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Außenhandel für nachhaltige Entwicklung? Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem globalen Süden

Evita Schmieg

/ 16 Minuten zu lesen

In den Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit der EU öffnen afrikanische Staaten erstmals teilweise ihre Märkte. Interne Reformen müssen gewährleisten, dass nicht Eigenproduktion verdrängt, sondern nachhaltige Entwicklung angestoßen wird.

Die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und den afrikanischen, karibischen und pazifischen Ländern haben sich seit der Unabhängigkeit der ehemaligen Kolonien gewandelt. Die Handelsströme waren zunächst noch überwiegend auf Europa ausgerichtet, und Europa gewährte weitreichende Handelspräferenzen, die die industrielle Entwicklung befördern sollten. Inzwischen ist die Bedeutung anderer Handelspartner wie die USA, China oder weitere aufstrebende Schwellenländer erheblich gewachsen. Zugleich führte aber das Entstehen globaler Wertschöpfungsketten zu einer weltweiten Verschärfung des Wettbewerbs. Zudem sind interne Faktoren wie Rechtssicherheit, Infrastruktur oder politische Stabilität noch wichtiger für die wirtschaftliche Situation eines Landes geworden. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche Rolle dem Außenhandel eines Landes für seine Entwicklung zukommt und ob und inwiefern die Europäische Union durch eine entsprechende Ausgestaltung von Freihandelsabkommen mit ärmeren Ländern zu deren nachhaltiger Entwicklung beitragen kann.

Afrika ist für die EU mit einem Anteil von nur neun Prozent an den europäischen Importen und Exporten keine wichtige Handelsregion, auch wenn sich das Handelsvolumen seit Anfang der 2000er Jahre auf über 150 Milliarden Euro vergrößert und damit etwa verdreifacht hat. Der größte Teil der Handelsströme mit der EU ist auf wenige afrikanische Länder konzentriert: allen voran auf Südafrika, die Maghreb-Staaten und Ägypten sowie Nigeria. Umgekehrt war die EU 2016 mit 41 Prozent (2000 rund 51) zwar noch immer wichtigster Abnehmer subsaharischer Exporte, doch Asien hat erheblich an Bedeutung gewonnen. Allein China und Indien nehmen zusammen rund 19 Prozent (2000 rund sechs Prozent) der Exporte ab. Die Exporte Afrikas sind noch immer von Rohstoffen dominiert, einschließlich Agrarprodukte waren dies 2016 fast 73 Prozent. Die Exportstruktur unterscheidet sich allerdings je nach Absatzmarkt erheblich: Während Fertigwaren, deren Produktion zu Wertschöpfung und Arbeitsplätzen mehr beiträgt, im Außenhandel Subsahara-Afrikas mit der EU fast 21 Prozent ausmachen, im intra-subsaharischen Handel sogar fast 46 Prozent, sind es bei den Exporten nach China nur knapp acht Prozent.

Die Handelsströme afrikanischer Länder mit der EU finden in unterschiedlichen rechtlichen Rahmenwerken statt. Mit Nordafrika ist Europa über die Europäisch-Mediterrane Partnerschaft verbunden mit dem Ziel der Bildung einer Freihandelszone. Im Rahmen dieser Partnerschaft bestehen mit allen Mittelmeerländern außer Syrien und Libyen Freihandelsabkommen oder werden verhandelt. Sie beschränken sich allerdings im Wesentlichen auf den Handel mit Industriegütern. Über eine Ausdehnung auf andere Bereiche wie Landwirtschaft oder Dienstleistungen wird verhandelt beziehungsweise sind Verhandlungen vorgesehen.

Wirtschaftspartnerschaftsabkommen EU-AKP

Besonders viel Aufmerksamkeit – und das gilt insbesondere für Deutschland – haben die Verhandlungen zu Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (Economic Partnership Agreements, EPA) mit den ehemaligen Kolonien auf sich gezogen. Diese Abkommen wurden zwischen 2002 und 2014 mit afrikanischen Regionen sowie mit der karibischen und der pazifischen Region verhandelt. Sie lösen die einseitigen Handelspräferenzen der EU gegenüber ihren ehemaligen Kolonien in Afrika, der Karibik und dem Pazifik (AKP) ab. Unter den EPA räumt die EU den Handelspartnern vollkommen zoll- und quotenfreien Marktzugang ein (100 Prozent) während die AKP-Regionen in geringerem Umfang (etwa 80 Prozent) ihre Märkte öffnen. Dabei ist der Zugang zum EU-Markt unter den EPA besser als die vorher geltenden Regelungen, nach denen nur etwa 97 Prozent der Importe aus den AKP-Staaten frei waren und gerade die wettbewerbsfähigeren (Agrar-)Sektoren der AKP-Länder ausgeschlossen blieben.

Mit den EPA sollen die Handelsbeziehungen zwischen der EU und den AKP-Staaten dauerhaft auf eine Grundlage gestellt werden, die den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) entspricht. Dafür mussten nach dem Recht der WTO Freihandelszonen abgeschlossen werden, die "Reziprozität" (Marktöffnung von beiden Seiten) vorsehen. Kritiker stellten diese Notwendigkeit infrage, doch hat die Vergangenheit gezeigt, dass andere Handelspartner in Lateinamerika mit wachsendem Abstand von der Kolonialzeit eine Besserbehandlung der AKP-Staaten durch die EU nicht mehr akzeptieren wollten. So würden ohne EPA erneut Klagen in der WTO drohen, wie die EU bereits eine in den 1990er Jahren verloren hat: Lateinamerikanische Länder hatten geklagt, die einseitigen Zollvergünstigungen der EU für Bananen aus AKP-Staaten würden gegen das Diskriminierungsverbot der WTO verstoßen. Die EU musste daraufhin ihr Einfuhrregime verändern, und die AKP-Staaten verloren weitgehende Handelspräferenzen. Die Frage der WTO-Kompatibilität der EPA ist also keine rein theoretische, legalistische Überlegung. Abgesehen davon, dass eine handelspolitische Benachteiligung von mit den AKP-Staaten vergleichbaren Ländern in Lateinamerika und Asien auch politisch nicht zu rechtfertigen ist, sieht heute die Mehrheit der EU-Mitgliedsstaaten auch aufgrund nicht vorhandener eigener Kolonialvergangenheit hierzu ohnehin keinen Anlass.

AKP-Staaten und EU hatten sich geeinigt, dass die EPA dem Oberziel nachhaltiger Entwicklung sowie der regionalen Integration dienen sollen. Dafür sollten neue Elemente in die Handelsbeziehungen aufgenommen werden. Die jahrzehntelangen einseitigen Handelspräferenzen hatten die Entwicklung der AKP-Staaten kaum befördern können: Weder konnte diese Ländergruppe ihren Anteil an den EU-Importen substanziell erhöhen noch die Rohstoffdominanz bei den Exporten (über 70 Prozent) verringern. Im Gegensatz dazu hatten asiatische Länder – ohne oder mit sehr viel geringeren Handelspräferenzen – in den vergangenen Jahrzehnten ihren Anteil am Außenhandel der EU erheblich steigern können. Deshalb war ein neuer Ansatz gefragt: Die EPA sollten thematisch umfassende Abkommen werden, einschließlich neuer Themen wie Dienstleistungen, Investitionen, öffentliches Beschaffungswesen oder Wettbewerbspolitik. Doch nur die karibische Region hat ein solches umfassendes und zukunftsorientiertes Abkommen geschlossen, während die afrikanischen EPA sich überwiegend auf den Warenverkehr beschränken mit dem Ziel, die EU-Präferenzen zu erhalten beziehungsweise auszubauen.

13 AKP-Staaten in Afrika setzen inzwischen ein EPA um, manche davon seit einigen Jahren. Das EPA mit Madagaskar, Mauritius, Simbabwe und den Seychellen (Eastern and Southern Africa, ESA) ist seit 2012 in Kraft, das Abkommen mit Kamerun als einzigem Land in Zentralafrika seit 2014, das Abkommen mit Botswana, Lesotho, Mosambik, Namibia, Südafrika und Swasiland (Southern African Development Community, SADC) sowie zwei getrennte EPA mit der Elfenbeinküste und Ghana seit 2016. Bis dahin galt ab 2008 allerdings der zoll- und quotenfreie Marktzugang in die EU als Übergangslösung.

In West- und Ostafrika wird die Situation dadurch unübersichtlich, dass die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (16 Länder) sowie die Ostafrikanische Gemeinschaft (fünf Länder) zwar ein EPA abgeschlossen haben, die Unterzeichnung aber in beiden Regionen Probleme bereitet: Nigeria zögert, und Tansania hat geäußert, nicht unterzeichnen zu wollen. Die Position Tansanias erklärt sich dadurch, dass die EU im Rahmen des Allgemeinen Präferenzsystems für Entwicklungsländer allen am wenigsten entwickelten Ländern (LDC) ebenfalls zollfreien Marktzugang gewährt. So scheint der Anreiz für das als LDC geltende Tansania gering, sich an EPA zu beteiligen.

Dabei gäbe es auch für LDC Gründe, einem EPA beizutreten: Einerseits werden Liberalisierungsprozesse im Rahmen der regionalen Integration dadurch verkompliziert, dass verschiedene Handelssysteme mit der EU gelten, wenn die LDC nicht beitreten, die Mitteleinkommensländer aber mit dem EPA ihre Präferenzen erhalten wollen. Der LDC-Beitritt zum EPA ist damit auch eine Frage regionaler Solidarität. Ein zweiter Grund ist, dass nur ein EPA langfristig den freien Marktzugang in die EU sichert. Ein Land, das zum Mitteleinkommensland aufsteigt, verliert die unter dem Allgemeinen Präferenzsystem nur für LDC geltende Zollfreiheit.

EPA als begrenzter Exportmotor

Die Erfahrungen auch mit den afrikanischen EPA zeigen auf, dass der dauerhafte vollkommen zoll- und quotenfreie Marktzugang in die EU im Rahmen der EPA mit einigen wichtigen Vorteilen verbunden ist, die zu zunehmenden Exporten führen:

Erstens sind die Handelspräferenzen vor allem für landwirtschaftliche Produkte bedeutend, für die die EU gegenüber anderen Handelspartnern noch sehr hohe Zölle hat. So konnte beispielsweise Südafrika seine Exporte von Fisch im ersten Jahr nach Inkrafttreten des EPA um 16 Prozent, die um Zucker sogar um 289 Prozent steigern.

Zweitens sind die weitreichenden Zollerleichterungen vor allem für weiterverarbeitete landwirtschaftliche Rohstoffe interessant. Die gegenüber anderen Handelspartnern noch bestehende sogenannte Zolleskalation bedeutet, dass die Zölle mit dem Verarbeitungsgrad der Produkte steigen. So wird beispielsweise Schokolade aus Lateinamerika höher verzollt als Rohkakao. Die Abschaffung aller Einfuhrbeschränkungen kann deshalb nicht nur zur Steigerung der Exporte, sondern besonders dazu beitragen, dass mehr Wertschöpfung im Land verbleibt. In der Elfenbeinküste und Ghana hat das EPA genau diesen Effekt und regt die Weiterverarbeitung von Rohkakao vor Ort an. Unter dem EPA haben sich die Exporte von Schokolade, Kakaobutter, Kakaopaste und Kakaopulver aus der Elfenbeinküste innerhalb der vergangenen acht Jahre mehr als verdoppelt, in Ghana mehr als vervierfacht. In der Karibik konnten einige Exporteure ihre Exporte von Saucen, Bier und Schokolade steigern.

Drittens erleichtert unter dem EPA die Vereinfachung der sogenannten Ursprungsregeln den Partnerländern die Produktion, da sie die Präferenzen auch erhalten, wenn sie nur eine Produktionsstufe im Land haben (etwa Weben), während es vorher zwei waren (zum Beispiel Spinnen und Weben). Von dieser Veränderung profitierte beispielsweise Madagaskar, dem es gelang, seine Textilexporte in die EU seit 2012 um 65 Prozente zu steigern.

Viertens ist die Sicherung des dauerhaft freien Marktzugangs in die EU durch die Abkommen ein Investitionsanreiz, denn zuvor waren die Handelspräferenzen immer nur begrenzt und einseitig verlängert worden, sodass für Investoren immer eine Unsicherheit bestand, unter welchen Bedingungen sie künftig exportieren könnten. Der Elfenbeinküste gelang es so, zusätzliche Investitionen in der Bananenproduktion anzuziehen: Zwei zusätzliche Investitionen 2015 trugen dazu bei, dass die insgesamt seit 2009 wachsenden Bananenexporte um insgesamt 17 Prozent zunahmen.

Neue Marktchancen wurden also durchaus genutzt. Auch für die Karibik kamen zwei umfassende Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass einzelne Exporterfolge auf die weitere Marktöffnung der EU zurückgingen, insbesondere für Tabak und Bekleidung aus der Dominikanischen Republik. Die vor allem in der Dominikanischen Republik beobachteten größeren Exportsteigerungen sind aber überwiegend auf andere Faktoren als das EPA zurückzuführen. Insgesamt wird deutlich, dass auch andere Faktoren als die mit dem EPA verknüpfte Marktöffnung die Wettbewerbsfähigkeit und damit die Exportchancen eines Landes erheblich beeinflussen können:

  • Verfügbarkeit von elementaren Inputs für die Produktion zu attraktiven Preisen: Telekommunikation und Elektrizität sind häufig sehr teuer. Die Herstellung mancher Fertigprodukte wird dadurch unnötig erschwert.

  • Hohe Transport- und Transaktionskosten: In Afrika schlagen vor allem schlechte Straßen und in Binnenländern mangelnder Seezugang zu Buche.

  • Unzureichende Qualitätsinfrastruktur: Nationale Institutionen der Qualitätsinfrastruktur sind in vielen afrikanischen Ländern, sofern vorhanden, nur unzureichend ausgestattet. Sie sind aber wichtig, um die hohen Ansprüche des europäischen Marktes erfüllen zu können. Mindestens ebenso wichtig wie staatliche Standards sind private Standards der großen Einzelhandelsketten wie Globalgap, die in der Regel noch weitergehende Qualitätsanforderungen an Produkte und Produktionsprozesse stellen.

  • Administrative Handelshemmnisse: Dazu zählen beispielsweise die Vorschriften zur Lebensmittelkennzeichnung, die nicht nur in den USA anders sind als in der EU, sondern sich auch zwischen den EU-Ländern unterscheiden. Für Getränkeexporte etwa ist das deutsche Rücknahmesystem eine Schwierigkeit. Sprachbarrieren und Unkenntnis über zuständige Institutionen sind gerade für kleine Exporteure kaum überwindliche Marktzugangshindernisse.

  • Schwieriger Zugang zu Exportfinanzierung: Bereits die Markterschließung ist gewöhnlich mit hohen Kosten verbunden. Handelsfinanzierung ist in diesem Zusammenhang ein wichtiges Instrument, insbesondere weil große Handelsketten häufig mit starkem Zeitverzug zahlen, nämlich erst nach Erhalt der Ware.

  • Unterstützung durch Entwicklungszusammenarbeit (Aid for Trade, AfT): In der Karibik existieren einige erfolgreiche Beispiele für AfT: Der starke Anstieg der Rumexporte aus der karibischen Region zum Beispiel ist vor allem durch eine Qualitätssteigerung hin zu einem hochwertigen Markenprodukt begründet, die von der EU mit handelsbezogener Entwicklungspolitik unterstützt wurde.

Die EPA fordern aber erstmals auch von den afrikanischen Ländern, ihre Märkte in gewissem Umfang zu öffnen. Es stellt sich deshalb sofort die Frage, ob die EPA auch zu zunehmenden Importen aus der EU in afrikanische Länder führen und ob dies womöglich sogar die afrikanische Eigenproduktion verdrängt.

Marktöffnung als Entwicklungshemmnis?

Die Weltbank zeigt in einer Studie über die Erfahrungen mit der Handelsliberalisierung, dass der Druck der Marktöffnung gerade in ärmeren Ländern in den vergangenen Jahrzehnten oft nicht zu zunehmender Effizienz in der Produktion führte. Gerade in Ländern mit geringem Humankapital und wenig erfahrenen Unternehmen reagierten Firmen auf Importwettbewerb eher mit verringerter Produktion als mit dem Versuch, die Effizienz zu steigern und den Marktanteil zu erhalten.

Grundsätzlich besteht also die Gefahr, dass die im Rahmen der EPA vorgesehene Handelsliberalisierung auf afrikanischer Seite die dortige Produktion zumindest kurzfristig beeinträchtigt. Allerdings kann man die EPA nicht mit der einseitigen Marktöffnung im Rahmen der Strukturanpassung aus den 1980er Jahren vergleichen, denn sie sehen allen voran vier Instrumente vor, die sicherstellen sollen, dass aus der Handelsliberalisierung keine negativen Wirkungen entstehen:

Erstens asymmetrische Marktöffnung: Während die EU ihren Markt vollkommen öffnet, bleiben in den AKP-Staaten rund 25 Prozent der Zolllinien ausgenommen, das heißt, diese sensiblen Produkte werden dauerhaft geschützt. Zudem öffnen die afrikanischen Partner ihre Märkte erst einige Jahre nach Inkrafttreten der Abkommen und nur schrittweise über einen langen Zeitraum (bis zu 25 Jahre). Zudem sehen die meisten Länder ernsthafte Marktöffnungsschritte erst zum Ende der Periode vor und können die Zwischenzeit nutzen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.

Zweitens Schutzmechanismen und Flexibilitäten: Im Falle der Bedrohung wichtiger Politikziele haben die Länder unter den EPA die Möglichkeit, sich vor Importen zu schützen. Dafür gibt es flexiblere Schutzklauseln als in anderen EU-Abkommen sowie eine Reihe von Flexibilitäten zum Schutz der Eigenproduktion, um Entwicklungsziele wie Ernährungssicherung, Aufbau eigener Industrien und Umweltschutz zu verfolgen. Kritiker gehen davon aus, dass zu wenig Möglichkeiten eingeräumt werden – doch der Einwand ist Teil einer akademischen Diskussion. Die Bestimmungen müssen sich in der Umsetzung beweisen.

Drittens Monitoring: Erst bei der Umsetzung von Freihandelsabkommen zeigt sich, ob Exportchancen tatsächlich entstehen. Zugleich müssen Probleme frühzeitig im Rahmen der Wirkungsbeobachtung aufgedeckt werden, damit schnell reagiert werden kann.

Viertens EPA-Institutionen: In den EPA sind Institutionen vorgesehen, die die Umsetzung des Abkommens begleiten. Der sogenannte Beratende Ausschuss sieht die Beteiligung verschiedener Stakeholder vor. Es gibt damit eine gute Chance, Sorgen und Probleme bei der Umsetzung tatsächlich zu identifizieren und anzupacken.

Wegen der vielen Ausnahmemöglichkeiten, des späten Beginns der afrikanischen Liberalisierung und der langen Übergangsfristen überrascht es nicht, dass bisher keine Fälle bekannt sind, in denen EPA-bedingte Maßnahmen zur Verdrängung lokaler Produktion geführt hätten – wie dies von Kritikern häufig befürchtet wurde. Das häufig genannte Beispiel der Importe von Hühnerteilen aus der EU, die die westafrikanische Produktion angeblich bedrohen, ist insofern irreführend, als diese Produkte unter dem EPA gar nicht liberalisiert werden. Dies heißt allerdings nicht, dass die Entwicklung dieser Sektoren in Westafrika vollkommen unproblematisch wäre – nur die EU-Handelspolitik kann nicht verantwortlich gemacht werden. Auch durch das schon ältere karibische Abkommen hat die Liberalisierung im Rahmen des EPA bisher nicht zu einer Verdrängung lokaler Produktion durch europäische Firmen geführt. Bei einigen seit 2008 liberalisierten Waren, die als Inputs in die industrielle Fertigung eingehen, haben die Importe in die Dominikanische Republik zwar stark zugenommen. Dies erklärt sich aber mit der generell positiven wirtschaftlichen Entwicklung des Inselstaats. Bei manchen nicht liberalisierten Produkten lassen sich aber noch höhere Zuwächse verzeichnen.

Es muss bei der Umsetzung der EPA also darum gehen, möglichst rasch positive Wirkungen auf Exportseite zu erzielen, die neue ökonomische Chancen bieten und damit zugleich die Möglichkeit, etwaige Anpassungsprobleme leichter zu meistern. Begleitende Politiken wie Arbeitsmarkt- oder Sozialpolitik spielen auch eine zentrale Rolle dabei, den Menschen, die durch steigende Importe infolge der Handelsliberalisierung arbeitslos werden, neue Möglichkeiten zu eröffnen. So bilanziert auch die Weltbank über die Liberalisierungserfahrungen insgesamt, dass Marktöffnung in ein Reformpaket eingebettet sein muss, um positive Wirkungen zu zeigen. Fast alle Erfolgsgeschichten der Vergangenheit betreffen Länder, die implizit oder explizit Exporte gefördert und erforderliche ökonomische, politische und soziale Reformen umgesetzt sowie notwendige Institutionen geschaffen beziehungsweise gestärkt haben. Da Entwicklungsländern aber häufig das Know-how und ausreichende Finanzmittel fehlen, um solche begleitenden Reformen umzusetzen, liegt eine große Verantwortung bei der handelsbezogenen Entwicklungszusammenarbeit der EU, die dies unterstützen muss, sowie den EPA-Institutionen einschließlich der Wirkungsbeobachtung.

EPA im Kontext des weltwirtschaftlichen Wandels

Schätzungen zufolge wird sich die Gesamtbevölkerung Afrikas zwischen 2010 und 2050 verdoppeln und auf zwei Milliarden Menschen anwachsen, wobei der Zuwachs vor allem Subsahara-Afrika ohne Südafrika betrifft. Für nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung und ausreichend Arbeitsplätze zu sorgen, wird für Afrika die große Herausforderung der kommenden Jahre sein, und dazu muss auch die Handelspolitik beitragen.

Als Ende des vergangenen Jahrtausends die Idee zu den EPA entstand, war die Bedeutung von Zöllen im internationalen Handel noch viel größer. Zwischen 1995 und 2013 sind weltweit die angewandten Durchschnittszölle um 15 Prozent auf heute neun Prozent gesunken, in Industrieländern auf unter fünf. Für Afrika bedeutet dies, dass sich der Konkurrenzvorteil aufgrund der Handelspräferenzen erheblich verringert hat – und dieser Trend wird sich angesichts laufender Verhandlungen zu bilateralen und regionalen Freihandelsabkommen fortsetzen. Beträchtliche Präferenzen bestehen allerdings noch in den Bereichen Landwirtschaft sowie Textilien/Bekleidung. Die afrikanischen Regionen haben sich in ihren EPA fast alle auf den Warenbereich beschränkt und Verhandlungen über weitere Bereiche abgelehnt. Damit konnten sie zwar ihre gegenwärtigen Handelspräferenzen erhalten beziehungsweise ausbauen, die für einzelne Produkte wie Rindfleisch aus Namibia oder Blumen aus Kenia durchaus noch bedeutend sind, doch wird dieses Instrument langfristig an Bedeutung verlieren. Es geht deshalb heute darum, durch eine erfolgreiche Umsetzung der EPA die vorhandenen Präferenzen möglichst noch zu nutzen.

Die EPA-Umsetzung ist aber nur ein Element afrikanischer Handels- und Entwicklungsstrategien. Die Frage nach den Schwerpunkten in der Handelspolitik afrikanischer Länder ist viel grundsätzlicher. Es ist den wenigsten afrikanischen Ländern gelungen, sich in weltweite Wertschöpfungsketten zu integrieren, die die Warenproduktion heute dominieren (60 bis 67 Prozent des globalen Handels). Die zunehmende Kapitalmobilität seit den 1980er Jahren führte zu Produktionsverlagerungen in Regionen mit den geringsten Kosten. Dabei sind nach Analysen der Weltbank die Produktionsstückkosten ausschlaggebend, nicht die Lohnhöhe. Viele afrikanische Länder weisen zwar niedrige Löhne auf, aber die ansonsten sehr hohen Produktionskosten überkompensieren einen möglichen Lohnkostenvorteil. Afrika ist deshalb kaum in globale Wertschöpfungsketten integriert. Für nicht integrierte Länder stellt sich heute die Frage, inwieweit eine solche Integration noch angestrebt werden sollte, nehmen doch seit der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008 die Wertschöpfungsketten eher an Bedeutung ab. Eine Integration in regionale Wertschöpfungsketten könnte für manche Produkte eine Erfolg versprechende Alternative sein. Dies gilt insbesondere angesichts der Tatsache, dass der innerafrikanische Handel mit einem Anteil der Fertigwaren von fast 50 Prozent grundsätzlich stärker zu Wertschöpfung und Beschäftigung beiträgt als der Export in außerafrikanische Regionen. Eine Vertiefung der regionalen Integration Afrikas – zunächst im Rahmen der subregionalen Integrationsgemeinschaften, langfristig aber auch innerhalb der kontinentalen Freihandelszone (CFTA) – birgt deshalb erhebliche Chancen, Arbeitsplätze zu schaffen und zur Wertschöpfung und nachhaltigen Entwicklung beizutragen.

Die Fragen der Integration in globale oder regionale oder der Aufbau lokaler Produktion werden je nach Land und spezifischen Gegebenheiten unterschiedlich beantwortet werden müssen. Die Entstehung von globalen Wertschöpfungsketten hat jedenfalls ebenfalls dazu beigetragen, dass Zölle als Element der Wettbewerbsfähigkeit an Wichtigkeit verloren, während Themen wie Infrastruktur, Verfügbarkeit kostengünstiger Inputs und Handelskosten (einschließlich Bürokratieabbau) erheblich an Bedeutung gewonnen haben. Dies fordert von allen Ländern stärkere allgemeine Reformen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen.

Für eine nachhaltige afrikanische Entwicklung ist es notwendig, Wertschöpfung und Arbeitsplätze auf dem Land zu schaffen. Die Städte werden nicht ausreichend in der Lage sein, die wachsende Bevölkerung aufzunehmen, insbesondere da in Afrika bisher Urbanisierung leider nicht mit Industrialisierung einherging. In diesem Zusammenhang ist gut, dass es seit 2000 vielen afrikanischen Ländern gelungen ist, die Produktivität auf dem Land zu erhöhen, beispielsweise um fast 50 Prozent in Kamerun, Ghana und Sambia. Handelsstrategien sollten daran anknüpfen – und unter anderem die Chance nutzen, die die EPA mit dem freien Marktzugang bieten.

Schluss

Jedes Land ist dafür verantwortlich, seinen eigenen Entwicklungspfad zu entwerfen und zu definieren, welche Rolle die Handelspolitik dabei spielen soll. Dies umfasst Entscheidungen über die Ausgestaltung interner Rahmenbedingungen von Zollverwaltung bis Infrastruktur, über die Rolle der Landwirtschaft, die Bereitschaft zu weiterer Liberalisierung im Rahmen regionaler Integrationsprozesse und/oder die Einbindung in regionale und globale Wertschöpfungsketten. Die EPA mit der Europäischen Union sind nur ein Teil des Gesamtbilds. Gegenwärtig bieten sie mit dem vollkommen zoll- und quotenfreien Marktzugang in die EU eine große Chance, die Exporte vor allem von weiterverarbeiteten landwirtschaftlichen und Bekleidungsprodukten in die EU auszuweiten und damit vor allem auch die ländliche Entwicklung anzuregen.

Die Handelspräferenzen verlieren aber mit weiterer weltweiter Liberalisierung und/oder bilateralen und regionalen Freihandelsabkommen der EU mit anderen Entwicklungsländern künftig an Wert. Es kommt daher darauf an, die Chancen der EPA rasch zu realisieren. Zugleich dürfen die Risiken nicht ignoriert werden, die durch Marktöffnung entstehen können – gegenüber der EU, aber auch anderen stärkeren Partnern, auch aus Afrika. Die EPA sind grundsätzlich so ausgestaltet, dass diesen Risiken begegnet werden kann, doch verlangt dies eine aktive Politik: Die Wirkungsbeobachtung muss zum Leben erweckt und die EPA-Institutionen sollten aktiv genutzt werden, auch von den daran Beteiligten aus der Zivilgesellschaft. Manche EPA sehen spätere Verhandlungen für weitere Bereiche vor – diese wären eine Chance, interessante Bestimmungen auch in zukunftsgerichteten Feldern zu entwickeln. Das Karibik-EPA eignet sich hierfür als Beispiel. Angesichts der knappen Kapazitäten vieler afrikanischer Partnerländer kommt der handelsbezogenen Entwicklungspolitik eine wichtige Rolle zu, die Chancen des Außenhandels zu maximieren und die Risiken zu verringern.

Handelspolitik und Handelsabkommen müssen also bestimmten Anforderungen genügen. Ist dies der Fall, kann der Außenhandel einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung des Ziels nachhaltiger Entwicklung leisten.

ist promovierte Wissenschaftlerin bei der Stiftung Wissenschaft und Politik und leitet dort ein vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gefördertes Projekt zum Thema Handelspolitik im Lichte der Nachhaltigkeitsziele. E-Mail Link: evita.schmieg@swp-berlin.org