Einleitung
Regieren im Nationalstaat und in der Europäischen Union ist das Thema dieses Heftes. Fast täglich werden Mängel der Politik kritisch in den Medien kommentiert. Hier jedoch geht es primär um die institutionellen Voraussetzungen politischen Handelns, die auf ihre Weise auf jeweils mehr oder weniger effizientes politisches Handeln einwirken.
Das Regierungshandeln in den USA, Großbritannien und Deutschland ist zwar tägliches Nachrichtenthema - aber unter welchen konkreten institutionellen Bedingungen die Regierungschefs und ihre Kabinette Politik betreiben, das erscheint nicht so offensichtlich zu sein. Karl-Rudolf Korte systematisiert die unterschiedlichen Politikstile, die nicht so sehr durch den jeweiligen Präsidenten, Premier oder Bundeskanzler bestimmt sind, sondern viel stärker durch das jeweils unterschiedliche politische Institutionengefüge in den einzelnen Ländern. Handlungsfreiräume ergeben sich dabei oft nur durch möglichst souveräne "Machtspiele" mit den "Variablen" von Partei, Kabinett und Medien. Je dichter die internationalen Beziehungen werden, umso wichtiger sind Kenntnisse über die Voraussetzungen, die das Handeln des jeweiligen Partners mitbestimmen.
Dies gilt nicht zuletzt für die politikbeeinflussende Rolle der Regierungsbürokratien. In seinem internationalen Vergleich beschreibt Kai-Uwe Schnapp deren unterschiedliche Traditionen. In einigen Ländern wird eher auf effektives Regieren Wert gelegt, in anderen eher auf die Kontrolle der Bürokratie sowie auf eine stärkere Repräsentation des Regierungschefs und der Minister. Von der jeweiligen Prioritätensetzung hängt ab, inwieweit die Ministerialbürokratie Gesetzesvorhaben - von der Planung bis zur Durchführung - beeinflussen kann. Die empirische, vergleichende Forschung zu den Möglichkeiten der Ministerialbürokratie, politische Entscheidungsprozesse mit zu gestalten, steht erst noch in den Anfängen.
Die nationalen Politiken in Europa werden immer mehr von "Brüssel" bestimmt. Viele sehen dies mit Unbehagen - zum einen, weil damit die eigene Identität verloren zu gehen scheint, zum anderen, weil die Entscheidungsprozesse in "Brüssel" oft undurchsichtig sind und als immer weniger beeinflussbar gelten. Klaus Gretschmann verweist demgegenüber auf die Tatsache, dass aufgrund der Globalisierungsprozesse sowie vielfältiger internationaler Abhängigkeiten nationalstaatliche Politik immer weniger eigenen Gestaltungsraum besitzt, dass vielmehr politische Handlungsfähigkeit in den wirklich wichtigen Fragen nur noch im Rahmen europäischer Institutionen möglich sein wird. Für eine größere Transparenz wie Akzeptanz dieser Europäisierung bisheriger nationalstaatlicher Politik sei es aber notwendig, mit den viel diskutierten Reformen der EU zu beginnen.
Auf der Regierungskonferenz in Nizza konnte man sich jedoch wiederum nicht auf die notwendigen Reformschritte verständigen, um dem seit langem vereinbarten Ziel: "Vertiefung vor Erweiterung" näher zu kommen. Dies betrifft auch die vielfach geforderte stärkere Demokratisierung von Entscheidungsprozessen. Frank Decker formuliert jedoch Vorbehalte dagegen, in einer Stärkung der Rechte des Europäischen Parlaments allein schon eine Vertiefung des Integrationsprozesses zu sehen. Stärkere europäische Identität, so seine Überlegung, könnte auch durch eine Art Präsidialverfassung - ähnlich den Vereinigten Staaten - entstehen. Damit könnte zugleich dem bisherigen Übergewicht der weitgehend anonymen Brüsseler Bürokratie entgegengewirkt werden.