I. Migration und internationale Politik
Die grenzüberschreitende Migration hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zu einem globalen Problem entwickelt, dem mit einzelstaatlicher Politik nur unzureichend begegnet werden kann.
Aus der Perspektive der Zielländer wird Zuwanderung zum Teil akzeptiert und ist sogar erwünscht, zum Teil ist sie aber "eher" oder gänzlich unerwünscht. Die Summe aller unerwünschten Migranten produziert letztlich die globale Migrationsproblematik. Würde es ausschließlich erwünschte Migranten geben, gäbe es diese Problematik logischerweise nicht. Die Beschäftigung mit dem Thema erzwingt insofern eine besondere Aufmerksamkeit für die kritischen Aspekte der transnationalen Migration. Letztere ist zwar schon lange ein Gegenstand internationaler Politik, aber die bisherigen zwischenstaatlichen Vereinbarungen sind noch nicht befriedigend. Im vorliegenden Beitrag wird versucht, den sinnvollen Bereich für multilaterale Harmonisierung und Regelung zu skizzieren.
Allein in der EU leben gegenwärtig ca. 20 Mio. Ausländer mit legalem bzw. geduldetem Aufenthaltsstatus, abgesehen von jenen zahlreichen Zuwanderern, die bereits eingebürgert wurden (aber keineswegs alle in befriedigender Weise gesellschaftlich integriert sind). Die Zahl der in der EU illegal lebenden Ausländer ist nicht bekannt, dürfte aber erheblich sein. Dabei ist die EU keineswegs in besonderem Maße von transnationaler Migration betroffen, denn nach wie vor gilt, dass die meisten Migranten aus der so genannten Dritten Welt stammen und dort auch bleiben. Nach Schätzungen des UN-Bevölkerungsfonds und der International Organization for Migration (IOM) leben gegenwärtig rund 120 Mio. Menschen außerhalb ihres Geburtslandes, darunter 85 Mio. Arbeitsmigranten und deren Familienangehörige, 13 Mio. Flüchtlinge bzw. Asylsuchende sowie 20 Mio. illegale Zuwanderer.
Bei der transnationalen Migration spielen verschiedene Faktoren eine Rolle - einzeln oder in jeweils unterschiedlichen Kombinationen. Zu den push-Faktoren (der Herkunftsländer) gehören schlechte sozioökonomische Bedingungen, hohe Arbeitslosigkeit, ethnische Spannungen, politische Verfolgung, existenzbedrohende Umweltschäden und Ressourcenverknappung. Zu den pull-Faktoren (der Zielländer) gehören wirtschaftliche Attraktivität, Schutz vor politischer Verfolgung und ethnischer Diskriminierung, liberale Ausländer- und Asylpolitik; leichte Einreisemöglichkeiten sowie bestehende "Brückenköpfe" und Netzwerke. Es ist nicht zu erwarten, dass sich die Wirkung der migrationsrelevanten Faktoren in Zukunft abschwächen wird. Gleichzeitig wird das starke Wachstum der Weltbevölkerung - namentlich in den armen Ländern - mindestens für die kommenden 50 Jahre anhalten. Insofern ist davon auszugehen, dass sich die transnationale Migrationsproblematik noch erheblich verschärfen wird.
Logischerweise besteht in allen Staaten ein Interesse daran, erwünschte Migration zu fördern und unerwünschte einzudämmen. Große Migrationsströme, vor allem Armutsmigrationen aus "fremden" Kulturkreisen, werden seitens der angestammten Bevölkerung zumeist als problematisch erlebt. Nicht nur Quantitäten sind diesbezüglich von Bedeutung, sondern auch der sozioökonomische, politische, berufliche und kulturelle Hintergrund der Migranten im Vergleich zur aufnehmenden Gesellschaft. Im Hinblick auf die Quantitäten besteht der Eindruck, dass bereits die heutigen und mehr noch die zukünftigen Migrationspotenziale die Integrationswilligkeit und -fähigkeit vieler Aufnahmeländer erheblich auf die Probe stellen. Es ist nicht möglich, abstrakt zu definieren, wie viele Migranten eine bestimmte Gesellschaft "verträgt". Das ist von Fall zu Fall unterschiedlich und hängt naheliegenderweise auch von der Art der Zuwanderung ab. Besonders problematisch ist der Zustrom vieler Migranten dann, wenn sie gettoartige Enklaven bilden, unterproportional zur volkswirtschaftlichen Wertschöpfung beitragen, in erheblichem Maße die Sozialsysteme in Anspruch nehmen und/oder die innere Sicherheit gefährden.
Selbstverständlich ist nicht jede Art von Migration problematisch. Besonders jene Staaten, deren Erwerbsbevölkerung aus demographischen Gründen kleiner und deren Altersaufbau immer ungünstiger wird, haben ein objektives Interesse an Zuwanderung. Ein Beispiel mag dies verdeutlichen: Ohne Zuwanderung und bei einer konstanten Fertilität von 1,25 Kindern je Frau würde die Bevölkerung Deutschlands von rund 80 Mio. im Jahre 2000 auf rund 50 Mio. im Jahre 2050 schrumpfen. Dies allein wäre jedoch nicht das eigentliche Problem; weitaus problematischer wäre die gleichzeitig erfolgende Veränderung der Alterspyramide. Es gibt Schätzungen, wonach Deutschland eine jährliche Nettozuwanderung von rund 400 000 Menschen benötigt, um die Erwerbsbevölkerung zu stabilisieren. Daraus ergibt sich ein Dilemma, denn es erscheint wenig aussichtsreich, eine derartig massive Zuwanderung befriedigend integrieren zu können. Umso dringlicher ist eine gezielte Einwanderungspolitik, um die Migration nach quantitativen und qualitativen Kriterien sowie unter Integrationsgesichtspunkten zu steuern.
II. Beispiele für internationalen Harmonisierungs- und Regelungsbedarf
Angesichts der Dimension der modernen transnationalen Migration ist die einzelstaatliche Asyl-, Ausländer- und Einwanderungspolitik nicht mehr ausreichend. Es gibt deutliche Defizite in Bezug auf internationale Ordnungspolitik, Transparenz, Rechtssicherheit und Lastenteilung. Einige Beispiele mögen dies illustrieren: Die Flüchtlingsdefinition der Genfer Flüchtlingskonvention wird unterschiedlich ausgelegt. Auch die Asylgesetze und -verfahren sowie die Rechte von Flüchtlingen bzw. De-facto-Flüchtlingen variieren von Staat zu Staat, und dementsprechend variiert die "Attraktivität" der Zielländer. Einige Staaten verletzen die Menschenrechte, andere fühlen sich davon nicht sonderlich betroffen, und wieder andere nehmen die betreffenden Flüchtlinge auf. Das Prinzip der "verfolgungsfreien Staaten" wird nicht überall anerkannt, aber auch zwischen jenen Staaten, die dieses Prinzip anerkennen, gibt es keinen Konsens darüber, wie die "verfolgungsfreien Staaten" genau zu definieren sind. Manche Flüchtlinge nutzen das Gastland als sicheres Rückzugsgebiet für den Kampf gegen die Regierung ihres Herkunftslandes; dies wird von einigen Staaten geduldet oder sogar gefördert, von anderen aber nicht. Einige Staaten zeigen wenig Engagement bei der Bekämpfung des Schleuserwesens und kooperieren nur unwillig bei der Identifizierung sowie bei der Rücknahme ihrer Staatsbürger. Andere haben besonders rigide, wieder andere ziemlich lockere Grenzregime; einige kooperieren bei der Kontrolle der gemeinsamen Grenzen, andere tun dies nicht. Manche Staaten erklären sich zu Einwanderungsländern, andere lehnen dies jedoch ab, obwohl sie zum Teil mehr Zuwanderung bekommen als die klassischen Einwanderungsländer. Einige Staaten erschweren, andere erleichtern die Einbürgerung. Einige akzeptieren die doppelte Staatsangehörigkeit, andere wollen sie möglichst vermeiden, sehen sich aber bei Einbürgerungsverfahren mit dem Problem konfrontiert, dass manche Staaten ihre Bürger nicht aus der betreffenden Staatsangehörigkeit entlassen. Die ausländerrechtlichen Regelungen sowie die entsprechende Verwaltungspraxis im Hinblick auf Familiengründung, Familiennachzug und die Übertragung eines bestimmten Rechtsstatus auf Familienangehörige sind von Staat zu Staat verschieden. Einige Staaten engagieren sich bei der Bekämpfung der Migrationsursachen, andere tun dies nicht, und manche torpedieren sogar derartige Bemühungen.
Es kann heute nicht mehr um eine Entscheidung für oder gegen transnationale Migration gehen, sondern nur noch darum, ob und wie sie politisch gestaltet werden soll. Es handelt sich um ein globales Problem, das nach internationaler Harmonisierung und Regelung verlangt. Optimalerweise würde dies im Rahmen eines internationalen Regimes geschehen, was aber kaum aussichtsreich ist. Realistischer erscheint die Erwartung, dass an den bisherigen bi- und multilateralen Regelungen punktuell und sozusagen ohne klaren Bauplan weitergearbeitet wird.
Die bisherigen internationalen Regelungen bezüglich der Migrationsproblematik sind noch nicht ausreichend, weil sie nicht alle relevanten Bereiche abdecken, nicht im Rahmen eines zusammenhängenden Vertragswerks koordiniert sind und einen unterschiedlichen Grad der Verbindlichkeit haben. Da eine vollständige Übersicht über alle bisherigen Vereinbarungen den Umfang dieses Beitrags sprengen würde, werden die wichtigsten nur kursorisch aufgelistet.
III. Kategorien transnationaler Migranten
Es gibt unterschiedliche Kategorien transnationaler Migranten:
Was die Aufnahme der wichtigsten Ausländergruppen anbelangt, gibt es unterschiedliche Rangordnungen, zum Beispiel folgende: "An erster Stelle hat die Aufnahme von Flüchtlingen zu stehen. Ihnen gegenüber besteht eine relativ strikte Aufnahmepflicht . . . An zweiter Stelle sollte die Aufnahme solcher Personen stehen, deren Aufnahme aus humanitären Gründen zwingend geboten ist. Darunter sind Personen zu verstehen, die zwar keine "Flüchtlinge" sind, sich aber wohl in einer verfolgsähnlichen Lage befinden . . . An nächster Stelle sollte die Aufnahme ausländischer Ehegatten von [Staatsangehörigen] stehen. Sie genießen keinen bindenden Aufnahmeanspruch, wohl aber einen Berücksichtigungsanspruch . . . An folgender Stelle sollte die Aufnahme aufgrund bi- oder multilateraler völkerrechtlicher Abkommen stehen . . . An nächster Stelle sollte die Aufnahme ausländischer Ehepartner solcher Einwanderer stehen, denen (in der Europäischen Union) bereits ein Aufenthaltsrecht zusteht . . . An letzter Stelle sollte die Aufnahme sonstiger Einwanderer (insbesondere Arbeitsimmigranten) stehen . . ."
Wie aus dieser und ähnlichen Rangordnungen deutlich wird, steht die nationale Migrationspolitik "im eigenen Interesse" an letzter Stelle. Dies unterstreicht das generelle Problem: Jene Staaten, welche die Genfer Flüchtlingskonvention unterzeichnet haben, müssen eine Zuwanderung zulassen, die maßgeblich humanitär begründet ist; für die Migrationspolitik "im eigenen Interesse" wird der Spielraum entsprechend eingeengt, will man die Aufnahme- und Integrationsfähigkeit der Gesellschaft nicht überstrapazieren. Verschärft wird das Problem durch Ausländer mit illegalem Status und jene, denen die Aufenthaltserlaubnis entzogen wurde, die aber trotzdem - aufgrund langwieriger rechtlicher Verfahren - im Land bleiben.
Eine internationale Regelung der Migrationsproblematik sollte insbesondere nachstehende Ziele verfolgen:
1. internationale Standards für den Umgang mit Flüchtlingen, De-facto-Flüchtlingen und allen übrigen Ausländern sowie deren Familienangehörigen definieren;
2. die Lasten der Aufnahme von Flüchtlingen und De-facto-Flüchtlingen international fair verteilen;
3. die legale Einwanderung und Integration von Ausländern fördern sowie die Einbürgerung erleichtern;
4. den Ursachen unerwünschter Migration entgegenwirken;
5. die illegale Zuwanderung unterbinden, die Schleuserkriminalität bekämpfen und die Rückführung unerwünschter Ausländer erleichtern.
In den folgenden Abschnitten werden die wichtigsten Aspekte beleuchtet, bezüglich derer internationaler Regelungsbedarf besteht.
IV. Aspekte internationaler Regelung
1. Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention
Die Flüchtlingsdefinition nach Artikel 12 des Protocol Relating to the Status of Refugees
"Echte" Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention müssen und werden in jedem Fall aufgenommen. Wenn anerkannten Asylanten nach Wegfall der Fluchtgründe und sogar nichtanerkannten Asylbewerbern einschließlich ihrer Familien ein Bleiberecht eingeräumt wird, das letztlich zur Einwanderung führt, wird der Gestaltungsbereich für die erwünschte Zuwanderung entsprechend eingeengt. Die in der öffentlichen Diskussion immer wieder auftauchende Forderung, Einwanderung dürfe nicht mit Asyl verrechnet werden, ist missverständlich: Richtig ist, dass zwischen Einwanderung und Asyl unterschieden werden muss; das schließt jedoch nicht aus, dass ein Staat, der viele Flüchtlinge aufnimmt, sein Kontingent für sonstige Zuwanderung entsprechend verringert. Da das Einwanderungsrecht auf Ermessensentscheidungen beruht, kann die Zahl der Flüchtlinge selbstverständlich bei der Festsetzung von Einwandererquoten berücksichtigt werden.
Die einzelnen Staaten gehen unterschiedlich mit Flüchtlingen und Asylbewerbern um, was zu einer unausgewogenen internationalen Lastenteilung führt. Ein internationales Regelwerk für transnationale Migration müsste diesbezüglich folgende Elemente enthalten, die zwar nicht neu sind, aber noch einer einheitlichen und verbindlichen Implementierung bedürfen:
- Klare Benennung, internationale Ächtung und negative Sanktionierung jener Staaten, die ihre Bürger aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen unterdrücken und verfolgen.
- Allgemeine Anerkennung des Prinzips der "verfolgungsfreien Staaten" - Ausländer, die aus einem so genannten sicheren Drittstaat einreisen, sollten grundsätzlich vom Asylverfahren ausgeschlossen werden. Die internationale Durchsetzung dieses Prinzips erscheint sinnvoll, weil es den Weg von "Scheinasylanten" in das Land ihrer Wahl erschwert.
- Harmonisierung des Asylrechts und der Asylverfahren - Hierzu gehören insbesondere eine verbindliche Auslegung der Genfer Flüchtlingskonvention, die Formulierung klarer Kriterien für die Anerkennung von Fluchtgründen, die Definition von Mindeststandards für die Aufnahmepraxis sowie ein Katalog von elementaren Rechten und Pflichten von Flüchtlingen im Aufnahmeland. Harmonisiert werden sollte ebenfalls der juristische Rang des Asylrechts. Es muss zwar mehr als ein Gnadenrecht, aber deshalb nicht unbedingt ein qua Verfassung garantiertes Individualrecht sein, sondern kann den rechtlichen Status einer institutionellen Garantie haben.
- Vereinheitlichung der Regelungen für Asylverweigerung und Abschiebung, zum Beispiel: Verweigerung von Asyl für Personen aus "verfolgungsfreien Staaten" sowie für jene, die mit den zuständigen Behörden nicht kooperieren, gefälschte Dokumente vorlegen oder unwahre Angaben machen; zügige Abschiebung abgelehnter Asylbewerber sowie anerkannter Flüchtlinge, wenn die Fluchtgründe entfallen sind;
- Vereinheitlichung der Regelungen für Familiengründung und -nachzug von Flüchtlingen bzw. Asylbewerbern sowie für die Übertragung des betreffenden Status auf Familienangehörige - Diesbezüglich gilt es abzuwägen zwischen den familiären Bedürfnissen von Flüchtlingen bzw. Asylbewerbern und dem Interesse der Aufnahmestaaten, möglichst wenig Anreize für Einwanderung über das Asylverfahren zu schaffen.
2. De-facto-Flüchtlinge
De-facto-Flüchtlinge stellen den größten Teil der Flüchtlinge und Asylbewerber. Sie sind zwar "echte" Flüchtlinge, weil ihnen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht, aber sie werden nicht "persönlich" bzw. nicht durch staatliche Organe verfolgt und fallen deshalb nicht unter die Genfer Flüchtlingskonvention. Die einzelnen Staaten gehen unterschiedlich mit De-facto-Flüchtlingen um. Häufig wird ihnen ein zeitlich befristetes Aufenthaltsrecht ohne individuelles Verfahren gewährt. Dieses Recht gilt für das jeweilige Kontingent. (Daher der Ausdruck "Kontingentflüchtlinge".) Eine internationale Abstimmung für den Umgang mit De-facto-Flüchtlingen ist geboten, um eine faire internationale Lastenteilung zu fördern und zu verhindern, dass bestimmte Staaten mit großzügigen humanitären Regelungen besonders "attraktiv" für solche Flüchtlingsströme werden, während sich andere Staaten durch restriktive Verfahren der internationalen Solidarität entziehen.
Eine internationale Regelung in diesem Bereich könnte folgende Punkte enthalten: Betonung des temporären Charakters der Aufnahme von De-facto-Flüchtlingen; klare Bestimmungen für deren Rückführung; Definition von Ausnahme- und Härtefällen; Zugang zu medizinischer Grundversorgung; Erteilung befristeter Arbeitserlaubnis; Gewährung von Ausbildungs- und Umschulungsmaßnahmen; Familienzusammenführung während der Dauer des Aufenthalts. Diese Regelungen sollten so gefasst werden, dass die De-facto-Flüchtlinge während ihres Aufenthalts im Gastland zwar Schutz finden und ein menschenwürdiges Leben führen können, ihre Aufnahme aber nicht zu unerwünschter Einwanderung führt. Die Aufteilung von De-facto-Flüchtlingen auf verschiedene Staaten könnte verhindern, dass es zu einseitigen Belastungen kommt, und dazu beitragen, dass ein gemeinsames internationales Interesse an der Rückführung besteht.
3. Legale Einwanderung
Wie bereits erwähnt, gibt es strikte Aufnahmepflichten, mehr oder weniger "weiche" Berücksichtigungsgebote
Die Einwanderungsgesetzgebung variiert von Staat zu Staat (so auch - immer noch - innerhalb der Europäischen Union). Obwohl sie ein legitimes Hoheitsrecht der einzelnen Staaten darstellt, könnten einige gemeinsame Grundsätze für die Ausgestaltung nationaler Einwanderungspolitiken vereinbart werden, etwa folgender Art:
- Der Einwanderungsantrag sollte in der Regel vom Heimatstaat aus gestellt werden, das heißt vor der Einreise.
- Im Sinne einer fairen Berücksichtigung aller Antragsteller wird denjenigen, welchen die Einwanderung bewilligt wurde, eine Frist gesetzt, um den Lebensmittelpunkt in das Einreiseland zu verlegen. Andernfalls verfällt die Einwanderungsbewilligung.
- Die Einwanderungsbewilligung beschränkt sich auf den Antragsteller, seinen Ehepartner und seine minderjährigen Kinder.
- Denkbar ist die generelle Einführung einer "Probephase", während derer der Einwanderungsbewerber aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit ausgewiesen werden kann. Das Aufenthaltsrecht der Familienangehörigen ist während der Probephase an das Aufenthaltsrecht des Einwanderungsbewerbers gebunden. Danach "verselbständigt es sich".
- Jedem Staat steht es frei, über die Zahl der Einwanderer zu bestimmen. Die Zahl jener Ausländer, die ein Staat aufnehmen muss, lässt sich nicht kontingentieren, wohl aber die Zahl jener, die er aufnehmen will. Letztere muss entsprechend flexibel gehandhabt werden, um die gesellschaftliche Integrationsfähigkeit nicht zu überfordern. Da die Zahl jener Ausländer, die aufgenommen werden müssen, nicht prognostiziert werden kann, bietet es sich an, sie bei der Festsetzung der Einwanderungskontingente auf das jeweils folgende Jahr anzurechnen.
- Jedem Staat steht es ebenfalls frei, über die Art der Einwanderer zu bestimmen, das heißt, er kann Quoten für Herkunft, Alter, Beruf sowie Familienstand festlegen und einzelne Gruppen von Einwanderungswilligen bevorzugen, zum Beispiel solche mit einschlägigen Sprachkenntnissen, mit bereits guten Verbindungen zum Einwanderungsland sowie mit positiver Integrationsperspektive. Die Bildung ethnischer Ghettos und "Parallelgesellschaften" sollte nach Möglichkeit vermieden werden.
- Die Zahl und die Art der miteinwandernden Familienangehörigen ist bei der Definition der Kontingente und Quoten zu berücksichtigen.
- Es sollten Regelungen getroffen werden, mit denen verhindert wird, dass weniger entwickelte Länder einen "brain drain" relevanten Ausmaßes erleiden. Dies könnte beispielsweise dadurch geschehen, dass die entwickelten Einwanderungsländer untereinander entsprechende regionale Quoten bezüglich der höher qualifizierten Zuwanderer vereinbaren.
4. Familienzusammenführung
Die rechtliche Behandlung der Familienzusammenführung sowie der Eheschließungsfreiheit von Ausländern bedürfen ebenfalls internationaler Harmonisierung.
5. Integration
Ein generelles Prinzip bezüglich der Integration von Ausländern könnte folgendermaßen lauten: Das Interesse des aufnehmenden Landes an der Erhaltung seiner Identität, Kultur, Lebensweise sowie seiner grundlegenden Werte und Normen ist berechtigt. Von Einwanderern kann eine aktive Integrationsleistung gefordert werden, um der Bildung ausländischer Enklaven bzw. Gettos entgegenzuwirken.
Die transnationale Migrationsproblematik betrifft selbstverständlich nicht nur die Zahl, sondern auch die "Qualität" der Migranten. In jedem Staat muss ein gewisser gesellschaftlicher Konsens darüber bestehen, wie viele und welche Zuwanderer man dauerhaft aufnehmen und integrieren will - neben jenen, die man aus humanitären bzw. völkerrechtlichen Gründen aufnehmen muss. Betrachtet man die transnationale Migration im globalen Maßstab, zeigt sich, dass viele Migranten überhaupt keine Probleme produzieren und sich befriedigend (teil-) akkulturieren sowie gesellschaftlich integrieren. Bei anderen Migranten ist dies jedoch nicht der Fall, und es sollte international als legitim erachtet werden, wenn das betreffende Zuwanderungsland solche Migranten nach Möglichkeit nicht aufnimmt. Die kritischen Aspekte transnationaler Migration betreffen nicht nur die nationale und kulturelle Identität sowie die gesellschaftliche Kohärenz im Einwanderungsland, sondern auch ganz konkrete Probleme im Hinblick auf Kommunikation, Werte, Normen, Gebräuche, Schule, Berufsausbildung, Arbeitsmarkt, Sozialleistungen, Wohnung, Nachbarschaft, Stadtteilentwicklung, öffentliche Ordnung und nicht zuletzt innere Sicherheit (z. B. Kriminalität, Drogenhandel, politischer Radikalismus).
Das Einwanderungsland sollte folgende integrationsfördernde Maßnahmen leisten: entschiedene Bekämpfung von Rassismus, Fremdenhass und Diskriminierung; Förderung des gegenseitigen kulturellen Verstehens zwischen der ansässigen Bevölkerung und den Zugewanderten; Bereitstellung von Sprach- und Orientierungsprogrammen sowie beruflichen Nach- und Umschulungskursen; Hilfe bei der Vermittlung von Wohnraum und Arbeit; Unterstützung bei Eigeninitiative und unternehmerischer Tätigkeit. Entscheidende Bedeutung kommt dabei dem Spracherwerb von Zuwanderern zu; es sollte vermieden werden, dass Wohnbezirke entstehen, in denen die Zugewanderten praktisch wie in ihrem Herkunftsland leben und in denen ihre Muttersprache vorherrscht. Wichtig ist die schrittweise rechtliche Gleichstellung zwischen Einheimischen und Zugewanderten (z. B. Freizügigkeit, Zugang zum Arbeitsmarkt, Ansprüche auf öffentliche Leistungen, politische Partizipation). Die sprachliche, wirtschaftliche und soziale Integration sollte allerdings Voraussetzung und nicht ein erhofftes Ergebnis der Einbürgerung sein.
6. Befristeter Aufenthalt und kleiner Grenzverkehr
Wenn die transnationale Migration jenseits der humanitär bzw. völkerrechtlich gebotenen sowie der erwünschten Zuwanderung nach Möglichkeit eingedämmt werden soll, ist darauf zu achten, dass befristete Aufenthaltsgenehmigungen tatsächlich befristet bleiben und zu termingerechter Ausreise führen. Dies gilt zum Beispiel für Studium, Berufsausbildung, zeitlich befristete Arbeitsverhältnisse, Tourismus, Transit u. ä. Internationale Regelungen - wie es sie zum Beispiel für Arbeitsmigranten seitens der International Labour Organization (ILO) und der International Organization for Migration (IOM) bereits gibt - würden nicht nur zur Vereinheitlichung von Standards und zur Rechtssicherheit beitragen, sondern auch zur Legitimierung von Abschiebungen. Der kleine Grenzverkehr sollte im Sinne guter Nachbarschaft möglichst liberal gehandhabt werden, aber nicht als Tor zu unerwünschter Einwanderung dienen.
7. Unerwünschte und illegale Zuwanderung
Ein international konsensfähiges Prinzip bezüglich unerwünschter und illegaler Zuwanderung könnte folgendermaßen lauten: Keinem Staat wird zugemutet, zusätzlich zu jenen Migranten, die er aus humanitären bzw. völkerrechtlichen Gründen aufnehmen muss bzw. sollte, und jenen, die er aus eigenem Interesse aufnehmen will, weitere Migranten zu akzeptieren. Wenn der Sinn eines Einwanderungsgesetzes darin besteht, dass ein Staat über die erwünschte Zuwanderung befinden kann, dann muss er gleichzeitig dafür sorgen "dürfen", dass er die unerwünschte Zuwanderung so effektiv wie möglich unterbindet, darunter auch den Missbrauch des Asylrechts und die illegale Einreise. "Kontingentierung der legalen Zuwanderung bewirkt Anreize zur illegalen Zuwanderung. Wer dies nicht zu verhindern weiß, entwertet letztlich die eigenen Mittel zur Steuerung der Zuwanderung . . ."
Internationaler Regelungsbedarf besteht insbesondere im Hinblick auf folgende Punkte: die Vereinheitlichung der Grenzregime sowie die Behandlung illegaler Migranten an der Grenze; die Bekämpfung des Schleuserwesens und der grenzüberschreitenden Kriminalität; die Harmonisierung der entsprechenden Sanktionen; die Ächtung und Sanktionierung der in Bezug auf illegale Zuwanderung kooperationsunwilligen Staaten; die Mitteilungs- und Abstimmungsverfahren zwischen den Grenzkontrollbehörden; die Vereinheitlichung der Verfahren für den Umgang mit aussichtslosen und abgelehnten Asylanträgen sowie für die Beendigung des Aufenthalts nach Fortfall der Fluchtgründe; die Koordinierung und Vereinfachung von Rückführungs- und Übernahmeverfahren; die Zusammenarbeit bei der Aufdeckung von Dokumentenfälschungen; die Implementierung eines internationalen Informationsnetzes über illegale Zuwanderung.
8. Bekämpfung der Migrationsursachen
Ein wesentlicher Beitrag zur Eindämmung grenzüberschreitender Migration besteht in der Entwicklung eines internationalen Systems kollektiver Friedenssicherung sowie der Durchsetzung wirksamer Sanktionen gegen Staaten, welche die elementaren Menschenrechte verletzen und ihre Bürger zur Flucht zwingen. Das internationale Engagement für die Bewahrung des Friedens, die Einhaltung der Menschenrechte sowie die Durchsetzung der Demokratie muss intensiviert werden und eine größere Verbindlichkeit bekommen. Das Prinzip der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten sollte entsprechend relativiert werden. Jene Staaten, die internationale Hilfe erhalten, könnten stärker als bisher in die Pflicht genommen werden.
Die Zahl der unerwünschten Wirtschaftsmigranten, die aus ärmeren Staaten in reichere drängen, lässt sich - wenn überhaupt - nur langfristig verringern, indem die Lebensbedingungen in den ärmeren Staaten verbessert werden. Die reicheren Staaten können dies mit wirtschaftlicher Kooperation und Entwicklungszusammenarbeit zwar nicht ohne erhebliche Eigenanstrengungen der ärmeren Staaten erreichen, aber sie haben in jedem Fall das Potenzial, um einen erheblichen Beitrag dafür zu leisten. Illusionen sollte man sich diesbezüglich freilich nicht machen, denn Entwicklung ist ein komplexer Prozess, der häufig von zählebigen strukturellen, politischen und soziokulturellen Widerständen behindert wird und der sich mit technokratischen Programmen nicht einfach "herstellen" lässt. Selbst wenn sich die durchschnittlichen Lebensbedingungen in den ärmeren Ländern entscheidend verbessern sollten, wird es dort noch absehbare Zeit zahlreiche arme Menschen geben, die sich von transnationaler Migration eine Verbesserung ihrer Lebensqualität erhoffen. Hinzu kommt, dass der Entwicklungsabstand zwischen den heutigen Industrienationen und den Nachzüglern auf absehbare Zeit groß bleiben wird - möglicherweise wird er trotz Entwicklungserfolgen der Nachzügler sogar noch größer. Ein Rückgang des wirtschaftlich motivierten Migrationsdrucks ist mittelfristig also selbst im Falle positiver Entwicklung in den ärmeren Ländern nicht zu erwarten (von deren starkem Bevölkerungswachstum einmal ganz abgesehen!). Überdies sind es ja häufig gar nicht die Allerärmsten, die ihre angestammte Heimat verlassen, sondern die relativ besser Gestellten, die ihre Lebensbedingungen durch Migration weiter verbessern wollen.
Im politischen Dialog mit jenen Staaten, von denen erhebliche Ströme unerwünschter Migranten ausgehen, sollten die wirtschaftlichen und entwicklungspolitischen Beziehungen mit dem Migrationsthema verknüpft werden. In den besonders kritischen Regionen könnten gezielte Projekte gegen die Abwanderung gefördert werden, wobei allerdings darauf zu achten ist, dass dadurch nicht große und dauerhafte Gruppen von internationalen Sozialhilfeempfängern entstehen.
Ein wichtiger Punkt betrifft die Dämpfung des hohen Bevölkerungswachstums in den ärmeren Staaten: Es wirkt nicht nur als erhebliches Entwicklungshemmnis, sondern vermehrt sozusagen biologisch die Zahl potenzieller Migranten. In diesem Bereich sind größere nationale und internationale Anstrengungen als bisher erforderlich, und zwar insbesondere alle angezeigten Maßnahmen, die direkt im Sinne von Fertilitätssenkung wirken. Der indirekte Weg über Entwicklung ist nicht nur langwierig, sondern er wird gerade dadurch erschwert, dass das anhaltend hohe Bevölkerungswachstum selber ein erhebliches Entwicklungshemmnis darstellt.
Abschließend seien die Umweltflüchtlinge erwähnt. Auch in diesem Bereich ist mehr nationales und internationales Engagement als bisher erforderlich, um zu verhindern, dass Menschen ihre angestammte Heimat aus ökologischen Gründen verlassen müssen. Weltweit betrachtet verschärft sich die globale Umwelt- und Ressourcenproblematik, und es sieht zur Zeit so aus, als ob die Zahl der Umweltflüchtlinge in Zukunft eher zu- als abnehmen wird.