Einleitung
In der sozialwissenschaftlichen Diskussion wird seit einiger Zeit ein weiterer Rückgang der Nachfrage nach Arbeitskräften bei gleichzeitigem Anstieg des Arbeitskräfteangebots prognostiziert. Die Schere werde sich weiter öffnen, eine Rückkehr zur Vollbeschäftigung sei nicht realistisch. Auch das Normalarbeitsverhältnis - gekennzeichnet durch einen dauerhaften, unbefristeten Arbeitsvertrag, Vollzeitbeschäftigung, tarifliche und soziale Sicherung - sei rückläufig. Dem so beschriebenen "Ende der Arbeitsgesellschaft" wird mit verschiedenen Modellen zur Krisenbewältigung bzw. Umstrukturierung unserer Erwerbsarbeitsgesellschaft begegnet, unter anderem dem der "Bürgerarbeit" oder - neuerdings - des "Bürgerengagements".
Wolfgang Klauder signalisiert hingegen eher Entwarnung: Zwar befänden sich die Industrieländer mitten in einem fundamentalen Strukturwandel, wodurch sich die Beschäftigungsstrukturen und Arbeitsformen von Grund auf verändern würden. Aber je schneller und offener der Wandel vorangetrieben werde, umso mehr neue Arbeitsplätze werde es geben. Der Autor beschreibt in seinem Essay die dazu erforderlichen Maßnahmen.
Zu ähnlichen Ergebnissen gelangt auch Jürgen Kocka, der sich dem Thema "Arbeit" aus der Perspektive des Historikers nähert. Der gegenwärtige Übergang von der industriellen zur postindustriellen Wirtschaft stelle das Beschäftigungssystem nicht vor härtere Herausforderungen als der Übergang von der vorindustriellen zur industriellen Gesellschaft. Die Vernichtung von Arbeitsplätzen sei immer wieder durch die Entstehung von noch mehr neuen Arbeitsplätzen kompensiert worden, neue Gleichgewichte hätten sich eingestellt. Vom "Ende der Arbeit" oder auch nur vom "Ende der Erwerbsarbeit" zu sprechen führt Kocka zufolge daher in die Irre.
Gerd Mutz ist ähnlicher Ansicht: Die gesellschaftliche Arbeit selbst und damit ihre Organisationsformen sowie die Lebensführung von Männern und Frauen hätten sich verändert. Aus der industriell geprägten Arbeitsgesellschaft entwickele sich eine "Neue Arbeitsgesellschaft". Es gehe nun um die Frage, ob die Menschen für die neu entstehenden Erwerbsformen gerüstet seien. Ein neuer Typus von Erwerbstätigen sei gefragt: der des "souveränen Arbeitsgestalters" - eine Art Manager, der in hohem Maße sein Arbeitsumfeld gestalten könne, dabei aber in seinen Entscheidungen nicht autonom sei.
Brigitte Rudolph fragt danach, welche Rolle den Frauen im Modell "Bürgerarbeit" zugedacht wird, das scheinbar geschlechtsneutral daherkommt. Die Autorin hegt den Verdacht, dass die Verfechter der "Bürgerarbeit" hauptsächlich die Frauen im Blick haben, wenn sie für die Erhöhung des Anteils ehrenamtlicher sozialer Arbeit im Bereich Gesundheit und Soziales plädieren. Obwohl dies nicht formuliert werde, sei nicht zu übersehen, dass die Hilfe am Nächsten jenen Personen nahe gelegt werde, die über das "weibliche Arbeitsvermögen" verfügten.
Die Neuorientierung der Arbeitsmarktpolitik ist das Thema von Irene Dingeldey und Karin Gottschall. Die jüngste Reform der Arbeitsmarktpolitik wird von den Autorinnen jedoch im Sinne einer Anpassung an veränderte Verhältnisse und nicht als wirkliche Neuorientierung bewertet. Weiterführende Reformen der Arbeitsmarktpolitik müssten sozial-, steuer- und familienpolitisch flankiert sein sowie kulturelle Reorientierungen einbeziehen. Dies würde zugleich eine Akzentverschiebung - weg von einer transfer-, hin zu einer diestleistungsorientierten Sozial- und Familienpolitik - erforderlich machen.