Einleitung
Der Tourismus ist kein neues Phänomen unserer Zeit. Bereits seit Tausenden von Jahren verreisen Menschen. Dennoch bestehen entscheidende Unterschiede zwischen dem modernen Tourismus und den Reisen von gestern. Zum einen sind immer mehr Menschen immer schneller, immer öfter und immer weiter unterwegs. Zum anderen haben die Reisenden vergangener Jahrhunderte ihren Urlaub nicht bei TUI, Neckermann oder Rewe gebucht.
Der moderne Tourismus ist ein "Big Business", das von wenigen großen Konzernen bestimmt wird. Daten des Weltwährungsfonds (IWF) zufolge löste der internationale Tourismus mit Einnahmen in Höhe von 504 Milliarden US-Dollar bereits 1998 die Automobilbranche als größte Exportindustrie der Welt ab. Nach Meinung der Welttourismusorganisation (WTO) sei das internationale Reisegeschäfte aber "nur die Spitze eines Eisbergs". Denn zu den rund 700 Millionen grenzüberschreitenden Reisenden jährlich kämen nochmals etwa 2,3 Milliarden Touristen hinzu, die jeweils im eigenen Land Urlaub machen. Die WTO schätzt deshalb die globalen Gesamteinnahmen der Tourismusbranche auf 1,7 Billionen US-Dollar jährlich.
Obwohl die Tourismusfirmen - allen voran die TUI (Preussag), der inzwischen größte Reisekonzern der Welt - seit den neunziger Jahren auf dem Papier immer "grüner" werden und mit Bezeichnungen wie "Ökotourismus" oder "umweltfreundlicher" und "sanfter Tourismus" werben, geschieht in Wirklichkeit kaum etwas in dieser Richtung. Parallel zur Inflation der Lippenbekenntnisse nehmen ungehindert drei für die Umwelt und die soziale wie ökonomische Situation in den Entwicklungsländern gefährliche Tourismustrends zu.
I. Fernreisen
Immer mehr Touristen nutzen die Billigangebote von Neckermann, Lufthansa und TUI, um für ein paar Tage in die Karibik, nach Kenia oder Südostasien zu fliegen. Kohlendioxidausstoß oder der naturzerstörerische Verbrauch von strategischen und energieintensiven Rohstoffen wie Aluminium für den Flugzeugbau, der notwendige Bau neuer und der Ausbau bestehender Flughäfen spielen praktisch keine Rolle. So wuchs der interkontinentale Ferntourismus zwischen 1985 und 1996 um 73 Prozent, Tendenz weiterhin steigend. Unternahmen 1996 noch 3,5 Prozent der Weltbevölkerung eine Fernreise, werden es bis 2020 mehr als doppelt so viele sein, rechnet das Büro für Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestags (TAB). Laut der Delphi-Studie "Fernreisen 2005" werden wahrscheinlich ab 2005 allein die Deutschen jährlich rund elf Millionen mal in ein fernes Urlaubsland fliegen.
Was bedeutet diese Steigerung des internationalen Flugverkehrs für die Umwelt? Was bedeutet es für unsere Atmosphäre, unser Klima, wenn laut WTO im 21. Jahrhundert jede dritte Urlaubsreise weltweit per Flugzeug unternommen wird? Zahlen des von den Vereinten Nationen eingesetzten Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) zufolge betrug der vom Flugverkehr verursachte Kohlendioxidausstoß 1992 nur etwa zwei Prozent des weltweit durch Industrie, Haushalte und Verkehr in die Atmosphere eingebrachten Kohlendioxids (CO2).
Das LH-Management sieht also den Ferntourismus als Retter der einheimischen Umwelt. Der Teufel soll mit dem Belzebub ausgetrieben werden. Bereits jetzt sind die Belastungsgrenzen vieler Fernreiseziele längst erreicht. Bei den gegenwärtigen Wachstumsraten ist es nur eine Frage der Zeit, wann auch das letzte Fleckchen Natur in der entferntesten Region am Tourismus erstickt. Der LH-Ansatz, die vorhandenen Belastungsprobleme in unseren eigenen letzten unverbauten Landschaften durch Verlagerung der Tourismusströme auf andere Regionen, vor allem in die südlichen Länder der Dritten Welt, zu lösen, ist deshalb unseriös. Er vernachlässigt darüber hinaus den vom Flugverkehr verursachten Schadstoffausstoß und Treibhauseffekt. Dabei sind gerade die beliebten Fernreiseziele Hauptopfer des Klimawandels. So hält der 1997 veröffentlichte IPCC-Report über die regionalen Auswirkungen des Klimawandels die tropischen und subtropischen Urlaubsinseln für extrem gefährdet durch Klimawandel und Meeresspiegelanstieg. Die Menschen wie der Tourismus der Inselstaaten der Karibik sowie des Pazifischen und Indischen Ozeans würden auf vielfältige Weise unter den Auswirkungen des künstlich erhöhten Treibhauseffektes leiden. "Der Verlust von Stränden aufgrund von Erosion und Überschwemmung, die Versalzung von Trinkwasserquellen, erhöhter Umweltstress auf die Küstenökosysteme, Beschädigung der Infrastruktur durch tropische Stürme und ein großer Verlust an natürlichen, landschaftlichen Reizen bedrohen die Überlebensfähigkeit und Nachhaltigkeit der Tourismusindustrie vieler kleiner Inseln", warnen die Wissenschaftler.
II. All-inclusive
Wachstumsmarkt Nummer zwei ist der All-inclusive-Tourismus. Fast alle Reisekonzerne setzen zunehmend auf die abgeschlossenen Urlaubsghettos, in denen die Urlauber so viel essen und trinken können, wie sie wollen, Surfen, Tennisspielen, Golfen - alles im Preis inbegriffen. Nur die kurzen Ausflüge mit klimatisierten Reisebussen oder der kurze Besuch eines Bordells finden außerhalb der Feriendörfer statt. Die Einheimischen werden so von den Gewinnen aus dem Tourismus weitgehend ausgeschlossen, da oft selbst die Nahrungsmittel aus den Industriestaaten importiert werden. Die lokale Bevölkerung wird fast nur noch als gelegentliche Kulisse und als Lieferant für preiswerte Prostituierte benötigt. Der Brite Richard Carrick, der zum Direktorium von Airtours gehört, gibt freimütig zu, weshalb Tourismuskonzerne auf All-inclusive setzen: "All-inclusives erzeugen höhere Gewinnspannen." Diese Aussage wird durch eine 1989/90 in Jamaica durchgeführte Untersuchung unterstützt:
III. Kreuzfahrttourismus
Der jüngste Weltwirtschaftsgipfel vergangenen Juli in Genua, als die G-8-Staatsmänner werbewirksam auf einem Luxusliner nächtigten, zeigte es deutlich: Der Kreuzfahrttourismus liegt voll im Wind. Das schon im All-inclusive-Tourismus praktizierte Prinzip des größtmöglichen Gewinnes für das Reiseunternehmen wird bei den Kreuzfahrten auf die Spitze getrieben. Den angesteuerten Küsten und Trauminseln der "Dritten Welt" bleiben in der Regel nur "Almosen" und der ins Meer verklappte Abfall der Traumschiffe.
Transport, Übernachtung und Verpflegung machen den Löwenanteil der Ausgaben eines jeden Touristen aus. Bei Kreuzfahrten landet dieser Teil der Urlaubskasse faktisch zu 100 Prozent in den Taschen der internationalen Tourismusbetriebe. Ihre Schiffe laufen die Kreuzfahrthäfen meist frühmorgens an und legen in der Nacht wieder ab. Im Gegensatz zu Hotel- oder gar Rucksacktouristen können die Kreuzfahrer so nur einen Bruchteil ihres Urlaubsgeldes in den bereisten Ländern selbst ausgeben. Einheimische Hotels, Pensionen und Restaurants der angesteuerten Reiseziele gehen leer aus. Die Wirtschaft der Trauminseln und Küstenregionen der Karibik, des Mittelmeers, der Südsee oder des Indischen Ozeans kann allenfalls am Geschäft mit Kurzausflügen, Imbiss, Reiseandenken und Prostitution mitverdienen. Doch die Kreuzfahrtlinien, die zum überwiegenden Teil Firmen aus den G-8-Staaten gehören, gönnen den Entwicklungsländern selbst diese Krümel nicht. Längst können sich die Urlauber auch bequem an Bord mit Urlaubsmitbringseln der "bereisten" Länder eindecken. Und Insider berichten, dass den Passagieren auf den Schiffen von der Nutzung lokaler Taxis und lokaler Reiseunternehmen abgeraten wird. Paul Wilkinson von der kanadischen York University beobachtete 1999 folgerichtig den Trend, dass die Traumschiffpassagiere Jahr für Jahr weniger Geld in den Kreuzfahrthäfen ausgeben.
Zum Vorteil für die Kreuzfahrtindustrie waren aber die angesteuerten Urlaubsländer bisher unfähig, eine einheitliche Regelung festzulegen. Die Cruise Lines können so die einzelnen Staaten untereinander ausspielen: Inseln, die keine Gebühr verlangen, werden bevorzugt, während Länder, die die "Kopfsteuer" erhöhen wollen, einfach nicht mehr angelaufen werden. Einige Kreuzfahrtunternehmen haben es inzwischen auch fast gar nicht mehr nötig, Inseln anderer Länder anzusteuern. Sie nutzen firmeneigene oder gepachtete "Trauminseln". So erfreut sich die bei den Bahamas gelegene Privatinsel namens Salt Cay großer Beliebtheit bei Schiffsreiseunternehmen. Gleich drei Kreuzfahrtlinien teilen sich das Eiland und laufen sie jeweils an verschiedenen Wochentagen an, wobei sie der Insel jeweils einen anderen Namen geben: Die Dolphin Cruise Lines nennt sie "Dolphin Cove" oder "Blue Lagoon", die Majesty Cruise Lines hat sie "Royale Isle" getauft, während sich die Premier Cruise Lines mit dem Namen "Salt Cay" begnügt.
Um Gewinne zu maximieren, spart die Traumschiffbranche auch bei den Löhnen und Arbeitsbedingungen ihrer Crew-Mitglieder. Unabhängige Arbeitsvermittler besorgen das billige und willige Personal vor allem aus den verarmten Ländern des Südens und des Ostens. Untersuchungen der Arizona State University zufolge ist es nicht ungewöhnlich, wenn die bis zu 1000-köpfige Besatzung eines Luxusliners aus mehr als 40 verschiedenen Nationen stammt.
Bleibt die Frage, was den Inseln und Regionen vom Kreuzfahrttourismus bleibt? "Der Abfall", lautet die Antwort. "Ein Kreuzfahrtschiff mit 1 200 Passagieren und Besatzung produziert jeden Tag 4,2 Tonnen Müll, andere Abfallschadstoffe wie Ölreste, Abwasser und sanitäre Rückstände nicht mitgerechnet", so ein besorgter Commenwealth-Report. Abwässer und Müll der Ozeanriesen landen direkt im Meer - und später an den Stränden. Abfälle der Kreuzfahrtschiffe finden sich heute an allen Stränden der Karibik und bald auch an allen Küsten der Südsee. Gegenwärtige, internationale Abkommen sind unzureichend, um die fortschreitende Vermüllung und Verseuchung der Meere vor den Trauminseln zu verhindern. Doch selbst wenn künftig Müll- und Abwasserentsorgung auf hoher See verboten und mit schmerzhaften Strafen belegt werden sollte: Das Problem bleibt. Wohin mit dem "Dreck"? Schon jetzt wissen die Inselstaaten nicht wohin mit dem eigenen Müll.
Kreuzfahrtschiffe haben für Tourismuskonzerne noch einen unschlagbaren Vorteil: sie verringern die Abhängigkeit der Touristikbranche von den Urlaubsländern. Die schwimmenden Touristik-Resorts können überallhin ausweichen. Dank geringem Tiefgang können einige moderne Luxusschiffe selbst kleine Dörfer am Amazonas oder die winzigsten Tropeninseln anlaufen. Zudem gehen sie auch bei einem noch so hohen, durch globale Erwärmung ausgelösten Meeresspiegelanstieg nicht unter. Dies aber droht gerade den Tropeninseln. Der Kreuzfahrtbranche tut dies keinen Abbruch. Sie kann sich zurücklehnen und dem bevorstehenden "Untergang" vieler Trauminseln zusehen. "Die beschränkte Anzahl von Ländern und Häfen schreckt unsere Kunden nicht ab", sagt Bob Dickinson von Carnival Cruise Lines, "letztlich ist das Schiff die Attraktion, nicht der Anlaufhafen."
IV. Golf- und Sex-Tourismus
Eng verbunden mit den drei vorher beschriebenen Tourismustrends sind die Spezialtourismusarten, wie z. B. Sex- und Golftourismus. Um Platz für Golfanlagen zu schaffen, wurden und werden rund um den Globus Kleinbauern vertrieben, Wälder abgeholzt, das Trinkwasser der lokalen Bevölkerung wird verbraucht und die Umwelt mit Pestiziden verschmutzt. Obwohl weltweit gegen den ökologisch und sozial katastrophalen Golftourismus protestiert wird, setzt sich dieser Trend ungehindert fort - von den Philippinen bis Mexiko, von Ägypten bis Marokko: Immer mehr Golfplätze müssen her, selbst in der Wüste. Golfreise-Experten rechnen mit Steigerungsraten im Golftourismus von jährlich über zehn Prozent.
"In Thailand schossen neue Golfprojekte - gewöhnlich im Stil von Country Clubs, ergänzt mit anderen Sport- und Erholungseinrichtungen, Luxushotels und Ferienhauskomplexen - in nahezu allen Landesteilen wie Pilze aus dem Boden", berichtet die südostasiatische Tourismuskritikerin Anita Pleumarom, die für das Tourism Investigation and Monitoring Team (TIM-Team) in Bangkok arbeitet.
Zufall oder nicht: Parallel zum Golftourismuswahn boomte der Sextourismus in Thailand. Und so wie weltweit immer mehr Reiseländer mit Golfplätzen aufwarten, verbreitet sich der scheinbar grenzenlose Sextourismus. Selbst die Angst vor AIDS konnte ihn bislang nicht stoppen. Lediglich die Urlaubsorte ändern sich, und die missbrauchten Frauen, Mädchen und Jungen werden von Jahr zu Jahr jünger. Wenn die AIDS-Gefahr in einem Zielgebiet zu groß geworden ist, wird einfach das nächste Land angesteuert. Inzwischen suchen die europäischen Sexurlauber zunehmend die Karibik sowie Mittel- und Südamerika auf. Auch die ehemaligen Ostblockstaaten sind ein immer beliebteres Sexziel. Die Seuche AIDS und der zunehmende sexuelle Missbrauch von Kindern durch Touristen reisen im Gepäck mit. Umfragen der Europäischen Kommission zufolge sprechen sich 94 Prozent der Europäer gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern durch Urlauber aus.
Dank der 1990 im thailändischen Chiang Mai gegründeten internationalen Kampagne "Stoppt die Kinderprostitution im asiatischen Tourismus" (ECPAT) und anderer Kinder- oder Frauenrechtsorganisationen wurden zwar in einigen Ländern die Gesetze gegen Kindesmissbrauch durch Touristen verschärft und Dutzende von Sexurlaubern wegen Kindesmisshandlung vor Gericht gebracht, doch ein Ende von Sextourismus und Kinderprostitution ist nicht in Sicht. Jüngsten Untersuchungen der Europäischen Kommission zufolge steigt die Zahl der Kinderprostituierten konstant an. Weltweit kommen, so die offiziellen Schätzungen, jährlich eine Million Kinder hinzu, die Opfer von Sextourismus und organisierter Prostitution werden. "Anfangs konzentriert in Südostasien, hat sich nun Kindersextourismus in viele Länder Asiens selbst, Südamerika, die Karibik und Afrika ausgebreitet", stellte die Europäische Kommision 1998 fest.
Eines der seit den neunziger Jahren besonders bei Deutschen beliebten Reiseländer ist die Dominikanische Republik. Die UNICEF-Studie "La Neo-Prostitucion Infantil en Republica Dominicana" schätzte dort die Anzahl der Kinderprostituierten zwischen 12 und 17 Jahren im Jahr 1993 auf über 25 000.
Die rund zwei Millionen Mark, die die Europäische Kommission jüngst für Kampagnen gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern durch Touristen an verschiedene Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und die WTO vergeben hat, werden das Problem kaum beseitigen können. Die Reisefirmen stecken übrigens weiterhin ein Vielfaches dieser Summe in sexorientierte Werbung.
V. Natur- oder Ökotourismus
Nun stellt sich natürlich die Frage: Kann der Natur- oder Ökotourismus, im Englischen "Ecotourism"
Derzeit ist es so, dass die Zielgebiete nur aufgeteilt werden. Ein Stück Regenwald wird abgeholzt, ein anderes für den Naturtourismus mit Hotels (Eco-Lodges) und Infrastruktur entwickelt, und an der Küste wird der Mangrovenwald in Urlaubs-Resorts und Golfplätze umgewandelt. In einer Studie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ)
Seit "Erfindung" der Nationalparks sind die Opfer des "Ecotourism" aber auch traditionelle Bevölkerungsgruppen und indigene Völker wie zum Beispiel die in den ostafrikanischen Savannen beheimateten Massai. Sie wurden seit den fünfziger Jahren nach und nach aus den touristisch interessanten Gebieten verdrängt. Begonnen hatte es mit der Errichtung des Serengeti-Schutzgebiets. Die dort lebenden Massai wurden in das erheblich kleinere Gebiet des Ngorongoro-Kraters zwangsumgesiedelt. Als immer mehr tierliebende Touristen ins Land kamen, waren die Massai 1974 auch im Ngorongoro-Krater nicht mehr touristisch erwünscht. Sie wurden mit militärischem Druck aus dem Krater vertrieben. Auch Pygmäen-Völker verloren ihre angestammten Gebiete im Herzen Afrikas, um Platz für den so genannten Gorilla-Tourismus zu schaffen.
Das Thai Network on Tourism (TNT) indes fürchtet, dass der neue Trend zur Förderung des Ökotourismus der internationalen Industrie lediglich neue Möglichkeiten eröffnet, um Thailands natürliche und kulturelle Ressourcen ohne Rücksicht auf die lokalen Bevölkerungen zu kapitalisieren. Gleiches befürchten die Hawaiianer. Nachdem Hawaiis Ureinwohner bereits - in der Folge der US-amerikanischen Annexion im Jahre 1898 - fast ihres gesamten Landes beraubt und von der auf Sonne, Strand, Meer und Sex setzenden Urlaubsbranche ausgebeutet wurden, empfinden sie den sich jetzt ausweitenden Naturtourismus als zusätzliche Bedrohung. "Mit der wachsenden Beliebtheit des Ecotourism geht die Ausbeutung durch die Urlaubsindustrie tiefer als jemals zuvor", klagt die Vereinigung der hawaiianischen Ureinwohner, Ka Lahui Hawai'i. Camping-, Wander- und Abenteuerurlauber störten zunehmend die letzten verbliebenen Gebiete, in denen die Ureinwohner noch in traditioneller Weise lebten, jagen und fischen könnten. Die Landnutzungsrechte der Ureinwohner würden beschnitten, nur damit Ökotouristen intakte Natur erlebten.
VI. Zum UN-Jahr des Ökotourismus
Während der Internationalen Tourismusbörse in Berlin (ITB) 1997 sagte der Umwelt-Direktor des inzwischen größten Reisekonzerns der Welt, der TUI, Wolf Michael Iwand: "Aber was ist die ,Mission' des Tourismus? Größe allein reicht nicht aus. Das haben wir längst für unser Unternehmen gelernt. Wenn ich das Potenzial von Naturerhaltung und Wertschöpfung zum Maßstab nehme, dann, so denke ich, hat Tourismus das Potenzial, die bessere Alternative für die Zukunft, für eine notwendige nachhaltige Entwicklung zu sein." Diesen und anderen Sonntagsreden zum Trotz: Global agierende Tourismuskonzerne wollen wie alle Unternehmen Profit machen, möglichst jedes Jahr mehr Profit. Klarer als Michael Iwand äußerte sich der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Tourismuswirtschaft, Erich Kaub, in seiner Festrede zur Eröffnung der ITB 2001, auf der er sich vehement für die Abschaffung der Ökosteuer und für den Ausbau von Flughäfen einsetzte. Kaub: "Es liegt in der Natur des Menschen, neue Ziele zu suchen. So wie die Autoindustrie neue Autos entwickelt, so entwickeln wir neue Destinationen."
Destinationen - touristische Zielgebiete - sind für die Reisebranche wie eine natürliche Ressource, wie Luft und Wasser. Da heutige und zukünftige Urlaubsziele ein noch ausreichend vorhandenes Allgemeingut sind, sind sie praktisch kostenlos zu haben. Das Angebot regelt die Nachfrage. Solange es irgendwo auf der Welt - oder neuerdings auch im Weltraum - ein noch nicht entwickeltes Zielgebiet gibt, sind die Tourismuskonzerne nicht abhängig von den einzelnen Reiseländern. Ist ein Urlaubsziel kaputtentwickelt oder ist die Gewinnmaximierung gänzlich ausgeschöpft, zieht die Karawane der Tourismusentwickler in ein neues Zielgebiet weiter - wie Goldgräber, die von Claim zu Claim wandern und dabei eine Spur der sozialen und ökologischen Verwüstung hinterlassen. Macht ein kleiner Inselstaat den großen Touristikkonzernen unbequeme Auflagen, ziehen die Unternehmen einfach ab. Die Kreuzfahrtschiffe und Urlaubsjets steuern in der nächsten Saison einen anderen Hafen an. Das betroffene Urlaubsland bleibt auf seinen Weltbankschulden sitzen, die es aufgenommen hatte, um touristische Infrastrukturpojekte (Häfen, Straßen, Golfplätze usw.) zu finanzieren. Die Abhängigkeit der Zielgebiete des Südens von den Tourismuskonzernen spiegelt sich ebenso in der Gewinnverteilung wider. Studien ergaben, dass nur weniger als ein Drittel der Einnahmen aus dem Tourismus normalerweise in den Kassen des bereisten Entwicklungslandes landen.
Internetadressen des Autors zum Thema Tourismus und Tourismuskritik
- www.tourismconcern.org.uk (Tourism Concern, United Kingdom)
- www.twnside.org.sg/title/iye.htm und twnside.org.sg/tour.htm (Tourism Investigation and Monitoring Team, Thailand)#
- www.akte.ch (Arbeitskreis Tourismus und Entwicklung, Schweiz)
- www.ecotourism.org (The International Ecotourism Society, USA)
- www.itf.org.uk (Cruise Ship Campaign von International Transport Workers Federation [ITF])
- www.child-hood.com (Internet platform against the sexual exploitation of children in tourism)
- www.ecpat.de (ECPAT Deutschland/Organisation gegen die sexuelle Ausbeutung und den Handel von Kindern)
- www.iz3w.org/fernweh (Fernweh-Forum Tourismus und Kritik, Deutschland)
- www.rethinkingtourism.org (Rethinking Tourism Project, Protecting and Preserving Indigenous Lands and Cultures, USA)
- www.studienkreis.org (Studienkreis für Tourismus und Entwicklung Deutschland)#
- www.tourism-watch.org (Tourism-Watch, Deutschland)
- www.world-tourism.org (World Tourism Organisation - WTO)
- www.wttc.org (World Travel and Tourism Council - WTTC)