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Editorial | Jugoslawien | bpb.de

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Editorial

Anne-Sophie Friedel

/ 2 Minuten zu lesen

Die Entstehung eines der komplexesten Staatsgebilde des 20. Jahrhunderts jährt sich zum hundertsten Mal: Am 20. Juli 1917 vereinbarten Vertreter von Serben, Kroaten und Slowenen in der Deklaration von Korfu, die drei Teile ihrer "dreinamigen Nation" in einem Staat zu vereinen. Dieser wurde am 1. Dezember 1918 als Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen ausgerufen und elf Jahre später in "Jugoslawien" (Südslawien) umbenannt.

Die Rivalitäten zwischen den fast zwanzig Volksgruppen, die über die Jahrhunderte unter sehr unterschiedlichen Einflüssen gestanden hatten und nun zu einer einzigen jugoslawischen Nation zählen sollten, belasteten den neuen Staat von Beginn an. Als Jugoslawien nach dem Zweiten Weltkrieg als sozialistischer Bundesstaat neu gegründet wurde, waren die Gräben während der Besatzung tiefer geworden. Zwar vermochte der legendäre Oberbefehlshaber der siegreichen gesamtjugoslawischen Partisanen, Josip Broz Tito, als Staatschef zur Identifikationsfigur eines jugoslawischen Selbstbewusstseins zu werden. Aber nach seinem Tod 1980, einer lähmenden Wirtschaftskrise und dem Ende des Ost-West-Konflikts brachen sich die schwelenden Nationalismen Bahn, und der letzte Vielvölkerstaat Europas zerfiel in ethnisch motivierter Gewalt.

Von den sieben Nachfolgestaaten Jugoslawiens gehören heute Slowenien und Kroatien zur Europäischen Union. Serbien, Montenegro und Mazedonien sind Beitrittskandidaten, und 2016 konnte auch Bosnien-Herzegowina ein Beitrittsgesuch stellen, während Kosovos Unabhängigkeit von einigen EU-Mitgliedsstaaten nach wie vor nicht anerkannt wird. Aber die katalysierende Wirkung, die das Ziel eines EU-Beitritts für den Prozess der demokratischen Transformation im postjugoslawischen Raum entfaltete, hat mit den multiplen Krisen der Europäischen Union nachgelassen, und angesichts autoritärer Tendenzen und wieder zunehmender ethnopolitischer Spannungen mehren sich Fragen nach der Zukunft der Region.