Was ist "Amerikanisierung"?
Als die SPD bei ihrem Wahlparteitag in Leipzig im Jahre 1998 den Journalisten die Regiebücher in die Hand gab, da schien es festzustehen: "Noch nie hat man erlebt, dass sich ein sozialdemokratischer Parteitag so bereitwillig den Regeln der Mediendemokratie unterworfen hat, wie das in Leipzig geschah", berichtete die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" am 18. April 1998, und die "Süddeutsche Zeitung" kommentiere am gleichen Tag: "Der Leipziger SPD-Parteitag war kein Parteitag, sondern eine Show, ein Kunstprodukt für einen Medienhelden ... Niemand weiß, nach welchen Regeln Schröder Politik machen und mit welchem Partner er spielen wird; er weiß es wohl nicht einmal selbst, aber er beherrscht die Spielregeln der Medienwelt."
Solche Berichte von Parteitagen sind vielen Beobachtern inzwischen Beweis genug, um zu behaupten, dass auch die Bundesrepublik in einer Ära der "Amerikanisierung" von Politik angekommen ist. Es ist nicht zu bestreiten, dass auch die deutschen Wahlkampagnen mittlerweile Züge aufweisen, die für Wahlkämpfe in den USA typisch sind: Die Personalisierung der Kampagne, die Hervorhebung des Kandidaten-Wettstreits, Elemente des Angriffswahlkampfes, Ereignis- und Themenmanagement, Professionalisierung und der Einsatz von Marketingmethoden
Die Rede von der "Amerikanisierung" bezieht sich im Kern nicht nur auf Wahlkämpfe, sondern auf generelle Entwicklungen der politischen Kommunikation, die diesseits und jenseits des Atlantiks mit dem Begriff der "Mediendemokratie" verbunden sind. Im Mittelpunkt steht die These, dass sich die gesamte politische Kommunikation eines Landes dem Diktat der öffentlichkeitswirksamen Selektions- und Aufmerksamkeitsregeln der Massenmedien unterwirft.
Das US-amerikanische Modell einer Mediendemokratie galt lange Zeit als Rollenmodell des Wandels der politischen Kommunikation in modernen westlichen Demokratien. Erst in den neunziger Jahren begannen vor allem europäische Forscher zu fragen, ob die US-amerikanische Mediendemokratie tatsächlich ein generalisierbares Entwicklungsmodell darstellt.
Nimmt man diese Argumente ernst, so wird man das Erscheinungsbild der politischen Kommunikation, die Interaktion von Medien und Politik sowie deren Folgen, wie sie für die USA behauptet werden, nicht als ein allgemeines Rollenmodell politischer Kommunikation unterstellen können. Vielmehr bedarf es vergleichender Untersuchungen, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede der politischen Kommunikation in der Bundesrepublik und den USA herauszufinden.
In diesem Sinne wird im Folgenden der Versuch unternommen, die Strukturen und Prozesse der politischen Kommunikation in der Bundesrepublik und den USA in einer vergleichenden Perspektive zu diskutieren. Grundlage ist das Modell des politischen Kommunikationssystems von Jay Blumler und Michael Gurevitch.
II. Strukturbedingungen der politischen Kommunikation: Die Bundesrepublik und die USA im Vergleich
Die Beziehung von Medien und Politik ist häufig Gegenstand verschwörungstheoretischer Stilisierungen im Sinne einseitiger Abhängigkeitsverhältnisse. Um diese Sicht zu überwinden, entwickelten die Kommunikationswissenschaftler Jay Blumler und Michael Gurevitch einen analytischen Rahmen, der es erlaubt, die Beziehung von politischen Akteuren und Medienakteuren im Rahmen eines Systemmodells zu analysieren. Politische Kommunikation in modernen westlichen Massendemokratien nimmt danach den Charakter eines Grenzsystems zwischen Medien und Politik an, das den Austausch von Informationen gegen Publizität zwischen den Akteuren regelt. Dieses System lässt sich einerseits charakterisieren durch die strukturellen Bedingungen der politischen Kommunikation, wie sie z. B. durch die Verfasstheit des politischen Prozesses, der Rolle der zentralen Akteure im Regierungssystem und die Medienordnung gegeben sind. Andererseits bestimmt das politische Kommunikationssystem die wechselseitigen Erwartungen und Normen, die das professionelle Handeln und die Rollen der Akteure steuern.
Betrachtet man zunächst die Strukturbedingungen des politischen Systems und des Mediensystems, so ist die politische Kommunikationskultur in der Bundesrepublik und den USA in jeweils spezifische Konstellationen eingebunden. Diese unterscheiden sich zunächst durch die institutionellen Arrangements eines präsidentiellen Regierungssystems mit einer schwachen Rolle der Parteien sowie einem sehr fragmentierten Willensbildungsprozess in den USA und einem repräsentativen Regierungssystem mit einer starken Rolle der Parteien und wenigen starken Interessengruppen in der Bundesrepublik. Diese Konstellation verleiht der jeweiligen Regierung eine unterschiedliche Position in den politischen Entscheidungs- und Kommunikationsprozessen und bestimmt damit die entsprechenden Rollen politischer Sprecher im Regierungssystem.
In einer Konstellation, in der der US-Präsident keine formale Politikinitiative besitzt, vom Kongress weitgehend unabhängig ist, aber politische Koalitionen immer neu und entlang von Einzelfragen formiert werden müssen, ersetzt der Druck durch die Öffentlichkeit, der durch eine gezielte Medienstrategie erzeugt wird,
Im Vergleich dazu ist die strukturelle Konstellation eines repräsentativen Regierungssystems wie in der Bundesrepublik dadurch gekennzeichnet, dass die Unterstützung der Regierung sowohl von den Parlamentsfraktionen als auch von politischen Opportunitäten im Bundesrat abhängt. Dies bedeutet für die Kommunikationsanstrengungen, dass immer partei- und koalitionspolitische Motive sowie die politischen Großwetterlagen berücksichtigt werden müssen. Die zentralen Größen im Willensbildungsprozess der Bundesrepublik sind die politischen Parteien, die neben den institutionellen Positionen "viele gesellschaftliche Bereiche infiltriert (haben), die von ihrer Natur eher ,,parteienfern' sein sollten"
Hinsichtlich der Medienordnung unterscheiden sich die beiden Länder durch ein vollständig kommerzialisiertes Mediensystem in den USA im Vergleich zu einem gemischten Mediensystem in der Bundesrepublik, das sowohl eine privatwirtschaftliche Säule als auch eine öffentlich-rechtliche im Fernsehsektor aufweist; die Printmedien in Deutschland haben zudem erkennbare politische Profile.
III. Unterschiede in der politischen Kommunikationskultur?
Vor dem Hintergrund der beschriebenen konkreten Strukturbedingungen von Politik und Medien kann man vermuten, dass sich die politischen Kommunikationskulturen in der Bundesrepublik und den USA unterscheiden. Zu den zentralen Dimensionen der politischen Kommunikationskultur gehören: (l) die Kommunikationsrollen, d.h. das Verständnis der Akteure über die an sie gerichteten Erwartungen, die mit spezifischen Funktionen verbunden sind; (2) die Normen, die als Verhaltenserwartungen das Handeln steuern und die bei einer Verletzung zu Konflikten führen und Sanktionen hervorrufen, sowie (3) die Ziele professionellen Handelns in der politischen Öffentlichkeitsarbeit.
Welche Orientierungen können wir angesichts der unterschiedlichen Strukturbedingungen der politischen Kommunikation bei den Akteuren in der Bundesrepublik und den USA erwarten? Als Richtschnur der Typisierung von Kommunikationskulturen kann man die Unterscheidung von Gianpietro Mazzoleni
Auf der Basis der Typisierung von Mazzoleni liegt die Hypothese nahe, dass in den USA medienorientierte Stile die Interaktion in der politischen Kommunikation bestimmen, während in der Bundesrepublik politische Orientierungsgrößen vorherrschen. Für die USA kann man eine Kommunikationskultur erwarten, deren Normen und Handlungserwartungen sich stark an den durch die Medien diktierten Selektionskriterien ausrichten und dementsprechend medienorientierte Zielsetzungen der politischen Öffentlichkeitsarbeit hervorbringen. Da politische Akteure in entscheidender Weise auf die massenmediale Kommunikation angewiesen sind, um ihre politischen Vorstellungen durchzusetzen und öffentliche Unterstützung zu erhalten, liegt es nahe, dass diese Richtschnur auch die Kommunikationsrollen sowie die Normen der Interaktion prägt. Im Vergleich dazu ist für die politische Kommunikation in der Bundesrepublik zu erwarten, dass hier politische Stile die Kommunikationsrollen und die Zielsetzungen der politischen Öffentlichkeitsarbeit prägen. Bei den Normen der Interaktion hierzulande entsteht zunächst insofern ein Problem, als politische Akteure und ihre Sprecher im Umgang mit Journalisten nicht ohne weiteres parteipolitische Nähe unterstellen können. Daher müssen funktional äquivalente Normen gesucht werden, welche die Chance erhöhen, dass politische Sprecher ihre Botschaften möglichst optimal in den Medien platzieren können. In diesem Sinne können solche allgemeinen sozialen Normen wie z. B. Zuverlässigkeit oder Vertrauen fungieren, die die Nähe zwischen den Gruppen stabilisieren, ohne den Anschein parteipolitischer Verstrickung zu erwecken.
Vor diesem Hintergrund unterschiedlicher Strukturen von Politik und Medien werden im Folgenden einige zentrale Ergebnisse zu den Einstellungen, Rollen, Normen und Handlungsorientierungen politischer Sprecher und Journalisten in den USA und der Bundesrepublik referiert, die aus einer vergleichenden Studie der Regierungskommunikation in beiden Ländern stammen.
IV. Normen der Interaktion in der politischen Kommunikation
Die Normen der Interaktion zwischen politischen Sprechern und Journalisten liefern Anhaltspunkte über die Nähe bzw. Distanz der beiden Gruppen sowie die Art ihrer Zusammenarbeit bei der Produktion und Verarbeitung politischer Informationen.
Vergleicht man die Aussagen deutscher und amerikanischer Akteure, so ergibt sich (vgl. Schaubild 1) ein klares Muster der normativen Orientierung: Die Akteure der politischen Kommunikation in den USA beziehen sich vorwiegend auf professionelle journalistische Normen des gegenseitigen Umgangs, während bei den Sprechern und Journalisten in Deutschland soziale Normen im Vordergrund stehen.
Mit anderen Worten, die Handlungserwartungen in den USA konzentrieren sich darauf, dass die professionellen journalistischen Regeln von beiden Gruppen eingehalten werden. Dazu gehören berufliche Professionalität, die Objektivität bzw. Unparteilichkeit der Information, die Berücksichtigung von inhaltlicher Ausgewogenheit und Vielfaltskriterien sowie die Transparenz der Information im Sinne der Überprüfbarkeit. Im Gegensatz dazu wird unter den deutschen Akteuren deutlich mehr Wert auf ethisch korrektes Verhalten, Offenheit und Ehrlichkeit im Umgang sowie auf soziale Gleichbehandlung von Journalisten durch politische Sprecher gelegt.
Der Ländervergleich zeigt also, dass beim Umgang von politischen Sprechern und Journalisten unterschiedliche Handlungsspielräume wahrgenommen werden. Dies drückt sich auch in den Vorstellungen über die Interessenkonstellationen in der politischen Kommunikation aus: In beiden Ländern wird zwar gleichermaßen betont, dass die Interaktion insbesondere als ein Austauschverhältnis verstanden wird. Gleichwohl betonen deutlich mehr deutsche als amerikanische Akteure die Interessenidentität, während umgekehrt deutlich mehr amerikanische Befragte auf Interessengegensätze verweisen.
Das Muster der Länderunterschiede bleibt auch bestehen, wenn man die deutschen Sprecher mit den amerikanischen Sprechern und die deutschen Journalisten mit den amerikanischen Journalisten vergleicht. Allerdings zeigt sich, dass die gravierenden Unterschiede bei den journalistischen Professionsnormen vor allem dadurch zustande kommen, dass die amerikanischen Journalisten mit deutlicher Mehrheit und in den meisten Fällen doppelt so häufig wie ihre deutschen Kollegen auf die journalistischen Professionsnormen als steuernde Faktoren der Interaktion bestehen. Während Journalisten die Distanz zu politischen Sprechern betonen, versuchen politische Sprecher, die Nähe zu Journalisten zu stabilisieren. Dafür spricht die starke Betonung von sozialen Normen als Steuerungsfaktoren des Austausches. Bemerkenswert ist im Vergleich von politischen Sprechern in den USA mit ihren Kollegen in der Bundesrepublik, dass die deutschen Sprecher deutlich stärker allgemeine soziale Normen wie Vertrauen und Glaubwürdigkeit, Offenheit und Ehrlichkeit sowie Wahrhaftigkeit und Aufrichtigkeit betonen.
Die Unterschiede in den normativen Verortungen spiegeln sich auch in der generellen Einschätzung des Verhältnisses von Journalisten und Sprechern wider: In den USA wird die Beziehung zwischen Journalisten und politischen Sprechern von 10 Prozent der Befragten als konflikthaltig, von 37 Prozent als ambivalent und von 53 Prozent als harmonisch eingeschätzt. In der Bundesrepublik hingegen ist für 77 Prozent der Befragten von einem harmonischen Verhältnis, für 20 Prozent von ambivalenten und nur für 3 Prozent von einem konflikthaltigen Verhältnis auszugehen. Dieses Muster ist sowohl für die politischen Sprecher als auch für die Journalisten konsistent.
Die unterschiedliche Einschätzung der Konflikthaltigkeit des Verhältnisses der beiden Akteursgruppen liefert Hinweise auf mögliche Ursachen unterschiedlicher politischer Kommunikationskulturen in der Bundesrepublik und den USA. Bei einem eher ambivalenten oder konflikthaltigen Verhältnis wie in den USA ziehen sich beide Gruppen auf journalistische Professionsnormen als Steuerungsmechanismen der Zusammenarbeit zurück. Anhaltspunkte für diesen Mechanismus finden sich auch in der Kommunikatorstudie von Donsbach: "Das Verhältnis zwischen Journalisten und Politikern in den USA ist eher als eine professionelle Beziehung zu beschreiben. Sie ist nicht von ideologischen Grundpositionen bestimmt, sondern von der Überzeugung der amerikanischen Journalisten, dass die unabhängige Recherche von Informationen absolute Priorität gegenüber allen anderen Tätigkeitsmerkmalen hat."
Diese Interpretation der Unterschiede lässt sich erhärten, wenn man die Regelverstöße betrachtet, die im jeweiligen Land zu Konflikten zwischen Journalisten und politischen Sprechern führen. Schaubild 2 zeigt, dass in den USA vor allem die Verletzung sozialer Normen als Belastung des Verhältnisses von Journalisten und politischen Sprechern angesehen wird.
Das Bild, das sich aus den Befunden zu den Regelverstößen ergibt, mag auf den ersten Blick überraschend sein. So zeigt sich, dass die Konflikte, die zwischen Sprechern und Journalisten auftreten, gerade in solchen Bereichen ausgetragen werden, die die Aufrechterhaltung der Beziehung nicht gefährden. Dies bedeutet, dass die Interaktion zwischen Journalisten und politischen Sprechern in jedem der beiden Länder gerade dadurch aufrechterhalten wird, dass die entscheidenden Grundnormen nicht verletzt werden.
Das entscheidende Kriterium beim Austausch politischer Botschaften ist in den USA, ob die Informationen eine "gute", im Sinne von mediengerechte und reichweitenstarke Story abgeben. Kommt es zu Missstimmigkeiten, dann wird dies der Person des Journalisten oder Sprechers persönlich angelastet, die professionelle Rolle wird indessen nicht in Frage gestellt. In Deutschland hingegen geht es um das Stichwort: "Vertrauen gegen Vertrauen": "Wer sich... dieser emotionalen Integration eher verweigert und getreu der Distanznorm lebt, dürfte größere Schwierigkeiten haben, wertvolle Quellen zu finden."
V. Ziele der politischen Öffentlichkeitsarbeit
Die politische Öffentlichkeitsarbeit ist die Arena des kontinuierlichen Tausches von Information gegen Publizität. Nur wenn dieser Tausch reibungslos funktioniert, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sowohl politische Sprecher als auch Journalisten ihre Kommunikationsziele erreichen. Wenn man die Wahrnehmungen der Akteure selbst als Maßstab nimmt, so zeigt sich: Sowohl in der Bundesrepublik als auch in den USA geht es bei der politischen Öffentlichkeitsarbeit um das Themenmanagement und um die Durchsetzung von politischen Entscheidungen. Das Themenmanagement gegenüber den Medien kann man als Primärziel der politischen Öffentlichkeitsarbeit bezeichnen, das in beiden politischen Kommunikationskulturen unstrittig ist.
Schaubild 3 zeigt aber auch, dass die Befragten in den USA durchweg stärker auf medienorientierte Ziele fixiert sind als die deutsche Vergleichsgruppe. Für jene bestehen die neben dem Themenmanagement am häufigsten genannten Ziele in der direkten Beeinflussung der Medienmeinung. Nicht verwunderlich ist deshalb auch, dass die Reaktion auf die Medienagenda und die Generierung von Aufmerksamkeit und Betroffenheit in den USA als wichtigere Ziele gelten als in der Bundesrepublik. Schließlich unterscheiden sich die US-Amerikaner noch darin, dass Öffentlichkeitsarbeit sehr viel häufiger als in Deutschland mit politischem Marketing gleichgesetzt wird.
Im Vergleich dazu sind die deutschen Akteure der politischen Kommunikation sehr viel deutlicher auf Aspekte der Beeinflussung des politischen Prozesses fixiert. Hier geht es bei der politischen Öffentlichkeitsarbeit nicht nur um die Medien, sondern insbesondere darum, politische Unterstützung zu erzeugen, Akzeptanz für das Regierungshandeln zu schaffen und die Leistungsfähigkeit der Regierung zu demonstrieren. Genauso wichtig in der politischen Öffentlichkeitsarbeit wie die Beeinflussung der Medienmeinung ist für die deutschen Akteure die Beeinflussung der Bürgermeinung. Dies ist insofern konsequent, als öffentliche Meinung in der Bundesrepublik sowohl mit Bürger- als auch Medienmeinung gleichgesetzt wird. Bemerkenswert ist, dass die Beeinflussung der Beziehung zwischen den politischen Akteuren fast keine Rolle zu spielen scheint. Dies kann man so interpretieren, dass die auf organisatorischer und institutioneller Ebene verankerten Beziehungsstrukturen sowie die informellen Kontakte in Deutschland als weitaus wichtiger für politische Entscheidungen wahrgenommen werden als die Leistungen und das Ergebnis politischer Öffentlichkeitsarbeit.
Während Journalisten und politische Sprecher in beiden Ländern auf der Basis eines gemeinsamen Grundverständnisses von politischer Öffentlichkeitsarbeit als Themenmanagement operieren, zeigt sich indessen, dass diese Akteure jenseits dieser Übereinstimmung unterschiedliche Prioritäten haben. Die politische Kommunikationskultur in den USA ist dadurch gekennzeichnet, dass es eine hohe Übereinstimmung zwischen den politischen Sprechern und den Journalisten gibt, die sich vor allem auf die Medienfixierung der Zielsetzungen der politischen Öffentlichkeitsarbeit bezieht. Dagegen zeichnet sich die deutsche politische Kommunikationskultur in Bezug auf die Öffentlichkeitsarbeit durch eine geringere Kohärenz aus. Vielmehr wird deutlich, dass die deutschen Journalisten den US-amerikanischen Journalisten und Sprechern sehr viel ähnlicher sind als den deutschen politischen Sprechern. Da sich die Übereinstimmung insbesondere auf die Priorisierung medienorientierter Ziele bezieht, kann man fast schon von einer "Amerikanisierung" der deutschen Korrespondenten sprechen. Das heißt, die Ähnlichkeit der Orientierungen der deutschen Journalisten mit den US-amerikanischen Akteuren sorgt dafür, dass sich auch die deutsche politische Kommunikationskultur im Hinblick auf die Zielsetzungen der politischen Öffentlichkeitsarbeit "amerikanisiert". Umgekehrt kann man diesen Befund auch so interpretieren, dass die politischen Sprecher in Deutschland hinter der "Amerikanisierung" zurückbleiben, da sich ihre Wahrnehmung der politischen Öffentlichkeitsarbeit nach wie vor an Kategorien der politischen Auseinandersetzung orientiert. Für diese Gruppe geht es bei der politischen Öffentlichkeitsarbeit nur mittelbar um die Medien, d.h., das Themenmanagement ist klar Mittel zum Zweck der Generierung politischer Akzeptanz und Unterstützung.
VI. Schlussbetrachtung
Für die Struktur und Kultur der politischen Kommunikation in der Bundesrepublik und den USA sind seit Mitte der neunziger Jahre grundsätzliche Unterschiede auszumachen, die es auf den ersten Blick verbieten, in Deutschland von einer "Amerikanisierung" zu sprechen. In den USA sind die Medien die entscheidende strategische Ressource für politische Handlungsfähigkeit, ihre Regeln sind für alle Akteure der politischen Kommunikation die Regeln der Politikformulierung und -durchsetzung. In Deutschland hingegen sind die politischen Konstellationen noch so tragfähig, dass neben die Medienlogik eine relativ dominante politische Logik tritt.
Gleichwohl begann Mitte der neunziger Jahre in der Bundesrepublik ein Wandlungsprozess, der sich vor allem in den Orientierungen von Journalisten manifestiert: Danach treten für Journalisten in Deutschland die strukturellen Aspekte des politischen Prozesses etwas mehr in den Hintergrnd, während medienzentrierte Anforderungen der Darstellung von Politik bedeutsamer werden. Dass Journalisten sich in ihrer Beobachtung politischer Sprecher, ihren Handlungsdispositionen und in ihrem Selbstbild verändern, wird vor dem Hintergrund der stärkeren Ausdifferenzierung und Kommerzialisierung im Medienbereich plausibel, die mit einem zunehmenden Konkurrenzdruck unter den Medien verbunden sind.
Da die medienorientierte Logik der politischen Kommunikation für viele Journalisten den Vorrang vor der politischen Logik gewinnt, muss man zu einer ambivalenten Einschätzung der Entwicklung in der Bundesrepublik kommen. Ob dies letztlich zu einer "Amerikanisierung" führt, dürfte entscheidend davon abhängen, ob sich die institutionellen Strukturen der politischen Kommunikation auf der Seite des politischen Systems verändern. In den USA hat die Delegation von politischen Funktionen an die Medien dem politischen Publicity-Prozess einen kräftigen Schub verliehen und die bereits strukturell angelegte Medienorientierung der politischen Kommunikation verstärkt. Vor diesem Hintergrund ist auch für die Bundesrepublik anzunehmen, dass Amerikanisierungstendenzen in der politischen Kommunikation in dem Maße zunehmen, in dem die politischen Parteien ihre Funktionen an die (Medien)- öffentlichkeit abgeben.