Einleitung
Bürgerkriege, Staats- und Rebellenterror, massive Vertreibungen und die Ermordung von Mitgliedern anderer ethnischer Gruppen: Das 20. Jahrhundert ging mit einer Welle der Gewalt zu Ende, die sich fortsetzt. Somalia, Ruanda und die Region des früheren Jugoslawien wurden in den neunziger Jahren zu Synonymen für Staatszerfall und Völkermord. Schließlich konzentrierte sich in den Jahren 1999/2000 die westliche Aufmerksamkeit auf Gewalteskalation und Krieg im Kosovo. Weitgehend unbeachtet blieb, dass Äthiopien und Eritrea zur gleichen Zeit einen mindestens ebenso blutigen Grenzkrieg führten und dass in Angola mehr als 700 000 Menschen durch gewaltsame Kämpfe vertrieben wurden. Auch andere Konflikte gerieten in den Hintergrund: So erwies sich beispielsweise der Demokratisierungsprozess in Indonesien als brüchig und führte ebenfalls zu Gewaltausbrüchen. Diese Entwicklung wurde jedoch erst wahrgenommen, als sich Rückwirkungen auf das Osttimor-Referendum und den Zusammenhalt des Inselreiches abzeichneten. In zahlreichen anderen Staaten, so etwa im Sudan, in Kolumbien und in Burma/Myanmar, setzen sich langanhaltende Konflikte über die Jahrtausendwende hinweg fort. Das Krisenmanagement blieb in den meisten Fällen reaktiv.
Viele Kriege haben eine komplexe Eigendynamik entwickelt: Die Zahl der Akteure hat zugenommen, und es kommt zur Verquickung politischer, ökonomischer und militärischer Krisen mit der Machtaneignung durch "Warlords". Dies macht die Identifizierung von Kriegszielen und Kriegsparteien um so schwieriger. Die exzessive Verbreitung von Kleinwaffen führt zu einer Allgegenwart von Gewalt. Die ethnische oder religiöse Identität bildet für viele Menschen einen Bezugspunkt für die Begründung von Gewaltanwendungen. Besonders verlustreich waren im zurückliegenden Jahrzehnt die gewaltsamen Konflikte in Subsahara-Afrika.
Angesichts des menschlichen Leids und der ungeheuren Kosten
Ein wichtiger Imperativ besteht für westliche Industriestaaten zunächst darin, ihre Außen-, Handels- und Rüstungspolitik so zu gestalten, dass sie nicht selbst zur Konflikteskalation beitragen: Nach wie vor werden menschenverachtende Regime oder auch nationalistische Rebellenbewegungen politisch, wirtschaftlich und militärisch unterstützt oder geduldet, werden Rüstungsgüter auf Umwegen oder direkt in Krisengebiete geliefert, fehlt es an Entschlossenheit, Kriegstreiber von ihren Finanzquellen und Waffenlieferanten abzuschneiden. Zudem gilt es sicherzustellen, dass Länder mit schwachen Ökonomien vom Zug der Globalisierung in den internationalen Wirtschaftsbeziehungen nicht völlig überrollt werden, sondern Möglichkeiten haben, sich zum Nutzen ihrer Bürger in die Weltwirtschaft einzugliedern. Gerade hier kann Entwicklungspolitik krisenpräventive Wirkung entfalten, wenn sie verantwortungsbewusst gestaltet wird.
Dieser Beitrag konzentriert sich auf die entwicklungspolitische Dimension der Krisenprävention und fragt, welchen Beitrag die EU und Deutschland leisten können. Es wird aufgezeigt, welche Konzepte und Kapazitäten seit Mitte der neunziger Jahre entwickelt wurden, und es wird untersucht, inwieweit diese einen wirklichen Mehrwert entfalten können
I. Konzepte und Kapazitäten in der Europäischen Union
1. Neuorientierung der EU-Entwicklungspolitik
Die Entwicklungspolitik der Europäischen Union erfuhr seit 1995 eine konzeptionelle Umorientierung. Ansätze ziviler Krisenprävention erlangten größere Aufmerksamkeit. Sozioökonomische wie auch politische Konfliktursachen wurden bei der Gestaltung von Entwicklungszusammenarbeit stär-ker berücksichtigt. Dies ist auch insofern bedeutsam, als die EU und ihre Mitgliedstaaten im Be-reich der Entwicklungszusammenarbeit und der humanitären Hilfe bereits heute einen global player repräsentieren
Leitlinien der EU-Kommission und des Europäischen Rates
Die EU hat sich in ihren Leitlinien im Bereich der Krisenprävention zunächst auf die afrikanischen Länder konzentriert. Dabei wurde im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU (GASP) eine Stärkung der Frühwarn- und Peace-keeping-Kapazitäten der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) angestrebt. Dies kam in den Schlussfolgerungen des Rates zu Preventive Diplomacy, Conflict Resolution, and Peace-keeping in Africa vom 4. Dezember 1995 zum Ausdruck. Außerdem wurde auf subregionaler Ebene der Dialog mit der Southern African Development Community (SADC) sowie mit der Economic Community of West African States (ECOWAS) und der Intergovernmental Authority on Development (IGAD) aufgenommen. Die Generaldirektion für Entwicklungspolitik (DG VIII) stellte 1996 folgende Grundsätze auf
1. Die afrikanischen Staaten und Regionalorganisationen werden unterstützt, effective ownership bei der Bewältigung ihrer Konflikte zu übernehmen. Dazu gehört auch die Förderung zivilgesellschaftlicher Aktivitäten, etwa in den Bereichen Mediationstraining oder Versöhnungsarbeit.
2. Die Arbeit der EU-Kommission soll sich auf frühzeitige Prävention gewaltträchtiger Konflikte richten.
3. Die Ursachen gewaltsamer Konflikte sind durch einen kohärenten Gesamtansatz anzugehen, der auch die Programme der EU für die Länder Afrikas, der Karibik und des Pazifik (AKP) einbezieht.
4. Verbesserte Analysekapazitäten sollen zu rechtzeitigem Handeln befähigen.
5. Der Informationsaustausch mit anderen internationalen Akteuren wird intensiviert und der GASP-Informationsverbund COREU (Correspondance européenne) für Fragen der Krisenprävention geöffnet
Die neue Ausrichtung fand insbesondere Eingang in die Richtlinien des Development Assistance Committee (DAC) der OECD (1997), an denen die EU maßgeblich mitwirkte. Der krisenpräventive Ansatz wurde 1997 vom Europäischen Rat in gemeinsamen Positionen und Erklärungen bestätigt
Damit wurden Konsequenzen aus der selbstkritischen Debatte über die Erfahrungen in Somalia und Ruanda gezogen: Diese Sensibilisierung für die Folgen eigenen Handelns bildet eine entscheidende Neuorientierung und Einsicht in die Tatsache, dass Entwicklungszusammenarbeit in Konfliktsituationen nie neutral ist, sondern stets einen Eingriff in die Strukturen des Ziellandes darstellt. Sie kann im günstigen Fall zur konstruktiven Konfliktbewältigung beitragen, umgekehrt aber auch die Stabilisierung von ungerechten Herrschaftsstrukturen, eine Verlängerung von Kriegssituationen oder die Herausbildung von Bürgerkriegsökonomien fördern. Das gilt auch für die humanitäre Hilfe. Mary B. Anderson hat eine Reihe von problematischen Nebenwirkungen ausgemacht
Neue Kapazitäten und Netzwerke im Dienste der Krisenprävention
Die kritische Reflexion bisheriger Erfahrungen deutet darauf hin, dass sich in der EU die Programmatik eines neuen Politikfeldes herausbildet. Einen Niederschlag in politischen Entscheidungen wird der Neuansatz aber nur finden, wenn er auch institutionell verankert und vermittelt wird. Hier sind seit 1997 eine Reihe von Ansätzen zu beobachten. Ein erster praktischer Schritt zur Stärkung von außenpolitischen Analysekapazitäten der EU war 1997 die Einrichtung des Conflict Prevention Network (CPN) auf Initiative des früheren französischen Premierministers und jetzigen Europaparlamentariers Michel Rocard. CPN wurde bei der bundesdeutschen "Stiftung Wissenschaft und Politik" angesiedelt. Es hat den Auftrag, verschiedene Generaldirektionen der Kommission sowie das Europäische Parlament (EP) durch policy-orientierte Hintergrundanalysen und Workshops bei der Entwicklung politischer Maßnahmen zu unterstützen
Zahlreiche in der Entwicklungszusammenarbeit tätige Nichtregierungsorganisationen (NGOs) haben die Relevanz ziviler Konfliktbearbeitung erkannt und diesen Bereich in ihre Arbeit integriert. Andere - vorwiegend in der Friedens- und Menschenrechtsarbeit engagierte - NGOs haben sich sogar auf den Bereich der Konfliktbearbeitung (conflict resolution) spezialisiert. Sie sind operativ in der Trainingsarbeit und verschiedensten Vermittlungsaktivitäten tätig. Sie setzen sich überdies durch Lobby-Arbeit für die Stärkung dieses neuen Handlungsfeldes ein. Schon im Vorfeld des Gipfels von Amsterdam von 1997 spielte der Austausch mit einer zunehmend vernetzten Zivilgesellschaft auf EU-Ebene eine entscheidende Rolle.
EU-weit haben sich neue Strukturen herausgebildet, welche die enge Kooperation sowie den Austausch von Expertisen im Sinne eines "Policy-Netzwerks" angeregt haben. So wurde im Februar 1997 in Amsterdam die European Platform for Conflict Prevention and Transformation gegründet. Diese war in jüngster Zeit maßgeblich an der Erstellung von zwei Lobby-Dokumenten beteiligt, die im Vorfeld des G 8-Gipfels in Okinawa (Japan) vom 21. bis 23. Juli 2000
2. Kohärenz und Zielkonflikte mit der Handels-, Außen- und Sicherheitspolitik der EU
Die bis hierhin dargestellten neuen Konzepte und Kapazitäten garantieren für sich genommen keineswegs schon einen Politikwechsel. Zu untersuchen ist deshalb, welchen Stellenwert die entwicklungspolitische Krisenprävention in der EU ein-nimmt, inwieweit sie kohärent umgesetzt wird und inwieweit dieses Leitbild auch bei Zielkonflikten mit der Handels-, Außen- und Sicherheitspolitik das notwendige Gewicht erhält.
Die AKP-Zusammenarbeit als Probe aufs Exempel
Gewaltkonflikte werden vielfach dadurch mitbedingt, dass Länder mit schwachen sozialen und politischen Strukturen auf externe Schocks nicht angemessen reagieren können. Gerade sozioökonomischer Niedergang geht häufig mit einer Zerrüttung sozialer Strukturen und politischer Instabilität einher, die leicht in Gewalt und Krieg mündet. Ein kohärenter Ansatz der Krisenprävention muss vor diesem Hintergrund mittel- und langfristig angelegt sein und auch berücksichtigen, dass die Folgen der wirtschaftlichen Globalisierung zur Gewaltanfälligkeit von Gesellschaften beitragen. Handels- und Außenwirtschaftspolitik können einen positiven Beitrag zur Krisenprävention leisten, wenn sie der Zerrüttung von schwachen Ökonomien entgegenwirken. Genügt die Politik der EU diesem Anspruch? Als "Probe aufs Exempel" kann die Politik der EU gegenüber den AKP-Staaten betrachtet werden.
Die vier Lomé-Abkommen, die seit Mitte der siebziger Jahre die Zusammenarbeit der EU mit den AKP-Staaten regelten, enthielten einige vorwärtsweisende Ansätze zur wirtschaftlichen Stabilisierung. Den AKP-Ländern wurden Handelspräferenzen eingeräumt. Ein Stabilisierungsfonds sollte stabile Exporterlöse für Mineralien garantieren (Sysmin) und ein weiterer (Stabex) Einnahmeschwankungen bei sonstigen Rohstoffausfuhren ausgleichen. Außerdem wurden beträchtliche Entwicklungshilfegelder bereitgestellt. Allerdings sind diese Maßnahmen gleichzeitig durch das Vorgehen der EU in anderen Politikbereichen konterkariert worden: Die Gemeinsame Agrarpolitik von EG bzw. EU erschwert bis heute den Marktzugang für landwirtschaftliche Produkte aus dem Süden. Exportsubventionen für EU-Produkte ermöglichten die Eroberung internationaler Märkte und die Verdrängung anderer Anbieter. Schließlich lief die Zollprogression bei industriellen Produkten dem Bemühen um Exportdiversifizierung in den Entwicklungsländern entgegen.
In dem neuen AKP-Abkommen, das am 23. Juni 2000 in Cotonou (Benin) unterzeichnet wurde, werden die beiden Stabilisierungsfonds aufgegeben. Nur auf länderspezifischer Ebene ist eine Kompensation bei Mineralexporten vorgesehen. Im Bereich des Handels hat die EU zudem mit Bezug auf die Welthandelsorganisation (WTO) auf eine Liberalisierung gedrängt. Den Forderungen der Regierungen der AKP-Staaten sowie zahlreicher NGOs nach fairen Übereinkünften, die das ungleiche Entwicklungsniveau berücksichtigen, wurde dies nicht gerecht.
Im Rahmen ihrer AKP-Politik entwickelte die EU auch Ansätze zur Konditionierung von Entwicklungshilfe, um Einfluss auf die Regierungsführung in den Empfängerländern zu nehmen. Seit Anfang der neunziger Jahre ist Entwicklungshilfe an "gute Regierungsführung" gebunden ("good governance"). In den Verhandlungen um das neue AKP-EU-Kooperationsabkommen wurde dieser Begriff als politischer Rahmen definiert, in dem Menschenrechte, demokratische Grundprinzipien, Rechtsstaatlichkeit sowie die verantwortungsvolle Verwaltung öffentlicher Mittel garantiert sind. Die EU hat diese Klausel gegen den Widerstand vieler AKP-Staaten durchgesetzt. Das Beharren auf der politischen Konditionalität beinhaltet die Gefahr einer Bevormundung. Andererseits kann eine an Krisenprävention orientierte Mittelvergabe, die eine Verstetigung repressiver Machtstrukturen vermeiden will, nicht ohne politische Kriterien auskommen. Dieser Widerspruch ist nicht lösbar und kann nur durch eine sorgfältige länderbezogene Strategieentwicklung aufgefangen werden.
Konditionierung von Entwicklungshilfe allein kann jedoch weder strukturelle noch prozessorientierte Präventionsmaßnahmen ersetzen. Vielmehr müsste die EU ökonomische Instrumente entwickeln, mit denen sie - vergleichbar den Mitteln des Internationalen Währungsfonds (IWF) beim Zusammenbruch von Finanzmärkten - auf extern verursachte Wirtschaftskrisen einen stabilisierenden Einfluss ausüben kann.
Zivile Krisenprävention und die Reform der GASP: Mehr als ein Anhängsel des militärischen Ansatzes?
Mit der Notwendigkeit, "Verantwortung über die gesamte Bandbreite von Aufgaben zur Konfliktprävention und zum Krisenmanagement zu übernehmen," hat "Mr. GASP", Javier Solana, jüngst zahlreiche konzeptionelle und institutionelle Neuerungen in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU begründet
Der damit beauftragte EU-Kommissar Christopher Patten stellte einen umfangreichen Maßnahmenkatalog für Initiativen der EU in folgenden Bereichen auf: humanitäre Hilfe und Rettungsdienste, Minenräumung und Entwaffnung, Entsendung von Polizeikräften, administrative und rechtliche Unterstützung bei der Demokratisierung, Wahl- und Menschenrechtsbeobachtung, Konfliktvermittlung in Krisenregionen. Um diese Aufgaben zu bewältigen, soll eine "Rapid Reaction Capability" entwickelt werden, eine Bestandsaufnahme der nationalen und gemeinsamen Ressourcen in diesem Bereich erfolgen und innerhalb des Sekretariats des Europäischen Rates ein Koordinationsmechanismus etabliert werden
Massive Ungleichgewichte zeichnen sich schon jetzt in der Ressourcenverteilung für den militärischen und zivilen Bereich der Krisenintervention ab: Für zivile Maßnahmen wurde im Jahr 2000 in der EU-Kommission ein Haushaltsansatz von 15 Millionen Euro bewilligt. Es ist kaum vorstellbar, dass die von Patten genannten Maßnahmen mit einer derart geringfügigen Summe auch nur ansatzweise koordiniert und initiiert werden können. Damit ist offenkundig: Während die Planungen im militärischen Bereich rasant vonstatten gehen, bereits detailliert ausgearbeitet sind und ein Vielfaches der für zivile Maßnahmen anvisierten Ressourcen absorbieren werden, bleiben die Beschlüsse im zivilen Bereich bislang auf die Verbesserung von Information und Koordination beschränkt. Zivile Krisenprävention droht zum Anhängsel eines militärisch ausgerichteten Ansatzes des reaktiven Krisenmanagements zu werden.
Die Mitte 1999 begonnene Strukturreform innerhalb der EU-Kommission könnte sich zudem nachteilig auf die Umsetzung einer präventiven Entwicklungspolitik auswirken. Es deutet sich an, dass die Politikfelder Außen- und Entwicklungspolitik institutionell und inhaltlich wieder stärker getrennt werden. Durch die Umstrukturierung im Sekretariat der Kommission wurde die "Foreign Policy Unit" der früheren Generaldirektion für Entwicklungspolitik (DG VIII) aufgelöst. Dies ist insofern bedauerlich, als diese Einheit die Frage der Krisenprävention mit Elan vorangetrieben hatte. Der Bereich der Krisenprävention wird dabei zum einen in die Strategie- und Frühwarneinheit des Hohen Repräsentanten der GASP verlagert, zum anderen der neuen Generaldirektion für Außenbeziehungen zugeordnet.
Die Auslagerung aus der "Generaldirektion für Entwicklung" wird vermutlich die Tendenz verstärken, dass nichteuropäische Regionen aus dem Blickfeld geraten, dass die Aufmerksamkeit für die Krisenländer Subsahara-Afrikas nachlässt und die Rückkehr zu einer "entpolitisierten" Entwicklungszusammenarbeit befördert wird. Bereits heute ist deutlich, dass die entwicklungspolitische Prävention in Afrika in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre ans Ende der Prioritätenskala gerutscht ist. Ein Indikator dafür ist, dass die Entwicklungshilfeetats der EU-Mitgliedstaaten insgesamt zurückgefahren wurden. Gleichzeitig ist der relative Anteil der AKP-Staaten an den von der EU für Entwicklungszusammenarbeit bereitgestellten Mitteln deutlich zugunsten der Länder des Mittelmeerraumes, Mittelosteuropas und der GUS
II. Die bundesdeutsche Debatte
Im Vergleich mit anderen europäischen Ländern bekannte sich das bundesdeutsche Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unter der konservativ-liberalen Administration 1997 öffentlich recht spät zum stärkeren Einsatz von Entwicklungspolitik zur Vorbeugung und Bewältigung von Katastrophen und Konflikten. Mit dem Amtsantritt der rot-grünen Regierung im Oktober 1998 wurde Krisenprävention zu einem Schwerpunkt bundesdeutscher Entwicklungs-, Außen- und Sicherheitspolitik erklärt. Mittlerweile hat die Bundesregierung erste Maßnahmen zur institutionellen Implementierung in die Wege geleitet.
1. Die Neuorientierung der Entwicklungspolitik in Deutschland
Konfliktsensibilisierung durch Indikatorenkatalog, Dialogkreise und Evaluierung
Gerade im Bereich der Konfliktsensibilisierung gibt es Fortschritte bei der Planung der Entwicklungszusammenarbeit. So ist 1999 ein Indikatorenkatalog zur Krisenprävention
Die Informationsverarbeitung vor Ort - sei es durch Entwicklungsagenturen oder durch die Botschaften - hat in der bundesdeutschen Politikplanung allerdings bisher nicht die verdiente Aufmerksamkeit erhalten. Die Rückkopplung dieser Informationen ist in der Präventionsdebatte, die sich primär auf die Strukturen in Deutschland bezieht, noch nicht hinreichend thematisiert worden. Konzertierte Krisenprävention kann jedoch nur gelingen, wenn die Vertreter vor Ort gemeinsam politische, und soziale Standards und Prinzipien hochhalten, anstatt eine zweifelhafte Stabilitätspolitik zu verfolgen, die herrschende Regime unterstützt. Die kritische Begleitung von Projekten durch Evaluationen, die Herstellung von Transparenz und die Vermittlung an die bundesdeutsche Öffentlichkeit stellt eine Anforderung dar, für die Regierung wie zivilgesellschaftliche Kräfte gleichermaßen einstehen müssen.
Neue Kapazitäten und Netzwerke: Ziviler Friedensdienst (ZFD) und Plattform Zivile Konfliktbearbeitung
Neben der Sensibilisierung für eigenes Handeln hat die Unterstützung von Friedenskräften vor Ort für zahlreiche Entwicklungs-, Friedens- und Menschenrechtsorganisationen an Bedeutung gewonnen: Einheimische Gruppen verfügen häufig nur über schwache Kapazitäten und müssen ständig mit Repression rechnen; zugleich sind sie es, die wichtige Träger dauerhafter gesellschaftlicher Veränderungen sein können. Die Unterstützung lokaler Organisationen ist in der deutschen Debatte eng mit der Schaffung des Zivilen Friedensdienstes verbunden. Dabei geht es letztlich darum, externe oder lokale Friedensfachkräfte in ihrer Menschenrechts- und Versöhnungsarbeit zu unterstützen. Das BMZ hat hierfür - nach einer oftmals kontroversen Diskussion - ein Rahmenkonzept entwickelt und 1999 5 Mio. DM zur Verfügung gestellt; für das Jahr 2000 ist der Betrag auf 17,5 Mio. DM aufgestockt worden. Für 2001 wurden Bundesmittel in Höhe von 19 Mio. DM bewilligt.
Diese begrüßenswerte Entwicklung birgt jedoch auch Fallstricke. Gerade beim ZFD ist auf die sensible Projekt- und Programmplanung zu achten. Der (verständliche) Wunsch nach "Vorzeigeprojekten" sowie der allseits bekannte Druck in Richtung Mittelabfluss darf hier nicht zu überhasteten Entscheidungen führen. Die umfangreiche Entsendung von Personal in eine Konfliktregion sollte deshalb nur von solchen Organisationen durchgeführt werden, die über verlässliche Partner vor Ort verfügen, welche ebenfalls von anderen Organisationen in diesem Bereich anerkannt sind. Zugleich müssen aber auch die Träger mit langjähriger Erfahrung vor Ort nachweisen, dass sie nicht einfach bestehende Entwicklungsprojekte als Zivile Konfliktbearbeitung umdeklarieren. Der Genehmigung umfangreicher Anträge sollten länderspezifische Konsultationen mit den wichtigsten Entwicklungsorganisationen vorgelagert werden. Auch kann ein Erfahrungsaustausch unter den zivilgesellschaftlichen Akteuren über bisherige Projekte maßgeblich zur Qualitätssicherung beitragen.
In den vergangenen Jahren hat sich in der Bundesrepublik Deutschland der Dialog zwischen zivilgesellschaftlichen und staatlichen Akteuren deutlich intensiviert. Verschiedenste Institutionen diskutieren die konzeptionelle Neuorientierung und konkrete Schritte ihrer Implementierung in Konsultationsrunden, an denen neben Ministerien und staatlichen Agenturen auch die Kirchen, NGOs und politischen Stiftungen beteiligt sind. Eine wichtige Rolle, die Arbeit im zivilgesellschaftlichen Bereich zu vernetzen, hat dabei die Plattform Zivile Konfliktbearbeitung deutscher NGOs eingenommen, die im November 1998 als offenes Netzwerk verschiedenster nichtstaatlicher Akteure gegründet wurde.
Der Austausch zwischen Staat und Zivilgesellschaft stellt gewiss eine neue Qualität dar und birgt Chancen zur besseren Koordination entwicklungspolitischer Aktivitäten. Inwieweit dies krisenpräventive Wirkung entfalten kann, hängt jedoch stark davon ab, ob auf politischer Ebene ein Gesamtkonzept entwickelt wird, das eine nachvollziehbare Aufgabenteilung sowie übersichtliche Konsultations- und Entscheidungsverfahren beinhaltet. Diese Frage soll anhand des Rahmenkonzeptes "Krisenprävention und Konfliktbeilegung" beleuchtet werden
2. Kohärenz der bundesdeutschen Politik: Das Rahmenkonzept "Krisenprävention und Konfliktbeilegung"
Im Zusammenspiel zwischen Entwicklungs-, Außen- und Sicherheitspolitik stehen der Entwicklungspolitik besondere Möglichkeiten zur Verfügung, sozioökonomische, gesellschaftliche und politische Strukturen zu verändern; außerdem verfügt sie in der Regel über eine höhere Flexibilität und über bessere Zugänge zu zivilgesellschaftlichen Akteuren als die klassische Diplomatie. Kohärentes Handeln in einer sich anbahnenden Krise erfordert eine bessere Verschränkung und Aufgabenteilung zwischen Entwicklungs-, Außen- und Sicherheitspolitik. Bislang scheinen Ressortkonkurrenz und Abstimmungsprobleme ein konstruktives Miteinander oftmals zu behindern. Schwierig ist die Kooperation mitunter, wenn es um konkrete Fragen geht, die verschiedene Ressorts "besetzen" wollen, oder wenn unterschiedliche Einschätzungen und Herangehensweisen in Bezug auf einzelne Krisenländer bestehen. Das Rahmenkonzept "Krisenprävention und Konfliktbeilegung", das der Bundessicherheitsrat am 28. Juni 2000 verabschiedete, will hier in eine neue Richtung weisen. Es ist jedoch sehr allgemein formuliert und bietet wenige zukunftsweisende Ansatzpunkte. Den letztlich ausschlaggebenden Möglichkeiten der Politiksteuerung sind nur vier Sätze gewidmet. Der wohl wichtigste Punkt ist, dass die Bundesregierung unter Federführung des Auswärtigen Amtes und unter Einbeziehung der Ressorts auf den Einzelfall bezogene Strategien erarbeiten will. So können z. B. Ländergesprächskreise zu drohenden Konflikten eingerichtet werden. Außerdem wird festgehalten, dass die Ressorts den Kontakt zu NGOs eigenverantwortlich regeln, jedoch in Einzelfällen gemeinsame Anlaufstellen schaffen können.
Zentrale Fragen bleiben freilich offen - so der wechselseitige Austausch von Informationen bei der Erstellung von BMZ-Länderkonzepten und AA-Länderberichten oder eine mögliche interministerielle Nutzung des BMZ-Indikatorenkatalogs. Der Ansatz der Ländergespräche wird nicht weiter konkretisiert. Auch gibt es keine Anhaltspunkte zur systematischen Beteiligung zivilgesellschaftlicher Organisationen und Experten. Schließlich bleibt die wichtige Frage der zukünftigen Funktion und Entwicklung des Bundessicherheitsrates ausgeklammert.
Weiterhin ungeklärt ist auch der Stellenwert von Militär und Polizei im Rahmen krisenpräventiver Sicherheitspolitik. Die Reform des "Sicherheitssektors" in Krisenregionen bildet eine Herausforderung für ein präventionspolitisches Gesamtkonzept
Sollte beim BMZ künftig eine stärkere Ausrichtung auf die "security sector reform" - d. h. die Reform von Militär, Polizei und Sicherheitsdiensten - erwogen werden, so könnte dies ein interessanter Testfall für die Kooperation der verschiedenen Ministerien werden. Konstruktive Möglichkeiten der Militär- und Polizeireform im bi- und multilateralen Kontext wie auch die Bereitstellung von Militär- und Polizeikapazitäten für multilaterale Friedensmissionen verdienen stärkere Aufmerksamkeit in Wissenschaft und Öffentlichkeit.
III. Fazit und Empfehlungen
Konzeptionell wurden sowohl seitens der EU als auch in der deutschen Entwicklungspolitik neue Ansätze der Krisenprävention entwickelt. Es besteht eine weitaus höhere Sensibilität für Fragen der zivilen Konfliktbearbeitung als noch zu Beginn der neunziger Jahre. Das neue Instrumentarium wird aber nur Wirkung entfalten, wenn diese Ansätze in Zielkonflikten mit der Handels-, Außen- und Sicherheitspolitik gestärkt werden. Die Bilanz für die EU fällt im Hinblick auf ihre Kohärenz ernüchternd aus. Viele handelspolitische Maßnahmen tragen nicht zur "strukturellen Stabilität" der schwächsten Entwicklungsländer bei. Das neue Abkommen mit den AKP-Staaten hat gezeigt, dass die EU weitaus stärker als bislang darauf achten muss, gezielt die "root causes of conflict" zu behandeln. Außerdem drohen die Entwicklungszusammenarbeit mit armen, besonders gefährdeten Ländern wie auch andere zivile Ansätze der Konfliktbearbeitung durch die jüngsten institutionellen Reformen der GASP mehr und mehr in den Hintergrund zu rücken. Hinzu kommt die rasante Integrationsdynamik im militärischen Bereich, die Aufmerksamkeit und Ressourcen für andere Politikansätze verdrängt.
Auch in der deutschen Politik bleiben viele Fragen offen. Bislang fehlt es an klaren Konzepten dazu, wie Übergangs- und Demokratisierungsprozesse konstruktiv begleitet werden können. Wichtiger als die Begleitung übereilter Wahlen und Referenden ist dabei die kontinuierliche Unterstützung friedensorientierter Kräfte vor Ort ("Friedensallianzen"), aber auch die Förderung eines effektiven Staates, der sich nicht durch Repression auszeichnet, sondern seinen Bürgern ein Mindestmaß an Sicherheit und Wohlstand garantiert. Außerdem sollten sowohl die staatliche Diplomatie als auch die nichtstaatliche Friedensarbeit besser auf Krisen vorbereitet sein. Hierzu bedarf es qualifizierter Fachleute. Vor allem aber sind Konsultation und Kommunikation notwendig, wenn vermieden werden soll, dass Staaten, internationale Organisationen und nichtstaatliche Akteure auf Krisen in der Welt in unkoordinierter (und damit ineffizienter) oder zuweilen kontraproduktiver Weise reagieren.
1. Empfehlungen für die EU-Politik: Kein Zurück zum Nischendasein!
1. Die Europäische Kommission hat in besonderem Masse die Möglichkeit, die strukturellen Ursachen kollektiver Gewalt in den Blick zu nehmen, da sie längerfristige Verträge und Rahmenkonzepte mit den Entwicklungsländern aushandeln kann. Hierbei müssen den ärmsten Entwicklungsländern nicht nur Marktchancen eingeräumt, sondern mit ihnen müssen auch armutsorientierte Schutz- und Stabilisierungsmaßnahmen angesichts weltwirtschaftlicher Umwälzungen vereinbart werden.
2. Eine wichtige Aufgabe liegt darin, die Bildung von Schwerpunkt- und Partnerländern auf EU-Ebene abzustimmen. Dies wird nur schrittweise möglich sein. Doch ist es ein Gebot der Stunde, zwischen den verschiedenen EU-Staaten deutlichere Verantwortlichkeiten für bestimmte Länder und Regionen festzulegen. Dabei könnte die Verantwortlichkeit für bestimmte Krisenregionen zum Beispiel von einigen EU-Staaten partnerschaftlich wahrgenommen und mit einer detaillierten Rechenschaftspflicht gegenüber den EU-Gremien und -Mechanismen verbunden werden.
3. Die Reform der GASP hat einige Spielräume für das Instrumentarium ziviler Konfliktbearbeitung eröffnet, die über die Entwicklungspolitik hinausgehen. Allerdings ist dieses Handlungsfeld angesichts der Konzentration auf militärische Kapazitäten und auf den Ausbau der intergouvernementalen GASP bislang nur von marginaler Bedeutung. Seit dem Kosovo-Jugoslawien-Krieg wird der Ausbau des militärischen Bereichs mit Priorität verfolgt. Dennoch sollte man den zivilen Bereich nicht verloren geben, sondern vorhandene Handlungsmöglichkeiten konsequent nutzen und sich für ihre Erweiterung einsetzen. Dazu gehört insbesondere die Forderung nach einer angemessenen finanziellen Ausstattung des Bereichs der zivilen Prävention und die Überwindung des Ungleichgewichts der Ressourcenverteilung für militärische und zivile Mittel.
4. Für eine effektive Krisenprävention ist es erforderlich, dass die EU im Hinblick auf die Beseitigung von Kriegsursachen gestaltend tätig wird. Dazu gehört, die Rolle von natürlichen Ressourcen wie Tropenhölzern, Diamanten oder Öl bei der Entstehung von Kriegsökonomien stärker zu beachten, wie es die im Netzwerk Eurostep ("European Solidarity Towards Equal Participation") zusammengeschlossenen NGOs von der EU fordern. Wirkungsvoll könnte vor allem ein Verbot des Handels mit Diamanten sein, mit denen Kriege finanziert werden. Die EU könnte ein solches Verbot mit Hilfe von Ursprungszertifikaten und Überprüfungsmechanismen durchsetzen und Verstöße mit strafrechtlicher Verfolgung und dem Entzug von Konzessionen ahnden.
5. Auch an einer Eindämmung der weiteren Verbreitung von Waffen sollte die EU sich aktiver beteiligen, wie beispielsweise das "International Action Network on Small Arms" (IANSA) einklagt. Mittlerweile beschloss die EU, dass Kommission und Mitgliedstaaten die Frage von Rüstungsimporten in den Dialog mit den AKP-Staaten und anderen Entwicklungsländern aufnehmen sollen. Gleichzeitig sollten Programme zur Demobilisierung und Vernichtung von Kleinwaffen sowie zur Stärkung lokaler Gemeinschaften bei der Überwindung der " cultures of violence" aufgelegt werden. Die EU könnte überdies durch die restriktive Gestaltung ihrer eigenen Waffenexportrichtlinien und eine Politik der Selbstbeschränkung im Rüstungsbereich als "Zivilmacht" an Glaubwürdigkeit gewinnen. Die meisten Kleinwaffen, die derzeit nach Afrika exportiert werden, stammen aus Mittel- und Osteuropa. Bei den Assoziierungs- und Beitrittsverhandlungen mit diesen Staaten könnte die EU gezielt den Hebel ansetzen, um derartige Rüstungsexporte in Krisenregionen zu unterbinden.
2. Empfehlungen zur Bündelung von Ressourcen in der deutschen Außen- und Entwicklungspolitik
1. Soll die Professionalität und Effektivität präventiver Maßnahmen in der deutschen Politik erhöht werden, wird eine sektorale und regionale Konzentration von Aktivitäten notwendig sein. Beispielsweise könnten die verschiedenen Akteure spezifische "Pakete" anbieten, in denen sie ihre besonderen Expertisen ausweisen. In diese Richtung gehen auch Bemühungen der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ), die gegenwärtig die Möglichkeiten der Technischen Zusammenarbeit (TZ) in der Konfliktbearbeitung in einem "Sektorvorhaben Krisenprävention" auslotet
2. Da die Ressourcen für Maßnahmen der Krisenprävention begrenzt sind, ist auch eine regionale Konzentration unabdingbar. Eine Ressourcenbündelung auf bestimmte Ländergruppen und Regionen ist also durchaus sinnvoll, allerdings muss sie international abgestimmt sein und klaren, transparenten Kriterien folgen. Das BMZ sollte bei der Entwicklungszusammenarbeit - anknüpfend an seine neue regionale Schwerpunktbildung
3. Die begonnene Praxis der Länderanalysen sollte auf andere Staaten und Regionen ausgeweitet werden und den Verlauf größer angelegter Projekte und Programme des BMZ begleiten. Sie können aber nur dann krisenpräventive Effekte bewirken, wenn auf politischer Ebene die Bereitschaft zur Selbstkritik und den gegebenenfalls daraus abzuleitenden Strategiewechseln gefördert wird. Zudem sollten Informationen und Erfahrungen der entwicklungspolitischen Akteure vor Ort stärker einbezogen werden.
4. Der Bundessicherheitsrat sollte reformiert und mit arbeitsfähigen Unterstrukturen versehen werden. Als erster Schritt wäre etwa die Schaffung ressortübergreifender Arbeitskreise denkbar, um Kommunikation und Abstimmung zu intensivieren.
5. Auch für die adäquate Behandlung des Themas "Reform des Sicherheitssektors" in Krisenregionen ist eine größere Kohärenz erforderlich. Für ein umfassendes Gesamtkonzept wäre eine intensivere Einbeziehung des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) und des Bundesinnenministeriums (BMI) hilfreich. Eine kritische Bestandsaufnahme der Ausstattungshilfeprogramme für ausländische Streitkräfte sowie der Unterstützung für ausländische Polizeibehörden im Sinne eines " conflict impact assessment" wäre sinnvoll.
Im Sinne des "Do No Harm"-Gebotes ist dabei zuallererst eine kritische präventionspolitische Evaluierung der gesamten militärpolitischen und rüstungswirtschaftlichen Außenbeziehungen des BMVg gegenüber Krisenregionen (u. a. Rüstungsexporte, rüstungswirtschaftliche Kooperation, Ausrüstungs- und Ausbildungshilfe) erforderlich.
Da die Reform des Sicherheitssektors primär auf eine Stärkung der rechtsstaatlichen und zivilgesellschaftlichen Kontrolle abzielt, sollte die Durchführung derartiger Reformprogramme nicht unter Federführung militärischer Akteure - wie beispielsweise Beratergruppen der Bundeswehr - erfolgen; dies birgt die Gefahr, dass nur in mehr oder weniger kaschierter Form die bisherige Praxis der "Ausstattungshilfe" fortgesetzt würde. Ein entwicklungspolitisches Engagement im Sicherheitssektor muss unter ziviler Leitung erfolgen und zivilgesellschaftliche Organisationen aus dem Menschenrechts-, Friedens- und Entwicklungsbereich beteiligen. Darüber hinaus ist eine multilaterale Einbindung von Unterstützungsmassnahmen unabdingbar, um eine machtpolitisch motivierte, militärisch geprägte bilaterale Einflussnahme zu vermeiden. Schließlich sollte die Reform des Sicherheitssektors nicht als Vorwand für ein verstärktes entwicklungspolitisches Engagement des Militärs dienen. Dies würde dem Legitimationsstreben des Militärs in einem Bereich entgegenkommen, in dem zivile Organisationen sowohl größere Effizienz als auch Kompetenz aufweisen.