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Die Entwicklungspolitik der rot-grünen Bundesregierung | Entwicklungspolitik - Dritte Welt | bpb.de

Entwicklungspolitik - Dritte Welt Editorial Der Zerfall der postkolonialen Staaten Halbierung der absoluten Armut: die entwicklungspolitische Nagelprobe Entwicklungspolitik am Scheideweg - politische Randerscheinung oder globale Strukturpolitik ? Globalisierungs-Anforderungen an Institutionen deutscher Außen- und Entwicklungspolitik Die Entwicklungspolitik der rot-grünen Bundesregierung

Die Entwicklungspolitik der rot-grünen Bundesregierung

Joachim Betz

/ 24 Minuten zu lesen

Die rot-grüne Bundesregierung ist im Bereich der Entwicklungspolitik mit dem Anspruch angetreten, diese im Sinne globaler Strukturpolitik zu gestalten. Die bisherige Umsetzung dieses Anspruches zeigt allerdings noch erhebliche Defizite.

I. Entwicklungspolitik als globale Strukturpolitik

Die rot-grüne Koalition trat im Bereich der Entwicklungspolitik mit dem Anspruch an, diese zu reformieren und aufzuwerten. Diese Aufgabe sollte künftig im Sinne einer globalen Friedens- und Strukturpolitik betrieben werden. Die neue Regierung hat diese auf die Koalitionsvereinbarung zurückgehende Formulierung definitorisch bislang weder präzisiert, noch Wege und Institutionen angegeben, mit deren Hilfe Frieden und nachhaltige globale Wirtschaftsstrukturen realisiert werden sollen. Nach dem Willen der rot-grünen Koalition soll die neue Entwicklungspolitik erstens dazu beitragen, dass die Menschen in allen Weltteilen die Chancen, die sich aus der Globalisierung und dem Ende des Blockdenkens ergäben, zu ihrem Vorteil nutzen könnten. Es müsse verhindert werden, dass ganze Regionen und Bevölkerungsgruppen ins Abseits gerieten. Angesichts der wirtschaftlichen Vernetzung könne soziale Gerechtigkeit in keinem Land der Erde dauerhaft sein, wenn nicht eine sozial gerechte Weltordnungspolitik dafür sorge, dass diese Gerechtigkeit auch in globalem Maßstab realisiert werde. Zweitens könne das Überleben nicht gesichert werden, wenn nicht eine international nachhaltige Weltgesellschaft geschaffen werde, welche die Zukunftschancen künftiger Generationen wahre. Und drittens trage erfolgreiche Entwicklung dazu bei, kriegerische Konflikte zu entschärfen oder besser sogar zu verhindern, denn das globale Armutsproblem liege an der Wurzel der Friedensgefährdung. Prävention sei aber allemal billiger als Krisenmanagement .

In den programmatischen Äußerungen des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) wird nicht deutlich, welchen Stellenwert das Konzept der Armutsbekämpfung künftig haben soll, das in den Verlautbarungen der Vorgängerregierungen einen zentralen Platz einnahm. Diese taucht im Koalitionsvertrag gar nicht und in der Halbzeitbilanz der rot-grünen Regierung nur auf einem hinteren Rang auf. In der Regierungserklärung nimmt sie zwar einen wichtigen Platz ein, die nachfolgenden konkreten Maßnahmen beziehen sich aber auf den deutschen Beitrag zur erweiterten Entschuldungsinitiative und zur Umsetzung von internationalen Sozial- und Umweltstandards, die mit der Bekämpfung der Armut vor Ort nur indirekt zu tun haben.

Zunächst zu den weltanschaulichen Wurzeln des Konzepts "globaler Strukturpolitik". Dieses wird abgesehen von den wenigen zuvor genannten Auslassungen nicht theoretisch oder strategisch gefüllt, hat aber einen Hintergrund: Es versteht sich letztlich als Gegenbild zum neoliberalen Entwurf weltweiter Strukturanpassung und marktfreundlicher Standortpolitik mit minimaler Staatsintervention, der es die Projektion einer wirt-schaftlichen, sozialen und ökologischen Globalstrategie entgegenhält. Der Weltmarkt soll einen politischen Rahmen bekommen und in den Dienst nachhaltiger Entwicklung gestellt werden. Dazu soll - nach dem Muster sozialstaatlicher Regulierung und staatlichen Krisenmanagements - der Weltmarkt (re-)reguliert und demokratisiert werden. Die Partizipation der internationalen Zivilgesellschaft an Entscheidungen der internationalen Finanzorganisationen soll verbreitert und intensiviert, volatile Kapitalflüsse eingeschränkt und ein internationales Wettbewerbs- und Insolvenzrecht eingeführt werden. Mit diesem Ordnungsmodell soll auch der Nationalstaat wieder durch Deregulierung und wirtschaftliche Globalisierung verloren gegangene Handlungskompetenz zurückgewinnen. Diese soll allerdings bei Problemen, die er nicht mehr alleine lösen kann, mit anderen Akteuren (regionalen/internationalen Organisationen, Nichtregierungsorganisationen=NGOs) geteilt werden. Es handelt sich bei diesem Konzept also um den Versuch, das sozialdemokratisch-grüne Gesellschaftsprojekt auf die internationale Ebene zu übertragen und den Weltmarkt im Sinne sozialer und ökologischer Verträglichkeit unter Partizipation der weltweiten Zivilgesellschaft zu steuern bzw. die Globalisierung sozialpolitisch zu flankieren .

Das ist ein zweifelsohne sympathischer Entwurf, gegen den nun eingewendet werden kann, dass er die Grundlagen neoliberaler Globalisierung nicht in Frage stellt und auch nationale/internationale Verteilungskonflikte sowie unterschiedliche Partizipationschancen von zivilgesellschaftlichen Akteuren nicht thematisiert . Wichtiger noch scheint mir der Einwand, dass eine Wiederherstellung der Verpflichtungs- und Umverteilungsfähigkeit nationaler Systeme durch kompensierende Institutionenbildung auf supranationaler Ebene nur schwer vorstellbar sein dürfte. Die Bildung letztgenannter Institutionen/Regime erfolgt ja auf freiwilliger Basis und kann Staaten daher nicht zuverlässig davon abhalten, miteinander in Standortkonkurrenz (durch Steuersenkungswettlauf, Reduzierung der Haushaltsdefizite und der Sozialleistungen etc.) zu treten. Negative Regelungen - etwa der weitere Abbau von Schranken des Kapital- und Güterverkehrs - sind international politisch leichter umzusetzen als regulative oder gar redistributive Regelungen . Überdies wird bei den Vertretern dieses Konzepts nicht deutlich, wie die Arbeitsteilung zwischen Nationalstaaten, internationalen Organisationen und internationaler Zivilgesellschaft konkret in den unterschiedlichen Politikbereichen organisiert werden soll und wie die Selektion der zustimmungsbefugten Repräsentanten der Zivilgesellschaft erfolgt. In Bezug auf die Entwicklungsländer wäre überdies die Realisierung dieses Projekts eine zweischneidige Sache, profitieren sie doch theoretisch von der Zunahme des internationalen Kapital- und Warenaustausches, sofern sie über die nötigen institutionellen, wirtschaftspolitischen und infrastrukturellen Voraussetzungen verfügen. So stellt sich also die Frage, ob das Projekt der globalen Strukturpolitik nicht eher dazu dient, die Sozialstandards im Westen zu wahren als sie im Süden zu heben. Das soll aber nicht weiter vertieft werden, stattdessen ist zu analysieren, wie die rot-grüne Regierung globale Strukturpolitik im Bereich der Entwicklungspolitik im weiteren Sinne umzusetzen gedenkt oder ihrer Meinung nach schon umgesetzt hat.

II. Einzelelemente globaler Strukturpolitik

In Bezug auf die genannte globale Strukturpolitik subsumiert die Bundesregierung Folgendes unter ihrer entwicklungspolitischen Erfolgsbilanz:

- die Verabschiedung und Umsetzung der Erweiterten Entschuldungsinitiative zugunsten der ärmeren, hoch verschuldeten Länder;

- Änderungen der Strukturanpassungspolitik von Weltbank und IWF im Sinne einer in die Strukturanpassung integrierten armutsorientierten Entwicklungsstrategie;

- das Eintreten der Bundesregierung in den Verhandlungen von Welthandelsorganisation (WTO) und Internationaler Arbeitsorganisation (ILO) für die Durchsetzung internationaler Sozial- und Umweltstandards;

- den Abschluss des neuen Abkommens von Cotonou zwischen EU und AKP-Staaten (vormals Lomé-Abkommen);

- den Einsatz der Bundesregierung für die Umsetzung der Konvention zur Bekämpfung der Desertifikation, den Schutz der Tropenwälder und den Schutz der Entwicklungsländer vor der grünen Gentechnologie;

- den Einsatz der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) zur Krisenprävention und die Einführung eines zivilen Friedensdienstes;

- die Stärkung des BMZ als Schaltstelle innerhalb der Bundesregierung für globale Strukturpolitik, sichtbar an seiner Beteiligung im Bundessicherheitsrat, der Etablierung von Entwicklungspolitik als Querschnittsaufgabe und der Zuordnung neuer Kompetenzen (Verhandlungsführung bei den Lomé-Verhandlungen, neue Zuständigkeit für das Transform-Programm [Osteuropa], Federführung beim Weltsozialgipfel [Kopenhagen +5] und bei Habitat) und schließlich

- die verstärkte Entwicklungspartnerschaft mit der Wirtschaft im Rahmen der so genannten Public Private Partnership.

Es zeigt sich, dass zwischen dem ambitionierten Projekt globaler Strukturpolitik und den aufgelisteten Reformansätzen noch eine gewisse Kluft herrscht.

Zur "Erweiterten Schuldeninitiative": Diese kam keineswegs primär auf Druck der Bundesregierung zustande, sondern ist in erster Linie der massiven Öffentlichkeitsarbeit der NGOs und einem Strategiewandel bei Weltbank und IWF zu verdanken. Diese Institutionen erkennen seit einigen Jahren an, dass nicht von den Empfängern getragene Strukturanpassungsprogramme zum Scheitern verurteilt sind und dass rasches Wirtschaftswachstum bei schlechter Einkommensverteilung und geringer Zielgruppenorientierung der Sozialpolitik nur zu einem langsamen Armutsabbau führt. Diesbezügliche Reformen müssen also in wachstumsorientierte Anpassungsprogramme integriert werden und dürfen nicht nur kompensatorischer Appendix (in Gestalt von Sozialfonds) dieser Programme sein. Sie sehen Armut und zunehmende Ungleichheit von Vermögen und Einkommen in Entwicklungsländern neuerdings auch als Gefährdung sozialer Stabilität und als Bremsfaktoren künftigen Wachstums . Hinzu kommt zunehmender Druck westlicher Regierungen (zunächst Großbritanniens) in der Erkenntnis, dass den ärmeren Schuldnern mit den bisherigen Entlastungsprogrammen nicht geholfen ist und die bilateralen Geber durch ihren Forderungsverzicht praktisch die Schuldenbedienung gegenüber Weltbank und IWF finanzieren.

Die 1999 vereinbarte und danach rasch umgesetzte Erweiterte Schuldeninitiative ergibt entwicklungspolitisch einen Sinn, wenn man sie unter dem Entlastungsaspekt überschuldeter Staaten betrachtet. Ihre Entlastungswirkung für die begünstigten Länder ist erheblich und summiert sich nach neuestem Stand potenziell auf knapp 34 Mrd. US-Dollar, also zwei Drittel der Gesamtschulden der in Frage kommenden Länder. Die Entlastung beim Schuldendienst fällt geringer aus, da diese Staaten sich überwiegend zu sehr günstigen Konditionen verschuldet hatten. Entsprechend gering ist die Belastung speziell des deutschen Staatshaushalts, die sich nach bisherigen Schätzungen auf lediglich 60-80 Mio. D-Mark pro Jahr beläuft, bei Einbezug weiterer Länder auf maximal 150 Mio. DM. Der (deutsche) Forderungsverzicht ist überdies auch deshalb relativ beachtlich, weil die Konditionen der deutschen Entwicklungshilfe in den Vorjahren vergleichsweise hart waren. Er wird schließlich dadurch relativiert, dass die Neuzusagen an die ärmeren Entwicklungsländer (und an die Dritte Welt insgesamt) in den letzten Jahren gesunken sind.

Die Bundesrepublik und andere Industrieländer verzichten mit ihrer Beteiligung an dieser Initiative auf Forderungen, die sie gar nicht mehr hätten realisieren können, weil sie von den in Frage kommenden Ländern schlicht nicht mehr erfüllt wurden . Auf Seiten der Empfänger bringt die Initiative nur kurzfristige Entlastung, weil sie - angesichts meist erheblicher Leistungsbilanzdefizite - auf Daueralimentierung durch Entwicklungshilfe angewiesen sind. Die hohen Zahlungsrückstände und die massive Entschuldung stellen gegenüber den internationalen Kapitalmärkten eine Art Offenbarungseid dar, die für die bezugsberechtigten Staaten einen noch lange währenden Ausschluss von Krediten bringen wird. Insoweit besiegelt die Initiative die Marginalisierung der ärmeren Staaten an diesen Märkten, kann also schwerlich unter globaler Strukturpolitik rubriziert werden.

Das gilt in gleicher Weise für die Änderungen bei der Strukturanpassung von Weltbank und IWF. Sie machen in entwicklungspolitisch sinnvoller Weise Armutsbekämpfung zum integralen Bestandteil der Anpassungsprogramme: Der Schuldenerlass wird an die Fortführung oder Erhöhung von nationalen Ansätzen zu öffentlichen Basissozialdiensten und an die Verbesserung von Sozialindikatoren geknüpft. Gleichzeitig wollen sie diese in einem partizipativen Prozess zwischen Weltbank/IWF auf der einen Seite, nationalen Regierungen und nationaler Zivilgesellschaft auf der anderen Seite ausgehandelt wissen. Verbunden ist dies zweifellos mit einer Einflussnahme internationaler Geber auf weitere, sensitive Parameter des Regierungshandelns, während die Entscheidung über Bewilligung und Fortführung allein bei den internationalen Finanzorganisationen verbleibt und die Programme weiter auf dem vielfach kritisierten marktfreundlichen Ansatz beruhen (ergänzt um die armutsorientierte Komponente). Der partizipative Prozess bei der Erstellung der staatlichen Armutsstrategien ist zumindest teilweise als "Alibiübung" zu verstehen, da nicht sicher ist, ob dabei die eigentlich Betroffenen ohne vorherige Selektion und staatliche Bevormundung zu Wort kommen werden . Die Behauptung der Bundesregierung, sie hätte an der Initiierung, Konzeption und Umsetzung der neuen Armutsstrategie von Weltbank und IWF herausragenden Anteil, ist angesichts des deutschen Stimmrechtsanteils in diesen Organisationen (und deren massiven Eigeninteresses an der Umsetzung der neuen Programme) zu optimistisch.

Die Bundesregierung hält sich des Weiteren zugute, dass sie sich in den verschiedenen multilateralen Organisationen für die Setzung globaler Standards (Sozial- und Umweltstandards, Wettbewerbspolitik) im Welthandel bzw. für deren Weiterentwicklung eingesetzt habe. Sie trete dafür ein, dass diese Themen Eingang in die neue Welthandelsrunde fänden. Sie setze sich außerdem dafür ein, dass die Industrieländer ihre Märkte konsequenter für die Entwicklungsländer öffneten. Dabei wird namentlich der Abbau der Agrarexportsubventionen genannt. Zu dieser Selbstdarstellung ist zunächst zu sagen, dass es nicht die Bundesregierung, sondern Frankreich, die USA und die skandinavischen Staaten waren (ergänzt um nationale/internationale Gewerkschaftsverbände), die sich in erster Linie für die Aufnahme von Sozial- bzw. Umweltstandards in die Agenda der neuen Welthandelsrunde eingesetzt haben. In der Bundesrepublik machten sich hierfür vornehmlich die Textilgewerkschaft und abgeschwächt der DGB stark, die Wirtschaft und mit ihnen das Bundeswirtschaftsministerium sprachen sich strikt dagegen aus. Übrigens sehen auch nahezu alle Entwicklungsländer in der Einführung solcher Standards nur den wenig verhüllten protektionistischen Versuch, sie an der Steigerung ihrer Exporte dadurch zu hindern, dass ihnen nicht ihrem Entwicklungsstand gemäße Arbeits- und Sozialnormen aufgezwungen werden. In der Tat motiviert sich das Eintreten der USA, Frankreichs und der Gewerkschaften genau aus der Befürchtung, Unternehmen aus Entwicklungsländern ohne soziale und arbeitsrechtliche Mindestauflagen könnten mit entsprechend niedrigen Exportpreisen zum Abbau von Arbeitsplätzen (im Billiglohnsektor) in Industrieländern beitragen oder den Lohndruck verschärfen. So ist also festzustellen, dass diese Standards zwar im Sinne globaler Strukturpolitik sinnvoll wären, ihre Umsetzung aber höchst ambivalenten entwicklungspolitischen Nutzen bringen würde. Zuletzt handelt es sich bei der fortgesetzten Propagierung internationaler Sozialstandards (das gilt eingeschränkt auch für die Umweltstandards) eher um Rhetorik, weil dieses Thema in der WTO politisch abgesetzt und an die ILO delegiert wurde.

Was schließlich die versprochene und in jeder Hinsicht sinnvolle Öffnung der Industrieländermärkte für den Süden betrifft, wäre die Bundesregierung nicht gehindert, im Rahmen der EU sich für eine rasche und deutliche Liberalisierung des Agrarhandels stark zu machen. Von dieser Möglichkeit hat sie bisher kaum Gebrauch gemacht. Im Gegenteil: Das BMZ hat sich in der Vergangenheit hierbei immer als Bremser erwiesen. In der EU wurde die in der Uruguay-Runde vertraglich vereinbarte Liberalisierung des Agrarhandels unlängst auf den spätesten der möglichen Zeitpunkte verschoben. Die deutsche Seite äußerte dagegen keinen Protest.

Besser sieht die Bilanz der rot-grünen Regierung bei der Förderung des neuen EU-AKP-Abkommens (Abkommen von Cotonou) aus. Hervorzuheben ist zunächst, dass die Bundesregierung mit allem Nachdruck die Fortsetzung dieses Abkommens betrieb. Sie hat sich zudem besonders dafür stark gemacht, dass der politische Dialog über Fragen der Demokratie, die Wahrung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit intensiviert wird und Zusagen stärker von der diesbezüglichen Leistungsbilanz abhängig gemacht werden. Verantwortliche Regierungsführung wurde als fundamentaler Bestandteil des künftigen Abkommens verankert, in Fällen schwerer Korruption soll die Zusammenarbeit ausgesetzt werden können. Die Bundesregierung setzte sich auch dafür ein (gegen den Widerstand Frankreichs und Großbritanniens), die Handelspräferenzen des Abkommens WTO-konform zu gestalten, d. h., bis zum Jahre 2008 regionale Freihandelsabkommen auszuhandeln, die - mit entsprechenden Übergangsfristen - EU-Exporten zollfreien Zugang auf den Märkten der AKP-Staaten einräumen. Von dieser reziproken Öffnung des AKP-Wirtschaftsraumes, in dem bislang eher französische Firmen den Import dominieren, würden vor allem auch deutsche Exporteure profitieren. Auch der politische Dialog ist eher ein deutsches Anliegen als das der AKP-Partner (die gegen seine Einführung in das Abkommen stets Widerstand leisteten) oder Frankreichs, das aus wirtschaftlichen oder geostrategischen Interessen in der Vergangenheit auch moderate Demokratisierungsstandards zu akzeptieren pflegte . Die Bundesregierung kann sich auch zugute halten, dass sie maßgeblich die Entwicklung einer Gesamtkonzeption der EU-Entwicklungspolitik angestoßen hat. Diese hat vor allem die Komplementarität und Koordination der europäischen Entwicklungspolitik und jene der europäischen Mitgliedstaaten sowie die Kohärenz dieser Politik mit anderen Politikbereichen sichern sollen. Die Konzeption sieht vor, dass sich die EU in ihrer künftigen EZ auf die Bereiche Handel und Entwicklung, regionale Integration, Unterstützung der Strukturanpassung mit Armutsbezug, Transport, Ernährungssicherung, den Aufbau von Institutionen und gute Regierungsführung konzentrieren soll.

Auf der Sollseite wäre zu vermerken, dass sich die rot-grüne Regierung (wie ihre Vorgängerinnen) für eine deutliche Begrenzung der Finanzmittel der EU-AKP-Kooperation einsetzte: Diese steigen nur um 1,15 auf 15,8 Mrd. Euro; bezogen auf die gestiegene Bevölkerung in den AKP-Staaten und inflationsbereinigt bedeutet das eine deutliche Abnahme. Die positive Rolle der Regierung beim Vertragsabschluss wird durch die Tatsache relativiert, dass der neue Abkommenstext deutschen Interessen entgegenkommt und dass die Fortsetzung der Lomé-Politik auch im institutionellen Eigeninteresse des BMZ liegt, weil diese neuerdings in seine Kompetenz fällt. Da die europäische EZ gegenüber der bilateralen Hilfe keine systematischen Defizite aufweist, ergibt ihre Fortsetzung mit den AKP-Staaten auch entwicklungspolitisch Sinn. Problematisch ist allerdings die Einordnung des neuen Abkommens unter globaler Strukturpolitik, weil es zum einen eine klassische, multilaterale EZ-Konvention darstellt und zum anderen deren strukturverändernde Komponenten (Partnerschaftlichkeit, System zur Stabilisierung der Exporterlöse [Stabex], einseitige Handelspräferenzen) weiter ausgedünnt wurden.

Seit der Amtsübernahme der neuen Regierung hat die zuständige Ministerin immer wieder den Anspruch an die Entwicklungspolitik formuliert, durch den Abbau struktureller Ursachen von Gewalt zur Vermeidung kriegerischer Konflikte in den Partnerländern beizutragen und gleichzeitig Mechanismen zur gewaltfreien Konfliktbearbeitung aufzubauen. Materiell bedeutete dies die Ausbildung von zivilem Personal für den Einsatz in internationalen Friedensmissionen (durch das Auswärtige Amt) und den Aufbau eines Zivilen Friedensdienstes (durch das BMZ), die Integration von Krisenprävention in die Länderkonzepte (unterstützt durch einen einschlägigen Indikatorenkatalog ), die Verabschiedung eines Gesamtkonzepts "Krisenprävention und Konfliktbeilegung" und die Ernennung eines Sonderbeauftragten für Konfliktprävention und Krisenmanagement.

Zweifellos ist die Verhinderung des gewaltsamen Konfliktaustrags entwicklungspolitisch überaus sinnvoll und wünschenswert. Das demonstrieren zur Genüge Leid, politisch-soziale Zerrüttung und wirtschaftlicher Niedergang von Bürgerkriegsstaaten. Die Frage in diesem Zusammenhang ist aber, ob die EZ einen signifikanten Beitrag zur Kriegsverhinderung leisten kann? Dazu bedarf es einer prognosefähigen Bürgerkriegstheorie, verlässlicher, dauernd beobachtbarer Indikatoren krisenhafter Zuspitzung und der Möglichkeit, flexibel und mit immer ausreichendem zeitlichen Vorlauf den Bedarf von EZ zur vorbeugenden Heilung an die jeweilige Krisenkonjunktur anpassen zu können. Zudem müsste der Mitteleinsatz die potenziellen Kombattanten auch befrieden oder von weiterer Eskalation abhalten können. Es mangelt aber schon an einer verlässlichen Theorie. Der dem Handeln der neuen Bundesregierung unterliegende Ansatz - Armut und soziale Deprivation führen zu Bürgerkrieg - erfasst aber die politische Realität nicht in seiner ganzen Komplexität . Nicht alle Ungerechtigkeiten eskalieren zu Bürgerkriegen, der Einsatz der Entwicklungszusammenarbeit zur Prävention würde daher zwangsläufig hohe Streuverluste mit sich bringen. Nicht alle Konfliktparteien sind überdies friedenswillig und auch nicht alle möglicherweise vor dem Ausbruch offener Konflikte vorgewarnten Regierungen aktionsbereit (wie etwa im Fall des ruandischen Völkermords) . Die starke Betonung des krisenpräventiven Beitrags der Entwicklungszusammenarbeit mit dem Zweck, letzterer wieder breitere Legitimation zu verschaffen, könnte sich daher über kurz oder lang als nicht politisch realisierbar erweisen.

Es bleibt schließlich die Frage, wie ernst die rot-grüne Regierung ihren krisenpräventiven Ansatz selbst nimmt. Die skandinavischen Staaten, die Niederlande und die Europäische Union sind der Bundesregierung auf diesem Wege vorausgeeilt und haben bisher auch weit detailliertere Verfahren und Indikatorensysteme sowie eine bessere Anbindung an die Friedens- und Konfliktforschung im Lande realisiert . Im Umkehrschluss ließe sich aber folgern, dass die neue Bundesregierung bei der Krisenprävention nun Anschluss an diese fortschrittlicheren Geber sucht. Allerdings hapert es noch an der nötigen Kohärenz bei der Wahrnehmung dieser Aufgabe im Spannungsfeld von außen-, entwicklungs-, sicherheitspolitischen und außenwirtschaftlichen Interessen, die zuständigen Verwaltungseinheiten sind eindeutig unterdimensioniert, die Aufnahme der Krisenindikatoren in die Länderpapiere des BMZ erfolgt bislang eher lustlos, und die Maßnahmen konzentrieren sich bisher auf die post-konfliktive Phase statt auf die Prävention.

Die Ausbildung des Personals für den Friedensdienst geschieht im Schnelldurchlauf (in ein- bzw. dreimonatigen Kursen zuzüglich einem Sprachkurs), Mitte 2000 waren 25 Maßnahmen gebilligt, Ende des Jahres werden sich erst 70 bis 80 Kräfte vor Ort befinden. Die Mittelausstattung für das Gesamtprogramm ist noch relativ bescheiden (2000: 17,5 Mio. DM) . Etliche der bewilligten Maßnahmen zur Überwindung struktureller Konfliktursachen (Aufbau tragfähiger Rechtssysteme, Förderung demokratischer Reformen, Stärkung eines unabhängigen Medienwesens, Verbesserung der sozialen Lage benachteiligter Gruppen) müssen zudem daraufhin hinterfragt werden, ob sie nicht lediglich mit einem neuen Etikett versehen wurden, um den neuen Anspruch einzulösen.

Bei den übrigen oben aufgeführten Versatzstücken der Weltordnungspolitik ist wenig Spektakuläres zu vermelden: Da ist einmal die Förderung der Gleichberechtigung von Frauen. Diese wurde als Querschnittsaufgabe in der EZ verankert. Gleichzeitig nimmt die Regierung für sich in Anspruch, gemeinsam mit den europäischen Partnern auf der Sondergeneralversammlung der Vereinten Nationen im Juni 2000 (Peking +5) Fortschritte bei der Wahrung der Frauenrechte gegen die Hardliner durchgesetzt zu haben. Querschnittsaufgabe ist die Förderung der Frauen- bzw. Gleichberechtigung allerdings bei allen Gebern, ohne dass sich dies immer in geldwerten Leistungen niederschlagen müsste. Materiell ist für die Frauen in Entwicklungsländern zusätzlich ein deutscher Beitrag von 40 Mio. US-Dollar für die rechts- und sozialpolitische Beratung zu Verfügung gestellt worden, womit ein deutsches Versprechen auf der Weltfrauenkonferenz in Peking eingelöst wurde.

Die neuen Akzente im Bereich Umwelt und Entwicklung betreffen erstens die Umsetzung der Konvention zur Bekämpfung der Desertifikation (verabschiedet 1992 in Rio). Das einschlägige Konventionssekretariat wurde 1999 in Bonn eröffnet; die Bundesregierung hat dafür und für die Durchführung organisationsbezogener Tagungen und Veranstaltungen erhebliche Mittel aufgewandt, die auch der Sicherung des Standortes Bonn dienten. Weiterhin hat die Bundesregierung nach Eigenaussagen aktiv am Zustandekommen des Cartagena-Protokolls über biologische Sicherheit mitgewirkt, das den Schutz von Gesundheit in der grünen Gentechnologie verankert, und schließlich sind die Projektzusagen zum Schutz der Tropenwälder und für die Nutzung erneuerbarer Energiequellen auf hohem Niveau stabilisiert und durch Intervention der Grünen unlängst gar erhöht worden.

III. Veränderungen des traditionellen EZ-Instrumentariums

Welche Reformen hat die Bundesregierung unterhalb der globalen Ebene eingeleitet? Da ist zunächst die Kompetenzstärkung des BMZ zu erwähnen. Die Federführung dieses Ministeriums bei einigen (allerdings weniger bedeutsamen) internationalen Konferenzen und bei der Neuverhandlung des Lomé-Abkommens wurde bereits erwähnt. Seit September 2000 sieht überdies die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien eine entwicklungspolitische Regelprüfung von Gesetzesvorhaben vor, zuvor wurde das BMZ in den Bundessicherheitsrat aufgenommen und kann dort etwa mit über Grundsätze für den Rüstungsexport entscheiden. Das ist eine deutliche Aufwertung, dennoch liegen entwicklungspolitisch wichtige Entscheidungen und Bereiche nach wie vor bei anderen Ressorts: Nahrungsmittelhilfe beim Bundesministerium für Landwirtschaft, Kulturarbeit und Demokratisierungshilfe beim Auswärtigen Amt, Finanzausstattung von Weltbank und IWF sowie Schuldenerlass beim Bundesfinanzministerium, Exportbürgschaften beim Bundeswirtschaftsministerium, Allokation und Grundsätze der EZ beim BMZ und Auswärtigen Amt gemeinsam. Zudem wurde die Mittelzuweisung an das BMZ im Vergleich zu der anderer Ressorts in den letzten Jahren überproportional gekürzt (bei leichtem Wiederanstieg im Jahr 2001).

Durch stärkere Schwerpunktsetzung und eine reduzierte Zahl von Kooperationsländern will das BMZ die Wirksamkeit der Entwicklungspolitik erhöhen. Künftig sollen nur noch 38 Schwerpunkt- und 32 Partnerländer bedient werden, in denen maximal bis zu drei sektorale Schwerpunkte gefördert werden sollen . Die Auswahl der Partnerländer gestaltet sich nach Aussagen der Regierung nach Maßgabe deutscher Interessen, den Möglichkeiten, einen signifikanten deutschen Beitrag im Partnerland zu leisten, den Zusagen anderer Geber und den internen Bedingungen, die von der Vorgängerregierung als Maßstab der Zuwendungen formuliert worden waren, wie die Beachtung der Menschenrechte, Beteiligung der Bevölkerung am politischen Prozess, Rechtssicherheit, marktfreundliche Wirtschaftsordnung und Entwicklungsorientierung des staatlichen Handelns. Die Liste der Partnerländer sei offen für Neuzugänge (namentlich werden Kuba und Osttimor genannt) und wird ergänzt durch eine Liste 14 potenzieller Partnerländer, in denen sich zur Zeit entwicklungspolitisches Engagement aus politischen Gründen - im Wesentlichen aktuelle Bürgerkriege - verbietet.

Das sind entwicklungspolitisch vernünftige und angesichts real abnehmender Mittel auch überfällige Reformen. Allzu drastisch fällt der Kurswechsel allerdings nicht aus. Bisher lag die Zahl der geförderten Entwicklungsländer zwar bei knapp 120, darunter allerdings 25 mit Zuweisungen von unter einer Mio. DM pro Jahr, 9 weitere mit unter 4 Mio. DM, also Summen, die kaum ins Gewicht fallen. Auffällig an der neuen Liste und bei der länderweisen Verteilung der EZ ist, dass die eigenen Auswahlkriterien nicht sehr ernst genommen werden. Stark geförderte Länder sind auch Ägypten, Marokko, Tunesien, Algerien, Jordanien, die Türkei, Brasilien, Peru, Pakistan, Kambodscha, Vietnam, China und Thailand, die entweder hinsichtlich Demokratisierung und Wahrung der Menschenrechte problematisch erscheinen oder von anderer Seite stark gefördert werden (der Nahe Osten etwa von den USA, Ostasien von Japan) und/oder eigentlich schon fortgeschritten genug sind, um auch für privates Kapital attraktiv zu sein. Problematisch erscheint nach diesen Kriterien auch die fortgesetzte Konzentration der Mittel auf Schwarzafrika, dessen Lage doch in der Regierungserklärung zur Entwicklungspolitik in düsteren Farben geschildert wird (Bürgerkrieg, Hass und Hoffnungslosigkeit) - gebrochen nur durch den Hinweis auf wenige erfreuliche Gegenbeispiele. Gerade die afrikanischen Partner mit positiver Entwicklungsleistung bzw. deutlicher relativer Verringerung der Armut (also etwa Uganda, Mosambik, Benin, Burkina Faso, Malawi, eingeschränkt Ghana, Äthiopien, Mauretanien und Sambia) erhalten aber keineswegs höhere Bezüge als der Rest oder auch nur wachsende Zuwendungen. Insgesamt stellt sich natürlich die Frage, ob die fortgesetzte Konzentration der EZ auf Afrika aus entwicklungspolitischer Perspektive Sinn ergibt. Dieser Kontinent bezieht seit Jahrzehnten deutlich höhere Mittel (bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt [BIP], die Importe oder pro Kopf) als der Rest der Dritten Welt, ohne hinsichtlich Wirtschaftswachstum bzw. Verbesserung der Sozialindikatoren auch nur begrenzt zum durchschnittlichen BIP der gesamten Dritten Welt aufzuschließen . Das spricht entweder gegen die finanzierten Entwicklungsprojekte oder für ein Umfeld, das auch die Ergebnisse guter Projekte ins Gegenteil verkehrt. Diese Problematik wird aber nicht angesprochen, die fortgesetzte Konzentration der Mittel auf Afrika vielmehr mit der geographischen Nachbarschaft und vager Verantwortungsethik begründet.

Bezüglich sektoraler Schwerpunkte bekundet die Regierung den schon genannten Willen zur Konzentration der Kräfte: Dazu sollen auch Schwerpunktstrategiepapiere dienen, welche die Zusammenarbeit konkretisieren und bündeln, Orientierungsmarken für nichtstaatliche Träger setzen sowie einen sektorspezifischen politischen Dialog mit den Partnerstaaten ermöglichen sollen. Das ist wünschenswert und lange überfällig, kollidiert aber mit der nach wie vor starken institutionellen Zersplitterung der deutschen EZ und ihrer mangelnden Vertretung vor Ort. Hierauf wird im Verlauf noch näher eingegangen werden. Die tatsächliche Verteilung der Zusagen nach Sektoren zeigt einen Rückgang der Basissozialdienste, insbesondere der Grundbildung (von 115 auf 52,9 Mio. DM), der Mittel für die Familienplanung und für die ländliche Entwicklung, obwohl diese doch entscheidende Beiträge zum noch nicht aufgegebenen Ziel der Armutsreduktion leisten. Die Selbstverpflichtung der Bundesregierung, 20 Prozent der EZ-Zusagen im Bereich der sozialen Grunddienste zu leisten, wird nach wie vor verfehlt (erreicht werden 15 Prozent) . Lichtblicke sind die relativ umfangreiche Förderung der Demokratisierung und der Menschenrechte, für die pro Jahr 200 Mio. DM aufgewendet werden (das Gros fließt dabei über die politischen Stiftungen), und der hohe Stellenwert umweltbezogener Maßnahmen, wobei der Schwerpunkt auf der Erhaltung der Tropenwälder liegt. Hier unterscheidet sich die rot-grüne Regierung aber nicht von ihrer Vorgängerin. Entgegen den Hoffnungen deutscher NGOs wurden die BMZ-Beiträge für die Entwicklungsarbeit privater Träger nur marginal aufgestockt (von 34 auf 37 Mio. DM), am übergroßen Gewicht der Kirchen und der politischen Stiftungen bei der Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Gruppen (ca. 78 Prozent) wird sich nichts ändern. Der Beitrag der neuen Regierung zur Förderung der eigenen Zivilgesellschaft hält sich also in Grenzen.

Nicht neu, sondern von der Vorgängerregierung begonnen und von der rot-grünen Regierung intensiviert ist die Entwicklungspartnerschaft mit der Privatwirtschaft, kurz Public-Private Partnership (PPP) genannt. Dabei geht es um Projekte, die im Interesse deutscher, europäischer oder von Unternehmen der Partnerländer liegen, gleichzeitig aber auch entwicklungspolitischen Nutzen bringen. Firmen sollen sich aufgrund wirtschaftlichen Eigeninteresses an Entwicklungsprojekten beteiligen. Begründet wird dieser Ansatz damit, dass Zukunftsinvestitionen in Industrie- und Entwicklungsländern nicht mehr allein von der öffentlichen Hand finanziert werden könnten. Dies gelte vor allem für die Finanzierung der Infrastruktur, bei der sich der Staat auf die Aufgaben der Regulierung und Überwachung zurückziehen solle. Durch die Beteiligung der privaten Wirtschaft mit eigenem Engagement werden auch Kosteneinsparungen und höhere Effizienz der geförderten Maßnahmen erwartet. Schließlich ergäben sich auch durch die Globalisierung neue Anknüpfungspunkte für eine Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und privaten Partnern.

Die rot-grüne Regierung verweist bei der Anwendung dieses Konzepts auf bereits sichtbare Erfolge: Bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) liefen bereits 30 Vorhaben mit einem Finanzierungsvolumen von 500 Mio. DM. In zwei bis drei Jahren sollen ein Viertel bis ein Drittel der EZ-Neuvorhaben eine PPP-Komponente enthalten. Die Deutsche Investitions- u. Entwicklungsgesellschaft (DEG) verfüge zur Zeit über ein einschlägiges Volumen von 600 Mio. DM, bei der PPP-Fazilität der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) befänden sich 40 Maßnahmen in Durchführung und 60 in Vorbereitung. Bei der Carl-Duisberg-Gesellschaft seien 20 Maßnahmen in Durchführung. Eine Beschränkung auf deutsche Firmen gebe es bei diesen Maßnahmen nicht. Faktisch werde es jedoch aufgrund der Standortvorteile viele Partnerschaften mit deutschen Unternehmen geben .

Es wird deutlich, dass in Anbetracht einer schwierigen Haushaltssituation PPP ein Instrument darstellen soll, um die Mittel der EZ zu strecken und sie in unternehmernahen Kreisen attraktiv zu halten . Klar ist auch, dass PPP für die Regierung im Kontext der Standortsicherung steht, ist doch der Anteil deutscher Investitionen in Übersee deutlich gefallen. Gleichzeitig hat die OECD die Möglichkeiten für öffentlich unterstützte Exportkredite (Helsinki-Paket, 1992) eingeschränkt. Die Mobilisierung der deutschen Wirtschaft für den Ausbau der Infrastruktur muss nun also auf anderen Wegen geschehen, etwa durch indirekt mitfinanzierte Betreibermodelle, Garantieleistungen über Hermes-Bürgschaften und die Finanzierung privatwirtschaftlich nicht rentabler Investitionskomponenten. Das ist sinnvoll, wenn entwicklungspolitische Zielsetzungen dabei nicht ins Hintertreffen geraten.

Für dieses Konzept gibt es mehrere praktische Umsetzungsprobleme: Erstens ist die Teilung der Risiken zwischen öffentlichem und privatem Sektor schwierig, sind doch betriebswirtschaftliche, politische und planerische Risiken nicht eindeutig abzugrenzen. Marktrisiken in Entwicklungsländern sind nicht frei von staatlicher Beeinflussung (etwa Steuern, welche die Nachfrage beeinflussen), private Investoren können umgekehrt bei staatlicher Beteiligung projektbezogen nicht erforderliche Subventionen vereinnahmen. Zweitens ist privatwirtschaftliche Beteiligung in Ländern mit politischer Volatilität, geringer Kaufkraft und unsicheren Marktprognosen kaum zu erwarten, und drittens können Infrastrukturprojekte in der Regel die Renditeerwartungen privater Investoren nicht erfüllen; Dauerzuschüsse der öffentlichen Hand sind also tendenziell notwendig . Bislang herrscht bei diesem Konzept ein gewisser Abflussdruck. Auf Seiten der Privatwirtschaft dominiert Subventionsmentalität, von Seiten der EZ wirken sich die Zersplitterung der Institutionen und fehlende Außenstrukturen negativ aus. Allzu große Hoffnungen verbieten sich also, was auch die stagnierenden Haushaltsansätze für PPP-Maßnahmen demonstrieren.

Schließlich hat die neue Bundesregierung auch kaum die obsolete Aufbauorganisation der EZ-Institutionen in der Bundesrepublik reformiert. Diesbezüglich kritisiert der Entwicklungsausschuss der OECD schon seit Jahren die extreme Zersplitterung der Trägerorganisationen und die antiquierte Trennung von finanzieller und technischer Zusammenarbeit sowie personeller Hilfe - eine Kritik, die sich angesichts der von der Bundesregierung geäußerten Absicht zur Formulierung und Umsetzung sektorspezifischer Strategien noch verstärkt hat . Nach Ansicht des Entwicklungsausschusses verlangt diese eine sehr viel stärkere Präsenz vor Ort - nicht nur der Durchführungsorganisationen -, um überhaupt in einen sektorpolitischen Dialog treten zu können und eine sehr viel stärkere Verzahnung der Durchführungsorganisationen zu ermöglichen. Schon unter der Vorgängerregierung wurde die Zahl der Auslandsbüros der GTZ deutlich erhöht. Das BMZ überlässt den Durchführungsorganisationen nun die Projektevaluierung (und konzentriert sich selbst auf Schwerpunktevaluierungen), die Zusammenlegung von KfW und DEG wird zur Zeit geprüft. Eine gründliche Reorganisation des Apparates steht aber noch aus.

Zuletzt, und dies ist ein Punkt, auf den Kritiker immer wieder hinweisen, ist entgegen den Ankündigungen im Koalitionsvertrag und der ersten Regierungserklärung der Abwärtstrend der Entwicklungszusammenarbeit im Haushalt nicht gestoppt worden; der BMZ-Haushalt ging von 7,925 Mrd. DM (1998) auf 7,102 Mrd. (2000) zurück, die bilateralen Auszahlungen sanken weiterhin (bei den multilateralen Beiträgen wirken internationale Verpflichtungen weiterer Reduzierung entgegen). Die mittelfristige Finanzplanung sieht auch künftige Einsparungen vor, die den Anteil der EZ am Bruttosozialprodukt bis zum Jahr 2003 auf voraussichtlich 0,21 Prozent sinken lassen werden, weit entfernt von der international vereinbarten Zielmarke von 0,7 Prozent . Für 2001 wurden die Ansätze auf Intervention der Grünen im Bundestag um 325 Mio. DM erhöht, dabei werden aber erstmals die Finanzmittel für Ost- und Südosteuropa (insgesamt 300 Mio. DM) einbezogen. Faktisch ändert sich also wenig zum Besseren. Ein hoher Stellenwert der Entwicklungspolitik in Zeiten der Haushaltskonsolidierung - so das BMZ - lässt sich aus diesen Zahlen nicht ableiten .

IV. Schlussbemerkung

Natürlich lässt sich zum Teil mit dem gleichen oder sogar einem geringeren Mitteleinsatz politisch mehr erreichen, wenn denn diese Mittel zielgerichteter, mit nachhaltigerem Effekt und unter geringen Streuverlusten eingesetzt werden. Problematisch ist aber die - nicht nur auf deutscher Seite beobachtbare - Neigung, mit stetig abnehmenden Mitteln eine wachsende Zahl von ambitionierten Entwicklungszielen erreichen zu wollen. Wobei unter der neuen Bundesregierung jetzt noch die Vorstellung hinzukommt, mit dem Instrumentarium der EZ einen wichtigen Beitrag zu globaler Strukturpolitik leisten zu können. Dem entspricht, dass die gegenwärtige Dimension der Aufgabe nicht unterschätzt wird, wenn Vertreter der rot-grünen Regierung als Folge der Globalisierung fortgesetzte und verschärfte Marginalisierung ärmerer Länder und ärmerer bzw. niedrig qualifizierter Schichten im intensivierten weltweiten Wettbewerb wahrzunehmen glauben. Hält man diese Diagnose für richtig, muss man plausibel machen können, wie man gegen diese Kräfte erfolgreich ohne massive Eingriffe und Umverteilung (zumindest der Wachstumszuwächse), sondern allein mit internationaler Regelsetzung und einem eher bescheiden überarbeiteten und redimensionierten Instrumentarium der EZ angehen kann. Das dürfte nicht leicht fallen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Regierungserklärung zur Entwicklungspolitik, Frieden braucht Entwicklung, 19. Mai 2000; BMZ, Zwei Jahre Entwicklungspolitik des Bundesregierung aus SPD und Grünen. Halbzeitbilanz und Perspektiven, Bonn, September 2000; BMZ, Entwicklungspolitik. Jahresbericht 1998, Bonn 2000.

  2. Vgl. Dirk Messner/Franz Nuscheler, Global Governance. Herausforderungen an die deutsche Politik an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, Stiftung Entwicklung und Politik, Policy Paper 2, Bonn 1996; Ulrich Beck, Was ist Globalisierung, Frankfurt/M. 1997; Wolfgang Zürn, Regieren jenseits des Nationalstaats, Frankfurt/M. 1998; Georg Vobruba, Das Globalisierungsdilemma, in: ders./Dirk Messner, Die sozialen Dimensionen der Globalisierung, in: INEF Report, Heft 28, Duisburg 1998, S. 1-18.

  3. Vgl. Ulrich Brand, Posemuckel goes global, in: iz3w, (Oktober 1997), S. 224 f.

  4. Vgl. Wolfgang Streeck, Industrielle Beziehungen in der internationalisierten Wirtschaft, in: Ulrich Beck (Hrsg.), Politik der Globalisierung, Frankfurt/M. 1998, S. 169-202.

  5. Vgl. World Bank, World Development Report 2000/2001. Attacking Poverty, Washington, D.C. 2000; dies., The Quality of Growth, Oxford 2000.

  6. Vgl. Joachim Betz, Schuldenerlass und Armutsbekämpfung in strategischer Verknüpfung, in: Nord-Süd aktuell, XIV (2000) 1, S. 112-119.

  7. Vgl. ebd.

  8. Vgl. Stefan Brüne, Die französische Afrikapolitik. Hegemonialinteressen und Entwicklungsanspruch, Baden-Baden 1995; ders./Andreas Mehler; Die neue französische Afrikapolitik - Face-lifting oder außenpolitische Wende?, in: Rolf Hofmeier (Hrsg.), Afrika. Jahrbuch 1997, Opladen 1998, S. 46-58.

  9. Vgl. Angelika Spelten, Wie erkennt man Krisenpotenzial? Entwurf eines Indikatorenkatalogs, in: e+z, 41 (2000) 3, S. 70-72.

  10. BMZ, Krisenprävention und Konfliktbeilegung. Gesamtkonzept der Bundesregierung vom 7. 4. 2000, in: BMZ spezial, Nr. 17, Bonn 2000.

  11. Vgl. u. a. Paul Collier, Economic Causes of Civil Conflict and their Implications for Policy, World Bank, June 15, 2000.

  12. Vgl. Rolf Hanisch, Krisenprävention - eine neue Leerformel, in: Joachim Betz/Stefan Brüne (Hrsg.), Jahrbuch Dritte Welt 2000, München 2000, S. 55-67.

  13. Vgl. Andreas Mehler, Krisenprävention in der europäischen EZ. Eine frühe Bilanz und offene Fragen, in: e + z, 41 (2000) 3, S. 67-69.

  14. Vgl. Tobias Debiel/Volker Matthies, Krisenprävention - mehr Fragen als Antworten?, in: e+z, 41 (2000) 9, S. 250-253.

  15. Vgl. Michael Bohnet, Regionale und sektorale Schwerpunktbildung in der EZ, in: e+z, 41 (2000) 7/8, S. 196 f.; Jochen Kenneweg, Länderkonzepte und Förderstrategien, in: e+z, 41 (2000) 9, S. 236-238.

  16. Neueste Daten hierzu: World Bank, Can Africa claim the 21st century?, Washington, D.C. 2000.

  17. Angaben in: Deutsche Welthungerhilfe/terre des hommes, Die Wirklichkeit der Entwicklungshilfe. Achter Bericht 1999/2000, Bonn-Osnabrück 2000; OECD, Measuring aid to Basic Social Services, Paris 2000.

  18. Vgl. Heidemarie Wieczorek-Zeul, Entwicklungszusammenarbeit und Privatwirtschaft, in: e+z, 41 (2000) 2, S. 36 f.

  19. Vgl. Uwe Hoering; Public-Private Partnership - (Nur ein) neues Instrument oder neue Epoche der Entwicklungspolitik?, in: Peripherie, (1998) 72, S. 6-24.

  20. Vgl. Wolfgang Roth, Private Finanzierung von Infrastruktur, in: e+z, 41 (2000) 2, S. 44 f.

  21. Vgl. OECD, Development Co-operation Review of Germany, Paris 2000.

  22. Vgl. Deutsche Welthungerhilfe/terre des hommes (Anm. 17).

  23. Vgl. BMZ, Der Einzelplan 23 im Überblick (http:/www.bmz.de/medien/aktuell).

Dr. rer. soc., geb. 1946; leitender wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Übersee-Institut in Hamburg und Professor für Politische Wissenschaft an der Universität Hamburg.

Anschrift: Deutsches Übersee-Institut, Neuer Jungfernstieg 21, 20354 Hamburg.
E-Mail: betz@duei.de

Zahlreiche Veröffentlichungen zur Entwicklungspolitik und Entwicklungsfinanzierung, zu Verschuldung, Strukturanpassung und Rohstoffproblemen sowie zur wirtschaftlichen und politischen Entwicklung in Südasien.