Die jüngsten Fortschritte im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) sind zweifelsohne beeindruckend: Dass Computer im Schach dem Menschen bereits seit Jahrzehnten haushoch überlegen sind, ist inzwischen Normalität. Dass aber ein KI-System fähig ist, im wesentlich komplexeren und kaum berechenbaren Go-Spiel in kürzester Zeit eine Spielstärke zu erreichen, die den weltbesten Spielern nicht den Hauch einer Chance lässt – wie jüngst geschehen –, galt bis vor Kurzem noch als undenkbar.
Algorithmen steuern immer mehr Arbeits- und Lebensbereiche, von der Internetsuche über die computergestützte Befundung in der Medizin bis zu Finanztransaktionen. In der Regel handelt es sich dabei um hochspezialisierte Softwareagenten, die in einer rein virtuellen Umwelt agieren. Es wird aber auch an "intelligenten" Systemen gearbeitet, die fähig sind, sich in der analogen Welt zu bewegen, in diese einzugreifen und mit Menschen in physischen Kontakt zu treten. Maschinen dieser Art haben das Potenzial, das Mensch-Technik-Verhältnis ganz neu zu definieren: Insofern Technik nämlich beginnt, autonom zu agieren und damit ein einfaches Denken in Zweck-Mittel-Relationen zu untergraben (wie es für die Anwendung herkömmlicher Werkzeuge maßgeblich ist), wird auch die Abgrenzung zwischen dem Menschen und den von ihm geschaffenen Arbeitsmitteln immer unschärfer. Dieses Phänomen wird im Folgenden als Mensch-Maschine-Entgrenzung bezeichnet.
Die gesellschaftliche Brisanz des Themas rückt zunehmend in das politische Bewusstsein. So sah sich das Europäische Parlament 2016 veranlasst, der EU-Kommission zivilrechtliche Regelungen im Bereich Robotik zu empfehlen.
Zwischen Vision und Wirklichkeit
Vor allem die Entwicklungen in zwei Technologiefeldern – der Robotik und den Neurotechnologien – tragen dazu bei, dass die ehemals scharfen Trennlinien zwischen Mensch und Maschine immer mehr verschwimmen.
Fortschritte in der Robotik machen es inzwischen möglich, auch komplexe menschliche Handlungsabläufe maschinell nachzubilden. Während der klassische Industrieroboter auf die Automatisierung repetitiver industrieller Prozesse festgelegt ist und seine Dienste aus Sicherheitsgründen weitgehend abgeschottet von Menschen vollbringt, eröffnen sich für moderne Serviceroboter vielfältige Anwendungsperspektiven auch außerhalb industrieller Fertigungshallen – seien es einfache Aufgaben in Privathaushalten (in denen Staubsaugerroboter bereits millionenfach in Anwendung sind) oder komplexe, auch personenbezogene Dienstleistungen im Pflegebereich. Möglich gemacht haben diesen Schritt in die Alltagswelt insbesondere folgende Merkmale, mit denen sich Serviceroboter von klassischen Industrierobotern abgrenzen lassen: hardwareseitig die Leichtbauweise, die – ergänzt um komplexe Sensorik und Aktorik – eine immer engere Interaktion mit dem Menschen ermöglicht; softwareseitig die Realisierung von hochentwickelten Lern- und Planungsverfahren (auf Basis von KI und Maschinellem Lernen), welche die Systeme befähigen sollen, nicht nur ein festgelegtes Handlungsprogramm abzuspulen, sondern sich auch unter neuen oder sich verändernden Bedingungen weitgehend autonom zurechtzufinden. Die Servicerobotik gilt inzwischen als zukunftsweisender Wachstumsmarkt, dessen weltweites Volumen der etablierten Industrierobotik laut Prognosen in wenigen Jahren den Rang ablaufen könnte.
Sorgt die Robotik auf der einen Seite dafür, dass Maschinen in ihren Handlungsmöglichkeiten immer menschenähnlicher werden, eröffnen die Fortschritte auf dem Gebiet der Neurotechnologien auf der anderen ganz neue Optionen, mit dem Menschen technologisch zu interagieren. Schon zum klinischen Standardrepertoire gehören stimulierende Systeme, die elektrische Impulse an das Gehirn übertragen – etwa sensorische Neuroprothesen wie das Cochlea-Implantat, mit dem sich Einschränkungen des Hörsinns über die gezielte Stimulation der entsprechenden Nervenfasern technisch kompensieren lassen. Daneben wird aber auch intensiv an ableitenden Anwendungen geforscht, mit dem Ziel, Signale aus dem Nervensystem zu gewinnen und zur Steuerung etwa von künstlichen Gliedmaßen zu verwenden. Dabei macht man sich zunutze, dass gedankliche Aktivität elektrische Potenziale erzeugt, die sowohl invasiv (mittels implantierter Mikroelektrodensonden) als auch nichtinvasiv (mittels auf der Kopfhaut fixierter Elektroden) detektierbar sind. Beide Herangehensweisen haben ihre spezifischen Limitationen: Die nichtinvasive Datengewinnung leidet an einer eher schlechten Signalqualität und kommt somit nur für die binäre Steuerung einfacher Kommunikationssysteme in Betracht.
Auch wenn die Datenableitung aus dem Gehirn und damit die intuitive Gedankensteuerung komplexer Apparaturen noch nicht über das experimentelle Stadium hinausgekommen ist, zeichnen sich bereits weitere Anwendungsperspektiven ab. Sollte es dereinst gelingen, durch Integration von ableitenden und stimulierenden Schnittstellen ein stabiles bidirektionales Feedbacksystem zu etablieren, ließen sich "fühlende" Handprothesen realisieren, die dem Nutzer während des Greifprozesses eine sensorische Rückmeldung geben. Auf die Spitze getrieben wird die Mensch-Maschine-Entgrenzung schließlich durch die Kombination neurotechnologischer Anwendungen mit Robotertechnologie – etwa im Form "intelligenter", sich selbst steuernder Implantate oder roboterisierter Gliedmaßen –, wodurch autonom agierende maschinelle Systeme quasi untrennbar mit dem Menschen verschmelzen. Klar ist, dass in einer solchen Konstellation nicht mehr eindeutig ist, wer wen kontrolliert: der Mensch die Maschine oder umgekehrt?
Das visionäre Potenzial dieser Entwicklungen steht außer Frage. Sowohl die Fortschritte in der Robotik als auch den Neurotechnologien werden auf gesellschaftlicher Ebene entsprechend durch weitreichende Zukunftsvorstellungen begleitet, die interessanterweise wiederum an ältere, kulturell äußerst wirkmächtige Motive anknüpfen.
Dass Hybride aus Menschen und Maschinen offensichtlich keine bloße Zukunftsvision mehr sind, macht bereits die Tatsache deutlich, dass derzeit etwa 30.000 Menschen in Deutschland ein Cochlea-Implantat tragen. Dennoch stellt sich die Frage, inwiefern die erwähnten futuristischen Visionen als maßgebliche Referenzpunkte für die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit der Entgrenzungsdynamik taugen. Um es kurz zu machen: Auf Basis einer nüchternen Bewertung der Leistungsfähigkeit der zugrundeliegenden Technologien kommt die TAB-Studie zum Ergebnis, dass größere Zweifel angebracht sind.
Anwendungsfeld Pflege
Die beschriebenen Entwicklungen werfen stattdessen Fragen auf, die zwar vordergründig wenig aufsehenerregend erscheinen, tatsächlich aber von großer normativer Brisanz sind: Wie lässt sich die zunehmend enge Interaktion zwischen Menschen und autonomen Maschinen nicht nur sicher, sondern auch moralisch verantwortungsvoll gestalten? Wer ist haftbar zu machen, wenn doch etwas schiefgeht? Und gibt es ethische Grenzen der Technisierung – und wenn ja, wo liegen sie?
Einer der gesellschaftlichen Bereiche, in denen derartige Fragen derzeit besonders virulent werden, ist die Altenpflege, die sich im Zuge des demografischen Wandels vor enorme Herausforderungen gestellt sieht: Seit Jahren steigt die Zahl der Pflegebedürftigen, während es immer schwieriger wird, Pflegefachkräfte in ausreichender Zahl zu rekrutieren. Schon heute zeichnet sich eine massive Versorgungslücke ab, die den Ruf nach technischer und insbesondere robotischer Unterstützung lauter werden lässt – innovative Assistenztechnologien für die Pflege werden von der Politik entsprechend seit Jahren gefördert, und dies nicht nur in Japan, das hier als besonders fortschrittlich gilt, sondern auch in Deutschland. Gleichzeitig liegt auf der Hand, dass es sich bei der Pflege um einen außerordentlich sensiblen Bereich handelt. Zunehmende maschinelle Autonomie und die fragile Verfassung der Pflegebedürftigen stehen hier in einem spannungsreichen Verhältnis, weshalb der perspektivische Einsatz autonomer Pflegetechnologien ethisch hochumstritten ist und auch in der Bevölkerung auf viele Vorbehalte trifft. Die Altenpflege ist damit ein Feld, in dem sich die Ambivalenzen der Mensch-Maschine-Entgrenzung in paradigmatischer Weise zuspitzen.
Da sich die Rolle der Neurotechnologie hauptsächlich auf den therapeutischen Bereich beschränkt, stellt die Servicerobotik für die Altenpflege die treibende Kraft der Entgrenzungsdynamik dar. Ihr wird großes Potenzial zugeschrieben, Pflegekräfte entlasten sowie Pflegebedürftige im Alltag unterstützen zu können – entsprechende Anwendungen befinden sich bereits seit vielen Jahren in Entwicklung und Erprobung.
Assistenzroboter zur physischen Alltagsunterstützung kommen der eigentlichen Bestimmung der Servicerobotik – der "Erweiterung menschlicher Handlungsfähigkeit"
Bei sozialen Robotern steht hingegen nicht die physische, sondern die sozial-emotionale Unterstützung im Vordergrund. Zu unterscheiden ist hier zwischen Geräten, die selbst mit Menschen sozial interagieren und kommunizieren (z.B. als Unterhaltungs- oder Zuwendungsroboter), und solchen, deren Hauptzweck darin besteht, zwischenmenschliche Kontakte zu vermitteln und damit die soziale Teilhabe zu fördern (z.B. als Kommunikationsassistent oder Telepräsenzroboter). Ein bereits relativ etabliertes Anwendungsfeld der sozial-interaktiven Robotik stellt die Demenztherapie dar, wo vermehrt tierähnliche Roboter wie die Robbe Paro unterstützend zum Einsatz kommen.
Robotischen Mobilitätshilfen schließlich kommt in der Altenpflege aufgrund der verbreitet auftretenden Bewegungseinschränkungen eine wichtige praktische Bedeutung zu. Die Geräte werden entweder als Exoskelette direkt am Körper getragen oder stellen "intelligente", beispielsweise um Navigationsfunktionen ergänzte Erweiterungen einfacher Fortbewegungshilfen dar (Rollatoren, Rollstühle). Insbesondere Exoskelette bieten breite Anwendungsmöglichkeiten, da sie sowohl als alltägliche Mobilitätshilfe für ältere Menschen und Pflegebedürftige als auch zur Entlastung von Pflegekräften bei körperlich anstrengenden Aufgaben eingesetzt werden können.
Die Königsdisziplin der Pflegerobotik ist der multifunktionale Roboterassistent, der anspruchsvolle Navigations- und Manipulationsfertigkeiten mit kommunikativen und sozial-affektiven Kompetenzen kombiniert und damit prinzipiell einen vollwertigen Alltagsgefährten darstellt. Dieses Leitbild war für das Entwicklungsgeschehen lange Zeit prägend
Der Care-O-bot steht damit symptomatisch für den Stand der Pflegerobotik. Trotz langjähriger Entwicklungsbemühungen und unzähliger Prototypen hat es bislang nur eine Handvoll Systeme in die praktische Anwendung geschafft – allesamt Spezialanwendungen (neben der Robbe Paro gehören dazu einige Esshilfen sowie vereinzelte Exoskelette und Telepräsenzroboter), die über keine Greifarme und nur über begrenzte Autonomie verfügen und damit deutlich vom Leitbild des multifunktionalen Alltagsassistenten abweichen. Dafür verantwortlich sind unter anderem die hohen technischen Hürden, die es zu überwinden gilt. Hinzu kommt ein schwieriges Marktumfeld: Da die Pflegebranche unter hohem wirtschaftlichen Druck steht und nur wenige Dienstleister über ausreichendes Investitionspotenzial verfügen, ist unklar, ob sich die hohen Entwicklungskosten amortisieren lassen.
Während der robotische Alltagsassistent in den vergangenen Jahren etwas an Attraktivität verloren hat, stehen zunehmend spezialisierte Automatisierungslösungen für die stationäre Pflege im Fokus der Entwicklerinnen und Entwickler – ein Beispiel ist etwa der "intelligente" Pflegewagen des Fraunhofer IPA, der dereinst in der Lage sein soll, autonom zum Einsatzort zu navigieren, den Verbrauch zu dokumentieren und Pflegeutensilien selbstständig nachzufüllen.
Was ist gute Pflege – und was können Roboter dazu beitragen?
Vergleicht man die gesellschaftliche Debatte zu Automatisierungsbestrebungen in der Pflege mit solchen, die zu ähnlichen Entwicklungen in anderen Dienstleistungskontexten geführt werden, so fällt ein Unterschied auf: Während bei den meisten Branchen die Diskussion um die Zukunft der Arbeit primär unter ökonomischen Vorzeichen geführt wird, vor allem im Hinblick auf mögliche negative Beschäftigungseffekte,
Sicher ist: Einen Roboter zu schaffen, der Pflegeaufgaben am Menschen vollautonom übernehmen und somit eine menschliche Pflegekraft zu ersetzen vermag, ist weder ein technisch realistisches (zumindest nach jetzigem Stand) noch ein erklärtes Ziel. Mit den derzeit in Entwicklung befindlichen Lösungen wird vielmehr angestrebt, Pflegeprozesse technisch so zu assistieren, dass mehr Zeit für die eigentliche Pflege und zwischenmenschliche Begegnungen bleibt – sei es durch Entlastung des Pflegepersonals oder durch die Befähigung pflegebedürftiger Menschen zu sozialer Teilhabe. Die eigentliche Frage lautet dann also, ob und inwiefern sich diese Zielsetzungen in die Tat umsetzen lassen. Dies lässt sich wiederum nicht anhand spekulativer Szenarien, sondern nur mit einem genauen Blick auf die konkreten Nutzungszusammenhänge beantworten, schließlich zeigen die vorliegenden Erfahrungen, dass die Einführung neuer Technologien vielfältige Auswirkungen auf die Pflegearbeit haben kann. Relativ gut untersucht sind die derzeit laufenden Bestrebungen, elektronische Pflegedokumentations- und -managementsysteme einzuführen – ebenfalls einhergehend mit dem Versprechen, dadurch Zeitersparnisse und Arbeitserleichterungen zu erzielen. Studien zu den pflegerischen Implikationen des elektronischen Dokumentationswesens legen nahe,
Vor diesem Hintergrund sind Befürchtungen nicht von der Hand zu weisen, dass ein forcierter Robotereinsatz dazu führen könnte, dass Pflegearbeit zunehmend einem mechanistischen Verständnis unterworfen wird, das heißt auf zweckbezogene Anteile verengt und die empfindungsbezogenen Aspekte entsprechend marginalisiert werden – vor allem, wenn sich dadurch betriebswirtschaftlich einsparen lässt. Dies gilt umso mehr, als sich ein einseitiges Verständnis der Pflege als zweckrationales Problemlösungshandeln in übergreifende und bereits länger anhaltende Standardisierungs- wie auch Ökonomisierungsbestrebungen einordnet (z.B. zur Organisation der Versorgungsprozesse, zur Qualitätssicherung oder zur Abbildung und Abrechnung des Leistungsgeschehens), die nicht nur die Pflege, sondern das Gesundheitswesen insgesamt zunehmend betriebswirtschaftlichen Handlungslogiken unterwerfen.
Was folgt daraus? Zumindest dreierlei. Erstens: Der Nutzen der autonomen Robotik für die Pflege lässt sich nicht isoliert an einzelnen, geeigneten respektive weniger geeigneten Aufgaben festmachen, da auch von der Automatisierung von Einzelprozessen tiefgreifende Implikationen für die gesamte Pflegepraxis zu erwarten sind. Um neue Robotiklösungen optimal in die Pflegearbeit einzupassen, müssen Arbeitsprozesse normiert, Qualitätsstandards definiert und auch das Arbeitsumfeld robotergerecht gestaltet werden. Zweitens: Bei der Frage, ob sich eine Robotikanwendung für die Pflege fruchtbar machen lässt, gilt es deren Auswirkungen auf die personengebundenen Kernprozesse genau im Blick zu behalten. Werden neue Freiräume für Beziehungshandeln geschaffen oder bestehende minimiert? Drittens: Darüber hinaus gibt es kein Patentrezept, wie sich die Potenziale der Robotik für die Pflege nutzbar machen lassen. Letztlich handelt es sich dabei um eine anspruchsvolle Gestaltungsaufgabe, die sowohl die Einzeltechnologien (Design, Funktionalität) als auch deren soziotechnische Einbettung einzubeziehen hat. Die Diskrepanz zwischen postuliertem Lösungspotenzial und tatsächlich erreichtem Nutzen robotischer Pflegeanwendungen ist nach Meinung verschiedener Expertinnen und Experten nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass den Bedürfnissen und Problemlagen der Pflegebedürftigen bislang zu wenig Beachtung geschenkt wurde und die resultierenden Anwendungen somit keinen wirklichen pflegerischen Mehrwert bieten.
Fazit
Gradmesser für die gesellschaftliche Relevanz aktueller Entwicklungen in der KI ist weniger der erreichte Grad an Künstlicher Intelligenz, die eher als abstrakter Oberbegriff für sehr unterschiedliche Verhaltensmerkmale "intelligenter" Systeme firmiert, sondern deren Fähigkeit, zunehmend autonom, das heißt unabhängig von menschlicher Steuerung, zu agieren (und das möglichst in komplexen Umgebungen). Insbesondere das Maschinelle Lernen ist dafür eine wichtige Voraussetzung; benötigt werden aber auch – zumindest bei Systemen, die sich in der analogen Welt bewegen – Wahrnehmungs-, Planungs- sowie Manipulationsfertigkeiten, die bislang erst unzureichend entwickelt und systemisch integriert sind. Die Relevanz dieser entgrenzenden Entwicklungen steht dennoch außer Frage. Wie das Beispiel Pflege zeigt, wirft die perspektivische Einbettung sich verselbstständigender Maschinen in menschliche Lebens- und Handlungskontexte viele normative Fragen auf und ist mit großen moralischen Unsicherheiten verbunden. Es scheint also unbedingt geboten, sich frühzeitig mit dieser Entwicklung zu befassen. Dass derzeit noch weitgehend unklar ist, ob, wann und in welcher konkreten Form die Robotik in den pflegerischen Alltag Einzug halten wird, steht dem nicht entgegen, sondern verweist im Gegenteil auf die Möglichkeit einer vorausschauenden Gestaltung dieser Technisierungsprozesse.
Ein zentrales Element dabei ist die Technikgestaltung im engeren Sinne, und zwar primär orientiert an den Bedürfnissen der Pflegebedürftigen. Ebenso wichtig ist aber, die sozialen und diskursiven Treiber der Entwicklung nicht außer Acht zu lassen, wie gerade die Pflege deutlich macht. Zwar konnten im Bereich Robotik in den vergangenen Jahren zweifelsohne etliche Fortschritte erzielt werden; die hohen und teils überzogenen Erwartungen an das Lösungspotenzial robotischer Pflegesysteme vermögen diese jedoch nicht wirklich plausibel zu machen. Hinter den fortschreitenden Bestrebungen, Aspekte der Pflegearbeit zu technisieren, stehen vielmehr starke gesellschaftliche Interessen. Dazu gehören beispielsweise die seit Längerem laufenden Bemühungen, die noch vor wenigen Jahrzehnten fast vollumfänglich informell geleistete Pflegearbeit zu professionalisieren und evidenzbasiert auszurichten, nicht zuletzt aus Kostengründen. Der demografische Wandel mit seinen enormen Herausforderungen verstärkt derartige Tendenzen und lässt Hightech-Lösungen wie die Robotik mit ihrem Versprechen auf eine effizientere Ausgestaltung der Pflegearbeit für viele als fast schon unausweichlich erscheinen.
Vor diesem Hintergrund erscheinen nicht nur Forschung und Entwicklung, auch die gesellschaftliche Debatte zur Robotik in der Pflege allzu einseitig auf technische Machbarkeitsvisionen fixiert und zu wenig damit beschäftigt, was überhaupt wünschenswerte Entwicklungen sind. Ob Roboter zu guter Pflege beitragen können, ist letztlich weniger eine Frage des technischen Fortschritts als eine der sinnvollen Innovation von Arbeitsprozessen sowie institutioneller Rahmenbedingungen. Die Gestaltung guter Pflege ist deshalb in grundlegender Weise als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu sehen. Wie könnte also ein verantwortungsvoller Umgang mit den neuen technischen Möglichkeiten aussehen? Im TAB-Projekt "Robotik und assistive Neurotechnologien in der Pflege"