Einleitung
Als vor mehr als neun Jahren die Sowjetunion zerfiel, war die Demokratisierungseuphorie im Westen weit verbreitet. Nicht nur für die Staaten Mitteleuropas und der europäischen Sowjetunion, sondern auch für die fünf neuen Staaten in Zentralasien Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan erwartete man einen Systemwechsel hin zur Demokratie und war bereit, dies auch mit beträchtlichen finanziellen Mitteln zu fördern. Durch ihre Aufnahme in die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) glaubte man, diese Länder politisch auf einen Demokratiekurs verpflichten zu können.
Heute ist jedoch Ernüchterung eingekehrt. Selbst bei Zugrundelegung einer Minimaldefinition von Demokratie
Im Folgenden soll den Fragen nachgegangen werden, wie es zu dieser Entwicklung kommen konnte, wie die derzeitigen Präsidialregime zu charakterisieren sind und welche Prognose die Staaten Zentralasiens sowohl hinsichtlich einer zukünftigen Demokratisierung als auch der inneren Stabilität haben.
I. Der Weg zur Macht - Perestroika in Zentralasien
Die fünf zentralasiatischen Republiken der ehemaligen Sowjetunion hatten nie zuvor eine Eigenstaatlichkeit und sind territorial erst zu Sowjetzeiten definiert worden. In ihrer zum Teil langen und reichen vorsowjetischen Geschichte sind keinerlei demokratische Traditionen zu entdecken. Die Sowjetzeit brachte ihnen die Zwangskollektivierung, Industrialisierung und Einwanderung von russischen Arbeitskräften, aber auch eine im Vergleich mit den Nachbarländern hohe soziale Sicherung und Bildung. Ökonomisch befanden sie sich dagegen am unteren Ende der Skala und erhielten große Unterstützungszahlungen aus Moskau. Die Perestrojka erreichte Zentralasien verspätet und abgeschwächt. Sowohl die Nomenklatura als auch die Bevölkerung standen Michail Gorbatschow kritisch gegenüber, da seine Maßnahmen gegen die Korruption, infolge derer die langjährigen zentralasiatischen Republikparteichefs abgesetzt worden waren, als Missachtung und als verletzend empfunden wurden. Es gab keine dem westlichen Teil der Sowjetunion vergleichbaren Nationalbewegungen, die Unabhängigkeit wurde eher unfreiwillig angenommen.
Mit Ausnahme des tadschikischen Präsidenten, der erst 1992 zum ersten Mann im Staat wurde, sind die anderen heutigen Staatsoberhäupter noch zu Sowjetzeiten in ihre Führungsposition gelangt: Nursultan Nazarbaev in Kasachstan (2,7 Mio. km², 15,8 Mio. Einwohner
Während der Wandel in diesen vier Staaten friedlich ablief, musste Tadschikistan (143 100 km², ca. 6 Mio. Einwohner), das "Armenhaus der Sowjetunion", 1992 einen Bürgerkrieg durchleben, der das Land zutiefst spaltete und wirtschaftlich ruinierte. Zwar gibt es zur Zeit Hoffnungszeichen für eine weitere Befriedung, doch waren die Jahre seit dem Bürgerkrieg
In allen Republiken wurde der personelle und, wie es damals schien, politische Wandel nicht von unten, von der Bevölkerung, sondern in den höchsten Etagen der Macht geregelt oder durch Moskauer Ereignisse angestoßen. In den vier "stabilen" Staaten haben die damals gewählten Präsidenten ihre Macht bis heute nicht mehr abgegeben. Die Wege der Präsidenten ins höchste Staatsamt unterschieden sich zwar, doch ihr Lebensalter und ihre Biographie verbindet sie: Alle sind zentralasiatischer Herkunft und im Sowjetsystem geprägt worden. Sie haben im System Karriere gemacht und waren vom Dissidententum weit entfernt. Dennoch boten insbesondere das Verhalten und die Äußerungen Nazarbaevs und Akaevs Anfang der Neunzigerjahre Anlass zur Hoffnung auf einen Systemwandel ihrer Staaten hin zur Demokratie.
II. Demokratische Verfassungen und autoritäre Realität
Der institutionelle Umbau erfolgte relativ rasch. Alle fünf neuen Staaten gaben sich zwischen Mai 1992 (Turkmenistan) und November 1994 (Tadschikistan) neue Verfassungen. Die zum Teil unter Mitwirkung westlicher Verfassungsspezialisten entstandenen Entwürfe wurden jeweils publiziert, öffentlich debattiert und in einigen Fällen verändert. Umstritten waren dabei weniger Fragen des politischen Systems. Im Mittelpunkt standen vielmehr sozioökonomische und nationale Fragen, insbesondere die des Landbesitzes und die des Status der russischen Sprache.
Die verabschiedeten Verfassungen enthalten viele gemeinsame Elemente, die sowohl der alten sowjetischen und der russischen Verfassung als auch westlichen Vorbildern entlehnt sind. Alle fünf Staaten erklären sich in ihren neuen Verfassungen zu demokratischen Rechtsstaaten und garantieren die Einhaltung der Grundrechte. In Anlehnung an die russische Verfassung wurde in allen Republiken das Amt des Präsidenten endgültig eingeführt. Dieser und zumindest eine Kammer des Parlamentes werden in direkter, freier, gleicher und geheimer Wahl vom Volk bestimmt.
In der Verteilung der Kompetenzen zwischen Präsidenten und Parlamenten bestanden ursprünglich große Unterschiede. So ist Turkmenistan von Anfang an eine Präsidialrepublik. Der Präsident stellt die oberste exekutive Macht dar und kann sachlich wie personell die Legislative und Judikative kontrollieren, die Regierung wird von ihm allein bestellt. Das Zweikammer-Parlament als höchstes Repräsentativorgan hat keine echten Vollmachten. Das turkmenische Staatsoberhaupt war damit dem Wortlaut der Verfassung nach schon 1992 der mächtigste Präsident in den GUS-Staaten
In der Praxis zeigte sich rasch, dass die Einführung einer neuen, an westlichen Maßstäben orientierten Verfassung nur der erste, leichteste Schritt gewesen war, die Umsetzung in die Praxis aber allen Seiten Schwierigkeiten bereitete. Insbesondere in Kasachstan und Kirgistan führte die Konstellation Parlament gegen Präsident zu einer Lähmung dringend erforderlicher politischer Entscheidungsprozesse. Wobei die "Schuld" keineswegs nur die Präsidenten traf, sondern sich die Parlamentarier (wie auch Regierungsmitglieder) ihren neuen Aufgabe nicht gewachsen zeigten. Beispielsweise widmeten sie sich eher der Verteilung von Pfründen - Dienstwagen, Höhe der Diäten usw. - als grundlegenden Wirtschaftsreformen. Mitglieder der Regierungen gerieten mehrfach unter Korruptionsverdacht. Die Lösung wurde in allen Fällen zugunsten einer Machterweiterung und -absicherung der Präsidenten gefunden. Am augenfälligsten ist dies in Kasachstan, das sich mit der neuen Verfassung nicht mehr als parlamentarische, sondern ausdrücklich als Präsidialdemokratie bezeichnet. Der Präsident erhielt die Richtlinienkompetenz in der Innen- wie Außenpolitik, er steht über den Gewalten und hat das Besetzungsrecht für alle wichtigen Ämter. Die Regierung ist faktisch vom Präsidenten abhängig. Das Parlament büßte hingegen viele Kompetenzen ein
Alle Verfassungen enthielten ursprünglich Bestimmungen, die die Zahl der Amtsperioden des Präsidenten begrenzten. Sie sind inzwischen durch Referenden zur Verlängerung der Amtszeit im Interesse der Amtsinhaber umgangen oder in einem Fall sogar abgeschafft worden. Vorreiter war Turkmenistan, wo im Januar 1994 die Amtszeit bis 2002 verlängert wurde (regulärer Wahltermin wäre 1997 gewesen). Diese Idee gefiel offensichtlich. 1995 ließ sich auch der Usbeke Karimov per Referendum seine Amtszeit bis ins Jahr 2000 verlängern. Es folgte im April 1995 Kasachstan. Auch der kirgisische Präsident Askar Akaev machte einen entsprechenden Vorstoß; das kirgisische Parlament und wohl auch Druck aus dem Westen bewirkten aber, dass Akaev sich Ende 1995 doch Wahlen stellten musste. In Tadschikistan ging man einen anderen Weg, dort wurde die Amtszeit des Präsidenten auf sieben Jahre verlängert. Die Referenden verlängerten aber nicht nur die Amtszeit der Präsidenten, sondern umgingen zugleich kompetitive Wahlen. Sie sind von daher nicht als "höchster Ausdruck der Demokratie"
Während man in den beschriebenen Fällen wenigstens pro forma versuchte, die Verfassung mit der Realität in Übereinstimmung zu bringen, gibt es andere Punkte, wo die Diskrepanz zwischen demokratischem Grundgedanken und Wirklichkeit in unseren Augen von Anfang an groß war, die entsprechenden Vorgänge in Zentralasien aber als demokratisch bezeichnet werden. Besonders augenfällig ist dies beim Umgang mit Parteien und bei allen Wahlen.
Ende der Achtziger- und Anfang der Neunzigerjahre hatten sich in allen zentralasiatischen Unionsrepubliken politische Diskussionsklubs und nationale Bewegungen gebildet. Sie blieben aber bis auf wenige Ausnahmen immer auf (hauptstädtische) Intellektuellenkreise und die alte Nomenklatura beschränkt. Zwar gelang es beispielsweise der usbekischen Volksfront "Birlik" 1989, Zehntausende auf die Straßen zu bringen
Parteien und gesellschaftliche Organisationen sind verfassungsgemäß überall erlaubt, die Meinungs- und Versammlungsfreiheit wird garantiert. Allerdings besteht in allen Staaten die - nachvollziehbare - Einschränkung, dass diese Aktivitäten den inneren Frieden nicht gefährden dürfen
Bei Wahlen in den zentralasiatischen Republiken stellt sich die Frage, ob sie die in den Verfassungen vorgegebenen Bedingungen - frei, gleich, geheim - erfüllen. Vor allem aber sind sie häufig nicht kompetitiv. Der eigentliche Wahlvorgang verläuft meist relativ unproblematisch, von Wahlbeobachtern monierte Unregelmäßigkeiten wie family voting (d. h. die Stimmabgabe eines Familienmitgliedes für mehrere andere) könnte man als Kinderkrankenheiten der Demokratie bezeichnen. Wesentlich problematischer dagegen sind die Monate zwischen Wahlankündigung
Wesentliche Hürde ist wiederum die für die Teilnahme erforderliche staatliche Registrierung, die die Behörden zur "Vorauswahl" von Kandidaten und Parteien nutzen. Das gilt auch für Parlamentswahlen, missbraucht wird das Instrument der Registrierung aber vor allem bei Präsidentenwahlen. So hat sich der Turkmene Nijazov noch nie einem Gegenkandidaten gestellt. Der usbekische Präsident Karimov hatte bei seiner ersten Wahl 1991 mit dem Oppositionellen Muhammad Salih zwar einen echten Gegenkandidaten, weitere waren aber administrativ verhindert worden. Diese Wahl gilt dennoch als die "freieste Wahl, die Usbekistan jemals hatte"
Noch offen ist die Richtung in Kirgistan: Akaev hatte 1991 keinen Gegenkandidaten, 1995 waren die aussichtsreichsten Bewerber wie in Kasachstan verhindert worden. Die nächste turnusmäßige Wahl steht erst Ende 2000 an. In Tadschikistan hat zwar in den Jahren der Unabhängigkeit ein personeller Wechsel stattgefunden. Der jetztige Amtsinhaber Rachmonov orientiert sich aber offensichtlich an seinen Kollegen in den anderen zentralasiatischen Republiken
Auch die offiziellen Wahlergebnisse, d. h. ihre Ähnlichkeit mit sowjetischen Resultaten, geben zu Zweifeln Anlass. Auffällig ist, dass ihre jeweilige Höhe der anfangs zitierten Reihenfolge im Grad der politischen Freiheit entspricht. In Turkmenistan lag die offizielle Wahlbeteiligung bei Präsidenten- und Parlamentswahlen immer über 95 Prozent, beim Referendum zur Verlängerung der Amtszeit des Präsidenten sollen gar 99,9 Prozent erreicht worden sein. Die Ergebnisse des usbekischen Präsidenten Karimov reichen an diese hohe Vorgabe fast heran: Im Januar 2000 wurde er mit 91,9 Prozent gewählt. Die tadschikischen Ergebnisse sind durch die Besonderheiten des Bürgerkrieges geprägt, doch hat Rachmonov bei seiner Wiederwahl im November 1999 mit 96,99 Prozent das übliche zentralasiatische Maß erreicht. Die Ergebnisse des kasachischen und kirgisischen Präsidenten erscheinen dagegen mit Werten zwischen 70 und 80 Prozent nachgerade schlecht. Doch gilt für diese Zahlen, wie vermutlich für alle anderen, was Astrid von Borcke über die Präsidentenwahlen 1994 in Tadschikistan geschrieben hat: Das Ergebnis ist eher eine politische als eine arithmetische Ziffer
Zusammenfassend kann man also feststellen, dass Ende der Achtziger- und Anfang der Neunzigerjahre die Verhältnisse in den zentralasiatischen Staaten freier waren als heute, die politische Landschaft vielfältiger. Die Ähnlichkeiten in der innenpolitischen Entwicklung der einzelnen Republiken sind frappierend. Auffällig ist, dass sich die "Reihenfolge" der politischen Freiheit, die sich unmittelbar nach der Unabhängigkeit abzeichnete - Kirgistan, Kasachstan, (Tadschikistan), Uzbekistan, Turkmenistan -, bis heute nicht verändert hat, alle Staaten aber immer weniger "demokratisch" sind. In auffällig vielen Fällen war Turkmenistan der Vorläufer, dem die anderen Republiken dann folgten. Offensichtlich haben sich die Präsidenten also nicht das Anfang der Neunzigerjahre relativ liberale Kirgistan zum Vorbild genommen, sondern ganz im Gegenteil das von Beginn an autoritäre Turkmenistan. Sie befinden sich demnach nicht auf dem Weg zur Demokratie. Deshalb wird in diesem Beitrag auch nicht der Versuch unternommen, die Entwicklung mit demokratisierungstheoretischen Ansätzen zu erklären.
III. Stabilität oder Demokratie?
Die Voraussetzungen für eine Demokratisierung waren in Zentralasien 1991 denkbar schlecht. Grundsätzlich sind sich auch westliche Wissenschaftler keineswegs einig, ob die in allen postkommunistischen Staaten erforderliche gleichzeitige politische und ökonomische Transformation überhaupt möglich ist
1. Alle fünf zentralasiatischen Republiken sind Vielvölkerstaaten, am stärksten Kasachstan, das sowjetische "Laboratorium der Völkerfreundschaft". Dort lebten 1989 Angehörige von fast 130 Nationalitäten, wobei die Kasachen mit 39,7 Prozent nur die relative Mehrheit gegenüber den Russen mit 37,8 Prozent besaßen
2. Wenn für Nazarbaev und in geringerem Maße Akaev die Gefahr ethnischer Gewalt ein Instrument zur Herrschaftslegitimation darstellt, so nutzen die anderen drei Staatsführer den "islamischen Fundamentalismus", in Zentralasien meist Wahhabismus genannt, zu diesem Zweck. Auch hier trifft sich ihr Argument auf das Vortrefflichste mit westlichen Ängsten, die Zentralasien in die Hände afghanischer oder iranischer Fundamentalisten fallen sahen. Doch ist das Verhältnis zum Islam für die Staatsführungen ein schwieriges. Einerseits nutzt man ihn zur Bildung einer nationalen Identität, andererseits fürchtet man seine destabilisierende Wirkung insbesondere im zwischen Usbekistan, Tadschikistan und Kirgistan geteilten Ferganatal, das tatsächlich stärker islamisch geprägt ist als das sonstige Zentralasien. Auch wenn zwischen der Religiösität der Normalbevölkerung und den wenigen "Fundamentalisten" kein Zusammenhang besteht, stellen letztere eine Gefahr dar, die sicherlich der Kontrolle bedarf. Doch wird die Angst vor einem fundamentalistischen Islam vor allem in Usbekistan politisch genutzt, wenn alle Oppositionellen pauschal als Wahhabiten verfolgt werden, wie nach dem Bombenanschlag im Februar 1999 in Taschkent
3. Die Bevölkerung Zentralasiens hatte bis in dieses Jahrhundert hinein keine nationalen, sondern tribale (im Falle der ehemals nomadischen Völker der Kasachen, Kirgisen und Turkmenen) oder lokale (Usbeken und Tadschiken) Identitäten. Während die anderen Staatspräsidenten bemüht sind, deren Relevanz in den heutigen Gesellschaften abzustreiten, betont der turkmenische Präsident die Gefährlichkeit der unterschiedlichen Stammeszugehörigkeit seiner Bevölkerung
Ungeachtet der Tatsache, dass in Tadschikistan nicht die Demokratisierung, sondern im Gegenteil das Versagen der politischen Führung und das Fehlen demokratischer Konfliktregelungsmechanismen zum Bürgerkrieg geführt haben
Es sind aber natürlich nicht nur die Führungspersonen, deren Politik nicht auf demokratischen Normen basiert, sondern in der gesamten Gesellschaft herrschen Denkweisen und Strukturen, die einer Demokratisierung zumindest hinderlich sind: Die starke Personen- und Autoritätsfixierung der Bevölkerung bei gleichzeitiger politischer Apathie wurde schon erwähnt, auch die Wertvorstellungen sind alles andere als demokratiegeeignet, wenn bespielsweise Meinungsvielfalt und Kompromissfähigkeit als Zeichen von Schwäche und Kritik als stabilitätsgefährdend interpretiert werden
Heute wird immer deutlicher, dass während der Sowjetzeit Politik in Zentralasien in vielen Bereichen wesentlich unabhängiger von Moskau gemacht wurde, als man im Westen vermutete. Die langjährigen Parteichefs konnten, solange sie nach außen auf Moskauer Vorgaben reagierten, in ihren Republiken wie autokratische Fürsten herrschen
Die realen politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse der zentralasiatischen Staaten stimmen damit in verblüffender Weise mit denen einiger typischer Entwicklungsländer überein
1. Systematische Konzentration der politischen Macht und Entscheidungsgewalt bei einem Herrscher, der praktisch über dem Gesetz steht und häufig per Dekret regiert. Er gibt sich das Image der wohlwollenden Vaterfigur. Autonome gesellschaftliche Gruppenbildung wird verhindert.
2. Prägend sind klientelistische Strukturen. Politik und Wirtschaft finden unter dem Gesichtspunkt persönlicher Vorsorge des Amtsträgers und der Rivalität mit Konkurrenten statt, langfristige Politik und Wirtschaftsentwicklung stehen dagegen hintan.
3. Informalität ist typisch, ein begrenzter und kontrollierter gesellschaftlicher Pluralismus wird zugelassen.
IV. Prognose
"Völker sind nicht auf genetische Weise demokratieunfähig"
Doch waren 1991 die Voraussetzungen für eine rasche Demokratisierung weder in der breiten Bevölkerung noch in den Führungskreisen gegeben. Die Chancen sind seitdem nicht besser geworden. Bei den Präsidenten ist heute kein oder nur ein geringer Wille zur Demokratisierung zu erkennen, von der breiten Bevölkerung ist ein Druck in diese Richtung eher nicht zu erwarten. In der ohnehin schmalen politisch interessierten Schicht haben Korruption und Ämterschacher im Namen der Demokratie in der ersten Hälfte der Neunzigerjahre zu Enttäuschung und Verlust von Vertrauen in diese Staatsform geführt
Wenn eine baldige Demokratisierung also nicht zu erwarten ist, stellt sich die Frage, wie stabil die autoritären Präsidialsysteme sind und welche Stabilität sie ihren Staaten bieten. Wie hinsichtlich der Frage der Demokratisierung unter ungünstigen Bedingungen ist auch hier die Meinung zweigeteilt. Viele Vertreter der Wirtschaft, aber auch einige Wissenschaftler
Die Rolle des Westens war bisher nicht unproblematisch und wird vermutlich immer schwieriger werden. Die drohende Instabilität bei Führungswechseln spricht dafür, trotz der ungünstigen Voraussetzungen mit viel Geduld zarte demokratische Ansätze zu fördern und undemokratische Maßnahmen zu geißeln. Gleichzeitig muss man aber kurzfristig die jetzigen autoritären Präsidenten stützen, eben weil der Wechsel eine Gefährdung der Stabilität der Staaten und vermutlich der gesamten Region bedeutet. Aber auch, weil die verfolgten Vertreter der Opposition in der Regel nicht demokratischer sind als die jetzige Führung. Entweder sind sie durch die Verfolgung der letzten Jahre verbittert und radikalisiert, oder es handelt sich um ehemalige Mitglieder der Führungsschicht, die nach Verlust von Ämtern und Pfründen zu Fundamentalkritikern geworden sind. Auch ihre Programme bieten kaum neue Lösungsvorschläge.