Einleitung
Debatten und Kontroversen um Zeitdiagnosen und Gesellschaftsbegriffe sind so alt wie die Soziologie selbst. Das Label Wissensgesellschaft steht für die gegenwärtig populärste Zeitdiagnose. Damit soll erstens eine unumkehrbare Entwicklung in Richtung eines "dritte(n) gewaltige(n) Paradigmenwechsel(s) in der Geschichte der Menschheit"
Zwei zentrale Implikationen sollen im Vordergrund stehen: Erstens die These, der zufolge Wissensgesellschaften sich durch eine bereits durchgesetzte Leistungsgerechtigkeit - insbesondere im Bildungssystem - sowie durch gesamtgesellschaftlich gestiegene Handlungsoptionen auszeichneten; zweitens die Behauptung, dass diese mittelfristig zu einer Nivellierung sozialer Ungleichheit führten, weil Wissen durch alle Schichten diffundiere und die sozialen Akteure über Konzepte wie "lebenslanges", "lebensbegleitendes" oder "selbstgesteuertes Lernen" Methoden zur individuellen Nutzung des gesellschaftlichen Optionszuwachses an die Hand bekämen.
I. Wissensgesellschaft - Charakteristika einer Debatte
Sowohl in der öffentliche Diskussion um das Label Wissensgesellschaft als auch in der sozialwissenschaftlichen Theoriedebatte wird davon ausgegangen, dass es sich bei den Veränderungen, auf die der Begriff verweisen soll, um irreversible Prozesse und Phänomene handelt. Der gesamtgesellschaftliche Trend von modernen westlichen Industriegesellschaften hin zu "Wissensgesellschaften" wird als unumkehrbare Entwicklung, mithin als epochaler Wandel konzipiert.
1. Ökonomie: Die Veränderungen innerhalb der ökonomischen Sphäre haben in der Wissensgesellschaftsdebatte einen zentralen Stellenwert. Als entscheidender Strukturwandel wird der relative Bedeutungsverlust des produktiven und die Aufwertung des tertiären bzw. Dienstleistungssektors angesehen. Dabei wird nicht etwa die unmittelbare Produktion von Waren gesamtgesellschaftlich unwichtiger, sondern um die Herstellung von Gütern gruppieren sich "wissensintensive" produktionsbegleitende Dienstleistungen wie zum Beispiel Forschung und Entwicklung, Design, Logistik, Marketing, Beratung und Service. Die arbeitsintensive Warenproduktion wird einerseits stärker als zuvor in Länder mit günstigerer Lohnkostenstruktur verlagert, andererseits wird Arbeitskraft durch modernere Maschinen ersetzt
Über die Veränderungen in der unmittelbaren Produktionssphäre hinaus ist für die "wissensgesellschaftliche" Ökonomie der rasante Bedeutungszuwachs der Devisen-, Finanz- und Kapitalmärkte von Bedeutung. Auf der Grundlage der modernen Informations- und Kommunikationstechnik hat sich in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten eine "symbolische Ökonomie" herausgebildet, die sich von der Warenproduktion weitgehend entkoppelt hat und immer nachhaltiger die wirtschaftlichen Trends von Nationen bestimmt.
Wissen wird in Wissensgesellschaften aufgrund der beschriebenen Entwicklungen in zweifacher Weise als unmittelbarer Produktionsfaktor begriffen: erstens in Form von in Organisations- und Managementstrukturen gespeichertem Wissen, das für die Produktionsprozesse im Zuge der Tertiarisierung der Warenproduktion entscheidend wird; zweitens wird Wissen auf globalisierten Devisen-, Finanz- und Kapitalmärkten in Form einer permanenten Informationsselektion zur essenziellen Ressource für wirtschaftlichen Erfolg.
2. Politik: Die Frage nach der politischen Steuerbarkeit von Wissensgesellschaften wird in der Debatte seit den siebziger Jahren diskutiert.
Die Handlungsspielräume der politischen Entscheidungsträger scheinen vor allem durch die Veränderungen in der ökonomischen Sphäre erheblich eingeschränkt zu sein. Durch die enorme Flexibilität der Kapital- und Finanzströme und die daraus resultierende Ausweitung von ausländischen Direktinvestitionen konkurrieren Nationalstaaten in stärkerem Maße als noch in den siebziger Jahren um ausländische Investoren. Dabei werden die durch die ArbeiterInnenbewegung erstrittenen sozialen Sicherungssysteme und Teilhaberechte in allen westlichen Industriestaaten zurechtgestutzt. Auf der Basis einer antikeynesianischen, neoliberalen Wende in der Wirtschaftspolitik werden wichtige gesellschaftliche Bereiche durch Privatisierungen der politischen Steuerung weitgehend entzogen. Dazu zählen zum Beispiel die Energieversorgung, der Verkehrsbereich, die Gesundheitsversorgung und in einer wachsenden Zahl von Ländern (zurzeit vorrangig USA, Großbritannien) sogar der Strafvollzug oder die Betreuung von Flüchtlingen und Asylsuchenden
3. Bildung und Wissen: Kaum eine gesellschaftliche Sphäre ist so eng mit dem Label Wissensgesellschaft verflochten wie das Feld der Schule und der Bildung.
Unklar in der Debatte um Wissensgesellschaften ist, ob der technische Fortschritt den eigentlichen Motor dieser Entwicklung darstellt oder ob umgekehrt die massive politisch induzierte Bildungsexpansion in allen westlichen Industrienationen am Beginn der Wissensgesellschaft steht. In der zweiten, hier vertretenen Variante wird durch das gestiegene Angebot von hoch qualifizierten und gut ausgebildeten Personen die weitere Nachfrage nach wissensintensiven Fähigkeiten zum Teil selbst produziert. Die Annahme, dass Wissensgesellschaften ein unumkehrbarer, weil auf die technische Entwicklung bezogener Prozess seien, wird damit relativiert. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass sich die gesellschaftlichen Veränderungen, auf die das Label Wissensgesellschaft rekurriert, nicht durch den technologischen Wandel allein erklären und aus der Technikentwicklung abgeleitete Sachzwänge sich stärker als gemeinhin angenommen politisch regulieren lassen.
Zentral für den Kontext meiner Überlegungen ist, dass das Bildungssystem in Wissensgesellschaften einen herausragenden Stellenwert erhält und die Zuteilung von Lebenschancen nachhaltig prägt.
4. Kultur: Obwohl auch die kulturelle Sphäre unter wissensgesellschaftlichen Bedingungen spezifischen Modifikationen unterworfen ist, wird sie in der Debatte um "Wissensgesellschaften" stiefmütterlich behandelt. Dabei wäre es eine unzulängliche Einschränkung, würde man die Wissensgesellschaft nur mit einem Mehr an Wissenschaft, Technologie und Bildungsbeteiligung beschreiben.
Wenn die Sphäre der Kultur in der Debatte überhaupt thematisiert wird, dann stets rückgebunden an die neuen Kommunikations- und Informationstechnologien. Dem Medium Internet wird in diesem Zusammenhang die Eigenschaft zugeschrieben, kulturelle Hierarchien oder Hegemonien zu nivellieren, weil der Zugriff auf den "Mega-Wissensspeicher" Internet im Kern demokratisch sei.
Wie die Ausführungen bereits erkennen lassen, scheint die Debatte um Wissensgesellschaften mit Ambivalenzen behaftet zu sein. Während sich einerseits in den Bereichen Ökonomie, Politik und Bildung eine durch Informations- und Kommunikationstechnologien verursachte Verschärfung der Konkurrenz zwischen Nationalstaaten, ein Abbau sozialer Sicherungssysteme sowie eine Zunahme der Kompetenzzumutungen im schulischen Kontext beobachten lässt, soll andererseits dieselbe Technologie im Bereich der kulturellen Sphäre enthierarchisierende Konsequenzen mit sich bringen. Es bezeichnet ein dominantes Merkmal sowohl der fach- als auch der populärwissenschaftlichen Debatte, dass mit der Entwicklung zu Wissensgesellschaften die Hoffnung auf eine mittel- bis langfristige Reduzierung sozialer Ungleichheiten verbunden wird. So ist nicht nur für den ehemaligen Bildungsminister Jürgen Rüttgers die "Wissensgesellschaft . . . kein exklusiver Club mit Zugangsbeschränkung"
Die Ambivalenzen resultieren aus drei zentralen Defiziten des augenblicklichen Wissensgesellschaftsdiskurses: Erstens ist bislang auf die systematische Einbeziehung kultursoziologischer Theorien verzichtet worden - um den Preis eines lediglich an die Technikentwicklung angelehnten Konzepts von Kultur. Zweitens bleiben die zentralen theoretischen Konzepte bei einer Makroperspektive stehen und leiten aus Strukturdaten veränderte Denk- und Handlungsmuster oder gar Lebensführungen ab. Defizitär bleibt mithin die Analyse der Handlungsebene der sozialen Akteure unter wissensgesellschaftlichen Bedingungen. Drittens krankt der Diskurs daran, dass bislang kein angemessenes Verständnis der Produktion und Reproduktion sozialer Ungleichheit in Wissensgesellschaften vorliegt. Diejenigen Studien zur Wissensgesellschaft, in denen überhaupt die Ebene der sozialen Ungleichheit thematisiert wird, bleiben an der Oberfläche. Das Verhältnis zwischen makrostrukturellem Wandel und individuellen Zugriffschancen wird nicht thematisiert.
II. Individuelle Teilnahmevoraussetzungen für Wissensgesellschaften
Einen fruchtbaren Anknüpfungspunkt für die Frage nach den unmittelbaren Konsequenzen des skizzierten Wandels für soziale Akteure bieten neuere arbeits- und industriesoziologische Untersuchungen. Die wissensinduzierten und politisch katalysierten Umstrukturierungen im ökonomischen Feld begannen bekanntlich in den siebziger Jahren, aber erst seit den neunziger Jahren haben sie als betriebliche Reorganisationsprozesse eine bislang unbekannte Qualität und Reichweite erlangt.
Erstens ist durch den Wegfall der stabilen lebenslangen Berufs- bzw. Arbeitsperspektive und die mittlerweile massenhaft verbreitete Erfahrung von Arbeitslosigkeit sowie die damit einhergehenden empfindlichen Einkommenseinbußen eine stete Orientierung am und Beobachtung des Arbeitsmarktes für alle sozialen Akteure erforderlich geworden.
Zweitens werden von den sozialen Akteuren erweiterte Kompetenzprofile erwartet. Immer wichtiger wird die Fähigkeit zur Kommunikation und zur Teamorientierung, und zwar bis in den unmittelbaren Produktionsprozess hinein. Dabei werden fundierte Fachkenntnisse nicht etwa ersetzt, sondern erhalten den Status einer selbstverständlichen Handlungsressource. Zentral ist weiterhin die Beherrschung von Metakompetenzen im Rahmen eines Wissens zweiter Ordnung, das darauf abzielt, die eigenen Fähigkeiten ständig im Sinne eines Kompetenzmanagements zu erweitern. In der Literatur sind Konzepte zur aktiven und selbstbewussten Begegnung der gesamtgesellschaftlich gestiegenen biografischen Unsicherheit benannt worden: Dazu zählen beispielsweise eine "umfassende Selbstökonomisierung", "Selfdevelopment", "Selbstvermarktung", "aktive Biografisierung", "Emotionsmanagement zur Selbstmotivation" und "individuelle Sinngebung"
Drittens wird im Zuge neuer betrieblicher Organisationsformen der Zwang zur Errichtung eines flexiblen Zeitmanagements externalisiert. So genannte "new forms of work", zu denen eine Renaissance der Heimarbeit wie auch Arbeitsbefristungen oder Werkverträge, Leiharbeit oder Teilzeitarbeit, Subunternehmertum und Outsourcing zu zählen sind, zwingen den Menschen ein Zeitregime auf, das die mit der klassischen Industriegesellschaft verbundene Trennung zwischen heteronomer Arbeit und mehr oder weniger selbstbestimmter Freizeit faktisch aufhebt. Stabile zeitliche Strukturierungen innerhalb der Arbeitswelt werden immer stärker betrieblich zurückgefahren, Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisse entgrenzt. Das hat erhebliche Konsequenzen für die Alltagsorganisation, weil auf der Ebene der Lebensstile oder Lebensführung die Planung der Freizeit stärker als bislang die Kompatibilität mit flexiblen betrieblichen Zeitregimen berücksichtigen muss. Günter G. Voß spricht in diesem Zusammenhang sehr treffend von der "Verarbeitlichung des Alltags"
Auch diese Entwicklung hält Optionen bereit, allerdings lediglich für diejenigen, die es verstehen, mit Zeit souverän umzugehen, und welche die hierfür erforderlichen Unsicherheitsbewältigungskompetenzen im Sinne Peter A. Bergers
III. Soziale Polarisierung durch Wissen
In der Bildungssoziologie herrscht Konsens darüber, dass durch die Bildungsexpansion seit den siebziger Jahren eine paradoxe Bewegung eingesetzt hat.
Auch in der Verteilung der Einkommen spiegelt sich eine soziale Polarisierung durch Wissen wider. Zwar stiegen die Löhne aller Erwerbstätigen zwischen 1982 und 1995 an, der Graben zwischen Akademikern und Nichtakademikern vertiefte sich aber
Durch die Bildungsexpansion und die Entwicklungen in der Ökonomie wurden neue gesamtgesellschaftliche Standards geschaffen, die diejenigen, welche ihnen nicht genügen, weiterhin einem hohen Armutsrisiko im Kontext instabiler Lebenslagen aussetzen. Ironischerweise wird in zahlreichen politischen Gutachten zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit nicht nur die Aus- und Weiterbildung der Un- oder Geringqualifizierten, sondern auch die Senkung ihrer Arbeitslöhne in einem ohnehin ungleichen Einkommensverteilungssystem empfohlen.
Den meisten Konzepten liegt ein Sedimentierungsmodell des Wissens zugrunde, dem zufolge Wissen "in the long run" auch den Akteuren zur Verfügung steht, die sich im unteren Bereich des sozialen Raums bewegen, und von dem sie, auch wenn sie gegenwärtig noch ausgeschlossen sind, profitieren werden.
Um ein erstes Fazit zu ziehen: Angesichts der skizzierten Veränderungen, die für alle sozialen Akteure neue, vor allem bildungsgesteuerte Standards setzen und auf diese Weise zu gewandelten Vergesellschaftungsbedingungen führen, ist die Verwendung des Labels Wissensgesellschaft zunächst berechtigt. Allerdings können nur diejenigen an der wissensgesellschaftlichen Optionssteigerung partizipieren, welche die neuen Standards in Form von Schulabschlüssen und weiterführenden Kompetenzen halten können. Zugleich werden durch weitere Einschnitte ins soziale Netz und Lohnsenkungen für un- oder gering qualifizierte Arbeitskräfte die Polarisierungstendenzen weiter verstärkt. Im Kontext der sozial ungleichen Reproduktion schulischer Bildungspatente und des Erwerbs der Kompetenzen, die mittlerweile als selbstverständlich gelten, wird in der Wissensgesellschaft mithin auch systematisch die Zahl jener steigen, die aufgrund fehlender oder mangelnder Qualifikation gerade nicht an den Segnungen der Wissensgesellschaft partizipieren können. Deshalb bleibt die Rede von der Wissensgesellschaft mindestens ambivalent, die Hoffnungen auf eine durchgesetzte Leistungsgerechtigkeit im Kontext der sozial nivellierenden Wirkung von Technik scheinen ohnehin naiv. Moderne Informations- und Kommunikationstechnologien sowie Techniksysteme, mit denen in der Debatte um Wissensgesellschaften oft utopische Hoffnungen verbunden werden, sind eher das Problem als die Lösung.
IV. Kultur als enthierarchisierte Sphäre der Wissensgesellschaft?
In Wissensgesellschaften soll sich die kulturelle Sphäre - wie bereits erwähnt - durch eine Enthierarchisierung aufgrund gesamtgesellschaftlicher Optionssteigerungen und neue Informations- und Kommunikationstechnologien auszeichnen. Diese These findet zum Teil in neueren kultursoziologischen Studien als Diversifizierung und Pluralisierung von Lebensstilen ihre Entsprechung. Das reicht bis hin zur Auffassung, dass sich in Deutschland fünf Erlebnismilieus bestimmen ließen, die sich gegenseitig, wenn überhaupt, verwundert oder desinteressiert beobachteten.
Dagegen lassen sich verschiedene Argumente ins Feld führen. Zunächst setzt die Verfügung über ökonomisches Kapital oder aber der Umfang der gestaltbaren Freizeit Grenzen. Darüber hinaus lässt sich nach wie vor empirisch ein deutlicher Zusammenhang zwischen der milieuspezifischen sozialen Herkunft und den Präferenzmustern nachweisen. Die kulturellen Praktiken bleiben folglich (im Rahmen statistischer Wahrscheinlichkeiten) an die soziale Lage der Menschen gekoppelt und dokumentieren diese wiederum.
Schließlich ist davon auszugehen, dass es in der kulturellen Sphäre nach wie vor Hierarchien gibt. Die Annahme veränderter enthierarchisierter Wahrnehmungsmuster sozialer Akteure aufgrund des gesellschaftlichen Wandels in den Sphären Ökonomie oder Politik ist falsch. Die kulturellen Praktiken bleiben mit dem marktwirtschaftlich-konkurrenzorientierten Moment der Vergesellschaftung vermittelt und behalten deshalb ihren Status der Dokumentation der jeweiligen Stellung im sozialen Raum.
V. "Spätkapitalismus" oder "Wissensgesellschaft"? - Ein Ausblick
Mit dem Hinweis auf stabile bildungsvermittelte soziale Ungleichheiten und die fortdauernde Hierarchie in der kulturellen Sphäre werden die mit der Wissensgesellschaft verbundenen Hoffnungen auf eine mittel- bzw. langfristige Enthierarchisierung und Nivellierung des sozialen Gefüges durch weiteren technischen Fortschritt und Sedimentierung des gesamtgesellschaftlich gestiegenen Wissens von ihren Verfechtern keineswegs ad acta gelegt. In der hoffnungsgeleiteten Perspektive auf Wissensgesellschaften werden bestehende Ungleichheiten, sofern sie bemerkt werden, als provisorische Differenzen konstruiert. In Wissensgesellschaften soll eine jede oder ein jeder damit rechnen können, dass sie oder er in Zukunft mehr erhalten: "Eine solche Projektion der Wünsche auf den Horizont der Zukunft beruhigt das Spiel heute und gibt dem sozialdemokratischen Ideal eines fortschreitenden Abbaus der Ungleichheiten einen Kredit für morgen."
Es ist unklar, worauf diese Hoffnungen beruhen. Weder hat beispielsweise die Bildungsexpansion zu einer Chancen- oder Leistungsgerechtigkeit beigetragen, noch sind durch die Produktionssteigerungen der letzten Jahrzehnte Phänomene sozialer Ungleichheit verschwunden. Die Gesellschaften, die auf Konkurrenz- und Marktmechanismen als zentralen Vergesellschaftungsinstanzen aufbauen, produzieren systematisch sozial ungleiche Lebenslagen und Lebenschancen. Zwar werden diese seitens der Politik zum Teil durch Maßnahmen der Umverteilung abgefedert, aber an dem grundsätzlichen Mechanismus der Ungleichheitsproduktion hat sich seit zweihundert Jahren letztlich nur wenig geändert.
Damit sollen nicht die Lebensverhältnisse eines Wanderarbeiters des frühen 19. Jahrhunderts mit denen eines Arbeitslosen heute gleichgesetzt und die Rolle der Produktionssteigerungen und technischen Entwicklung heruntergespielt werden. Es ist jedoch abwegig anzunehmen, dass sich in Konkurrenzgesellschaften durch die technische Entwicklung die Mechanismen der "Produktion" sozialer Ungleichheit außer Kraft setzen ließen; zumal sich die politische Sphäre in Wissensgesellschaften - wie oben angedeutet - dadurch auszeichnet, dass politische Regulierung und Redistribution im Kontext einer neoliberalen Ideologie gerade zurückgefahren werden. Insofern ist in Anlehnung an Theodor W. Adornos allgemeines Postulat nach wie vor bedeutsam, dass nach dem Stand der technischen Entwicklung Gesellschaften heute als Wissensgesellschaften bezeichnet werden können, nach dem Stand der ökonomischen und politischen Struktur noch immer als kapitalistische.
Internetverweise des Autors:
www.bmbf.de
www.undp.org
Arbeitsplätze von morgen
Ausgaben für Forschung und Entwicklung sind Investitionen in die Zukunft. Denn was heute vielleicht nur als Entwurf auf dem Reißbrett existiert, sichert morgen die Arbeitsplätze und die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes. Im internationalen Vergleich schwanken die Ausgaben für Forschung und experimentelle Entwicklung zwischen knapp einem Prozent und über dreieinhalb Prozent an der Wirtschaftsleistung (Bruttoinlandsprodukt/BIP) der Länder. Die höchsten Forschungsausgaben leisten sich Schweden und Finnland mit 3,7 Prozent und 3,1 Prozent des BIP. Die beiden Länder liegen damit über dem Durchschnitt aller Industrieländer (2,2 Prozent) - nicht zuletzt deshalb, weil die großen Telekommunikationsunternehmen erhebliche Summen in die Forschung investieren. Deutschland hat seine Ausgaben für Forschung und Entwicklung im Jahr 1999 auf 2,4 Prozent (1998: 2,3 Prozent) erhöht. In absoluten Zahlen bedeutet das einen Anstieg von 87,3 auf 92,2 Milliarden Mark pro Jahr.
Quelle: Globus Infografik GmbH; Statistische Angaben: Statistisches Bundesamt.