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Deutsche Europapolitik 2000 | Europapolitik - EU | bpb.de

Europapolitik - EU Editorial Machtteilung und Machtverschränkung in Deutschland Deutsche Europapolitik 2000 Die Landtage vor der Herausforderung Europa Regieren in der Europäischen Union

Deutsche Europapolitik 2000 Positionen, Prioritäten, Perspektiven

Mathias Jopp Uwe Schmalz Uwe Mathias / Schmalz Jopp

/ 23 Minuten zu lesen

Die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts sind für die Europäische Union von überlebenswichtiger Natur. Es werden entscheidende Weichen für den Weg zu einer erweiterten und politisch handlungsfähigen EU zu stellen sein.

I. Einleitung

Europa ist in Bewegung geraten. Nachdem das politische Erdbeben von 1989/90 die Blockkonfrontation und die starre Bipolarität des internationalen Systems zum Einsturz gebracht hatte, wurde die Europäische Union (EU) zum zentralen Bezugspunkt der Neuordnung des alten Kontinents. Der europäische Integrationsprozess erfuhr eine deutliche Beschleunigung, die sich nicht zuletzt in der dichten Abfolge der grundlegenden Vertragsrevisionen von Maastricht (1990/91) und Amsterdam (1996/97) niederschlug und 1999 zu weiteren Integrationsfortschritten führte. Hierzu zählen die Einführung des Euro, die Verabschiedung der Agenda 2000 zur Reform von Agrar- und Strukturpolitik sowie zur Festlegung des Finanzrahmens der EU; ferner das Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrags und damit auch der Einsatz neuer Instrumente und Verfahren der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP).

Den Willen zu weiteren Integrationsschritten markieren auch die Beschlüsse des Europäischen Rats in Köln vom Juni 1999 zur Begründung eines europäischen Beschäftigungspakts, zur Stärkung der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP), zur Festlegung auf eine im Jahr 2000 durchzuführende Regierungskonferenz über institutionelle Reformen sowie zur Ausarbeitung einer europäischen Grundrechtscharta. Zudem erzielten die EU-Staats- und Regierungschefs auf dem Sondergipfel von Tampere (Finnland) im Oktober 1999 eine Einigung über die nächsten Etappen beim Aufbau eines gemeinsamen Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts und einigten sich im Dezember 1999 in Helsinki u. a. darauf, mit weiteren sechs Bewerberstaaten Beitrittsverhandlungen aufzunehmen und der Türkei einen offiziellen Kandidatenstatus für den EU-Beitritt zu verleihen.

Für die EU stellt sich nunmehr die Aufgabe, die im Vorjahr lancierten Impulse aufzugreifen und konstruktiv umzusetzen. Eine besondere Bedeutung kommt dabei den institutionellen Reformen, der Ausarbeitung der europäischen Grundrechtscharta, dem Aufbau der ESVP sowie der Steuerung des Erweiterungsprozesses zu. Im Jahr 2000 werden damit entscheidende Weichen für den Weg zu einer erweiterten und den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gewachsenen, politisch handlungsfähigen Union zu stellen sein.

Deutschland hat ein zentrales Interesse an der Bewältigung der neuen integrationspolitischen Herausforderungen. Aufgrund der unmittelbaren Nachbarschaft zu den mittel- und osteuropäischen Ländern (MOEL), der Exportabhängigkeit der deutschen Industrie, der nicht zuletzt aufgrund der Lehren der deutschen Geschichte tief verwurzelten Tradition der Einbindung in die europäischen Strukturen sowie der historisch-moralischen Verpflichtung gegenüber den MOEL ist das Ziel einer erweiterten und vertieften EU ein fester Bestandteil der deutschen Staatsraison. Welche Prioritäten, Ziele und Interessen verfolgt die deutsche Europapolitik aber konkret bei der Lösung der anstehenden integrationspolitischen Aufgaben? Welche Gestaltungsräume und welche Schwierigkeiten sind dabei zu erwarten?

II. Erweiterung und Vertiefung der EU

1. Erweiterung

Deutschland ist von allen Entwicklungen in den MOEL - positiven wie negativen - direkt betroffen. Es kann daher nicht verwundern, daß die EU-Osterweiterung und mit ihr der Export von politischer und wirtschaftlicher Stabilität in die östlichen Nachbarländer "die strategische Priorität Nummer eins" deutscher Europapolitik darstellt. Die nach dem Regierungswechsel im Herbst 1998 zunächst zu konstatierende Zurückhaltung in der Frage des Umfangs und der Geschwindigkeit der Erweiterung gab die rot-grüne Bundesregierung nicht zuletzt aufgrund der Erfahrungen des Kosovo-Konflikts auf, unter deren Eindruck sie dazu überging, die Erweiterungspolitik vor allem auch als außenpolitisches Stabilisierungsinstrument einzusetzen. Berlin wurde damit rasch zu einem aktiven politischen Anwalt für die MOEL und ihren Weg in die EU. So setzte sich die deutsche Europapolitik erfolgreich für den Beschluss des Europäischen Rates von Helsinki im Dezember 1999 ein, Beitrittsverhandlungen mit weiteren sechs Kandidaten aufzunehmen und den Erweiterungszeitplan zu konkretisieren, indem sich die EU verpflichtet, ab Ende 2002 für die Aufnahme der ersten Beitrittskandidaten bereit zu sein .

Zudem vollzog die Schröder-Regierung in der Frage des Verhältnisses der EU zur Türkei einen Kurswechsel gegenüber der früheren Kohl-Regierung, indem sie sich mit Nachdruck für die in Helsinki beschlossene Anerkennung der Türkei als offiziellen EU-Beitrittskandidaten einsetzte. Berlin geht es darum, der Türkei entsprechend ihrer strategischen Bedeutung eine "glaubhafte europäische Perspektive" zu eröffnen. Zum einen soll die konstruktive Mitwirkung Ankaras für eine Lösung der für den EU-Erweiterungsprozeß wichtigen Zypern-Frage erreicht werden. Zum anderen ist die Einbeziehung des NATO-Mitglieds Türkei für die Stärkung der ESVP von Bedeutung. Vor allem sieht Berlin die EU-Beitrittsperspektive und insbesondere die in den Kopenhagener Kriterien enthaltenen Bedingungen für eine Mitgliedschaft in der EU als wirkungsvollen Hebel an, um auf die Fortentwicklung rechtsstaatlicher und demokratischer Strukturen sowie die Achtung der Menschen- und Minderheitenrechte in der Türkei hinzuwirken . Wie effektiv dieser Hebel sein wird und wann die Türkei die Beitrittsreife erlangt, bleibt allerdings für längere Zeit offen. Auch bei einigen anderen Beitrittskandidaten ist aufgrund des Ausmaßes an noch erforderlicher nachholender Entwicklung von einer deutlichen zeitlichen Differenzierung im Beitrittsprozess auszugehen.

Ob aber durch die zweifellos gesteigerten Erwartungshaltungen der Beitrittskandidaten - einschließlich der Türkei - der politische Druck in Richtung einer raschen und umfassenden und damit die Gefahr einer Verwässerung des Integrationsprozesses implizierenden Erweiterung gebannt werden kann, hängt maßgeblich vom Willen der Bundesregierung und ihrer Partner zur Vertiefung der Integration ab. Durchgreifende institutionelle Reformen sind dringend geboten, da die für die ursprüngliche Sechser-Gemeinschaft ausgelegten Strukturen, Verfahren und Institutionen bereits heute mit fünfzehn Mitgliedern häufig überfordert sind. Ohne Reformen würde eine EU mit 28 bis 30 Mitgliedstaaten einen Infarkt der Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit erleiden. Die strategischen Ziele deutscher Europapolitik ,rasche EU-Erweiterung' und ,substantielle Vertiefung' sind aber nicht gleichzeitig zu erreichen, denn eine grundlegende Reform des institutionellen Gefüges der EU wäre erforderlich, bevor sich durch die Aufnahme neuer Mitglieder die Konsensfindung hierüber noch zusätzlich erschwert. Andererseits würde eine prioritär betriebene, umfassende institutionelle Revision in der langfristigen Perspektive einer europäischen Verfassung den Erweiterungsprozess auf unbestimmte Zeit verzögern .

Als Ausweg aus diesem Zielkonflikt entwickelte die Bundesregierung während ihrer EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 1999 eine Zweistufen-Strategie, die im Juni 1999 vom Europäischen Rat in Köln angenommen wurde. Demnach soll sich die für die Reform der EU-Institutionen einzuberufende Regierungskonferenz auf die von den Staats- und Regierungschefs in Amsterdam ungelösten Fragen ("left-overs") beschränken, um einen zügigen Abschluss der Verhandlungen unter den Mitgliedstaaten zu gewährleisten. Zugleich wurde jedoch die Ausarbeitung einer europäischen Grundrechtscharta beschlossen, die aus deutscher Sicht die Ausgangsbasis für einen späteren europäischen Verfassungsvertrag bilden kann, der nur durch einen mittel- bis längerfristigen Verständigungsprozess unter den Mitgliedstaaten erreichbar ist.

2. Regierungskonferenz 2000

Oberste Priorität der deutschen Europapolitik ist der Abschluss der Regierungskonferenz zu den institutionellen Reformen noch während der französischen Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2000, um unter Berücksichtigung der Ratifizierungsphase für den geänderten EU-Vertrag dann ab Ende 2002 die ersten neuen Mitglieder in die EU aufnehmen zu können. Da nicht alle gegenwärtigen Mitgliedstaaten uneingeschränkt die deutschen und französischen Vorstellungen einer Begrenzung der Regierungskonferenz auf die Amsterdamer "left-overs" teilen, bedarf es noch einiger Anstrengungen, um eine Überfrachtung der Verhandlungen mit zusätzlichen komplizierten Themen zu vermeiden . Die bei der Verabschiedung des Amsterdamer Vertrags offen gebliebenen und für sich genommen schon äußerst schwierigen Fragen umfassen die Ausweitung der Abstimmungen mit qualifizierter Mehrheit im Rat, die dabei vorzunehmende Stimmengewichtung sowie die Größe und Zusammensetzung der Kommission.

Deutschland gehört gerade angesichts der wachsenden Zahl von Mitgliedstaaten traditionell zu den Befürwortern einer Ausweitung von Mehrheitsentscheidungen, um die Beschluss- und Handlungsfähigkeit der EU zu erhalten und zu stärken. Entsprechend stellt der vermehrte Übergang zu Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit bei gleichzeitiger Mitentscheidung des Europäischen Parlaments nach den Worten von Bundeskanzler Schröder "einen Kernpunkt der anzustrebenden Reform" dar. Außenminister Fischer, der zudem für die Erleichterung der bislang äußerst restriktiven Bedingungen für eine engere Zusammenarbeit einer begrenzten Anzahl von Mitgliedstaaten (Flexibilität) plädiert, kündigte gar bezüglich des Abstimmungsmodus im Rat in seiner Rede vor dem Europäischen Parlament an, dass sich die Bundesregierung dafür einsetze, "längerfristig das Einstimmigkeitserfordernis in der EU auf Fragen von grundsätzlicher Bedeutung wie Vertragsänderungen zu beschränken" .

Ob sich eine Generalisierung von Mehrheitsentscheidungen durchsetzen lässt, ist freilich offen. Zwar sind z. B. auch Italien, Frankreich und die Benelux-Staaten für eine stärkere Anwendung des Mehrheitsprinzips, jedoch haben andere Mitgliedstaaten - vor allem Großbritannien - hier noch starke Vorbehalte. Auch wird eine automatische Verknüpfung von Mehrheitsentscheidungen im Rat mit der Mitentscheidungskompetenz des Europäischen Parlaments keineswegs von allen Mitgliedstaaten unterstützt. Dem von der Bundesregierung angestrebten Ziel wird also nur durch Beharrlichkeit und Ausdauer näher zu kommen sein.

Bei der Anwendung von qualifizierten Mehrheitsabstimmungen spielt die Stimmengewichtung im Rat eine große Rolle. Die bloße Fortschreibung des ursprünglich auf sechs Mitgliedstaaten ausgelegten und die kleineren Mitgliedstaaten begünstigenden Systems führt schon heute zu Verzerrungen bei qualifizierten Mehrheiten und Sperrminoritäten im Rat, was sich bei dem Beitritt einer Vielzahl weiterer kleiner Mitgliedstaaten noch verschärfen würde . Für Deutschland geht es daher bei der Neugewichtung der Ratsstimmen ähnlich wie für die anderen größeren EU-Mitgliedstaaten um eine adäquatere Repräsentation der demographischen Größe und des jeweiligen relativen Gewichts eines Mitgliedstaates. Dabei strebt Berlin nicht eine strikte Proportionalität an, derzufolge Deutschland aufgrund seiner Bevölkerungszahl und seiner Wirtschaftskraft einen einsamen Spitzenplatz bei der Anzahl der Ratsstimmen erhalten würde, was für Mitgliedstaaten wie Frankreich und Großbritannien kaum akzeptabel wäre. Bei der Neugewichtung der Ratsstimmen wird auch das Prinzip der doppelten Mehrheit diskutiert, dem zufolge das Zustandekommen eines Beschlusses neben einer qualifizierten Mehrheit im Rat zusätzlich die Repräsentation von mindestens 60 Prozent der EU-Bevölkerung erfordert. Die Bundesregierung hat sich jedoch angesichts der heterogenen Interessenlage in der EU bislang noch nicht auf eine bestimmte Reformoption festgelegt, um sich Spielräume für die zweifellos schwierigen Verhandlungen mit den EU-Partnerstaaten offen zu halten.

Die Reform von Größe und Zusammensetzung der Kommission ist ebenfalls nicht unproblematisch. Zwar sind aus funktionaler Sicht kaum mehr als zwanzig unterschiedliche Ressorts für Kommissare erforderlich. Für die kleineren Mitgliedstaaten ist jedoch ein eigener "nationaler" Vertreter im Kommissionskollegium als Bindeglied zu Brüssel und auch aus Gründen der innenpolitischen Akzeptanz von Integrationspolitik von sehr großer Bedeutung. In einem Protokoll zum Amsterdamer Vertrag wird zumindest die Obergrenze von 20 Kommissaren festgeschrieben, so dass bis zu fünf neue Mitgliedstaaten einen Kommissar stellen können, sofern die großen Mitgliedstaaten auf ihren zweiten Kommissar verzichten , was jedoch laut Amsterdamer Protokoll wiederum eine Reform der Stimmengewichtung im Rat - zugunsten der großen Mitgliedstaaten - voraussetzt. Einstweilen ist der zweite Kommissarsposten also noch eine Trumpfkarte der großen Mitgliedstaaten, um auf der Regierungskonferenz das Ziel einer stärkeren Berücksichtigung bei der Stimmengewichtung im Rat durchzusetzen. Offiziell hat Berlin daher den zweiten Kommissarsposten noch nicht aufgegeben.

Angesichts der Perspektive einer Erweiterung auf bis zu dreißig Mitgliedstaaten müssen aber weiterreichende Lösungen gefunden werden, die Kompensationen für Mitgliedstaaten schaffen, die keinen eigenen Kommissar stellen. Reformoptionen wären z. B. das bereits in Amsterdam diskutierte Modell der Senior- und Junior-Kommissare oder die Aufwertung der Generaldirektoren z. B. nach dem deutschen Modell der politischen Staatssekretäre. Ob allerdings dadurch Posten geschaffen werden, die den Anspruch der kleineren Mitgliedstaaten auf eine nationale Identifikations- und Repräsentationsfigur in Brüssel befriedigen, ist einstweilen fraglich.

3. Europäische Grundrechtscharta - Nukleus eines europäischen Verfassungsvertrags?

Die kontinuierliche Ausweitung von Kompetenzen und Aufgaben der EU sowie die fortschreitende Verschmelzung europäischer und nationalstaatlicher Handlungsinstrumente bei gleichzeitig im Vergleich zu den achtziger Jahren geringerer Akzeptanz der EG/EU unter den Bürgern haben vor allem in Deutschland die Debatte über die Notwendigkeit einer europäischen Verfassung intensiviert. Eine konstitutionelle Grundlage könnte - so das Argument der Befürworter - die demokratische Legitimation der EU stärken und die Entwicklung einer europäischen Identität der Bürger fördern. Konsequenterweise hat deshalb Außenminister Fischer in seiner Rede vor dem Europäischen Parlament zur Vorstellung des deutschen Ratspräsidentschaftsprogramms im Januar 1999 grundsätzliche Fragen nach einer europäischen Verfassung, nach den Methoden der weiteren Integration sowie nach der Finalität Europas aufgeworfen .

Dies rief gemischte Reaktionen hervor und wurde von einigen weniger integrationsfreundlichen Mitgliedstaaten mit Skepsis oder sogar offener Ablehnung zur Kenntnis genommen. Im Bewusstsein dieser Widerstände konzentriert die Bundesregierung ihre Bemühungen um eine qualitative Fortentwicklung des Integrationsprozesses zunächst auf das Projekt einer europäischen Grundrechtscharta, das schon seit längerem diskutiert worden war und zu dem insbesondere das Europäische Parlament bereits umfassende Vorschläge unterbreitet hat. Die von der Bundesregierung initiierte und vom Europäischen Rat von Köln im Juni 1999 beschlossene Ausarbeitung einer europäischen Charta der Grundrechte zielt darauf ab, die EU-weit geltenden Grundrechte zusammenzufassen und sichtbarer zu machen . Ein Gremium aus fünfzehn Beauftragten der Staats- und Regierungschefs, einem Vertreter des Kommissionspräsidenten, sechzehn Mitgliedern des Europäischen Parlaments und dreißig nationalen Parlamentariern (je zwei aus jedem nationalen Parlament) soll die Charta ausarbeiten und dem Europäischen Rat im Dezember 2000 einen entsprechenden Entwurf vorlegen . Nach der geplanten feierlichen Proklamation der Grundrechtscharta als politisches Dokument durch den Rat, das Europäische Parlament und die Kommission soll dann geprüft werden, ob und gegebenenfalls wie sie in die Verträge eingearbeitet werden kann.

Mit dieser zweistufigen Perspektive verbindet sich die Hoffnung auf weiter reichende Impulse für die europäische Verfassungsentwicklung. Denn erstens dürfte der Prozess der Ausarbeitung einer Charta eine öffentliche Diskussion über Grundsatzfragen zur Verfasstheit der EU in Gang setzen, die sicherlich nicht ohne Einfluss auf die Haltungen der mitgliedstaatlichen Regierungen bleibt. Zweitens könnten hinsichtlich des Schutzes der in der Charta zusammengefassten Grundrechte Ansprüche gegenüber der EU abgeleitet und geltend gemacht werden, die die Frage nach einer vertraglichen oder verfassungsähnlichen Verankerung auf europäischer Ebene aufwerfen. Drittens lässt sich die Zusammensetzung des mit der Ausarbeitung der Charta beauftragten Gremiums und hier insbesondere die weitreichende Einbeziehung von Parlamentariern als ein beispielhaftes Ergänzungs- oder Alternativmodell zu den von der Öffentlichkeit relativ abgeschotteten Regierungskonferenzen verstehen, von dem prozedurale Impulse für die europäische Verfassungsentwicklung ausgehen. Die Initiative für eine Grundrechtscharta könnte also zu einem ersten "Schritt auf dem Weg zur Entwicklung stärkerer und damit belastbarer europäischer Verfassungsgrundlagen" werden.

Diese Strategie, die in den Programmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen zur Europawahl 1999 aufgeführt wurde , stützt sich auch in der Opposition auf einen breiten Konsens und kommt ebenfalls in den Grundsatzüberlegungen zum Ausdruck, die Bundespräsident Rau über eine "föderale Verfassung für Europa" anstellte . Inwieweit es gelingt, die mit der europäischen Grundrechtscharta verbundenen Intentionen innerhalb der EU durchzusetzen, ist freilich aufgrund starker Vorbehalte bei etlichen Partnerstaaten fraglich - auch wenn generell kaum eine der anderen Regierungen der Mitgliedstaaten die Notwendigkeit bestreitet, die Identifikation der Bürger mit der EU zu stärken. Um hier zumindest im deutsch-französischen Verhältnis voranzukommen, wird auf der Ebene der Planungsstäbe der beiden Außenministerien versucht, gemeinsame Vorstellungen für die künftige Gestaltung der Union, ihre demokratische Legitimation und ihre vertraglichen Grundlagen zu entwickeln.

III. Gemeinsame Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik

Die Eskalation des Kosovo-Konflikts im Jahre 1999 offenbarte erneut auf schonungslose Art und Weise die gravierenden Defizite der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik. Einerseits vermochte es die EU zwar, geschlossen aufzutreten und, angetrieben durch die deutsche Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 1999, wichtige Impulse für eine Friedenslösung sowie für eine langfristige Stabilisierung des Balkans zu geben und damit ein echtes außenpolitisches Profil zu entwickeln . Andererseits wurden aber angesichts des krassen Missverhältnisses zwischen dem amerikanischen und dem europäischen Militärbeitrag während der NATO-Luftschläge die operativen Defizite der EU überdeutlich . Nach jahrelangen Fehlern und Schwächen im Umgang mit den Konflikten und Kriegen im ehemaligen Jugoslawien hat die Kosovo-Erfahrung die Einsicht unter den EU-Mitgliedstaaten in die Notwendigkeit einer verstärkten Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) wachsen lassen - nicht zuletzt auch als Untermauerung einer effektiven, glaubwürdigen GASP. Neben der Katalysatorwirkung des Kosovo-Konflikts war von wesentlicher Bedeutung, dass Großbritannien seit Herbst 1998 seine traditionell reservierte Haltung gegenüber einer EU-Verteidigungspolitik aufgegeben hatte und nunmehr gemeinsam mit Frankreich und Deutschland den institutionellen und kapazitären Aufbau einer ESVP vorantreibt.

1. Stärkung der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik

Auf dem Europäischen Rat von Köln im Juni 1999 erklärten die EU-Mitgliedstaaten ihren Willen, die Fähigkeit der EU zur Krisenbewältigung zu entwickeln und die dafür notwendigen verteidigungspolitischen Funktionen der Westeuropäischen Union (WEU) auf die EU zu übertragen, was de facto einer Integration der WEU in die EU gleichkommt. Die entsprechenden formalen Beschlüsse sollen bis Ende 2000 gefasst werden . Bis dahin steht die EU aber vor der Aufgabe, etliche schwierige Detailprobleme zu lösen . So stellen sich beim Aufbau neuer politischer und militärischer Gremien und Strukturen in der EU institutionelle Fragen, von deren Klärung abhängt, ob Vertragsänderungen erforderlich werden, was zu Komplikationen bei der notwendigen Ratifizierung seitens der neutralen und nichtpaktgebundenen Mitgliedstaaten sowie Dänemark führen könnte. Gelöst werden muss auch das Problem, wie die assoziierten Mitglieder der WEU (Island, Norwegen, Polen, Tschechien, Türkei, Ungarn), die zwar der NATO, nicht aber der EU angehören, in die ESVP einbezogen werden können. Dabei gilt es einerseits, die Entscheidungsautonomie und Kohärenz der EU zu wahren, und andererseits, ein reibungsloses Zusammenspiel zwischen der EU und der NATO im Falle eines EU-geführten Krisenmanagements zu ermöglichen. Letzteres setzt Konsultations- und Kooperationsvereinbarungen zwischen EU und NATO voraus, die nach französischer Auffassung erst nach Etablierung der EU-internen Strukturen ausgehandelt werden sollen.

Unklar ist auch, wie der in der Kölner Erklärung des Europäischen Rates nachdrücklich betonte Ausbau der militärischen Kapazitäten vor allem in den Bereichen des weitreichenden Lufttransports und der strategischen Aufklärung angesichts knapp bemessener Verteidigungshaushalte der meisten Mitgliedstaaten realisiert werden soll. Immerhin hat der Europäische Rat in Helsinki beschlossen, dass die Mitgliedstaaten spätestens im Jahr 2003 in der Lage sein müssen, 50 000 bis 60 000 Mann an Streitkräften für ein EU-geführtes Krisenmanagement bereitzustellen . Mit Rücksicht auf den amerikanischen Bündnispartner, die unterschiedlichen bündnispolitischen Interessen unter den EU-Mitgliedstaaten sowie nationale Eigenheiten und Souveränitätsvorbehalte soll dies freilich nicht den Aufbau einer europäischen Armee implizieren. Nicht zuletzt bleibt auch zu klären, ob und wie die militärische Beistandsverpflichtung der WEU (Artikel V des Brüsseler Vertrags) in den EU-Rahmen überführt werden kann, ohne die EU in ein militärisches Verteidigungsbündnis umzuwandeln, was nicht mit der Neutralität bzw. Bündnisfreiheit einiger ihrer Mitgliedstaaten (Finnland, Irland, Österreich, Schweden) vereinbar wäre.

Angesichts der schwierigen Detailfragen wird der ehrgeizige Zeitplan für die notwendigen Entscheidungen zur Stärkung der ESVP bis Ende 2000 nur eingehalten werden können, wenn alle Mitgliedstaaten und beteiligten Institutionen konstruktiv und undogmatisch an der Umsetzung der Leitlinien von Köln und Helsinki mitwirken. Aus deutscher Sicht stellt die Entwicklung von Fähigkeiten der EU für die Krisenbewältigung einen wichtigen Bestandteil beim Ausbau des europäischen Einigungswerks dar, der insbesondere angesichts der seit Beginn der neunziger Jahre gewachsenen Gefahr von regionalen Konflikten an Bedeutung gewonnen hat.

Hierbei geht es im militärischen Bereich um die Schaffung der Voraussetzungen für europäisches Krisenmanagement, das EU-geführte Operationen vorzugsweise mit, aber gegebenenfalls auch ohne Rückgriff auf NATO-Mittel erlaubt, wenn die NATO als Ganzes und die USA nicht aktiv werden wollen. Insbesondere mit Blick auf die Erfahrungen während des Kosovo-Konflikts, in dem die militärische Abhängigkeit der Europäer von den USA überdeutlich geworden ist , betont die Bundesregierung die Notwendigkeit einer eigenständigeren ESVP. Dass dabei nicht nur sachliche Gründe einer gerechteren Lastenteilung und größeren Verantwortungsübernahme, sondern auch das Motiv einer größeren Gleichberechtigung der Europäer im Bündnis mit den USA eine ausschlaggebende Rolle spielen, kommt in der Feststellung von Bundeskanzler Schröder zum Ausdruck: "Unsere Verantwortung, aber auch unser Selbstwertgefühl als Europäer gebieten es, dass wir Europäer selbst uns mit den hierzu notwendigen Mitteln ausstatten." Die Schaffung einer europäischen sicherheits- und verteidigungspolitischen Handlungsfähigkeit der EU stellt damit auch für die rot-grüne Europapolitik ein unverzichtbares "Kernanliegen" dar und könnte Außenminister Fischer zufolge nach dem Binnenmarkt und der Währungsunion zur nächsten wichtigen Etappe der Vertiefung der EU werden .

Vor diesem Hintergrund ist es gegenüber den Partnern in der EU nicht einfach zu vermitteln, wie die im Sommer 1999 verfügte Reduzierung der Verteidigungsausgaben mit den zur Stärkung der ESVP notwendigen Investitionen vereinbar ist . Dies gilt insbesondere auch für die längst überfällige Umstrukturierung der Bundeswehr weg von dem Prinzip der Territorialverteidigung und hin zu einer effektiven Krisenreaktionsfähigkeit, auf die Verteidigungsminister Scharping wiederholt hingewiesen hat . Angesichts knapper Ressourcen bleibt nur eine Strukturreform der Bundeswehr bei gleichzeitiger Umschichtung von Mitteln innerhalb des Verteidigungshaushalts. Sollte dies nicht ausreichend gelingen, würde es sich nachteilig auf die Glaubwürdigkeit der deutschen Bemühungen um eine Stärkung der ESVP auswirken sowie Frankreich und Großbritannien gegebenenfalls zu einer stärkeren Zusammenarbeit ohne Deutschland veranlassen.

2. Prioritäten in der GASP

Militärisches Krisenmanagement bleibt freilich ein Instrument der letzten Rückgriffsmöglichkeit. Oberstes Ziel deutscher Außenpolitik ist es, durch vorausschauende Maßnahmen "den Frieden, die Sicherheit und das stabile Umfeld, auf dem letztlich unser Wohlstand beruht, zu festigen" . Da angesichts der multivarianten Krisenanfälligkeit des internationalen Systems einzelstaatliche Handlungsmöglichkeiten bei weitem überfordert sind, rückt die GASP als wesentliches Instrument zur Stabilisierung und Konfliktprävention in den Vordergrund.

Von besonderer Bedeutung ist dabei der Stabilitätspakt für Südosteuropa, der im Frühjahr 1999 während des Kosovo-Konflikts von der deutschen EU-Ratspräsidentschaft lanciert und im Juni 1999 in Köln unterzeichnet wurde. Er enthält einen umfassenden Ansatz der politischen und wirtschaftlichen Unterstützung unter Einschluss eines Assoziierungsangebots in der letztendlichen Perspektive der EU-Mitgliedschaft der Länder des ehemaligen Jugoslawiens und Albaniens. Die Bundesregierung sieht den Stabilitätspakt als zentrale Aufgabe der EU-Außenpolitik an, von der nicht nur die Verwirklichung einer dauerhaften friedlichen und stabilen Nachkriegsordnung in Südosteuropa abhängt, sondern auch die politische Glaubwürdigkeit der EU.

Unabhängig davon, dass der Abschluss von Assoziierungsabkommen und insbesondere der Beitritt zur EU für die meisten Staaten des westlichen Balkans in weiter Ferne liegen, kommt es zunächst im Jahr 2000 darauf an, die in der ersten Phase der Umsetzung des Stabilitätspaktes aufgetretenen Probleme - wie die Komplexität des Paktes, den Mangel an direkten Finanzierungsmöglichkeiten sowie die fehlende Gesamtvision - zu überwinden . Hierzu gehört, dass sich die Bundesregierung insbesondere auch über den Sonderkoordinator für den Stabilitätspakt, Bodo Hombach, für eine bessere Aufgabenteilung zwischen den am Stabilitätspakt beteiligten Organisationen sowie für die Definition eines umfassenden strategischen Gesamtkonzepts einsetzt. Zudem wird sie darauf hinwirken müssen, dass die EU als größter Geldgeber für wirtschaftliche Hilfe auch die zentrale Rolle bei der Implementierung des Stabilitätspakts spielt.

Um hierfür die Handlungsfähigkeit der EU zu erhöhen, ist so früh wie möglich im Laufe dieses Jahres die Verabschiedung einer ,gemeinsamen Strategie' für den westlichen Balkan erforderlich. Das GASP-Instrument der ,gemeinsamen Strategie' wurde mit dem Amsterdamer Vertrag eingeführt. Für die deutsche Europapolitik ist die Nutzung dieses Instruments in zweierlei Hinsicht bedeutsam: Zum einen können Folgebeschlüsse des Rates zu einer zuvor vom Europäischen Rat einstimmig festgelegten gemeinsamen Strategie mit qualifizierter Mehrheit und damit effizienter und rascher gefasst und auch Fortschritte auf dem Weg hin zu einer "Vergemeinschaftung" der GASP erzielt werden. Zum anderen bietet die gemeinsame Strategie die Möglichkeit zur Definition umfassender, gleichermaßen wirtschaftliche wie außen- und sicherheitspolitische Maßnahmen einbeziehender Politikansätze der EU. Damit ist die gemeinsame Strategie ein wichtiges Instrument der EU zur Stabilisierung von Regionen und einzelnen Staaten in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft.

Aus deutscher Sicht sind die ersten, im Jahre 1999 definierten gemeinsamen Strategien zu Russland und zur Ukraine von besonderer Bedeutung aufgrund der Größe und geographischen Nähe beider Länder sowie ihrer strategischen Relevanz, letzteres vor allem im Falle Russlands. Auch geht es einerseits um die von beiden Ländern ausgehenden Sicherheitsrisiken in den Bereichen Militär, Umwelt und organisierte Kriminalität und andererseits um die Förderung von Wirtschaftsentwicklung und Demokratie als unabdingbare Voraussetzungen für Frieden und Stabilität auf dem Kontinent.

Der Tschetschenien-Krieg belastet die Beziehungen zwischen der EU und Russland und stellt die gemeinsame Strategie gegenüber diesem Land auf den Prüfstand. Gerade die Bundesregierung setzt sich bislang für deutliche Worte, aber verhaltene Reaktionen der EU ein, um eine Isolierung Russlands zu verhindern und nicht jenen Kräften Auftrieb zu geben, die von der Westorientierung Russlands abkehren möchten. Bei einer längeren Fortdauer des Tschetschenien-Krieges wird aber eine Überarbeitung der gemeinsamen Strategie gegenüber Russland notwendig sein, die nicht nur auf An- und Einbindung des großen östlichen Nachbarn abzielt, sondern auch das Prinzip der Konditionalität einschließlich der Möglichkeit von Sanktionen stärker akzentuiert.

IV. Ausblick

Mit dem Jahr 2000 hat nicht nur kalendarisch, sondern auch integrationspolitisch eine neue Zeit begonnen. Die EU des 21. Jahrhunderts wird über eine interne Regulierungs- und Verteilungsgemeinschaft hinaus zu einer externen Handlungs- und Verantwortungsgemeinschaft finden müssen. Ihre Erweiterung auf bis zu 28 oder 30 Mitgliedstaaten wird ihr internationales Gewicht und ihre inneren Strukturen dramatisch verändern. Gleichzeitig findet aber die Erweiterung als Instrument von Geopolitik und Stabilisierungspolitik dann ihre Grenzen, wenn Überdehnung die Funktions- und Handlungsfähigkeit der EU zu gefährden droht. Die institutionellen Reformen im Rahmen der Regierungskonferenz 2000 sind vor diesem Hintergrund ein Schlüssel erfolgreicher Integrationspolitik.

Deutschland spielt bei der Bewältigung der beispiellosen Herausforderungen, vor denen die EU steht, eine zentrale Rolle. Das gilt für den Ausbau der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik in einer dem Bündnis mit den USA nicht nur verträglichen, sondern auch förderlichen Weise genauso wie für die Steuerung des Erweiterungsprozesses und die Vertiefung der Integration. Als größter Mitgliedstaat, dazu in europäischer Mittellage, hat gerade Deutschland Interesse an einer funktionierenden EU. Die deutsche Europapolitik nimmt deshalb auch weiterhin bei den institutionellen Reformen eine Vorreiterrolle ein. Die rot-grüne Bundesregierung hat hier deutliche Akzente gesetzt und wird angesichts der unterschiedlichen Interessen in der EU mit Überzeugungskraft und Beharrlichkeit auf die Verwirklichung ihrer europapolitischen Ziele drängen müssen.

Die verstärkte Anwendung von Mehrheitsentscheidungen und die Anpassung der Stimmengewichtung im Rat sind zweifellos notwendige, aber nicht hinreichende Bedingungen für ein erweitertes und vertieftes Europa. Im Zuge des fortschreitenden Erweiterungsprozesses werden verstärkt Formen der abgestuften und flexibleren Integration zur Anwendung kommen müssen, um über die Bewältigung der tagespolitischen EU-Agenda hinaus eine Intensivierung des Integrationsprozesses zu ermöglichen. Das Anschieben der Debatte über die europäische Verfassung weist grundsätzlich in die richtige Richtung. Die Gefahr einer Versandung dieses Prozesses ist aber real. Sie kann nur dann gebannt werden, wenn vor allem zunächst im engen Verbund mit Frankreich ein klareres Bild darüber gewonnen wird, wo die Grenzen der EU liegen und wie das erweiterte Großeuropa nach föderalen und demokratischen Prinzipien regiert werden soll.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Der vorliegende Beitrag entstand im Rahmen des von der ASKO Europa-Stiftung geförderten Projekts "Neue deutsche Europapolitik".

  2. Günter Verheugen, damaliger Staatsminister im Auswärtigen Amt, am 8. Juni 1999 vor dem Deutschen Bundestag (http://www.auswaertiges-amt.de/6_archiv/2/r/r990608a.htm).

  3. Seit November 1998 führt die EU Beitrittsverhandlungen mit Estland, Polen, Slowenien, der Tschechischen Republik, Ungarn sowie Zypern. Auf der Grundlage eines Beschlusses des Europäischen Rates von Helsinki vom Dezember 1999 nimmt die EU im Frühjahr 2000 zusätzlich mit Bulgarien, Lettland, Litauen, Malta, Rumänien und der Slowakei Beitrittsverhandlungen auf.

  4. Vgl. Europäischer Rat in Helsinki, 10./11. Dezember 1999, Schlussfolgerungen des Vorsitzes, Ziffer 5 (http://presidency.finland.fi).

  5. So Bundeskanzler Gerhard Schröder in seiner Regierungserklärung zum bevorstehenden Europäischen Rat in Helsinki am 10./11. Dezember 1999 vor dem Deutschen Bundestag am 3. Dezember 1999, in: Bulletin, Nr. 85 vom 8. Dezember 1999, S. 805-808, hier: S. 806.

  6. Die 1993 vom Europäischen Rat in Kopenhagen beschlossenen Kriterien reflektieren die wirtschaftlichen und politischen Voraussetzungen für eine EU-Mitgliedschaft: Stabilität der Demokratie und ihrer Institutionen (Rechtsstaat, Mehrparteiensystem, Pluralismus etc.), Achtung der Menschenrechte, Schutz von Minderheiten, funktionierende Marktwirtschaft, Fähigkeit zur Übernahme der Rechte und Pflichten, die sich aus dem rechtlichen Besitzstand der EU ergeben, Einverständnis mit den Zielen der Politischen Union sowie der Wirtschafts- und Währungsunion.

  7. Siehe hierzu die Rede von Außenminister Joschka Fischer in der Debatte des Deutschen Bundestags zum Europäischen Rat von Helsinki am 3. Dezember 1999, in: Das Parlament vom 10./17. Dezember 1999, S. 8 f.

  8. Vgl. die Aussage von Außenminister Fischer: "Wir wollen nicht nur eine erweiterte, sondern vor allen Dingen auch eine handlungsfähige und eine sich in der Integration vertiefende Europäische Union"; Bundesminister Fischer am 16. September 1999 vor dem Deutschen Bundestag (http://www.auswaertiges-amt.de/6_archiv/2/r/r990916a.htm).

  9. Vgl. die Rede des Vorsitzenden des Rates der Europäischen Union Joschka Fischer, Bundesminister des Auswärtigen, vor dem Europäischen Parlament am 12. Januar 1999 in Straßburg (http://www.eu-ratspraesidentschaft.de/03/0302/00097/index.html) sowie die Regierungserklärung von Bundeskanzler Schröder vom 3. 12. 1999 (Anm. 4).

  10. In diesem Sinne betont Außenminister Fischer: "Wir wollen die Erweiterungsfähigkeit zum 1. Januar 2003. Wir wollen nichts, was auf eine Verzögerung oder Vertagung hinausläuft." Zitat aus: "Das neue Tandem. Joschka Fischer und Hubert Vedrine im Gespräch mit ZEIT und Le Monde", in: Die Zeit vom 18. Oktober 1999, S. 13. Vgl. auch die Erklärung der Bundesregierung zu den Ergebnissen der Sondertagung des Europäischen Rates in Tampere am 15./16. Oktober 1999 (http://www.auswaertiges-amt.de/6/archiv/2/r/r991028a.htm).

  11. Regierungserklärung von Bundeskanzler Schröder vom 3. 12. 1999 (Anm. 4).

  12. Rede von Außenminister Fischer vor dem Europäischen Parlament am 12. Januar 1999 (Anm. 8).

  13. So entspricht gegenwärtig eine qualifizierte Mehrheit (62 von 87 Stimmen) rechnerisch etwa 71 Prozent der Ratsstimmen, kann aber bereits durch 58 Prozent der Bevölkerung erreicht werden. Andererseits können die für eine Sperrminorität notwendigen 29 Prozent der Ratsstimmen (26 von 87 Stimmen) bereits von 12,4 Prozent der Einwohner erreicht werden, wenn die kleinen Mitgliedstaaten gemeinsam votieren. Vgl. hierzu Josef Janning/Claus Giering, Strategien gegen die institutionelle Erosion, in: Claus Giering/Josef Janning/Wolfgang Merkel/Michael Stabenow, Demokratie und Interessenausgleich in der Europäischen Union, Gütersloh 1999, S. 51.

  14. Vgl. Protokoll über die Organe im Hinblick auf die Erweiterung der Europäischen Union im Anhang zum Vertrag von Amsterdam.

  15. Zur Zeit stellen Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien zwei Kommissare.

  16. Vgl. die Rede von Außenminister Fischer vor dem Europäischen Parlament am 12. Januar 1999 in Straßburg (Anm. 8).

  17. Vgl. Europäischer Rat, 3./4. Juni 1999 in Köln. Schlussfolgerungen des Vorsitzes, Anhang IV (http://www. auswaertiges-amt.de/4_europa 2/4-2-1d.htm).

  18. Vgl. die Beschlüsse zur Zusammensetzung und Arbeitsweise des Gremiums, in: Europäischer Rat in Tampere, 15./16. Oktober, Schlussfolgerungen des Vorsitzes (http://ue.eu.int.de/Info/eurocouncil.htm).

  19. So Bundeskanzler Schröder in seiner Regierungserklärung vom 3. 12. 1999 (Anm. 4), S. 807.

  20. "Wir wollen mit einer Charta der europäischen Bürgerrechte den Kern einer europäischen Verfassung schaffen und die Identifikation der Menschen mit der Europäischen Union stärken." Zitat aus: "In Verantwortung für Deutschland: Europa einigen". Aufruf der SPD zur Europawahl am 13. Juni 1999 (http:......//......www.spd.de/archiv.../europa.../...Eur......19981208_898.html); "Anknüpfungspunkt für eine solche Diskussion (über die zukünftige Verfassung der EU) kann eine Europäische Grundrechtscharta sein, die den europäischen Verträgen vorangestellt wird." Zitat aus: Bündnis 90/Die Grünen, Für ein demokratisches Europa des Friedens, der Solidarität und der nachhaltigen Entwicklung. Programm zur Europawahl 1999.

  21. Vgl. etwa Wolfgang Schäuble/Karl Lamers, Überlegungen zur europäischen Politik II. Zum Fortgang des europäischen Einigungsprozesses, Bonn, 3. Mai 1999.

  22. Vgl. Johannes Rau, Die Quelle der Legitimation deutlich machen. Eine föderale Verfassung für Europa, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 4. November 1999.

  23. Vgl. Uwe Schmalz, Aufbruch zu neuer Handlungsfähigkeit: Die Gemeinsame Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik unter deutscher Ratspräsidentschaft, in: integration, 22 (1999) 3, S. 191-204.

  24. Vgl. Mathias Jopp, Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik, in: Werner Weidenfeld/Wolfgang Wessels (Hrsg.), Jahrbuch der Europäischen Integration 1998/99, Bonn 1999, S. 271-276.

  25. Vgl. Erklärung des Europäischen Rates zur Stärkung der gemeinsamen europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, in: Europäischer Rat in Köln, Schlussfolgerungen des Vorsitzes (Anm. 16), Anhang III.

  26. Vgl. zu den Einzelheiten Uwe Schmalz, Die Kölner Gipfelerklärung zur europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik: Durchbruch oder Sackgasse?, in: CFSP/GASP Forum, 5 (1999) 2, S. 4-6.

  27. Vgl. Europäischer Rat in Helsinki, Schlussfolgerungen des Vorsitzes (Anm. 3), Anlage I zu Anlage IV.

  28. So wurden während des Kosovo-Konflikts ca. 80 Prozent der Luftschläge von amerikanischen Flugzeugen und ca. 90 Prozent der Aufklärung von amerikanischen Satelliten durchgeführt.

  29. Bundeskanzler Gerhard Schröder vor der französischen Nationalversammlung am 30. November 1999 in Paris, "Grundlagen für ein europäisches Krisenmanagement: europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik", in: Bulletin, Nr. 83 vom 6. Dezember 1999, S. 781-785, hier: S. 783.

  30. Bundesminister der Verteidigung Rudolf Scharping anlässlich des Forums der Chefredakteure zur Sicherheitspolitik der Bundesakademie für Sicherheitspolitik in Bad Neuenahr vom 26. Januar 1999, "Frieden und Stabilität in und für Europa - Europas Herausforderungen und Deutschlands Beitrag", in: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung: Stichworte zur Sicherheitspolitik, Nr. 2 (Februar 1999), S. 6-11, hier: S. 8.

  31. Vgl. die Rede von Außenminister Fischer vor dem Europäischen Parlament am 12. Januar 1999 (Anm. 8).

  32. Vgl. "Schröder und Eichel bleiben hart. ,Auch bei der Bundeswehr muß gespart werden'", in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 22. Juli 1999, S. 1.

  33. Vgl. zuletzt die Rede von Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping anläßlich der 37. Kommandeurstagung der Bundeswehr in Hamburg vom 29. November 1999 (http://www.bundeswehr.de/presse/reden/kdr-tagung.html).

  34. Rede von Bundeskanzler Gerhard Schröder bei der 37. Kommandeurstagung der Bundeswehr in Hamburg am 29. November 1999, in: Bulletin, Nr. 83 vom 6. Dezember 1999, S. 785-789, hier: S. 786.

  35. Vgl. Doris Pack, Der Stabilitätspakt für Südosteuropa - Erste Erfahrungen der Umsetzung, in: GASP Forum, 5 (1999) 4, S. 3-5.

  36. Vgl. Koalitionsvereinbarung zwischen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und Bündnis 90/Die Grünen, 20. Oktober 1998, Kapitel XI. 3.

  37. Vgl. Europäischer Rat in Köln, Schlussfolgerungen des Vorsitzes (Anm. 16), Anhang II.

  38. Vgl. Europäischer Rat in Helsinki, Schlussfolgerungen des Vorsitzes (Anm. 3), Anlage V.

Dr. phil., geb. 1950; Direktor des Instituts für Europäische Politik, Bonn/Berlin.

Veröffentlichungen u. a.: (Hrsg. zus. mit A. Maurer/O. Schmuck) Die Europäische Union nach Amsterdam, Bonn 1998; (Hrsg. zus. mit H. Ojanen) European Security Integration. Implications for Non-alignment and Alliances, Bonn-Helsinki 1999.

M. St., geb. 1971, wiss. Mitarbeiter am Institut für Europäische Politik, Bonn/Berlin.

Veröffentlichungen u.a.: Kohärenz der EU-Außenbeziehungen? Der Dualismus von Gemeinschaft und Gemeinsamer Außen- und Sicherheitspolitik in der Praxis, Sankt Augustin 1997.