I. Hintergrund
Viele sozialdemokratische Parteien Europas haben sich seit dem Wahlsieg von Tony Blair, dem politischen Begründer der Idee eines Modernen Dritten Weges
Die Verfechter des Modernen Dritten Wegs erachten die Globalisierung der Finanz- und Kapitalmärkte, die zunehmende Verflechtung der Güter- und Arbeitsmärkte, die Internetrevolution und den hiermit einhergehenden verstärkten Standortwettbewerb folglich nicht mehr defensiv als durch länderübergreifende Absprachen und etatistische Interventionen zu beseitigende Einschränkungen zur Erreichung der Ziele sozialdemokratischer Regierungspolitik
Aus der Neupositionierung ergeben sich eine Reihe von Fragen: Was bedeutet dieser programmatische Wandel inhaltlich? Existiert nur ein Dritter Weg oder gibt es viele? Wie lässt sich die radikale programmatische Wende erklären? Wie ist sie wirtschaftspolitisch zu bewerten? Wird die Praxis den hoch gesteckten Ansprüchen gerecht?
Da Deutschland und Großbritannien von zwei völlig verschiedenen Ausgangspositionen auf den Dritten Weg gestartet sind und gleichzeitig dem programmatischen Schröder-Blair-Papier
II. New Economy als Herausforderung der Politik
Die Transformation der traditionellen Industriegesellschaft in die informations-, wissens- und dienstleistungsbasierte New Economy wird wie in den Vereinigten Staaten auch in Deutschland und Europa mit einem tief greifenden Strukturwandel einhergehen
Will man die Früchte der Neuen Ökonomie auch in Westeuropa in Form eines höheren inflationsstabilen Produktivitäts- und Wirtschaftswachstums ernten
III. Kurzer Abriss der Phasen des Strukturwandels in Deutschland
Bevor die politische Konzeption des Modernen Dritten Weges im Einzelnen vorgestellt werden soll, erscheint ein kurzer Rückblick auf frühere Phasen des Strukturwandels in (West-)Deutschland sinnvoll, um die geänderten aktuellen Herausforderungen für die Politik klarer herauszuarbeiten.
1. Phase: Alter Strukturwandel zur Industrie- gesellschaft
In der Nachkriegszeit bis Anfang der siebziger Jahre waren Strukturwandel und eine gleichmäßigere Einkommensverteilung bei niedriger Inflation und hohem Beschäftigungsstand miteinander vereinbar. Denn der Alte Strukturwandel war durch eine Beschäftigungsverlagerung von der niedrig entlohnenden Landwirtschaft vor allem in die verarbeitende Industrie gekennzeichnet, die wegen höherer Produktivität auch höhere Löhne zahlen konnte. Zwar verhalf die Christdemokratie den Prinzipien Sozialer Marktwirtschaft - im Wesentlichen die Beschränkung der Staatsfunktionen auf Rechtsdurchsetzung, die Garantie des Wettbewerbs, die Unabhängigkeit der Notenbank und die Gestaltung eines Sozialen Sicherheitsnetzes - zunächst zum Durchbruch und setzte den die außenwirtschaftliche Verflechtung sowie den Wettbewerb verstärkenden europäischen Einigungsprozess in Gang. Faktisches Leitbild der Politik wurde aber trotz der Hegemonie der Christdemokraten im politischen Wettbewerb sehr bald das Motto: Wachstum plus Umverteilung der Zuwächse zur Durchsetzung sozialer Gerechtigkeit. Die wahlpolitische Funktion dieser Politik für die CDU war nicht unbedeutend: "Alle grundlegenden sozialen Arrangements zwischen Arbeitnehmern, Unternehmern und Staat waren bereits unter Adenauer vor allem von der Metall- und Bergarbeiterschaft erstreikt und ausgehandelt worden: die Mitbestimmung, die Betriebsräte, die 40-Stunden-Woche und die Lohnfortzahlung für Kranke. Jahrzehntelang hatte diese konservative Spielart der ,Arbeitnehmergesellschaft' die Abwanderung der konservativen Arbeitnehmer von der Union zur SPD gebremst."
Unter solchen Bedingungen konnte die Sozialdemokratie glaubwürdig für die Bewahrung der bestehenden Ordnung eintreten, ohne ihr Engagement für soziale Gerechtigkeit - in ihrem Sinne vor allem ein Engagement für die Unterprivilegierten sowie Lohnsteigerungen für immer mehr und immer bessere Konsumgüter für die Arbeitnehmer - aufgeben zu müssen. "Wenn alle an der Prosperität teilhatten, konnte man sich von der sozialistischen Vorstellung vom Besitz oder Nicht-Besitz von Produktionsmitteln als der grundlegenden gesellschaftlichen Konfliktlinie lösen."
2. Phase: Krisenmanagement, Salamitaktik und neoliberale Diskurshegemonie
Seit Mitte der siebziger bis zur zweiten Hälfte der neunziger Jahre kam es zu Wachstums-, Inflations- und Arbeitslosigkeitsproblemen, weil die Anpassungskapazität der deutschen Volkswirtschaft bei Schocks (Ölpreiskrisen, deutsche Wiedervereinigung) nicht ausreichte, um mittelfristig insbesondere das Problem andauernd gestiegener Sockelarbeitslosigkeit nach jeder Rezession bzw. Krise in den Griff zu bekommen. Im Vergleich zur Dynamik der Wirtschaftssektoren in der Phase des Alten Strukturwandels begann eine umgekehrte Bewegung im Neuen Strukturwandel zur Dienstleistungs-Arbeitsgesellschaft: Die durch hohe Produktivität und hohe Löhne gekennzeichnete verarbeitende Industrie schuf seither - u. a. aufgrund geänderter Nachfragestrukturen und verschärften weltweiten Wettbewerbs - zumindest relativ zum Dienstleistungssektor immer weniger Beschäftigung, vor allem auch für niedrig qualifizierte Arbeitnehmer. Gleichzeitig wurden in den Dienstleistungssektoren in Deutschland zu wenig neue Arbeitsplätze zur Lösung des Problems persistent hoher Arbeitslosigkeit geschaffen - sowohl im niedrig entlohnten Sektor einfacher Dienstleistungen wie auch in den hoch entlohnten, hoch qualifizierten Dienstleistungsberufen. Beides war nicht zuletzt bedingt durch eine ökonomisch nur teilweise sachgerechte, wahlpolitisch motivierte Wirtschafts-, Beschäftigungs-, Bildungs- und Sozialpolitik, die im Krisenmanagement zwar manche Symptome zeitweise linderte, aber die Probleme per saldo nicht ausmerzen konnte. Parteipolitisch konnte die CDU/CSU-FDP-Koalition trotz rhetorischer Wende auch in der Wirtschaftspolitik nach der Ablösung der sozialliberalen Koalition im Jahre 1982 die großen Wählerpotenziale in dieser Zeit nur dadurch halten, dass sie die Politik des "Wachstums mit Umverteilung" kaum antastete. Die "langjährige neoliberale Salamitaktik kleiner Abstriche an der sozialen Sicherheit"
3. Dominanz des technologiegetriebenen Neuen Strukturwandels
Vielfach wird in der Entstehung einer Unterschicht von Langzeitarbeitslosen in Deutschland bzw. in Westeuropa in der aktuellen Phase des Strukturwandels oder von "arbeitenden Armen" in den USA ein Beleg dafür gesehen, dass nun das Prinzip sozialer Gerechtigkeit - der Teilhabe aller am Fortschritt - im traditionellen Sinne nicht mehr aufrechtzuhalten wäre. In der Tat ging der Trend zu mehr Dienstleistungen auf vergleichsweise wenig regulierten US-Arbeitsmärkten bis Mitte der neunziger Jahre mit einer zunehmenden Spreizung der Einkommen einher. In Deutschland ist bei steigender Arbeitslosigkeit und relativ "vermachteten" Märkten das Gegenteil der Fall. Allerdings demonstrieren die USA ebenfalls, dass ein flexibler Arbeitsmarkt nicht zwangsweise mit einer kontinuierlich wachsenden Einkommensungleichheit einhergehen muss. Vielmehr wurde dieser Trend gerade durch die Entstehung der Neuen Ökonomie gestoppt, da sich die Einkommenszuwächse in den letzte Jahren zumindest vor der Börsentalfahrt ziemlich gleichmäßig auf das gesamte Einkommensspektrum verteilt hatten und auch der Anteil der Familien, die unterhalb der Armutsgrenze leben, auf den niedrigsten Wert seit 1979 gesunken ist
Der Neue Strukturwandel wird durch die IKT vorangetrieben und ist für eine anpassungsflexible, liberale Marktwirtschaft wie die der USA bezüglich Wachstum, Beschäftigung und Arbeitslosigkeit günstig. Er hat für die weniger wirtschaftsliberal ausgestalteten europäischen Kapitalismusvarianten, in denen die Bürger den Staat als originären Garant und Ort sozialer Integration auffassen, vor allem zwei Fragen aufgeworfen:
1. Wie lässt sich der in den letzten Jahren entstandene Rückstand im Wachstumstempo gegenüber den USA aufholen bzw. wettmachen?
2. Wie soll der Entstehung von Modernisierungsverlierern begegnet werden, die unvermeidlich mit dem Neuen Strukturwandel einhergeht?
Antworten auf diese Fragen
IV. Die theoretische Konzeption der Verfechter eines Modernen Dritten Weges als Antwort
Der Moderne Dritte Weg impliziert programmatisch die Aufgabe defensiver Strategien, die sich weitgehend auf Krisenmanagement und Reparaturbetrieb in staatlicher Regie sowie auf Protektion vor Marktkräften beschränken. Was bedeutet dies im Einzelnen? Inwiefern gibt es eine Konvergenz zu solchen Problemlösungen?
1. Progressiver Dritter Weg als offensive Neupositionierung der Sozialdemokratie
Zwei Hauptelemente kennzeichnen die programmatische Neupositionierung der Sozialdemokraten: zum einen die bereits anfangs erwähnte marktwirtschaftskonformere Ausrichtung der eingesetzten wirtschafts- und sozialpolitischen Instrumente; zum anderen die deshalb notwendige Neuinterpretation von sozialer Gerechtigkeit für die heutige Zeit, um marktwirtschaftliche Effizienz und soziale Gerechtigkeit besser in Einklang bringen zu können. Beschäftigungs- und sozialpolitisch geht es in erster Linie um die Reintegration arbeitsfähiger (Langzeit-)Arbeitsloser in den Arbeitsmarkt und die Erhöhung der Beschäftigungsquote, die in Westeuropa als Ganzes vor allem durch die stärkere Ausgliederung älterer Arbeitnehmer aus dem Arbeitsleben wesentlich niedriger als in den USA ist. Instrumentell soll dies durch die effektive Beseitigung von bestehenden Fehlanreizen der nationalen Sozialsysteme geschehen. Es wird anerkannt, dass Rechte und Pflichten neu ausbalanciert werden müssen, um zukünftige Herausforderungen zu meistern: "Wem Hilfe angeboten wird, der muss sie annehmen, sonst verliert er die Unterstützung. Das ist das Grundprinzip des britischen New Deal und ähnlicher Programme in Dänemark und den Niederlanden."
Um den mit dem geänderten Instrumenteneinsatz verbundenen "Abbau von (vermeintlichen) Besitzständen", der sowohl aus ökonomischer wie aus wahlpolitischer Sicht für die Sozialdemokratie erforderlich erscheint, zu begründen, wird der Moderne Dritte Weg mit einer Neuinterpretation sozialer Gerechtigkeit verknüpft, die wesentlich mehr als in der traditionellen Linken Chancen- statt Ergebnisgerechtigkeit propagiert: "Ausgangspunkt ist die Einsicht, dass individuelle Lebenschancen ungleich verteilt sind. Aufgabe der Regierungspolitik ist es, die individuelle Chancengleichheit soweit wie möglich herzustellen."
2. Konvergenztendenzen zu einem Modernen Dritten Weg?
Versucht man die verschiedenen marktwirtschaftlichen Systeme hochindustrialisierter Länder idealtypisch zu erfassen, so bieten sich drei Kategorien an. Dabei lässt sich Großbritannien unter konservativer Herrschaft vor New Labour dem Typ "anpassungsflexible liberale Marktwirtschaft" zuordnen, während Deutschland in die Kategorie "anpassungsrigide soziale Marktwirtschaft" gehört. Beide Modelle sind mit Problemen verbunden, die durch einen Modernen Dritten Weg der anpassungsflexiblen Sozialen Marktwirtschaft grundsätzlich in den Griff zu bekommen sind (vgl. den Überblick in der Tabelle). Im Einzelnen lassen sich folgende Merkmale der Typen herausarbeiten:
1. Anpassungsflexible liberale Marktwirtschaft: Sie ist durch einen weitgehend deregulierten Arbeitsmarkt mit ausgeprägter Lohnspreizung gekennzeichnet, bei dem die Rolle organisierter Sozialpartner sehr gering ist. Die Einkommenssicherung ist charakterisiert durch ein universelles Sicherungssystem mit vergleichsweise bescheidenen Leistungen. Familienbezogene Infrastruktur ist privat am Markt zu kaufen. Tendenziell treten Armutsprobleme in den hoch industrialisierten Ländern dieses Typs am ausgeprägtesten auf
2. Anpassungsrigide soziale Marktwirtschaft: Kennzeichnend sind stark regulierte Arbeitsmärkte entweder mit weitgehenden Zugangsrechten zum Arbeitsmarkt (Integration durch Arbeit), sodass eine hohe faktische Beschäftigung in staatlichen Programmen entsteht, die privatwirtschaftlich unrentabel ist und zu hohen Steuerlasten mit negativen Anreizeffekten führt (skandinavische Länder). Oder es kommt zur Begünstigung der Normalarbeitsplatzbesitzer durch hohe Vergütung auf Kosten der Ausgrenzung anderer Arbeitssuchender (konservativ-korporatistisches Modell). In beiden Systemen sind die Einkommensersatzleistungen traditionell hoch, die Sozialhilfe spielte vor dem Auftreten der Sockelarbeitslosigkeit nur eine kleine Rolle. Familienpolitik erfolgt breit angelegt staatlich in skandinavischen Ländern oder ist eher schwach entwickelt (konservativ-christdemokratischer Ansatz). In beiden Systemen sind Reformen bei negativen Umweltänderungen weniger leicht durchsetzbar als im liberalen Ansatz
3. Anpassungsflexible soziale Marktwirtschaft, die durch Abbau von Anpassungsrigiditäten zukunftsfest ist bzw. gemacht wird, aber gleichzeitig einen Staat hat, der sozialen Zielen verpflichtet ist: Gesamtwirtschaftliche Ziele können auch heute nicht nur im Rahmen einer liberalen Marktwirtschaft erzielt werden
Hier wird auch deutlich, dass je nach Ausgangsposition eines Landes Dritte Weg-Politik bei grundsätzlich ähnlichen sozialdemokratischen Werthaltungen den Einsatz verschiedener Instrumente beinhaltet und unterschiedliche politische Durchsetzungschancen hat, wie der britisch-deutsche Vergleich zeigt. Im Gegensatz zu Deutschland ist in Großbritannien eine Entkoppelung von Deindustrialisierung - Rückgang der Beschäftigung im verarbeitenden Gewerbe - und Sockelarbeitslosigkeit in den neunziger Jahren gelungen. Die dies bewirkende, von Margaret Thatcher begonnene marktwirtschaftliche Strategie wurde auch von New Labour, ergänzt um einige relativ vorsichtige umverteilende Sozialreformen, in denen der Staat nur relativ moderat in die freien Kräfte des Marktes eingreift (z. B. staatlich festgelegte Mindestlöhne in der Nähe des Lohnes bei funktionsfähigem Wettbewerb)
Die Umsetzung der Prinzipien des Modernen Dritten Weges - offene Märkte soweit als möglich plus Suche nach sozialen Reformen, welche die Marktdynamik nicht abwürgen - in die Praxis fällt bei Mehrheitswahlrecht, niedrigerer Gesamtabgabenbelastung und deregulierten Märkten wie in Großbritannien erheblich leichter als bei Verhältniswahlrecht, kooperativem Föderalismus, hoher Zwangsabgabenlast und teilweise vermachteteren Märkten wie in Deutschland. Im britischen Fall können die Politiker an die Stimmbürger ohne großen Schaden neue Wohltaten im beschränkten Ausmaß verteilen. Insofern ist Tony Blair in Großbritannien ohne Margret Thatcher nicht denkbar, während seine Politik gleichzeitig nicht nur die Fortsetzung ihrer Politik ist. In Deutschland müssen hingegen zur Schaffung besserer Wirtschaftsdynamik vermeintlich sichere Besitzstände auch von Stammwählern verringert werden, um die Abgaben zu senken, die volkswirtschaftlichen Probleme zu lösen und um, wie die USA in den neunziger Jahren, auf einen zumindest für einige Jahre höheren Wachstumspfad durch die New Economy zu gelangen. Bisher wird in Deutschland - so auch die Kritik der Opposition und vieler Ökonomen - ein Moderner Dritter Weg à la Blair nur in der Finanzpolitik und ansatzweise bei der Rentenreform beschritten, wenngleich von Königswegen noch keine Rede sein kann. Politisch hat die Regierung der "Neuen Mitte" ansonsten weitgehend den gefährlichen strukturkonservierenden Weg des kleinsten gemeinsamen Nenners mit den mächtigen Verbänden, insbesondere mit den Gewerkschaften, eingeschlagen. Die Folgen sind bisher unter anderem eine unzureichende Reform der sozialen Sicherungssysteme und der Bildungspolitik sowie eine faktische Tabuisierung der Arbeitsmarktordnung, wenngleich jüngste Verlautbarungen, den Druck auf Arbeitslose zu erhöhen, eine gewisse Annäherung von Rhetorik und tatsächlichem Instrumenteneinsatz in der aktiven Arbeitsmarktpolitik erwarten lassen.
Es bleibt allerdings festzuhalten: Neue Sozialdemokratie und konservativ-christdemokratische Parteien haben heute durch die marktwirtschaftskonformere Neupositionierung der Sozialdemokraten einen wesentlich größeren programmatischen gemeinsamen Nenner bei Vorschlägen zur Reform anpassungsrigide gewordener sozialverpflichteter Marktwirtschaften, die ihrem Anspruch nur noch teilweise gerecht werden - insbesondere die Forderung nach einer Stärkung der individuellen Selbstverantwortung und folglich die Begrenzung der sozialstaatlichen Vorsorge und die Verringerung von Überregulierungen
V. Nachhaltiger Wandel zur anpassungsflexiblen Sozialen Marktwirtschaft?
Während neoliberale wirtschaftspolitische Konzeptionen häufig bei ihren Vorschlägen zum wirtschaftspolitischen Instrumenteneinsatz von Wiederwahlproblemen der Politik abstrahieren und zudem vermeiden, sich wissenschaftlich zur politisch zentralen Frage nach sozialer Gerechtigkeit zu äußern, ist beides in praktischen Politikkonzeptionen zu leisten. Die programmatische sozialdemokratische Antwort auf die Herausforderungen durch den Neuen Strukturwandel besteht in einer Neuinterpretation des Zieles sozialer Gerechtigkeit und der Forderung nach dem Einsatz marktwirtschaftskonformerer Maßnahmen statt des früher üblichen stärker staatszentrierten Instrumenteneinsatzes. Die - hier nur kurz angedeutete - christdemokratisch-konservative Antwort in Deutschland fordert die Wiederbesinnung auf traditionelle Ziele und Instrumente des ursprünglichen Konzeptes Sozialer Marktwirtschaft, die ja auch als ein Dritter Weg angelegt war, sowie deren Modernisierung ("mehr Markt" auch am Arbeitsmarkt und in der Sozialen Sicherung). Ob die beiden in Richtung einer mehr anpassungsflexiblen Sozialen Marktwirtschaft gehenden Programme des sozialdemokratischen Dritten Weges oder der christdemokratischen Neuen Sozialen Marktwirtschaft auch den Praxistest der nachhaltigen Lösung der Arbeitsmarkt- und Sozialstaatsprobleme in Deutschland bestehen werden, hängt vom - noch keineswegs sichergestellten - anhaltenden Erfolg des marktwirtschaftskonformeren Kurses im politischen Wettbewerb ab. Ökonomisch jedenfalls führen Moderne Dritte Wege "nur dann aus den allgemein beklagten sozialen Sackgassen heraus, wenn ein Handlungskonzept dahinter steht, das am ursprünglichen Konzept der Sozialen Marktwirtschaft und der ihm entsprechenden Wertorientierung und Sachlogik für die Gestaltung des Verhältnisses Freiheit, Wettbewerb und sozialem Ausgleich orientiert ist" 27 Alfred Schüller, Soziale Marktwirtschaft und Dritte Wege, in: Ordo, 51 (2000), S. 169-202, hier: S. 199.
Internetverweise des Autors:
http://www.ppionline.org/ndol/
http://www.nzz.ch/dossiers/dossiers2000/neweconomy/ index.html
http://www.swcollege.com/bef/econ_debate_main.html