, in: Die Welt vom 10. August 2002.

  6. "Weil wir Deutschlands Kraft vertrauen ..." Regierungserklärung des Bundeskanzlers vor dem Deutschen Bundestag vom 10. November 1998, in: Bulletin der Bundesregierung, Nr. 74 vom 11. November 1998, S. 902.

  7. "Eine offene Republik". Gespräch mit Bundeskanzler Gerhard Schröder, in: Die Zeit vom 4. Februar 1999, S. 33 / 34.

  8. In einer Umfrage des Emnid-Instituts sprachen sich Anfang August 2002 73 Prozent der Befragten gegen eine deutsche Beteiligung an einem möglichen Angriff der USA auf Irak aus, selbst wenn die Vereinten Nationen der Militäraktion zustimmen sollten; vgl. Ludwig Greven/Florian Güßgen, Wähler wollen keine deutschen Soldaten in Irak, in: Financial Times Deutschland vom 7. August 2002. Im Oktober 2001 fanden es allerdings auch erstaunliche 44 Prozent der Bevölkerung "richtig", dass der Bundeskanzler den USA die "uneingeschränkte Solidarität zugesichert (hatte), das heißt, dass wir uns an allen Gegenmaßnahmen beteiligen". Nur wenig mehr (47 Prozent) meinten, dass Schröder sich hätte "vorsichtiger äußern müssen", vgl. Allensbacher Jahrbuch der Demoskopie 1998 - 2002, Band 11, hrsg. von Elisabeth Noelle-Neumann und Renate Köcher, München 2002, S. 995.

  9. Henry Kissinger, Die deutsche Kritik an den USA ist ein Vorwand für die Neuorientierung der Außenpolitik. Der Bruch war kein Zufall, in: Welt am Sonntag vom 20. Oktober 2002.

  10. Egon Bahr, Deutsche Interessen. Streitschrift zu Macht, Sicherheit und Außenpolitik, München 1998, S. 18; vgl. ferner "Ein Deutschland, das Nein sagen kann". Gespräch mit Egon Bahr, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, (1999) 11, S. 1313 / 1314.

  11. Vgl. Rainer Baumann/Gunther Hellmann, Germany and the Use of Military Force: ,Total War`, the ,Culture of Restraint`, and the Quest for Normality, in: German Politics, 10 (2001) 1, S. 61 - 82.

  12. Vgl. Gunther Hellmann, Sag beim Abschied leise Servus! Die Zivilmacht Deutschland beginnt, ein neues "Selbst" zu behaupten, in: Politische Vierteljahresschrift, 43 (2002) 3, S. 498 - 507.

  13. Werner Link, Deutschland als europäische Macht, in: Werner Weidenfeld (Hrsg.), Europa-Handbuch, Bundeszentrale für Politische Bildung (Schriftenreihe Band 373), Bonn 2002, S. 605, 615.

  14. Vgl. Konrad Schuller, Frau Loj kann nur schweigen, in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 3. November 2002.

  15. Vgl. hierzu das so genannte "Schäuble-Lamers Papier" (CDU/CSU-Fraktion des Deutschen Bundestages, Überlegungen zur Europäischen Politik, Bonn, 1. September 1994, Manuskript, S. 3).

  16. Vgl. hierzu die zwar konditionierten, insgesamt aber mit einer nicht geringen Wahrscheinlichkeit versehenen und in jedem Fall eher düsteren Prognosen von einer drohenden deutschen Vormachtstellung in Europa bei Kenneth N. Waltz, The Emerging Structure of International Politics, in: International Security, 18 (Herbst 1993) 2, S. 50, 54, 62 - 67, sowie 69 - 70; John J. Mearsheimer, The Tragedy of Great Power Politics, New York-London 2001, S. 392 - 396.

  17. Vgl. Hajo Friedrich, Schröders Angriffe verstärken den Unmut in Brüssel, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 8.'März 2002, S. 5. Darin wird u. a. ein "langjähriger sozialdemokratischer Weggefährte" Schröders mit den Worten zitiert, Schröder sei "im Kern ein Anti-Europäer".

  18. In einer Umfrage vom Mai 2001 lehnten 53 Prozent der Befragten die in Nizza beschlossene gleiche Stimmengewichtung der vier großen Mitgliedstaaten zugunsten einer Gewichtung entsprechend der Bevölkerungszahl ab (24 Prozent fanden dies akzeptabel, weitere 13 bzw. 10 Prozent konnten sich nicht entscheiden oder machten keine Angabe). In derselben Umfrage meinten auch 66 Prozent der Befragten, dass die finanziellen Lasten in der EU nicht gerecht verteilt seien (in dieser Gruppe meinten 58 Prozent, dass die Deutschen finanziell benachteiligt werden; nur 3 Prozent stimmten dem nicht zu, 5 Prozent machten keine Angaben; vgl. Allensbacher Jahrbuch (Anm. 8), S. 942.

  19. Vgl. Gerald Schneider/Stefanie Bailer, Mächtig, aber wenig einflussreich. Ursachen und Konsequenzen des deutschen Integrationsdilemmas, in: Integration, 25 (2002) 1, S. 49-60.

  20. Vgl. Allensbacher Jahrbuch (Anm. 8), S. 925.

  21. Umfrage des Mannheimer Instituts für praxisorientierte Sozialforschung, ipos, vom Oktober 2001, durchgeführt im Auftrag des Bundesverbands deutscher Banken (Das neue Deutschland: Nationale Identität und internationale Verantwortung, in: Inter/esse, [2001] 11 [http://www.bdb.de/pic/ "artikelpic/112001/IE_1101.pdf], S. 4).

  22. Vgl. Adi Isfort, Der Interessenbegriff in der öffentlichen Meinung, in: Olaf Theiler (Hrsg.), Deutsche Interessen in der sicherheitspolitischen Kommunikation, Baden-Baden 2001, S. 175, 180.

  23. Regierungserklärung von Bundeskanzler Gerhard Schröder vor dem Deutschen Bundestag am 29. Oktober 2002, in: Bulletin der Bundesregierung, Nr. 85 - 1 vom 29.'Oktober 2002, S. 17.

  24. Vgl. Michèle Knodt/Beate Kohler-Koch (Hrsg.), Deutschland zwischen Europäisierung und Selbstbehauptung, Frankfurt/M. - New York 2000, darin insbesondere die beiden einleitenden Beiträge der Herausgeberinnen.

  25. Beate Kohler-Koch, Europäisierung: Plädoyer für eine Horizonterweiterung, in: M. Knodt/dies., ebd., S. 22.

  26. Peter Katzenstein, Gezähmte Macht. Deutschland in Europa, in: M. Knodt/B. Kohler-Koch (Anm. 24), S. 60.

  27. Vgl. Eurobarometer, Nr. 57 vom September 2002, S. 53 - 54 und B35-B36.

  28. Vgl. Das neue Deutschland (Anm. 21), S. 5.

  29. Vgl. Allensbacher Jahrbuch (Anm. 8), S. 922.

  30. Vgl. Das neue Deutschland (Anm. 21), S. 6.

  31. Vgl. Ole Wæver, The EU as a security actor. Reflections from a pessimistic constructivist on post-sovereign security orders, in: Martin Kelstrup/Michael C. Williams (Hrsg.), International Relations Theory and the Politics of European Integration. Power, Security and Community, London-New York 2000, S. 271.

  32. Vgl. Joachim Schild, Französische Positionen in der "ersten Phase des EU-Konvents. Raum für deutsch-französische Gemeinsamkeiten?, SWP-Studie 26, August 2002.

  33. Vgl. ders., Das Ende einer Ära? Deutsch-französische Beziehungen im 40. Jahr des Elysée-Vertrages, in: Gesellschaft. Wirtschaft. Politik - Sozialwissenschaften für politische Bildung, (2002) 4 (i. E.).

  34. John Hooper, Fischer rejects chancellor"s "German way", in: The Guardian vom 5. Oktober 2002.

  35. Erneuerung - Gerechtigkeit - Nachhaltigkeit, Koalitionsvereinbarung von SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 16. Oktober 2002, S. 78.

  36. Vgl. Markus Jachtenfuchs, Deutschland, Frankreich und die Zukunft der Europäischen Union, in: Michael Meimeth/Joachim Schild (Hrsg.), Die Zukunft von Nationalstaaten in der europäischen Integration. Deutsche und französische Perspektiven, Opladen 2002, S. 279 - 294.

  37. Joschka Fischer, zit. nach Michael Stabenow, Gang nach Brüssel, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 4. November 2002.

  38. Arnulf Baring, Deutsche Interessen, in: Die Welt vom 2.'Februar 2002.

  39. Ein Land lebt nicht für sich allein. Zur Außenpolitik und zu den internationalen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Reihe Bürger-Informationen, Bonn, August 1981², S. 168 (Hervorhebung im Original).

Dr. phil., geb. 1960; seit 1999 Professor für Politikwissenschaft am Institut für Vergleichende Politikwissenschaft und Internationale Beziehungen der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main.

Anschrift: FB 3 / JWG-Universität Frankfurt am Main, Robert-Mayer-Straße 5, 60054 Frankfurt a.M.
E-Mail: E-Mail Link: g.hellmann@soz.uni-frankfurt.de

Veröffentlichungen zur deutschen Außenpolitik, zu Fragen der europäischen und transatlantischen Sicherheit sowie zur Theorie der internationalen Beziehungen.