"Überall werden wir Zeuge, wie unter dem Banner des Faschismus sämtliche Freiheiten, die im Laufe von Jahrhunderten unter Aufbringung von Opfern und gewaltigen Anstrengungen errungen wurden, vernichtet oder bedroht werden – Versammlungsfreiheit, Pressefreiheit, Meinungsfreiheit und sogar die des Gewissens selbst. In Anbetracht dieser Bankrotterklärung des gesellschaftlichen Fortschrittes dürfen wir nicht länger stumm bleiben."
Diese Worte aus dem "Appell an die freien Geister" stammen aus der Feder des französischen Kommunisten Henri Barbusse. Geschrieben wurden sie nicht etwa als Reaktion auf die Machtübertragung an die Nationalsozialisten 1933, den Spanischen Bürgerkrieg 1936, den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs 1939, die Niederlage Frankreichs 1940 oder den deutschen Überfall auf die Sowjetunion 1941 – sondern bereits 1927.
Barbusse, eine herausragende Persönlichkeit im internationalen Widerstand gegen den Faschismus, hatte diesen Appell mit einem Begleitbrief an zahlreiche Intellektuelle verschickt. Darin bat er sie um Unterstützung beim Aufbau eines internationalen antifaschistischen Komitees, "um gegen die barbarische Flut des Faschismus anzukämpfen". Einer dieser Intellektuellen war der im heutigen Indien geborene bengalische Dichter Rabindranath Tagore. Er hatte auf Einladung Mussolinis 1926 Italien besucht und diesen wohl zweimal getroffen. Durch die Begegnung mit dem französischen Schriftsteller Romain Rolland, einem Gefährten von Henri Barbusse, wurde Tagore auch prominenten, im Exil lebenden italienischen Antifaschisten vorgestellt. Unter dem Eindruck ihrer Berichte über faschistische Gräueltaten unterzeichnete Tagore Barbusses Appell. Veröffentlicht wurden seine Äußerungen im Juli 1927 im Magazin "Visva Bharati Quarterly". Dort schrieb Tagore: "Es versteht sich von selbst, dass ich für Ihren Appell Sympathie hege. Ich bin auch davon überzeugt, dass er die Meinung zahlreicher anderer vertritt, die entsetzt sind über die plötzlichen, aus der Tiefe der Zivilisation rührenden Gewaltausbrüche."
Dieses kaum bekannte Beispiel soll hier auf zwei wichtige Aspekte aufmerksam machen.
Der erste betrifft die Periodisierung: Üblicherweise wird transnationaler Antifaschismus fast automatisch mit den 1930er Jahren, insbesondere dem antifaschistischen Kampf in Spanien verbunden. Tatsächlich dienten in den Internationalen Brigaden mehr als 30000 Freiwillige aus über fünfzig Ländern. Daher wird häufig übersehen, dass es länderübergreifende Reaktionen auf den Faschismus schon lange vor dem Spanischen Bürgerkrieg gab. Der zweite Aspekt betrifft die internationale Dimension des Antifaschismus: Wie das obige Beispiel zeigt, erstreckte sich dieser – schon deutlich vor den 1930er Jahren – über die Grenzen des europäischen Kontinents hinaus, sogar bis zum indischen Subkontinent.
Das Feld der historischen Antifaschismus-Forschung befindet sich im Aufbau, eine breit angelegte Geschichte des weltweiten Antifaschismus muss erst noch geschrieben werden. Mein Ziel ist hier weit bescheidener gefasst: ein sehr kurzer historischer Digest, ein Abriss in Auszügen.
Entstehung
Beginnen wir dort, wo erstmals transnationaler Antifaschismus in Erscheinung trat. Dabei muss, mit dem finnischen Historiker Kasper Braskén, die entscheidende Rolle der Kommunistischen Internationale (Komintern) bei der Transnationalisierung des Antifaschismus anerkannt werden.
"In vielen Ländern droht eine faschistische Gefahr", stellte die Komintern fest, "in der Tschechoslowakei, Ungarn, fast allen Balkanländern, Polen, Deutschland, Österreich, Amerika und sogar in Ländern wie Norwegen. Nicht einmal in Ländern wie Frankreich und Großbritannien kann das Aufkommen des Faschismus ausgeschlossen werden."
Doch diese transnationale Initiative war nur eine von mehreren. Jenseits des Atlantiks, in Nordamerika, lösten faschistische Aktivitäten in den 1920er Jahren ebenfalls lokal bezogene transnationale Reaktionen aus – unabhängig von der Komintern. Ein Beispiel ist die Reaktion der radikalen italo-amerikanischen Diaspora auf die Auftritte ihrer Landsleute in Schwarzhemden in den Straßen von New York City. Kurz nach seinem Marsch auf Rom hatte Mussolini sämtliche in den USA lebenden Italiener dazu aufgerufen, sich in fasci zu organisieren. Als daher Anfang 1923 in New York ein Zentralkomitee zur Leitung dieser faschistischen Kampfverbände in den USA gegründet wurde, entstand im Gegenzug die Antifaschistische Allianz von Nordamerika. Bezeichnenderweise war die Dynamik dieser italo-amerikanischen antifaschistischen Mobilisierung transnational: Die Solidarität zwischen antifaschistischen Italo-Amerikanern speiste sich aus deren prägenden politischen Erfahrungen in Italien vor der Emigration, auch eine militante Praxis war von dort importiert worden. Darüber hinaus überschritten die Aktivitäten zum Teil die Grenze zu Kanada. Es kam zu Überfällen, gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Faschisten und Antifaschisten waren an der Tagesordnung, und eine Reihe von Menschen wurde sogar ermordet.
Wachstum und Rückgang
Welches sind die wichtigen Meilensteine in der weiteren Geschichte des globalen Antifaschismus?
Da der Antifaschismus in erster Linie reaktiv ist, werden wiederkehrende Muster von Wachstum und Rückgang durch den Reiz bestimmt. Nimmt dessen Stärke (die faschistische "Bedrohung" – wie auch immer ihre Gegner sie definieren) zu, verstärkt sich in der Regel auch die Wirkung, die Reaktion. Aus diesem Grund sollten Faschismus und Antifaschismus immer gemeinsam betrachtet werden, denn ohne das eine können Historiker das andere nicht in Gänze begreifen. Und doch stellt der Umfang der Literatur über Faschismus jenen über Antifaschismus in den Schatten. Allerdings soll eine solche Verbindung hier keinesfalls eine moralische Gleichsetzung suggerieren, geschweige denn die Befürwortung eines "Anti-Antifaschismus". Um vor diesem Hintergrund auf die Zeit zwischen den Weltkriegen zurückzukommen: Zentrale Momente für den globalen Antifaschismus waren die Machtübertragung an die Nationalsozialisten 1933, die "faschistischen" Unruhen in Paris vom Februar 1934, der Austrofaschismus, der Abessinienkrieg und vor allem der Ausbruch des Spanischen Bürgerkriegs 1936.
Hitler traf die Arbeiterbewegung – die deutsche war die stärkste außerhalb der Sowjetunion – ins Mark. Dies bewegte die Komintern, die den Faschismus nicht einem bestimmten Land zuordnete, sondern ihn als Entwicklungsstadium des weltweiten Kapitalismus betrachtete, zur Bildung einer Arbeitereinheitsfront gegen den Faschismus aufzurufen. Bald darauf wandelte sich die Strategie der Komintern von einer solchen "Einheitsfront" der Arbeiterklasse zu einer klassenübergreifenden "Volksfront". Dazu kam es einerseits angesichts der ernsthaften Bedrohung, die das nationalsozialistische Deutschland mittlerweile für die Sowjetunion darstellte; andererseits durch Ereignisse in Frankreich, wo sich die Einheitsfront rasch zu einer breiteren Allianz aller Antifaschisten entwickelte, darunter auch jene aus bürgerlichen Parteien. Die Idee hinter dieser Volksfront waren "konzentrische Kreise der Einheit", wie der Historiker Eric Hobsbawm es beschrieben hat, bei denen die Einheit innerhalb der Arbeiterbewegung eines Landes die Basis für eine möglichst breite nationale und schließlich internationale Einheit war.
Auf globaler Ebene war unter den zahlreichen von der Komintern geförderten Volksfrontbewegungen, die in dieser Phase entstanden, und hinter denen als maßgeblicher Strippenzieher oftmals der Verleger Willi Münzenberg stand, das Weltkomitee gegen Krieg und Faschismus die bedeutendste. Seinen Sitz hatte es in Paris, Generalsekretär war Henri Barbusse. Die Wurzeln des Weltkomitees gingen auf die antiimperialistische Amsterdam-Pleyel-Bewegung zurück, die als Reaktion auf die japanische Invasion der Mandschurei 1931 gegründet worden war. Mitte 1933 verlagerte sich wegen Hitlers Wahlsieg das Hauptanliegen auf die Bekämpfung des Faschismus. Die französische Hauptstadt – genannt "Hauptstadt des Antifaschismus" – wurde zur Heimat der meisten antifaschistischen Exilanten, auch der meisten kommunistischen außerhalb der Sowjetunion. 1934 veröffentlichte das Weltkomitee vier Zeitschriften: "Front Mondial" in Paris (herausgegeben von Barbusse); "Fight War and Fascism" in London; "Fight" in New York und "Weltfront gegen imperialistischen Krieg und Faschismus", die gegen den Willen der französischen Regierung über die Grenze nach Nazideutschland geschmuggelt wurde. Zu diesem Komitee gehörten zahlreiche nationale Gruppen, darunter aus den Amerikas, vielen europäischen Ländern bis hin zu solchen aus Asien und Australasien.
Andere bedeutende Initiativen, die von der Komintern unterstützt wurden, mobilisierten intellektuelle Eliten gegen die Bedrohung der Kultur durch den Faschismus. Barbusse rief zur Gründung einer internationalen Liga antifaschistischer Schriftsteller auf, worauf es im Juni 1935 im Maison de la Mutualité in Paris zu einer Versammlung von vielen der bekanntesten Persönlichkeiten der Weltliteratur kam. Mehr als zweihundert Schriftsteller aus fast 40 Ländern nahmen teil, darunter Heinrich Mann, Bertolt Brecht, Ernst Bloch, Alexei Tolstoi, Boris Pasternak und Aldous Huxley. Dem Kunsthistoriker Jean-Michel Palmier zufolge definierte sich dieser intellektuelle Kampf gegen den Faschismus nicht über Klassen oder die Verteidigung "proletarischer Literatur", sondern als zivilisatorisches Eintreten für Humanismus und gegen Barbarei, um die (moderne) Kultur vor der Geißel des Faschismus zu bewahren. Zwei Jahre später fand in Spanien ein zweiter Kongress antifaschistischer Schriftsteller statt.
Auch wenn die Komintern in dieser Phase das Monopol auf den Antifaschismus beanspruchte, sollte nicht vergessen werden, dass es auch andere Formen des transnationalen Antifaschismus gab. Sozialisten und Sozialdemokraten aus den Reihen der Sozialistischen Arbeiter-Internationale (SAI), die sich weigerten, sich von der Komintern vereinnahmen zu lassen, konzentrierten ihre Bemühungen auf Warenboykotte sowie die Unterstützung von Opfern des Faschismus. 1936 starteten SAI und Internationaler Gewerkschaftsbund die beeindruckende humanitäre Kampagne "Spanienhilfe". Dem Historiker Jim Fyrth zufolge stellte sie das "herausragendste Beispiel internationaler Solidarität in der britischen Geschichte" dar.
Gleiches gilt für die frühe internationale jüdische Boykottbewegung. Diese war eher eine humanitäre Reaktion auf das brutale Vorgehen des nationalsozialistischen Regimes gegen Juden als eine ideologisch strukturierte Antwort auf den Faschismus per se. Immerhin schien Mussolini keine Probleme mit Juden zu haben – zumindest noch nicht. "Der wahre Faschismus, der von Mussolini ins Leben gerufen wurde", so erklärte die italienische faschistische Tageszeitung "Regime Fascista" 1934, "kennt keine Herrschaft einer Rasse über eine andere".
Dennoch war es die faschistische Aggression in Europa, nämlich in Spanien, die Antifaschisten am meisten elektrisierte. Der Spanische Bürgerkrieg wurde zum herausragenden Symbol eines weltweiten Kampfes zwischen den Mächten der Barbarei (Faschismus) und jenen des Fortschritts und der Demokratie (Antifaschismus). In der populären Mythologie stehen die Internationalen Brigaden für einen heldenhaften und spontanen Ausbruch globaler antifaschistischer Solidarität. Tausende Freiwillige aus aller Welt trafen im republikanischen Spanien ein. Die Namen der Brigaden beziehungsweise Bataillone waren: Lincoln (USA), James Conolly Kolonne (Irland), Commune-de-Paris (Frankreich), Thälmann (Deutschland), Dimittroff (Balkanländer), Dąbrowski (Polen), Garibaldi (Italien), Español Bataillon (Lateinamerika) und so weiter. Das womöglich am stärksten multinational geprägte Bataillon war das nach dem russischen Bürgerkriegshelden Tschapajew benannte, das auch als "Bataillon der 21 Nationen" bezeichnet wird.
Darüber hinaus sollte nicht vergessen werden, dass auch andere Konflikte als Kämpfe zwischen Faschismus und Antifaschismus gedeutet wurden. Der Ausbruch des Zweiten Japanisch-Chinesischen Kriegs 1937 zog die Aufmerksamkeit vieler US-amerikanischer Antifaschisten auf sich.
Spanien war der Höhepunkt der globalen antifaschistischen Solidarität der 1930er Jahre – gleichzeitig aber auch ein Tiefpunkt. Ganz abgesehen von Spaltungen aufgrund der Maitage von Barcelona im Jahr 1937, als Antifaschisten sich untereinander Straßenkämpfe geliefert hatten, endete der heldenhafte Kampf zur Rettung der spanischen Demokratie im April 1939 mit einer vernichtenden Niederlage. Den absoluten Tiefpunkt erreichte der globale Antifaschismus nur wenig später: Mit der Unterzeichnung des deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakts – dem "Kommunazi-Pakt" – schien das Unvorstellbare eingetreten: die Komintern-Linie der antifaschistischen Einheit war endgültig obsolet. Als die einzig "wahren" Antifaschisten blieben nur noch nichtkommunistische Sozialisten und Demokraten übrig. Monat für Monat traten daraufhin etwa tausend Mitglieder aus der Amerikanischen Liga gegen Krieg und Faschismus aus (die sich 1937 in Amerikanische Liga für Frieden und Demokratie umbenannt hatte). Kritiker bezeichneten sie nun als "Amerikanische Liga für Frieden und Hypokrisie".
Einen weiteren Meilenstein in der Geschichte des globalen Antifaschismus markierte der Zweite Weltkrieg. Da die Sowjetunion nach dem deutschen Überfall in den Kreis der Antifaschisten zurückkehrte, schrieben sich nun die Alliierten (Churchill, Roosevelt und Stalin) den Antifaschismus ebenso auf die Fahnen wie die europäischen Widerstandsbewegungen. Beim Wiederaufbau nach dem Krieg wurde der Antifaschismus von allen Seiten instrumentalisiert, um in ihren Einflussbereichen den Übergang vom Faschismus zu legitimieren. Dem Politologen Stein Ugelvik Larsen zufolge bedeutete nach der Anpassung an den Kontext des Kalten Kriegs "Antifaschismus im Osten, sich Faschismus und Kapitalismus entgegenzustellen, während Antifaschismus im Westen bedeutete, sich dem Totalitarismus, das heißt dem Kommunismus entgegenzustellen."
Während Antifaschismus im Osten und insbesondere in der DDR seine Bedeutung als Instrument zur Legitimation des Staates behielt (bekanntlich rechtfertigte das Regime nach innen die Mauer als "antifaschistischen Schutzwall"; doch auch nach außen nutzte es etwa in fremdsprachigen Veröffentlichungen noch 1969 diese Strategie),
Zu den bemerkenswerten Beispielen hierfür zählen die Massendemonstrationen vom Sommer 1960 gegen das Kabinett Tambroni in Italien. Seine Regierung konnte ein Misstrauensvotum nur durch Unterstützung des neofaschistischen Movimento Sociale Italiano (MSI) überstehen. Der Parteitag des MSI in Genua, einer Stadt mit stark ausgeprägter Widerstandstradition, löste Demonstrationen aus, die auf andere Teile Italiens übergriffen, und bei einem Zwischenfall wurden fünf antifaschistische Demonstranten getötet. Während der 1970er Jahre waren auf den Straßen Großbritanniens Kundgebungen gegen die rechtsextreme National Front an der Tagesordnung, und bei Demonstrationen in London kamen 1974 und 1979 zwei antifaschistische Protestierende ums Leben. 1985 löste der Tod des antifaschistischen Aktivisten Günter Sare bei einer Demonstration gegen die NPD in Frankfurt am Main in zahlreichen westdeutschen Städten Unruhen aus. Vier Jahre später beendete der Zusammenbruch des kommunistischen Blocks dann diese Nachkriegsära des "gespaltenen" Antifaschismus.
Brücke in die Gegenwart
Historisch beruhten globale antifaschistische Netzwerke auf offiziellen Organisationen transnationaler Solidarität der Linken. Auch heute drückt sich länderübergreifender Antifaschismus mitunter noch in dieser Form aus. So gründete 1992 das Komitee für eine Arbeiterinternationale (KAI), ein Netzwerk trotzkistischer Parteien, die Initiative "Jugend gegen Rassismus in Europa". Bedingt durch den Niedergang beziehungsweise die Auflösung linker Internationalen – weder SAI noch Komintern überdauerten den Krieg –, lösten sich die traditionellen Strukturen des historischen Antifaschismus größtenteils auf. Die Schlüsselfiguren waren verstorben (Barbusse im August 1935), hatten zum Teil noch zuvor ihre Organisation verlassen (Münzenberg trat ein gutes Jahr vor seinem Tod im Juni 1940 aus der KPD aus). Zwar verschwanden transnationale Verbindungen in der Nachkriegszeit nicht vollständig, sie aufrecht zu erhalten blieb jedoch häufig antifaschistischen Zeitschriften und Gruppierungen überlassen, etwa "Searchlight" (Vereinigtes Königreich, gegründet 1975), "Antifaschistisches Infoblatt" (Deutschland, gegründet 1987) oder "Expo" (Schweden, gegründet 1995).
Mit Beginn des digitalen Zeitalters wurde der grenzüberschreitende Austausch gewiss leichter. Ein zentraler Unterschied zwischen den heutigen transnationalen Aktivistinnen und Aktivisten einerseits und dem historischen Antifaschismus andererseits wird daher an jenen linksradikalen und militanten autonomen Gruppen deutlich, die das organisatorische Vakuum gefüllt haben: der "Antifa".
Als Reaktion auf ein von ihnen wahrgenommenes Wiederaufleben von "Neofaschismus" (der stete Aufstieg des Front National in Frankreich, der sprunghafte Anstieg rechtsextremer Aktivitäten in Deutschland nach der Wiedervereinigung, lokal begrenzte Wahlerfolge der extremen Rechten in Großbritannien) verbreiteten sich in den 1990er Jahren militante antifaschistische Gruppierungen in Europa. Zu den bekanntesten gehörten die Anti-Fascist Action (UK) in Großbritannien, die Autonome Antifa [M] in Deutschland sowie SCALP-Reflex in Frankreich. 1997 fand in London eine internationale Konferenz militanter Antifaschisten statt, an der Delegierte aus nicht weniger als 22 Organisationen teilnahmen, darunter Gruppierungen aus Deutschland, Norwegen, Schweden, Dänemark, Holland, Frankreich, Spanien und sogar Nordamerika. Ein Jahr darauf wurde ein sehr kurzlebiges transnationales Netzwerk gegründet – das Internationale Militante Antifaschistische Netzwerk. Doch insbesondere zwischen britischen und deutschen Antifaschisten kam es zu ideologischen und kulturellen Differenzen in Bezug auf das Primat der Klassenpolitik. Als die Anti-Fascist Action (UK) dem Netzwerk ihre Klassenpolitik aufzwingen wollte, entwickelte sich die transnationale Zusammenarbeit asymmetrisch, und in der Folge zog sich die Mehrheit der Gruppierungen zurück.
In den 2000er Jahren wurden diese und ähnliche Gruppierungen gemeinhin als Antifa bezeichnet. Auf den ersten Blick tritt die Antifa in einer ausgesprochen "modernen" Ästhetik auf – schwarze Kleidung, Kapuzenpullover, Schals, Sonnenbrillen und dergleichen. Doch handelt es sich ganz und gar nicht um eine "neue" Ästhetik. Tatsächlich ist sie historisch und hat ihre Wurzeln in der europäischen Autonomen Bewegung der 1970er Jahre. Historische Anleihen spielen offenkundig eine wichtige Rolle, es findet auch eine Bezugnahme auf die Symbole und Ikonografie der Zeit zwischen den Weltkriegen statt. "Antifa" ist nicht nur eine Kurzform für "antifaschistisch", sondern auch für "Antifaschistische Aktion". Eine solche war Mitte 1932 von der KPD gegründet worden. Ihr Ziel war es, ein parteiübergreifendes Bündnis aus Kommunisten und Sozialdemokraten zu schmieden – eine Einheitsfront. Zwar konnte die Antifaschistische Aktion Erfolge bei der Organisierung des physischen Widerstands der Arbeiterklasse gegen die Nationalsozialisten verbuchen. Doch in der Realität "war es kaum mehr als ein Logo, das einer Reihe von Aktionen der Kampagne für die ‚Einheitsfront von unten‘ [Strategie der KPD, die sich nur an die Basis und gegen die Führung der SPD richtete, Anm. d. Red.] angeheftet wurde", wie der Historiker Conan Fischer feststellt.
Es war dieses Logo – zwei rote Fahnen in einem Kreis –, das kommunistische Gruppen in der Bundesrepublik der 1970er Jahre für sich wiederentdeckten. Später eignete es sich die Autonome Bewegung an und modifizierte es als Symbol des militanten Antifaschismus (eine schwarze und eine rote Fahne), für den es heute global steht. Militante Antifaschisten weltweit verewigen durch Weiterverwendung Parolen vergangener Zeiten: Ein Beispiel ist "¡No Pasaran!" ("Sie werden nicht durchkommen!"), aus dem Schlachtruf "¡Los fascistas no pasarán! ¡NO PASARÁN!", der einem Aufruf zur Verteidigung der spanischen Hauptstadt von Dolores Ibárruri vom Juli 1936 im Sender Radio Madrid zugeschrieben wird. Auch wird die Erinnerung an berühmte antifaschistische Siege zelebriert, etwa die "Schlacht in der Cable Street" im Londoner East End von 1936.
Doch derlei Triumphe auf der Straße können sich auch als Pyrrhussiege erweisen, da sie eine Taktikveränderung seitens der Faschisten bewirken und ihre Wirkung somit schmälern können. Sie zu zelebrieren, ermutigt Kritiker dazu, Antifaschismus auf "Straßenkampf" zu reduzieren. Zum einen ist deutlich geworden, dass dies historisch falsch ist – Antifaschismus kann viele Formen annehmen. Zum anderen stellt es jenen einen Freibrief aus, die wie US-Präsident Donald Trump im Nachgang der Ereignisse von Charlottesville – wo eine Gegendemonstrantin von einem Rechtsextremen getötet wurde – bestrebt sind, die moralische Autorität des Antifaschismus infrage zu stellen.
Übersetzung aus dem Englischen: Peter Beyer, Bonn.