I. Kriminelle Energie und politische Praxis
Untersuchungsgegenstand dieses Beitrags ist nicht die Mafia als eine konkrete historische und aktuelle italienische Variante Organisierter Kriminalität. Dieser Begriff steht für ein System unkontrollierter Macht und wird daher oft als Metapher benutzt, die auch pathologische Erscheinungsformen von Macht, ihren Missbrauch, beschreibt. Im Folgenden soll sichtbar gemacht werden, dass Organisierte Kriminalität und Korruption nicht nur Merkmale defizitärer, strukturschwacher Gesellschaften sind, sondern dass sie in allen politischen Systemen vorkommen. Intakte Gesellschaftssysteme mit einer funktionierenden Recht-sprechung, parlamentarischen Opposition und freien öffentlichen Meinung können allerdings effektive Abwehrmechanismen herausbilden
Im Folgenden illustrieren einige Beispiele die Spannweite von Organisierter Kriminalität und Korruption:
Einer der Angeklagten war Außenminister der Republik. Daneben hatte Roland Dumas in seinem langen Leben so viele hohe und höchste Staatsämter in Frankreich bekleidet, dass sie hier nicht aufzuzählen sind. Seine Position als einer von sieben Beschuldigten im ersten Prozess gegen das frühere "Staatsunternehmen" Elf Aquitaine (darunter der ehemalige Präsident des Unternehmens, Le Floch-Prigent) ist wohl nicht der Gipfelpunkt einer beeindruckenden Karriere. Immerhin ging es seit dem 22. Januar 2001 um die Klärung des Verdachts der Unterschlagung, Vorteilsannahme sowie der Veruntreuung öffentlicher Gelder. Umgerechnet etwa 20 Millionen DM sollen zwischen 1989 und 1993 aus den Kassen von Elf in Form gesetzwidriger "Kommissionen" abgeführt worden sein. Das Geld soll zum Großteil bei der damaligen Geliebten des Außenministers, Christine Deviers-Joncour, gelandet sein. Der französische Staatsanwalt, Jean-Pierre Champrenault, verglich in seinem Plädoyer die Methoden der Elf-Führungsspitze mit dem Vorgehen krimineller Kartelle. Der Präsident des Unternehmens und seine rechte Hand, Alfred Sirven
Im März 2001 haben die Entwicklung im Kosovo/Mazedonien sowie die Erfahrungen zwischen Bilbao und Kabul (und noch früher diejenigen in Mittel- und Südamerika) Kommentatoren zu der Einsicht gebracht, dass, so edel und plausibel die Motive der Guerilleros am Anfang auch klingen mögen, sich mit den Jahren der politische Untergrund offenbar unvermeidlich in einen kriminellen verwandelte: "Freiheitskämpfer werden zu organisierten Verbrechern."
Der ehemalige Verwaltungschef des Kreml, Borodin - enger Vertrauter von Boris Jelzin und des russichen Präsidenten Putin -, war zur Teilnahme an den Inaugurationsfeierlichkeiten des amerikanischen Präsidenten Bush eingeladen, als er bei der Einreise in die Vereinigten Staaten aufgrund eines schweizerischen internationalen Haftbefehls festgenommen wurde
In Deutschland beschäftigt sich ein Untersuchungsausschuss des Bundestages u. a. mit der Frage, ob Entscheidungen der Bundesregierung (insbesondere beim Export von mehreren Dutzend ABC-Spürpanzern nach Saudi-Arabien) unter der Führung des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl käuflich waren
Helmut Kohl hat eingeräumt, jahrelang Geld in Millionenhöhe angenommen und dessen Überweisung auf Konten veranlasst zu haben, die von den üblichen Konten der Bundesschatzmeisterei der Christlich Demokratischen Union (CDU) getrennt waren. Über diese Gelder hat er nach eigenem Gutdünken verfügt. Bislang verschweigt Kohl entgegen den Vorschriften des Gesetzes über die politischen Parteien die Identität der Spender
Im Hinblick auf die Frage, ob wichtige Daten und Akten zum Bau der Raffinerie Leuna, zum Export von ABC-Spürpanzern, Airbus-Flugzeugen und zu dem Verkauf von Eisenbahnerwohnungen absichtlich vernichtet oder beiseite geschafft wurden, wird zudem öffentlich beklagt, dass die deutschen Staatsanwälte all ihren juristischen Einfallsreichtum nutzten, um sich diese heiklen Fälle vom Hals zu schaffen, statt mit der gebotenen Professionalität Licht in die dunklen Geschichten zu bringen. Es handele sich um eine "traurige Posse", die gleichsam strukturelle Ursachen habe. Für das explosive Gemisch aus Politik und möglicher Wirtschaftskriminalität scheine die Justiz prinzipiell nicht gerüstet.
Dagegen hatte man in Italien anscheinend genügend Beweise gesammelt, um den langjährigen Ministerpräsidenten Andreotti wegen des Verdachts einer strafbaren Verbindung zur Mafia vor Gericht zu stellen. Dieser Umstand ist ungeachtet der Tatsache, dass die Ermittlungsergebnisse nicht für eine Verurteilung reichten, bemerkenswert. Nach deutschem Strafprozessrecht kann das Hauptverfahren vom Gericht erst bei "hinreichendem" Tatverdacht eröffnet werden (§ 203 StPO).
Zwar mögen diese (beliebig vermehrbaren) Beispiele völlig ungeeignet sein, um Qualität und Ausdehnung der korrumpierenden Wirkung Organisierter Kriminalität zu illustrieren. An dieser Stelle mag auch offen bleiben, ob es sich um Episoden oder um ein weltweit funktionierendes System handelt. Das ändert aber nichts daran, dass es in vielen Teilen der Welt nicht immer ganz einfach ist, politische Parteien, Regierungen, Wirtschaftsunternehmen, Justiz, Polizei und Armee von Strukturen Organisierter Kriminalität zu unterscheiden. So nahm beispielsweise auch das Regime des ehemaligen Präsidenten Serbiens und der Bundesrepublik Jugoslawien, Milosevic, am Ende Züge einer scheindemokratischen Diktatur an, in der Politik, Unterwelt und Polizei nicht mehr auseinander zu halten waren
In Peru hat man Beweismaterial beschlagnahmt, welches belege, dass eine "Mafia" den Staat gekapert habe. Der ehemalige Chef des peruanischen Geheimdienstes, Montesinos, soll systematisch Institutionen, Privatwirtschaft und Medien seines Landes korrumpiert haben. Hauptstütze sei die Justiz gewesen: Es wird behauptet, dass Montesinos Richter und Staatsanwälte eingesetzt und für günstige Gerichtsurteile bezahlt habe
In Japan, so schätzt man, haben ca. 80 000 Personen, die der Organisierten Kriminalität ("Yakuza") zugerechnet werden, in den (bisherigen) Hauptzweigen der Unterwelt (Drogen und Sex) eine Billion Yen (9,3 Milliarden Dollar) im Jahr 2000 verdient (die Hälfte mit Drogen und ungefähr ein Viertel aus dem Sexgeschäft). Dort ist es aber mittlerweile zum größeren Problem geworden, dass sich zumindest eine kriminelle große Organisation (Yamaguchi Gumi) in die "New Economy" des Landes eingeschlichen hat und politische Verbindungen zu den höchsten Rängen der Regierung unterhält. Sie half bei den Unterhauswahlen im Juli 2000 diskret bei der Geldbeschaffung und beim Stimmenfang einer Vielzahl von Politikern aus der Liberal-Demokratischen Partei des (etwa ein Jahr im Amt befindlichen) Premierministers Yoshiro Mori und aus anderen konservativen Parteien. Es soll keinen einzigen Politiker in Japan geben, der seinen lokalen Yakuza-Boss nicht kennt. Ein in der Bekämpfung des organisierten Verbrechens ehemaliger führender japanischer Polizist (Raisuke Miyawaki) glaubt, dass es zudem unmöglich sei, die Verknüpfungen zwischen der Geschäftswelt Japans und der dortigen Unterwelt in den Griff zu bekommen, weil sie zu ausgedehnt seien. In einer globalisierten Welt droht die weiter wachsende Beteiligung der Yakuza-Mitglieder an der zweitgrößten Wirtschaft der Welt auch die Handelspartner Japans in Asien, Westeuropa und den Vereinigten Staaten von Amerika zu treffen
Für Deutschland noch näher liegt natürlich der Konflikt im Kosovo, wo es nach dem Eindruck sachkundiger Beobachter "gerade erst los geht". Statt eines demokratischen Rechtsstaats sieht man dort nur ein "kriminell oder militärisch straff durchorganisiertes Gebilde" entstehen - eine Entwicklung, die den ganzen Balkan destabilisiere. Auch der Staat Albanien, dessen führende Politiker den Verdacht nicht abstreifen könnten mit dem organisierten Verbrechen gemeinsame Sache zu machen, bleibe "dauerhaft derangiert"
Immerhin gibt es mittlerweile in Deutschland über Parteigrenzen hinweg einige Bemühungen, in diesem Themenfeld Gemeinsames und Trennendes zu erkennen. Dabei zeichnen sich selbst zwischen Persönlichkeiten, die sehr verschiedenen politischen Überzeugungen anhängen, zumindest in der Tendenz überraschende Übereinstimmungen ab. Nachdem Kohl den Ehrenvorsitz über die CDU niedergelegt hatte, äußerte deren ehemaliger Generalsekretär Heiner Geißler, er hätte Verständnis dafür, wenn von dort Stimmen kämen, die Kohl zur Rückgabe seines Bundestagsmandats aufforderten. Kohls Schweigen über die Identität angeblicher Parteispender ziehe den Verdacht auf die CDU, in Straftaten Organisierter Kriminalität verwickelt zu sein. Angesichts der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen in Bayern, Hessen, Bonn und der Schweiz gegen führende CDU-Politiker oder deren engste Vertraute falle es den Sozialdemokraten und Grünen leicht, von einem kriminellen Umfeld zu sprechen, mit dem der politische Gegner zumindest in Berührung gekommen sei
II. Organisierte Kriminalität und justizielle Praxis
Organisierte Kriminalität ist nicht als solche strafbar. Den Traditionen unseres Strafrechts und verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechend (Art. 103 II GG) macht man sich nur dann wegen eines Tuns oder Unterlassens strafbar, wenn die Merkmale eines gesetzlichen Straftatbestandes rechtswidrig und schuldhaft (vorsätzlich oder fahrlässig) erfüllt sind und die Strafbarkeit vorher gesetzlich bestimmt war. Ein Angeklagter kann nur dann verurteilt werden, wenn ihm die Begehung konkreter einzelner Straftaten nachgewiesen wurde. Es wirkt allerdings strafverschärfend, wenn er als Mitglied einer Bande oder gewerbsmäßig gehandelt hat. Möglich ist auch eine Strafverfolgung wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung (§ 129 StGB). Die Diskussion über die Merkmale, die Gefährlichkeit und die Möglichkeiten der Verhütung und Verfolgung der Organisierten Kriminalität wird häufig dadurch erschwert, dass in diesem Zusammenhang eine begriffliche Vermengung stattfindet. Organisierte Kriminalität ist gerade nicht auf die Dimension einer Bande, gewerbsmäßigen Handelns oder einer kriminellen Vereinigung zu reduzieren
Eine erste Annäherung an die komplexe Problematik könnte von der These ausgehen, dass die Bezeichnung "Organisierte Kriminalität" strafbare Aktivitäten umfasst, die nicht die Folge einer ausschließlich individuell entfalteten kriminellen Energie sind. Sie steht also nicht für ein eher kurzfristiges und auf den einzelnen Täter bezogenes Ziel. Das Phänomen der Organisierten Kriminalität, das könnte Teil einer Hypothese sein, ist von Organisationsstrukturen und Personengruppen geprägt, welche die Begehung von Verbrechen zu ihrem "Geschäft" oder gar "Lebenswerk" gemacht haben
Die polizeiliche und justizielle Praxis geht bei dem Versuch, den Begriff der Organisierten Kriminalität inhaltlich auszufüllen, von einer Definition aus, die in den "Gemeinsamen Richtlinien der Justizminister/-senatoren und der Innenminister-/senatoren der Länder über die Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaften und Polizei bei der Verfolgung der Organisierten Kriminalität"
- Beteiligung von mehr als zwei Personen;
- planmäßige Begehung von Straftaten erheblicher Bedeutung;
- längeres arbeitsteiliges Zusammenwirken;
- Gewaltanwendung/Einschüchterung;
- gewerbliche/geschäftsähnliche Strukturen;
- Einflussnahme auf Politik, Medien, Verwaltung, Justiz, Wirtschaft;
- Gewinn-/Machtstreben.
Der Inhalt der Richtlinie stellt insoweit fast eine "paralegale Form der Übereinstimmung"
Das Europäische Parlament hat im Jahre 1997 eine Entschließung angenommen, aus der sich immerhin eine Definition der kriminellen Vereinigung ergibt, die im weiteren Verlauf der Meinungsbildung in der Europäischen Union zu einem einheitlichen Begriff führen soll. Danach handelt es sich um einen Zusammenschluss von mehr als zwei Personen, die den gemeinsamen Zweck verfolgen, Straftaten zu begehen, die mit einer Freiheitsstrafe von mindestens vier Jahren bedroht sind und die insbesondere in den Bereichen des Drogen- und Menschenhandels, der Geldwäsche und anderer Formen der Wirtschaftskriminalität (Finanzbetrug über Internet oder über elektronische Finanzgeschäftsabwicklung, Geldanlage, Erlangung extraterritorialer Vorteile und Steuerbetrug wie organisierter Mehrwertsteuer- und Verbrauchsteuerbetrug) sowie des Terrorismus angesiedelt sind und dabei Einschüchterung, Bedrohung, Gewalt, Betrug oder Bestechung anwenden oder kommerzielle oder andere Strukturen nutzen (einschließlich der Inanspruchnahme der Unterstützung oder des Schutzes durch Personen, die bedeutsamen Institutionen angehören), um die Ausführung der strafbaren Handlungen zu verschleiern oder zu erleichtern
Daneben gibt es zahlreiche Entschließungen zu Entwürfen, Entwürfe zu Entschließungen und Entschließungen zu Entschließungen sowie Aktionspläne der verschiedenen Gremien in den Bereichen Organisierte Kriminalität und Korruption. Sie sind im hier gegebenen Rahmen nicht zu dokumentieren
Das deutsche Strafgesetzbuch sieht eine Strafbarkeit für denjenigen vor, der eine Vereinigung gründet, deren Zweck oder Tätigkeit darauf gerichtet ist, Straftaten zu begehen. Strafbar ist auch derjenige, der sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, für sie wirbt oder sie unterstützt. Eine Strafbarkeit liegt u. a. nicht vor, wenn die Vereinigung eine politische Partei ist, die das Bundesverfassungsgericht nicht für verfassungswidrig erklärt hat, oder wenn die Begehung von Straftaten nur ein Zweck oder eine Tätigkeit von untergeordneter Bedeutung ist (§ 129 II Nr. 1 und 2 StGB).
Bilden in Italien drei oder mehr Personen eine "Vereinigung zur Begehung von Verbrechen", so sind diejenigen, welche die Vereinigung anregen, gründen oder organisieren, "schon deswegen" mit Gefängnisstrafen von drei bis zu sieben Jahren zu bestrafen. Auch die bloße Beteiligung an der Vereinigung wird mit mehrjährigem Freiheitsentzug bestraft. Die Vereinigung ist mafiaartig, wenn ihre Mitglieder sich der einschüchternden Macht der Bindung an die Vereinigung und der daraus folgenden Bedingung der Unterwerfung und der Schweigepflicht bedienen, um Verbrechen zu begehen, damit sie mittelbar oder unmittelbar die Leitung oder sonstwie die Kontrolle über wirtschaftliche Tätigkeiten, Konzessionen, Ermächtigungen, öffentliche Vergaben und Dienste erlangen oder für sich oder andere ungerechtfertigte Erträge oder Vorteile erzielen, oder damit sie bei Wahlen die freie Ausübung des Stimmrechts verhindern oder behindern oder für sich oder andere Stimmen verschaffen
In den USA enthält insbesondere die "RICO"-Gesetzgebung (Racketeer influenced and corrupt organizations) eine Reihe von Definitionen. Zu den "racketeering activities" zählen u. a. Handlungen oder Drohungen bzgl. bestimmter Delikte (Mord, Entführung, Raub, Erpressung, Bestechung u. v. m.). Das amerikanische Gesetz
III. Schattenwirtschaft, Subventionen und Betrug
Es ist eine ("bewährte") Banalität: Jeder Staat (Staatengemeinschaft) hat die Organisierte Kriminalität, die er (sie) verdient. Rationierung, Subventionierung, Staatsmonopole, Lizenz- und Kontrollbürokratie führen zwangsläufig zu Regelungsdickichten. Werden diese bewusst so angelegt, dass sie schier undurchdringlich erscheinen, können legale Ziele oft nur durch Bestechung der zuständigen Beamten erreicht werden: "In Regelungsdickichten sprudeln Schmiergeldquellen."
Insbesondere die Europäische Union ist nach dem Empfinden mancher Beobachter aufgrund der Kombination widersinniger Regelungen und einer unbeholfenen Überwachungsbürokratie zu einem "Eldorado für Betrüger"
Wie der Presseberichterstattung über die russische "Trans World Group"
Aber auch dort, wo ein dichtes Regelungsnetz von der Bürokratie nicht als künftige Schmiergeldquelle geplant ist, hat sich die Grenze zwischen einer bloß unwirtschaftlichen Bürokratie und "richtiger" Organisierter Kriminalität verwischt. Mittlerweile ist mancherorts der Verdacht entstanden, dass einige Bereiche des Besonderen Verwaltungsrechts (z. B. Raumplanung, Baurecht, immissionsträchtige Gewerbebetriebe) durch verschachtelte Genehmigungserfordernisse, Zuständigkeiten und Einsprachemöglichkeiten vielleicht bewusst so kompliziert geregelt sind, dass der Bürger seine Rechte nicht ausschöpfen kann, sondern sich irgendwie mit dem Staat arrangieren muss. Das bedeutet aber, dass "Insider" und große Unternehmen, beraten von internationalen Anwaltskonzernen, für die der deutsche Begriff "Kanzlei" geradezu grotesk verfehlt ist, gegenüber dem einfachen "Rechtsunterworfenen" einen strategischen und uneinholbaren Vorteil haben
Im Übrigen sind es nicht erst die Staatsmonopole, sondern die in vielen, nicht als manifest korrupt angesehenen Demokratien westlichen Zuschnitts gängigen Quersubventionen der öffentlichen Haushalte, die unwirtschaftliche Ausgaben provozieren und ein System begünstigen, das nicht durch effizientes Verhalten gesteuert wird, sondern von einer Kameraderie der Bereicherung und der politischen Ambitionen. Dies könnten möglicherweise der Geschäftsverlauf bei der einen oder anderen (Landes-)Bank, der Gang mancher Immobiliengeschäfte, die Finanzierungstechniken politischer Parteien, die Investitionsentscheidungen einiger Unternehmen in Berlin, Leuna und anderen Orten in Deutschland bzw. in gar nicht so fern liegenden Nachbarländern vielleicht doch noch einmal zeigen. In solchen Systemen kann die Differenz zwischen (formal) legalen Beziehungsnetzen und Strukturen, die im Kern mafiös sind, marginal werden
IV. Zahlen und Fakten
Das Bundeskriminalamt erstellt seit 1991 einen bundesweiten Bericht nach einheitlichem Raster. Das darin enthaltene "Lagebild" unterscheidet sich von der Polizeilichen Kriminalstatistik dadurch, dass neben der Auswertung abgeschlossener polizeilicher Ermittlungsverfahren auch in noch laufenden Verfahren "Zwischenbilanz" gezogen wird; dabei werden die ausgewählten Daten im Folgejahr nicht erneut berücksichtigt. Somit enthält die Darstellung jeweils die im Verlauf eines Kalenderjahres durch die Polizeien der Länder und des Bundes festgestellten Ermittlungsergebnisse. Es handelt sich bei dem Lagebild also "nur" um einen Arbeitsnachweis. Die Aussagekraft könnte durch eine systematische Einbeziehung von Justizerkenntnissen verbessert werden. Auch eine internationale Bestandsaufnahme ist dringend geboten. Voraussetzung ist jedoch eine einheitliche Definition und ein einheitliches Erhebungsraster.
In ihrer Antwort auf die Große Anfrage des Abgeordneten Jürgen Meyer und weiterer Abgeordneter der SPD-Bundestagsfraktion in der vergangenen Legislaturperiode hatte die damalige Bundesregierung auf die Ergebnisse der Lagedarstellung von 1995 hingewiesen. Die seinerzeitigen Erkenntnisse hätten erneut gezeigt, dass die Organisierte Kriminalität in Deutschland ein schwerwiegendes Kriminalitätsphänomen darstelle und unbeschadet des Dunkelfelds auch in den nächsten Jahren mit vergleichbaren Lagen zu rechnen sei
Nicht nur im Hinblick auf das Gesamtstrafenaufkommen ist eine nur quantifizierende Betrachtung der Organisierten Kriminalität von nachrangiger Bedeutung. Die Darstellung der Sicherheitslage ist insoweit ungenau. Trotz aller redlichen Bemühungen steht hinter den Zahlenangaben ein rational nicht auflösbares Konglomerat aus Fakten, Hypothesen, Nichtwissen, mangelndem Willen zum Wissen und subjektiven Empfindungen
Das tatsächliche Gefährdungspotential der Organisierten Kriminalität ließe sich eher aus den materiellen Schäden und den illegalen Gewinnen ableiten. Aber auch insoweit sind die vom OK-Lagebild des Bundeskriminalamtes im Umlauf gesetzten Zahlen nur naive Näherungen, welche die Realität nicht abbilden. Man müsste z. B. auch den Steuerausfall, der die finanziellen Handlungsspielräume des Staats einengt und der sich wegen der Ausgabenkürzungen auf alle gesellschaftlichen Bereiche auswirkt, hinzurechnen. Dies leistet das Bundeskriminalamt nicht.
V. Innere und äußere Sicherheit
Der Prozess der Globalisierung
(1) Bewaffneter Angriff;
(2) internationale terroristische Anschläge in der Bundesrepublik Deutschland;
(3) internationale Verbreitung von Kriegswaffen/illegaler Außenwirtschaftsverkehr mit Waren, Datenverarbeitungsprogrammen und Technologien;
(4) unbefugte Verbringung von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge;
(5) im Ausland begangene Geldfälschungen;
(6) Geldwäsche im Zusammenhang mit (3) bis (5).
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 14. Juli 1999 zwar entschieden, dass dem Bundesnachrichtendienst keine Befugnisse eingeräumt werden dürfen, die auf die Verhütung, Verhinderung oder Verfolgung von Straftaten als solche gerichtet sind
Bei dem Rüstungshandel, dem internationalen Terrorismus, dem Drogenexport und der damit zusammenhängenden Geldwäsche handele es sich nicht nur um internationale Kriminalität. Diese Aktivitäten seien vielmehr dadurch gekennzeichnet, dass sie häufig von ausländischen Staaten oder von ausländischen Organisationen, die mit staatlicher Unterstützung oder Duldung operierten, ausgingen - jedenfalls aber Dimensionen annähmen, die internationale Gegenmaßnahmen erforderten. Die Bundesrepublik Deutschland muss nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts da-her ihre Außen- und Sicherheitspolitik und ihre internationale Zusammenarbeit darauf einstellen können und bedarf hierfür auch im Interesse ihrer Handlungs- und Bündnisfähigkeit entsprechender Kenntnisse.
VI. Resümee
In der Bundesrepublik Deutschland ist der Gesetzgeber seit 1992 bemüht, die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität mit Hilfe mehrerer Gesetze zu verbessern
Unbedingter Erfolgswille und zu große Orientierung an materiellem Wohlstand sind die wichtigsten mentalen Voraussetzungen organisierter Straftatbegehung. Die Geldwäsche ist das "Herzstück" der Organisierten Kriminalität
Vorrangig ist jedoch der Aufbau einer politischen Kultur und einer internationalen Wettbewerbsordnung, welche die in jüngerer Zeit enorm gestiegenen Chancen der Organisierten Kriminalität, sich als Wirtschaftsform und "politisches" Prinzip zu etablieren, wieder verringern. Gegenüber den Erfolgsaussichten ist allerdings Skepsis angebracht. In der Organisierten Kriminalität entfaltet sich vielleicht nur die Essenz des kapitalistischen Prinzips. Dort findet eine "Radikalisierung" wirtschaftlicher Prozesse statt
Das Postulat der Unterscheidbarkeit von Gewinn und Beute hat angesichts der tatsächlichen Verhältnisse die Überzeugungskraft eines Ammenmärchens