Einleitung
Wissen wird - neben dem Kapital, den Bodenschätzen, der körperlichen Tätigkeit - zu einer eigenständigen Produktivkraft. Es spielt eine immer größere wirtschaftliche Rolle und greift tief in die Gestaltung unserer Lebenswelt ein. Wissen ist verantwortlich sowohl für positive als auch für negative Entwicklungen in der Gesellschaft. Es enthält enormes emanzipatorisches Potenzial, das neben Chancen auch Risiken birgt. Mit dem Wissen wächst zugleich das Nichtwissen; Wissen ist ungleich verteilt. Ob es gerechtfertigt ist, angesichts dieser Entwicklung von einem Wandel von der Industrie- zu einer Wissens- oder Informationsgesellschaft zu sprechen, ist in der zu diesem Thema geführten Debatte umstritten.
Der derzeitige Strukturwandel lässt sich nach Jeanette Hofmann auch unter entgegengesetzten Vorzeichen interpretieren. Diese weniger populäre Sichtweise prophezeie eine durchgreifende Industrialisierung der Wissenserzeugung. Professionelles Wissen, so die Autorin in ihrem Essay, wäre demzufolge nicht länger primär Ressource, sondern selbst Gegenstand der industriellen Produktion.
Aus der Sicht Nico Stehrs geht das Zeitalter der Industriegesellschaft seinem Ende entgegen. Die künftige Gesellschaftsordnung basiere auf Wissen. Wissensgesellschaften repräsentierten eine soziale und ökonomische Welt, in der Ereignisse oder Entwicklungen zunehmend "gemacht" würden, die zuvor "stattfanden". Die politische Steuerung von wissensbasierten Gesellschaften und die Vorhersage gesellschaftlicher Entwicklungen seien jedoch ungleich schwieriger. Diese Gesellschaften sind Stehr zufolge insgesamt zerbrechlicher: Den größeren Chancen politischer Partizipation der vielen stehe in Wissensgesellschaften eine Einschränkung der Handlungsfähigkeit des Staates gegenüber.
Uwe W. Bittlingmayer hält den Vertretern eines Paradigmenwechsels - einer Ablösung der Industrie- durch die Wissensgesellschaft - entgegen, sie ließen bei ihrer Argumentation die Existenz bildungsvermittelter Ungleichheiten außer Acht. Die Hoffnung auf Leistungsgerechtigkeit im Kontext der sozial nivellierenden Wirkung von Technik sei naiv. Der Autor hält es für unzulässig, wissenschaftsintensive Gesellschaften generell als Wissensgesellschaften zu bezeichnen; nach dem Stand der ökonomischen und politischen Struktur handele es sich dabei immer noch um kapitalistische.
Mit der Zunahme von Wissen und dem damit einhergehenden gesamtgesellschaftlichen Fortschritt ist zugleich die Verlängerung der Lebenserwartung der Menschen verbunden. Dass dies wirklich so wünschenswert ist, wie es auf den ersten Blick scheint, wird von Paul B. Baltes infrage gestellt. Die biologisch-genetische Struktur des hohen Alters, um das es hier geht, sei in einem sehr fundamentalen Sinne unfertig. Der Idee vom "lebenslangen Lernen" hält Baltes die lebenslaufbezogene Verstärkung des Prozesses der Entwertung des einmal Gelernten entgegen. Dieses "sich intensivierende Jahrhundertgefühl der permanenten Unfertigkeit" mache grundlegende gesellschaftlichen Reformen notwendig.
Eine kritische Haltung zur Wissens- und Informationsgesellschaft nimmt auch Detlef Josczok ein. Bildung - nicht Wissenschaft, nicht Information, nicht Kommunikation - sei eine Grundvoraussetzung für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Der Autor befürchtet, dass sich der Staat angesichts knapper Kassen aus der Verantwortung für die Finanzierung und damit für die Konzeption von Bildung zurückziehe. Damit sei ein über die Informations- und Kommunikationstechnologien induzierter Strukturwandel im Bildungsbereich verbunden.