Einleitung
Städte sind ein Spiegelbild gesellschaftlicher Entwicklung. Wer etwas über Multikulturalität, soziale Polarisation oder die neue Dienstleistungsgesellschaft erfahren möchte, wird in der räumlich-geographischen Organisation der Stadt fündig werden. Sie bildet die Bühne, auf der globale und lokale Akteure agieren. Hatten bis in die siebziger Jahre große Wirtschaftsunternehmen den Städten wirtschaftliches Wachstum und Beschäftigung gesichert, so werden unter den Bedingungen der Globalisierung städtische Qualitäten im Sinne von Standortvorteilen für das Entstehen von innovativen Dienstleistungsindustrien entscheidend. In diesem Zusammenhang sind soziale Umfelder zu sehen, die eine große Durchlässigkeit von Ideen und Fähigkeiten verschiedenster Berufsgruppen ermöglichen. Grundvoraussetzung dafür ist die Schaffung von Austauschorten, an denen die sozialen und kulturellen Kapazitäten der Stadtbewohner genutzt werden können .
Im Dritten Weg, der von Anthony Giddens theoretisch konzipiert und von der New Labour-Regierung als programmatisch angenommen wurde, schlägt sich die Notwendigkeit der lokalen Anpassung an die Globalisierung nieder. Die Globalisierung bezieht sich ". . . nicht ausschließlich und auch nicht primär auf wirtschaftliche Verflechtungen, sondern auf die Transformation von Raum und Zeit in unserer Lebenswelt" . Da sich Letztere für die Mehrheit der Bürger in Städten befindet, stellt sich die Frage, welche Auswirkungen dieses theoretische Verständnis der Globalisierung auf die konkrete Politik hat.
Im Folgenden soll - weitgehend am Beispiel Manchesters - dargestellt werden, mit welchen Problemlagen die britische Politik gegenüber den Städten konfrontiert war und ist und wie sich die bisher getroffenen stadtpolitischen Maßnahmen ausgewirkt haben. Vor ähnlichen wie den geschilderten Schwierigkeiten dürften auch deutsche Städte auf dem Weg in die postindustrielle Gesellschaft stehen. Kann Großbritannien hierfür ein lehrreiches Beispiel sein?
I. Die postindustrielle Strukturkrise
Die Kommunalpolitik in altindustriellen Gebieten wie etwa auch dem Ruhrgebiet hat sich mit der Strukturkrise in Folge der Postindustrialisierung und dem Übergang zu einer tertiären Wirtschaft auseinander zu setzen. In Städten, in denen sich die Auswirkungen der Umstrukturierung der Weltwirtschaft kumulieren, entstehen "soziale Brennpunkte": Arbeitslosigkeit, neue Formen der Armut, fortschreitende Obdachlosigkeit und Einschnitte im sozialen Netz entwickeln zusammengenommen eine Eigendynamik. Eine neue "urbane Unterklasse" entsteht. Die vormaligen Industriestandorte "produzieren" ein hohes Maß von sozialer Ausgrenzung, das - im Falle Manchesters - in enormem Kontrast zu den reichen Orten Großbritanniens steht, die alle außerhalb der urbanen Ballungsgebiete liegen.
Manchester weist in dieser Hinsicht deutliche Parallelen zu deutschen Großstädten auf. Das Entstehen einer strukturellen Arbeitslosigkeit etwa gehört auch in deutschen Großstädten zu den offensichtlichen und für die Kommunalpolitik am schwierigsten zu lösenden sozio-politischen Problemen. In der nordwestlichen Region Englands (North West Region), in der Manchester liegt, hat die Anzahl der Arbeitsplätze in den letzten drei Jahrzehnten kontinuierlich abgenommen : Standen in dieser Region 1971 noch 344 739 Menschen in Lohn und Brot, so gab es hier im Jahr 1997 90 000 Arbeitsplätze (26 Prozent) weniger. Die Region Greater Manchester zeigte sich hierbei von den Wachstumszyklen der nationalen Wirtschaft beeinflussbar, die Stadt hingegen konnte von kurzzeitigen Boom-Situationen nicht profitieren. Während auf der lokalen Ebene, in Manchester, in den letzten 30 Jahren eine ununterbrochen negative Entwicklung zu verzeichnen ist, wurden zur gleichen Zeit auf Landesebene, in Großbritannien, etwa eine Million neue Jobs geschaffen. Ab den achtziger Jahren verfestigte sich in Manchester eine in allen metropolitanen Ökonomien zu verzeichnende Trennlinie zwischen Peripherie und Innenstadt; Unternehmen lassen sich vorzugsweise vor den Toren der Städte nieder. Zwischen 1981 und 1996 haben die britischen Regionen, wenn man die jeweiligen Städte nicht mit einberechnet, sogar einen Zuwachs von etwa 12 Prozent an Arbeitsplätzen erfahren . Damit ist ein für die postindustriellen Städtelandschaften typisches Profil der Regionen entstanden, wobei die in der Peripherie liegenden Gebiete zu Lasten der Innenstädte wirtschaftlich prosperieren. Im Raum Manchester ist dieser Antagonismus in extremer Weise zu beobachten: Während in der Peripherie in den letzten zwei Jahrzehnten per Saldo fünf Prozent neue Jobs geschaffen wurden, hat die Stadt Manchester 19 Prozent Arbeitsplätze verloren. Eine gleichzeitige Entwicklung einer tertiären Ökonomie, die diese Verluste auffangen könnte, ist ausgeblieben. In den achtziger Jahren haben statt dessen weitere Rationalisierungsmaßnahmen der Industrie gegriffen, welche die zweite Deindustrialisierung Manchesters einleiteten. In der Folge hat die Arbeitslosenquote der Stadt weiter zugenommen; umgekehrt nimmt das Bruttosozialprodukt (BSP) in Manchester konstant ab. Industriezweige wie die Atomkraft oder die Rüstungsindustrie konnten sich auf Grund der Sparpolitik der Regierung Großbritanniens nicht halten. In der Innenstadt, die etwa vier Quadratkilometer umfasst, zeigt sich der rapide Verfall Manchesters am deutlichsten: Hatte 1961 noch jeder siebte Einwohner dort seinen Arbeitsplatz, so können heute im Stadtzentrum nur noch halb so viele Menschen ihr Einkommen verdienen .
Die tatsächliche Situation der Arbeitslosigkeit stellt sich - wie ein Blick auf die Lage in den meisten britischen Städte zeigt - nicht so günstig dar, wie dies die im europäischen Vergleich glänzende nationale Arbeitslosenstatistik Großbritanniens vermuten lässt: "Wenn man die Oberfläche der Werbebroschüre durchlöchert, dann zeichnet sich ein anderes Bild von Manchesters Wirtschaftslage der letzten zwei Jahrzehnte ab. Erkennbar wird, dass die Anzahl der Arbeitslosmeldungen steigt. Verdeckt wird dieser Umstand durch die wachsende Zahl der Frührentner und der vermehrten Jobs für Teilzeitarbeiter und Frauen." Hierbei ist insbesondere zu bedenken, dass der Begriff "Arbeitslosigkeit" erklärungsbedürftig ist. Die registrierte Arbeitslosigkeit, bei der ein Antrag auf Arbeitslosengeld bewilligt wird (Claimant Count), ist auch in Manchester von 1991 bis 1997 um 3,6 Prozent entsprechend dem landesweiten Trend gesunken. Die Real Unemployment - die wirkliche Arbeitslosigkeit - bezieht dabei die verdeckte Arbeitslosigkeit ein, womit auch geringfügig Beschäftigte (Teilzeitarbeiter), Frührentner und in diversen Sozialprogrammen "geparkte" Arbeitssuchende berücksichtigt werden . Legt man dieses Verständnis von Arbeitslosigkeit zugrunde, dann hat sich diese um 8,5 auf 28,6 Prozent erhöht. Quantitative wie qualitative Veränderungen des Arbeitsplatzes haben ihren Ausgangspunkt in dem Verlust der Funktion Manchesters - "Cottonopolis", wie es sich früher nannte - als weltweite Handelsbörse für Baumwollprodukte. Damit ging ein Bedeutungsverlust für die regionale Wirtschaft einher. Firmenpleiten und ein ökonomischer Abstiegstrend für die Region und die Stadtbevölkerung waren die Folge.
Die Konsequenzen sind bis heute weithin sichtbar: Private wie öffentliche Infrastrukturen veraltern bis zur Unbrauchbarkeit, vor allem das Transportsystem kann den modernen Ansprüchen nicht mehr standhalten. Die "soziale Stadt" gerät immer mehr in Gefahr: Eine hohe Abhängigkeit der Bevölkerung von sozialstaatlichen Maßnahmen ist entstanden. Die Stadt muß zugleich sinkende Einnahmen und steigende (Sozial-)Ausgaben hinnehmen. Wie kaum eine andere britische Stadt ist Manchester von organisierter Kriminalität (mit gestohlenen Autos, Computern etc.), ausgeprägtem Drogenhandel sowie von ethnisch gefärbten sozialen Unruhen betroffen, die sich in den Jahren 1981 und 1993 in den Moss-Side-Aufständen entluden.
II. Regenerationsversuche
Growth Coalition - Wachstumskoalition - heißt das Schlagwort der ersten Regenerationsphase (1984 - 1989), in der sich vor allem die lokale Wirtschaftselite gegen den Abstieg "ihrer" Stadt zu stemmen versuchte. Mit baulichen Maßnahmen wie dem Castlefield-Museum und dem Urban Heritage Park oder dem Wiederaufbau des Hauptbahnhofes sollte ein Aufschwung initiiert werden. Dabei orientierte man sich an der "Thematisierung der Innenstädte" nach amerikanischem Vorbild. Mit der Musealisierung der eigenen industriellen Geschichte in einem Heritage Park sollte den Wünschen der Tourismus-Branche entgegengekommen werden. An dieser Growth Coalition beteiligte sich auch die nationale Regierung, deren Politik damals zumindest programmatisch auf den Wiederaufbau der Innenstädte ausgerichtet war. Getragen wurde die Wachstumskoalition von der Bauindustrie, die erste negative Erfahrungen auf der grünen Wiese sammelte, hegte sie doch Hoffnungen auf einfache Genehmigungsverfahren und große Aufträge der öffentlichen Hand. Banken und Versicherungen sowie der Groß- und Einzelhandel erwarteten von dieser Zusammenarbeit ebenfalls partikuläre Interessenvertretung. Die lokale Politik betrieb diese Regenerationsstrategie schier alternativlos mit dem Mut der Verzweiflung. Die Innenstadt sollte - im Sinne einer 24-Stunden-Ökonomie - quasi rund um die Uhr vermarktet werden.
Der propagierte Lebensstil vertrug sich aber nicht mit der traditionellen Arbeiterschaft Manchesters, die nun von großer Arbeitslosigkeit betroffen war und der die nötige Kaufkraft fehlte. Gescheitert ist die Strategie daher nicht nur an der mangelhaften Umsetzung, sondern auch an der geringen Akzeptanz seitens der (verarmten) Bevölkerung der Stadt. Enorme negative Nebeneffekte wie Mieterhöhungen oder die Verdrängung des etablierten Kleinhandels standen im Widerspruch zum anvisierten positiven Nutzen. Schließlich fühlte sich die Zentralregierung in London auf den Plan gerufen und setzte eine radikale Angebotspolitik für national operierende Firmen durch. Die lokale Growth Coalition war gescheitert.
Der Anfangserfolg der zweiten Regenerationsphase (1989 - 1994) war rasant und schien die Theorie des trickle down-Effekts betriebswirtschaftlich ausgerichteter Kommunalpolitik zu bestätigen, wonach von Subventionen für Landkäufe und Bauinvestoren schließlich alle Bürger profitieren sollen . Ein Investitionsboom in den Jahren 1989 und 1990 hatte überdimensionale Gewinnerwartungen zur Folge und verteuerte die Grundstücke in der Innenstadt in spekulativer Weise bis auf das Niveau Frankfurts. Der Zuzug vieler auswärtiger Investoren und der Kampf um die Filetstücke schien viele Regenerationsvorhaben zu ermöglichen . Doch die hohen Preise und der Absturz des Immobilien- und Grundstücksmarktes hatten ein Scheitern weiterer Stadterneuerungsprojekte zur Folge. Investitionsruinen an den Salford Quays zeugen davon. Das Ende des neunundachtziger Booms brachte viele Investoren in finanzielle Schwierigkeiten. Die Urban Development Corporation (UDC) - eine Public-Private-Partnership für Stadtentwicklung - erlitt einen Verlust von 9,1 Millionen britischen Pfund, weshalb man sich von großen geplanten Entertainment-Projekten wie "Media City" oder "Space City" verabschiedete. Die Umwandlung von Brachen für den Wohnungsbau und den Tourismus wurde wieder aufgenommen. Konservative Regierung und Labour-Kommunalpolitik konnten sich nicht mehr über eine allgemeine Entwicklungsstrategie für Manchester verständigen. Die lokalen Behörden boykottierten mehr oder weniger die national-staatlichen Entscheidungen; die lokale Wirtschaftselite organisierte sich demonstrativ als "Manchester Mafia". Als Folge des politischen Streits misslang die Ansiedlung überregionaler Unternehmen. Die alte Labour-Hochburg Manchester begann nun mit der gezielten Image-Produktion, welche die Stadt im weltweiten Wettbewerb um internationale Investitionsvorhaben konkurrenzfähig machen sollte. Dies kam etwa in der 1993 eingereichten Olympia-Bewerbung zum Ausdruck . Im Jahr darauf beschloss das Manchester City Council, sich als eine "internationale Stadt mit außergewöhnlichem kommerziellen, kulturellen und kreativen Potential" zu profilieren. Der Ruf, ein unattraktiver Ort, ein Fossil des Manchester-Kapitalismus zu sein, sollte durch die Besetzung werbefähiger Themen verschwinden; die De-Thematisierung sozialer Brennpunkte gehörte dazu, da diese das Bild von der schönen neuen Stadt störten .
III. Die Ideologie der Partnerschaft
Verglichen mit den institutionellen Veränderungen, welche die Essenz der neoliberalen Reformen der achtziger Jahre ausmachten, ist unter der Regierung Blair kommunalpolitisch bislang eher wenig passiert. Ihr Veränderungswille hat sich weitgehend auf die Wiedereinführung des Amtes des Oberbürgermeisters von London beschränkt. Die meisten durch die konservative Regierung bewirkten organisatorischen Veränderungen wurden aber auch von New Labour nicht wieder rückgängig gemacht, da sie diese inhaltlich von Anfang an mehr oder weniger mitgetragen hat. Die Thatcher-Regierung hatte eine Liste der Unfähigkeiten erstellt, die die kommunale Politik zu kennzeichnen schien. In der Öffentlichkeit war der Eindruck entstanden, nationale Problemlösungsansätze würden auf der lokalen Ebene verhindert. "Ineffizient, bürokratisch und verschwenderisch", so lautete das harte Urteil über die Kommunalpolitik . Mangels Labour-inspirierter Alternativansätze fand diese Kritik auch jenseits der parteipolitischen Grenzen und sogar im linken Lager Zustimmung. Finanzieller Druck, die Einschnitte der Tory-geführten Zentralregierung und die Anpassungspolitik der Labour-dominierten Städte haben schließlich dazu geführt, dass sich die politische Agenda der englischen Lokalpolitik in den achtziger Jahren erheblich verändert hat. Sie stand nun in einem Kontext allgemeiner politischer Veränderungen, vor allem mit Bezug auf einen stark in die Kritik geratenen Sozialstaat . Ökonomisches Wachstum erhielt die höchste Priorität. Place Marketing im globalen Kontext - so wurde die Rolle der Kommunalpolitiker beschrieben, und die Verwaltungen sollten wie Unternehmen organisiert werden. Public-Private Partnerships (PPP) und Business Leadership haben sich inzwischen als Paradigmen und Organisationsformen für den städtischen Umbau so gut bewährt, dass sie nun auch von Tony Blair nicht in Frage gestellt werden. Sie gelten sogar europaweit als Vorbild für den Städtebau. In der Tat hat das PPP-Prinzip mit seiner auf Projekte bezogenen Umsetzung auch in Deutschland - von den Industriebau-Ausstellungen bis zur EXPO 2000 - in verschiedensten Formen seine Nachahmer gefunden. Dieser Ansatz besteht im Kern darin, dass der Staat Steuergelder in unternehmensgeführte Kooperationen investiert, die sich dann als vorteilhaft für alle Stadtbewohner herausstellen. Die Verwendung von Steuergeldern wird durch die Schaffung von Arbeitsplätzen gerechtfertigt. Für die Stadtentwicklung wurden in Zusammenarbeit von Politik und Wirtschaft die oben schon erwähnten Urban Development Corporations (UDCs) ins Leben gerufen. Brachliegende, oftmals einst industriell genutzte Grundstücke werden von diesen aufgekauft, instand gesetzt und dann gewinnbringend verkauft, so lautet zunächst der Auftrag dieser privatwirtschaftlich dominierten Form der Stadtentwicklung. Darüber hinaus ist aber festzustellen, dass es bei den UDCs um mehr geht ". . .als um die einfache Regenerierung der physischen und ökonomischen Qualitäten einer abgegrenzten Fläche von Land. Sie dienen auch dazu, die institutionellen Beziehungen und etablierten Perspektiven auf die ökonomische Entwicklung zu verändern" .
Obwohl es schon Ende der siebziger Jahre Diskussionen über neue Organisationsformen unter Einbeziehung privater Initiativen gegeben hat, haben erst die UDCs die projektbezogene Städte-Erneuerung über staatlich subventionierte Joint-Ventures mit der Wirtschaft durchgesetzt. Hierfür erhielten sie direkte finanzielle staatliche Unterstützungen von 4 438 Millionen britischen Pfund . Gebündelt wurden zudem alle bisherigen staatlichen Unterstützungen für die Städte, die bis dahin in zwanzig Ressorts in verschiedenen Ministerien aufgeteilt waren. Der neu geschaffene Erneuerungsfonds (Single Regeneration Budget/SRB) verteilt allerdings die Gelder nicht mehr nach Bedürftigkeit, sondern nach einem umstrittenen Rangfolge-System . Wenn einmal von den Millenium- und National-Lottery-Zuweisungen abgesehen wird, die seit Mitte der neunziger Jahre auch städtische Sport- und Kulturprojekte sponsern, dann sind außer diesen Fonds neben den UDCs keine anderen Finanzquellen für lokale Restrukturierungsmaßnahmen mehr im britischen Staat vorgesehen. Soziale Projekte können somit mit nur unsicherer bis gar keiner finanziellen Unterstützung durch die Londoner Regierung rechnen. Lediglich für kulturelle Veranstaltungen gibt es noch nationale Fonds.
Insgesamt gesehen sind die Ergebnisse dieser Public-Private-Partnership-Politik enttäuschend. Auch wenn man berücksichtigt, dass die so genannte "vierte Generation der UDCs" die katastrophalen Fehler der ersten, der Londoner Dockland Cooperation, vermeidet und in vieler Hinsicht den lokalen Gegebenheiten Rechnung tragen kann, muss man feststellen, dass die britische Politik hier in eine Sackgasse geraten ist, aus der heraus sich keine innovative Politik für die Städte betreiben lässt. Sämtliche vorgegebenen finanziellen Ziele wurden verfehlt, und auch die baulichen Leistungen sind von fragwürdiger Qualität. Nach offiziellen Angaben wurde ein Verhältnis zwischen staatlicher und privater Beteiligung von 1 : 3 (statt wie erhofft 1 : 4) erreicht. Hinsichtlich der Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt können nur marginale Effekte konstatiert werden. Von einer nachhaltigen Stadtentwicklung kann schon gar keine Rede sein, da die UDCs, einen kurzfristigen Gewinn vor Augen und auch als Institution mit einer deutlichen Zeitplanung, ihre Selbstauflösung eingeplant haben. Ökologische Themen spielen keine Rolle und machen in den Budgets maximal ein Prozent der Ausgaben aus.
IV. Die Traurigkeit Manchesters
"Man hat die Ansicht vertreten, dass Großbritanniens arme, traurige Städte durch ein höheres Maß an Selbstverwaltung wieder aufleben könnten, und das ist sicher wahr." Manchester ist eine dieser traurigen Städte, wie Giddens sie sieht. Einst die erste industrielle Stadt der Welt, hat sie bis heute unser Bild von einem "Kapitalismus" geprägt, das durch die Beschreibung von Friedrich Engels in "Die Lage der arbeitenden Klasse in England" zum Symbol einer menschenverachtenden Klassenteilung von Arbeitenden und Besitzenden geworden ist, das wesentlich zur marxistischen Konzeption der Geschichte als Verlauf von Klassenkämpfen beigetragen hat. Seitdem hat Manchester einen Nimbus errungen, den es durch gezielte Image-Kampagnen und eindrucksvolle Investitionen zu bekämpfen versucht. Manchester soll sich wieder zu einer vorzeigbaren fortschrittlichen City entwickeln. Die Politik des Dritten Weges trifft hier auf ein Klima, das von der lokalen Labour-Politik seit den achtziger Jahren bereitet wurde. Es kann sogar behauptet werden, dass die Erfahrungen von Manchester die Blaupause für die nationale Städte-Politik abgegeben haben .
Heute spaltet sich die Stadt erneut: Die Innenstadt gehört als Lebens-, Wohn- und zu geringerem Teil Arbeitsraum den postmaterialistischen Lebensstilgruppen. In unmittelbarer Nähe befindet sich eine soziale Nachbarschaft, die besonders von den Strukturproblemen betroffen ist . Nachfrage und Angebot des innerstädtischen Arbeitsmarktes fallen auseinander. Schlecht ausgebildeten und zumeist ethnischen Minderheiten stehen Arbeitsplätze (in zu geringer Zahl) mit hohen Qualifikationsanforderungen gegenüber. Dies wird durch eine symbolische Stigmatisierung und Diskriminierung der Wohngegenden und ihrer Bewohner verschärft. Wie unterm Mikroskop zeigt sich hier die Integrationsproblematik einer multikulturellen Gesellschaft. Durch die überproportional hohe Arbeitslosigkeit in innenstadtnahen Gegenden erhöht sich die Abhängigkeit vom Sozialstaat, 60 Prozent aller innenstadtnahen Haushalte erhalten etwa im Stadtteil Hulme Wohngeld . Damit perpetuieren die dichten und infrastrukturell schlecht ausgerichteten Stadtteile die Struktur der Chancenlosigkeit und ethnisieren die soziale Frage. Die Absonderung der ethnischen Minderheiten von der weißen Mehrheit funktioniert als sozialer Ausschlussmechanismus; die Orte der Exklusion sind mit einem Stigma versehen .
Die ethnischen Gruppen leben in Manchester deutlich stärker getrennt voneinander als in London. Manchester hat im Vergleich etwa mit Städten gleicher Größe wie Amsterdam, Frankfurt am Main oder Düsseldorf nur kleine ethnische Minderheiten. Diese leben aber viel konzentrierter an einem Ort als andernorts. Der Anteil der Blacks in Moss Side liegt zum Beispiel 6,5-mal über dem städtischen Durchschnitt und ist damit höher als in London (5,8-mal). Dies wirkt sich auf die Lebensumstände der ethnischen Gruppen in Manchester aus. Während etwa 31,4 Prozent aller Bangladeshis und 9,2 Prozent der Indians in Wohnungen leben, in denen in jedem Raum mindestens eine Person untergebracht ist, trifft dies für die weißen Briten nur zu zwei Prozent zu. Ähnlich deutliche Benachteiligungen sind auf dem Arbeitsmarkt zu verzeichnen. Bei einer durchschnittlichen Arbeitslosigkeit von 18,7 Prozent haben von den Blacks 30,0 Prozent und von den Indians 27,3 Prozent keinen Job, bei den weißen Briten trifft das nur für die Hälfte des durchschnittlichen Prozentsatzes zu . Doch die Zeiten, in denen versucht wurde, die ungleichen Lebensverhältnisse durch eine Compensating Policy auszugleichen, sind vorbei. Bedeutungslos oder ganz aufgehoben worden sind Institutionen wie die Commission for Racial Equality (CRE), der Race Relations Act 1977, die Racial Equality Councils, der Local Government Act 1966 oder die einst so finanzstarken Section 11-Programme, mit denen die ethnischen Minoritäten unterstützt werden sollten. Eine Problematisierung der ethnischen Dimension der städtischen Armut wird durch die gezielte "De-Ethnifizierung der sozialen Frage" tabuisiert. Manchester hatte nach dem Scarman-Report, der die gewalttätigen Auseinandersetzungen 1981 durch die Diskriminierung der ethnischen Minderheiten verursacht sah, zunächst schnell Beschäftigungsgelegenheiten für Minderheiten geschaffen (Equality Units). Anfänglich arbeiteten dort 50 Angestellte der betroffenen Minderheiten, heute sind es nur noch zwei, angeblich werden die Themen dieser Units nun von allen Exekutivorganen berücksichtigt. Stattdessen wurde 1986 ein Diskussionsforum eingeführt, das unverbindlich Leitziele für die ethnische Gleichstellung bis zum Jahr 2000 formulieren durfte.
V. "Cool Revolution"
Während die Konservativen den Teufelskreis von "Ethnisierung" und sozialer Exklusion offenbar nicht zur Kenntnis nehmen, kennen die "Dritte-Weg-Politiker" und ihre Analysten diesen sehr genau: "Die heruntergekommenen Viertel der Innenstädte sind . . . heute gesellschaftlich isoliert. Wo starke Minderheitengruppen präsent sind, können Ausschließungsprozesse durch ethnische Vorurteile zusätzlich verstärkt werden" - hat Anthony Giddens analysiert. Doch die Cool Revolution Tony Blairs gefällt sich besser in einem schöngeistigen "Kosmopolitismus", der die Frage der ethnischen Segregation in einem allgemeinen Exkurs über Nationalismus und die identity politics aufgehen lässt : "Im Vereinigten Königreich deutet die Rede von Cool Britannia . . . auf eine Anerkennung der Tatsache hin, dass nationale Identitäten aktiv, im Dialog mit anderen Identitäten, geformt werden müssen." Nicht mehr die lokale Politik ist der Testfall, sondern ein "grundlegendes kulturelles Umdenken" im nationalen Diskurs über "die kosmopolitische Demokratie" steht auf der Tagesordnung von New Labour. Dies erklärt sich aus einem veränderten Verständnis der Städte als solche. Nicht nur die Konservativen haben in den Jahren des Thatcherismus ihre Haltung zu den Städten geändert, auch Manchester als Geburtsstätte des Dritten Wegs betreibt eine auf der Kulturalisierung der Innenstadt basierende Entwicklungsstrategie. Man bemüht die "Europäische Stadt" mit ihrem intense public life als Ausgangspunkt für die Wiederbelebung des Stadtzentrums. Fun-days, fiestas, carnivals, fire-work, annual festival of arts, City of Drama und andere "Festivalisierungen" werden massiv unterstützt und gefördert. Die Commonwealth Games sind akquiriert, der Second Bit - ein nochmaliger Anlauf für die Olympischen Spiele - findet breite Unterstützung. Im Gegensatz zum prüden konservativen Traditionalismus lässt New Labour die Dynamik sich fragmentierender Lebensstil-Räume zu, das homosexuelle Milieu kommt aus der Schmuddelecke heraus, die gay festivals werden in den offiziellen Jahreskalender aufgenommen. Die New Labour-Haltung gegenüber den sozialen und ethnischen Polarisationen lautet: "The new vision of the city emphasises its nature as a means of communication, a place where people meet, talk and share experience."
Dies gilt allerdings nicht für die Orte, an denen sich die sozialen Unterschichten treffen. Galt Manchester mit seinem underclass-Pop von New Order bis Oasis als Mekka der englischen Alternativszene, so befanden die New Labour-Strategen, dass dies nicht in ihr steriles Bild von Kultur passe. Mit enormem Polizeiaufwand wurden zehn schwarze Clubs und die weltberühmte Diskothek "Hacienda" wegen angeblicher Bandenkriminalität geschlossen . Gemäß der Philosophie des Dritten Weges wären andere Strategien gefragt: "In Gegenden und Wohnvierteln, die durch den raschen ökonomischen und sozialen Wandel an den Rand gedrängt wurden, ist soziales Engagement am wenigsten entwickelt. Jüngste Untersuchungen zeigen, dass lokale Initiativen mit angemessener Unterstützung von außen selbst hartnäckige Verfallsprozesse umkehren können."
Wie dies ohne die öffentliche Debatte um das Ausmaß und die Ursache der Verarmung der "wirklich Benachteiligten" geschehen soll, bleibt allerdings ein Rätsel. Auch der Dritte Weg negiert in der Praxis somit die mit den urbanen Transformationsprozessen einhergehenden sozialen Problemlagen . Nur noch als Image-Problem (bei der gescheiterten Olympia-Bewerbung) wahrgenommen, werden sie einzelnen Stadtteilen (Hulme, Moss Side, Salford) attribuiert. Dort wachsen sie als Schattengewächse der politischen Ignoranz weiter . Der öffentliche Raum wird der Kriminalität - mehr als 1 000 bewaffnete Überfälle pro Jahr in Moss Side - überlassen.
VI. Fazit
In vieler Hinsicht ist es noch zu früh, um über die Städte-Politik von New Labour ein Urteil zu fällen. Hierbei wäre insbesondere die aktuelle Bildung der Regionalen Entwicklungsagenturen und der neuen Urban Task Forces zu berücksichtigen. Die "sozial Ausgeschlossenen" sind das Schlüsselwort in den Strategiepapieren dieser neuen Organisationen. Armutsbekämpfung wird dort als Aufgabe verstanden, die sich durch Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt, einschließlich notwendiger Anpassungen an die veränderten Berufsanforderungen, der Geschlechtergerechtigkeit und durch ein verändertes Steuersystem erledigen lässt. Von einem New Deal for Communities ist die Rede, bei der in erster Linie nationalstaatlich organisierte Arbeitsmarktpolitik betrieben werden soll. Dafür sind die Einführung eines Mindestlohns, besondere steuerliche Vergünstigungen für Niedriglohnbezieher und Hilfsprogramme für Jugendliche, Alleinerziehende und Langzeitarbeitlose eingeplant worden.
Mit diesen Maßnahmen wird in gewisser Weise eine Abfederung der schlimmsten - durch die immer größer werdenden Maschen des sozialstaatlichen Netzes verursachten - Fälle geleistet. Eine Abkehr von der projektorientierten Städtebaupolitik mit ihrer seit der neoliberalen Wende in der britischen Städte-Politik institutionalisierten Public Private Partnership der Urban Development Cooperation nimmt New Labour ausdrücklich nicht vor und bezahlt dafür - u. a. mit dem verlustreichen Debakel des Millenium Dome vor den Augen der Weltöffentlichkeit - teures Lehrgeld. Ob daraus die Lehre gezogen wird, fortan in das Human Capital - das Leistungspotenzial - der Stadtbewohner und ihrer Lebenswelt zu investieren, ist offen. "Die Verwahrlosung von Kommunen ist normalerweise nicht nur mit einem allgemeinen Verfall verbunden, sondern auch mit dem Verschwinden eines sicheren öffentlichen Raums - Straßen, Plätze, Parks und andere Orte, an denen sich Menschen sicher fühlen" : eine immer noch aktuelle Beschreibung des urbanen Dickichts, in dem ein Dritter Weg erst noch zu suchen ist. 32 A. Giddens (Anm. 2), S. 102. Internetverweise des Autors: www.uni-weimar.de/urbanistik www.uni-kassel.de/fb5/politikwissenschaft/ Stadtforschung/ www.mmu.ac.uk/h-ss/sis/courses/ma_urban/intro.html