Einleitung
Die Chiffren BSE und MKS sind zu einer Art Menetekel geworden sowohl für Probleme in der Verbraucherpolitik wie für unseren Umgang mit der Natur. Angesichts erschreckender, verstörender Bilder der Massenvernichtung von "Nutztieren" wie der Vernichtung bäuerlicher Existenzen wurde uns allen deutlich, dass es so nicht mehr weitergehen kann: maximale Produktionssteigerungen ohne Rücksicht auf Mensch und Tier. Die Zeit nicht mehr nur für einzelne Reformen, sondern für eine prinzipielle Wende ist gekommen.
Einen Maßstab für den jetzt erforderlichen Werte- und Verhaltenswandel setzt Ulrich Grober mit dem Titel seines Essays: "Die Idee der Nachhaltigkeit als zivilisatorischer Entwurf". Denn um nichts weniger geht es - um ein verändertes Verhältnis zu den problematischen Lebensbedingungen, die unsere Zivilisation geschaffen hat. Dabei handelt es sich nicht um ideologischen Kulturpessimismus, sondern um eine moralische und materielle Neubestimmung unserer Lebensgrundlagen. Pragmatisch formuliert: "Halb so viel, dafür doppelt so gut."
Die wirksamsten Anstöße für eine Veränderung des Verhaltens - dies zeigt die Erfahrung - gehen weniger von moralischen Appellen aus, sondern eher von materiellen Sanktionen. Eine moderne Verbraucherpolitik, so Edda Müller, begnügt sich aber nicht mit Qualitätsprüfungen ex post - also mit einer Art Nachsorge -, sondern sie sollte schon an der Produktionsplanung beteiligt sein. Eine Parallele zu diesem produktionsbegleitenden Beteiligungs- und Kontrollprozess sieht die Autorin in den Umweltschutzrichtlinien, die heute auf jeder Produktionsstufe beachtet werden müssen.
Die Forderung eines präventiven Verbraucherschutzes wird auch von Eike von Hippel vertreten. Er erinnert daran, dass Verbesserungen im Verbraucherschutz seit den siebziger Jahren stets nur durch entsprechende politische Maßnahmen und juristische Regelungen erfolgten. Dies wird nicht anders sein bei den bevorstehenden, sehr viel weiter gehenden Umsteuerungsprozessen. Diese erfordern zugleich auch eine verbesserte Organisation der Verbraucher, etwa eine zentrale Verbraucherschutzbehörde.
Auf Seiten der Verbraucher geht es jedoch nicht nur um effektivere Mitsprache und Organisation. Auch ihr eigenes - unser eigenes - Verhalten muss sich in mancherlei Hinsicht verändern. Dies betonen Joachim H. Spangenberg und Sylvia Lorek in ihrem Beitrag über nachhaltigkeitsorientierten Konsumwandel. Zumal in der BSE-Debatte ist dieser Aspekt immer wieder hervorgehoben worden, dass billige Nahrungsmittel nur auf Kosten gesunder, umweltschonender Produktions- und Lebensbedingungen möglich sind, hier also Änderungen erfolgen müssen.
Dabei muss eine grundlegende Umorientierung der agrarischen Produktion keineswegs nur mit erhöhten Kosten einhergehen, wie Lutz Ribbe verdeutlicht. Hinsichtlich der geradezu exorbitanten EU-Agrarsubventionen, die oftmals zu - ebenfalls subventionierter - Lagerung von Überproduktion sowie zu hoher Umweltbelastung und paradoxerweise überdies zur Vernichtung vieler bäuerlicher Betriebe geführt haben, sind ganz andere Verwendungsmöglichkeiten dieses mit weitem Abstand höchsten EU-Etats denkbar. Anstelle leergeräumter, öder Agrarflächen wäre z. B. die Subvention von Renaturierung und Landschaftspflege möglich. Eine Umsteuerung in der Landwirtschaft wird aber nicht nur von Einsicht und gutem Willen abhängen, sondern vor allem von der Überwindung vielfacher Widerstände, zumal von bisherigen Subventionsnutznießern.