Einleitung
Wie die Neunzigerjahre gezeigt haben, vollzieht sich der Wandel zu Demokratie und Marktwirtschaft in den meisten Staaten Lateinamerikas, Asiens und Osteuropas kaum ohne schmerzhafte Begleiterscheinungen. Ist die Phase der Errichtung formeller demokratischer Institutionen abgeschlossen, so droht zwar eher selten ein Rückfall in traditionelle Formen der Autokratie. Gleichwohl besteht nach wie vor die Herausforderung, zeitgleich die für liberaldemokratische Herrschaft und eine durch staatliche Regeln gebändigte Marktwirtschaft notwendigen Verfahren zu verfestigen, mit politischer Legitimität zu versehen und in der politischen Kultur der Gesellschaft zu verankern. Dies ist mit enormen Schwierigkeiten verbunden, da demokratische und ökonomische Reformprozesse eng miteinander verflochten sind. Dass hierbei das historische Erbe autoritärer Herrschaft in jungen Demokratien noch lange Zeit nachwirken kann, versucht dieser Beitrag herauszustellen.
Die folgende Argumentation betont die Bedeutung von Institutionen bei Prozessen des politischen und ökonomischen Wandels. Institutionen sind alle normativ gesetzten und empirisch beobachtbaren Regeln, mit deren Hilfe nutzenorientierte Akteure ihren Entscheidungsspielraum strukturieren und somit die Komplexität ihrer Umwelt verringern. Während Individuen oder Organisationen somit als Spieler im politischen Prozess aufgefasst werden, dienen politische Institutionen als Spielregeln der Gesellschaft
Diese funktionalen Anforderungen können in unterschiedlichem Maße von formellen, aber auch von informellen Institutionen erbracht werden. Hierbei verschafft überwiegend der Staat per Gesetz den formellen, gemeinhin kodifizierten Institutionen Geltung. Hingegen werden informelle, nicht kodifizierte Institutionen meist von gesellschaftlichen Akteuren sanktioniert. Letztere wirken also kraft gesellschaftlicher Einübung und sind daher oftmals historischer und kultureller Natur. Obwohl viele Institutionen informeller Politik öffentlich bekannt sind, existieren sie im Unterschied zu den formellen Regeln nicht aufgrund von Kodifizierung, sondern sind das Ergebnis gesellschaftlicher Selbstorganisation
Auffällig bei der Betrachtung der von Finanzkrisen in den Neunzigerjahren betroffenen jungen Demokratien sind die Ähnlichkeiten zwischen bestimmten informellen politischen Verhaltensmustern trotz verschiedener kultureller Kontextfaktoren, Unterschieden in den wirtschaftlichen Reformpfaden und Differenzen im formellen Aufbau der Demokratie. Dies gilt insbesondere für soziale Regeln, die sich jenseits formeller Gesetze an den Schnittstellen zwischen politischem und wirtschaftlichem System eingenistet haben. Problematisch erscheint hierbei, dass die Regeln informeller Politik in vielen Transformationsländern noch einen illiberalen Charakter besitzen, also gegen die Grundsätze des politischen und ökonomischen Liberalismus verstoßen
Im Folgenden sollen die Zusammenhänge zwischen diesen Spielarten informeller Politik sowie ökonomischer Labilität in jungen Demokratien näher beleuchtet werden. Zunächst wird ein Strang der jüngeren Demokratieforschung aufgegriffen, der die vielfach mangelnde Rechtsstaatlichkeit und geringe Gewaltenkontrolle in jungen Demokratien auf tradierte politische Spielregeln informeller Natur zurückführt
I. Demokratie, Rechtsstaat und informelle Politik
Wie auch der wirtschaftliche Wettbewerb, so ist der demokratische Wettbewerb ein offener Prozess, dessen Ergebnisse im Voraus kaum zu prognostizieren sind. Wettbewerb über Partizipation lautet denn auch eine bekannte Definition von Polyarchie als der real existierenden Form von Demokratie
In vielen jungen Demokratien basierten jedoch die Ablösung autoritärer Eliten und die Einführung demokratischer Verfahren vielfach auf dem Konsens, lediglich die vertikalen Elemente der Demokratie zu akzeptieren. Entsprechend sind mittlerweile freie und auf den ersten Blick faire Wahlen, Presse- und Meinungsfreiheit sowie die Möglichkeit zur Gründung von Parteien und Verbänden Bestandteil der politischen Landschaft in vielen jungen Demokratien. Problematischer hingegen ist die Verfestigung von Rechtsstaat und Gewaltenkontrolle. So bestehen etwa zwischen Verwaltung und gesellschaftlichen Akteuren alte Seilschaften fort, die sich über das Gesetz stellen und von den demokratisch legitimierten Repräsentanten der neuen Ordnung kaum beeinträchtigt werden. Auch die Regierungen selbst greifen in verfassungsrechtlich höchst bedenklicher Weise auf Dekrete oder Notverordnungen zurück, setzen ihre Ziele gegen den Willen der Parlamentsmehrheit durch und behindern so die Konsolidierung einer gewaltenteiligen Ordnung
Ursächlich für die skizzierte Entwicklung sind eine Vielzahl informeller und gleichzeitig illiberaler Verfahren, die gleichsam als historische und kulturelle Erfahrung eine handlungsleitende Wirkung entfalten
In vielen jungen Demokratien sind diese Risiken infolge nicht gesetzeskonformen Verhaltens jedoch wesentlich geringer. Gleiches gilt für das Vertrauen zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppierungen. Loyalität gegenüber dem eigenen sozialen Umfeld, wie sie in klientelistischen Beziehungen mit der Betonung von Hierarchie und treuer Gefolgschaft gepflegt wird, entfaltet eine höhere Wirkung als das formelle Regelwerk, das für die gesamte Gesellschaft geschaffen ist. Hinzu kommt, dass die Exklusivität solch informeller Beziehungsmuster die Schaffung eines funktionierenden Rechtssystems für die gesamte politische Gemeinschaft behindert und konsensorientierte Institutionen der Demokratie beschädigt.
Sind Regierung und/oder Verwaltung Teile eines solch dominanten Geflechts gegenseitiger Abhängigkeiten, wie etwa in Clans und Patronagesystemen, so strukturieren diese Verbindungen die Beziehungen zwischen Staat und Gesellschaft. Im Dunst präsidialer Küchenkabinette oder hinter den verschlossenen Türen der Ministerialbürokratie werden die Leitlinien der Politik festgelegt. Sind diese aufgrund der formellen Spielregeln nicht durchsetzbar, etwa weil die notwendigen Mehrheiten fehlen, werden die formellen Institutionen vielfach umgangen, gebeugt oder gebrochen. Eine Orientierung an Gesetz und Verfassung wird zum Nachteil im politischen Wettbewerb. Der dadurch ausgelöste Erosionsprozess rechtsstaatlicher Herrschaft reduziert zwangsläufig das Vertrauen von gesellschaftlichen und politischen Akteuren mit unterschiedlichen Zielvorstellungen.
Zwar mögen sich die wichtigsten Eliten aus Politik und Gesellschaft darauf einigen, bestimmte Verfahren wie Wahlen oder Parteienwettbewerb zu etablieren. Doch aufgrund von Erfahrungen in der politischen Vergangenheit mit Repression und Ausschluss besteht ein geringer Grad an Vertrauen zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen und politischen Akteuren. Die Unsicherheit darüber, ob sich Bürokraten, Minister, Parteien, Verbände oder religiöse Gruppen tatsächlich an die Spielregeln eines fairen und verfassungskonformen politischen Wettbewerbs halten, nimmt zu. Die aus den Erfahrungen mit autoritärer Herrschaft resultierende Hypothek erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass für die Gesamtheit ineffiziente Verfahren informeller Politik erneut zur Anwendung kommen, die im "Schatten demokratischer Legitimität"
II. Informelle Politik und wirtschaftliche Krisen
Welchen Einfluss hat die Dominanz der skizzierten informellen Verfahren auf den wirtschaftlichen Wandel und die Wahrscheinlichkeit ökonomischer Krisen? Wie erfolgt die Machtkonzentration in Märkten durch informelle Politik in jungen Demokratien? Bei der Beantwortung dieser Fragen ist zunächst eine historische Perspektive angebracht.
Meist handelte es sich bei den betroffenen Ländern wie Mexiko, Thailand, Südkorea oder Brasilien um Ökonomien, die bereits unter autoritärer Herrschaft Phasen starken Wachstums durchlaufen hatten. Dieses Wachstum war jedoch stärker durch einen hohen Grad an Ressourcenmobilisierung als durch große Produktivitätssteigerungen gekennzeichnet
Der Übergang von einer primär auf Ressourcenmobilisierung gerichteten staatsinterventionistischen Wachstumsstrategie zu einer Wettbewerb und Produktivität betonenden Strategie ist jedoch ein schwieriges Unterfangen und eröffnet erneut vielfältige Möglichkeiten für nicht leistungsbezogene Gewinne. So krankten die Politikempfehlungen der Achtziger- und beginnenden Neunzigerjahre vielfach daran, lediglich den Abbau des Staates in den Mittelpunkt zu stellen. Die einseitige Betonung von Privatisierung, Deregulierung und Liberalisierung als Kernbestandteile eines superliberalen Reformprogramms verkennt jedoch, dass der Markt lediglich eine notwendige, nicht aber die hinreichende Bedingung für anhaltendes Wachstum über Produktivitätssteigerungen ist. Die Eigendynamik der Marktkräfte muss um ordnungspolitische (ordoliberale) Regeln ergänzt werden, die Marktversagen oder wettbewerbsfeindliches Verhalten verhindern. Die Entfaltung der positiven Wirkungen des wirtschaftlichen Wettbewerbs bedarf daher genau wie auf der Ebene des politischen Wettbewerbs der rechtsstaatlichen Absicherung
Genau an dieser Stelle tritt in vielen jungen Demokratien erneut der Konflikt zwischen formellen und informellen Regeln auf. So wurden während der mehr oder weniger umfangreichen Reformmaßnahmen vielfach die formellen Verbindungen zwischen staatlichen und gesellschaftlichen Akteuren gekappt. Die informellen Verfahren, die Regierung, Verwaltung und bestimmte wirtschaftliche Interessengruppen miteinander verbanden, blieben jedoch bestehen oder wurden neu geknüpft. Die Vereinnahmung des Staates durch bestimmte Interessengruppen konnte eine gesamtwirtschaftlich destruktive Wirkung entfalten.
Nun mag man argumentieren, dass auch in konsolidierten Demokratien vielfältige informelle Verknüpfungen zwischen gesellschaftlichen und staatlichen Akteuren bestehen. Gleichwohl können solche Verhandlungssysteme den formellen politischen Institutionen auch Steuerungsaufgaben abnehmen, ohne zwangsläufig deren demokratischen Auftrag zu unterminieren. Bedingung ist jedoch ein stärker einschließender Charakter jener Netzwerke, der dann als stützender Pfeiler demokratischer Legitimität wirken kann und gleichzeitig die Aufgabenüberlastung der staatlichen Institutionen aufgrund zunehmender gesellschaftlicher Komplexität verhindert
In jungen Demokratien besteht allerdings vielfach das Problem, dass die an Regierung und Verwaltung gekoppelten Netzwerke mit gesellschaftlicher Beteiligung nicht nur intransparent, sondern vor allem durch einen weit höheren Grad an Exklusivität gekennzeichnet sind. Ganz bewusst werden gesellschaftliche Gruppen, die nicht zur jeweiligen Herrschaftskoalition gehören, ausgeschlossen. Ein gemeinsames und argumentatives Aushandeln von Konflikten konnte kaum initiiert werden. Informelle Netzwerke begünstigen hier aufgrund ihrer Exklusivität lediglich partikulare Interessen und nicht das Gros der Gesellschaft. Phänomene wie die kaum durchschaubaren Verquickungen zwischen Bürokratie und Großkonglomeraten (Chaebol) in Südkorea, zwischen Landoligarchie und Parlament in Brasilien oder zwischen Konzernen, dubiosen "politischen Unternehmern" und alten Apparatschiks in Russland zeugen hiervon.
Über derartig informelle, exklusive und intransparente Entscheidungswege wurden wirtschaftliche Reformen derart konstruiert, dass sie der alten oder im Zuge der Demokratisierung neu entstandenen Herrschaftskoalition aus gesellschaftlichen und staatlichen Akteuren als wichtige Instrumente der Legitimationsbeschaffung dienen. Ein neoliberales Programm ohne gleichzeitige Setzung eines ordnungspolitischen Rahmens eröffnet in zweierlei Hinsicht Möglichkeiten zur kurz- bis mittelfristigen Steigerung der politischen Legitimation:
- Privatisierung, Deregulierung und Liberalisierung erweiterten den finanziellen Handlungsspielraum des Staates: erstens durch die Privatisierungserlöse und zweitens durch die damit verbundenen Erleichterungen bei der Gewährung neuer Kredite durch internationale Geberorganisationen. Die Ressourcenkonzentration in den Händen der Exekutive und die dort angesiedelten intransparenten Entscheidungsprozesse in kleinen und abgeschotteten Netzwerken begünstigen die Tendenz zu populistischem Regieren. Vielfach wurde das Parlament als Hort der Opposition geschwächt und die Herausbildung eines unabhängigen, zwischen Staat und Gesellschaft konstruktiv vermittelnden Parteien- und Verbändewesens verhindert.
- Deregulierung und Privatisierung ohne die Setzung eines effektiven ordnungspolitischen Rahmens erleichterten weiterhin die Versorgung gesellschaftlicher Eliten, die sich im Gegenzug loyal gegenüber dem politischen Regime verhalten. Geleitet von informellen Verfahren, die auf den Erwerb nicht leistungsbedingter Gewinne zielten, wurden Marktreformen dergestalt konstruiert, dass als Ergebnis erneut wettbewerbsfeindliche Marktstrukturen entstehen konnten, etwa in Form von engen (kleinen) Oligopolen oder privaten Monopolen
Zwar erhöhten die skizzierten Strategien kurzfristig die Legitimation junger Demokratien, langfristig jedoch destabilisieren sie das volkswirtschaftliche Gleichgewicht. In Kombination mit Wechselkursregimen, die sich der realen Abwertung nur unzureichend anpassten (Mexiko, Brasilien, Thailand, Korea, Indonesien, Russland), wirkten sich schwache Produktivitätssteigerungen, verbunden mit zunehmender privater und/oder staatlicher Verschuldung, tendenziell negativ auf die Leistungsbilanz aus und führten zu stärkerer Abhängigkeit von internationalen Zinsbewegungen und Finanzinvestitionen. Die dadurch hervorgerufene Verwundbarkeit gegenüber internationalen Einflüssen schaffte so den Nährboden für destruktive Spekulationsstrategien internationaler Anleger, wie sie 1994/1995 (Mexiko, Argentinien), 1997/1998 (Tschechische Republik, Thailand, Korea, Indonesien, Russland) und 1999 (Brasilien) zu beobachten waren. Insofern sind die Ursachen der ökonomischen Krisen der Neunzigerjahre maßgeblich auf interne Faktoren bei der politischen Konstruktion der ökonomischen Reformen zurückzuführen. Lediglich als Auslöser und teilweise krisenverschärfende Faktoren wirkten internationale Einflüsse, die in der Struktur der internationalen Finanzbeziehungen zu suchen sind
III. Zum Wandel informeller Politik
In Transformationsprozessen kommt es meist zu Konflikten zwischen tradierten, illiberalen und auf informeller Ebene wirkenden Regeln und den neuen, den politischen und wirtschaftlichen Wettbewerb betonenden formellen Institutionen. Gesamtwirtschaftlich ineffiziente Regeln mögen dabei politische Funktionsleistungen erbringen, welche die wirtschaftliche Ineffizienz kurz- bis mittelfristig kompensieren. Langfristig sind sie jedoch zumindest aus gesamtgesellschaftlicher Perspektive äußerst kostspielig.
Dieser Befund legt daher die Vermutung nahe, dass eine erfolgreiche Durchbrechung von ökonomischen Modernisierungsblockaden zunächst nicht so sehr davon abhängt, ob der Herrschaftszugang demokratisch oder autokratisch geregelt ist. Vielmehr kommt es darauf an, ob bei der Wirtschaftspolitik rechtsstaatliche Verfahren zur Anwendung kommen und Institutionen zum Schutz gegen die nachhaltige Vereinnahmung des Staates durch Partikularinteressen existieren. Die sich hieran anschließende Frage ist, unter welchen Bedingungen sich informelle Institutionen wandeln. Aus einer theoretischen Perspektive kann hierbei die Hypothese aufgestellt werden, dass sich Verfahren und Regeln vor allem dann ändern, wenn deren Anwendungskosten größer sind als die Summe aus dem damit verbundenen Nutzen und den Kosten für die Veränderung des Institutionengefüges. Die Finanzkrisen können in diesem Zusammenhang als Auslöser einer nicht beabsichtigten Veränderung von Rahmenbedingungen aufgefasst werden, welche die Kosten-Nutzen-Kalküle der beteiligten Akteure verändert haben.
Aus einer optimistischen Perspektive mag man daher folgern, dass ökonomische Krisen einen Lernprozess im Sinne einer Anpassung informeller Institutionen bewirken. Dies würde bedeuten, dass die beteiligten Akteure die Ineffizienz tradierter Institutionen erkannt haben, dass sich die Interessen hinsichtlich der Anwendung spezifischer Institutionen wandeln. Die Kosten für die Schaffung nachhaltigen politischen und ökonomischen Wettbewerbs für die politische Gemeinschaft könnten geringer werden als die eines Festhaltens an illiberalen Institutionen. Problematisch bei einer solchen Sichtweise ist jedoch, dass die von ökonomischen Krisen Geschädigten nicht identisch mit den dafür Verantwortlichen sein müssen. Letztere erlangen aufgrund ihrer Mitgliedschaft in intransparenten Entscheidungsnetzwerken auf nationaler Ebene einerseits und ihres Wissens über die internationalen Finanzbeziehungen andererseits oftmals einen strategischen Informationsvorteil. Dieser ermöglicht es ihnen vielfach, kurz vor der Eskalation ökonomischer Krisen hohe Gewinne zu realisieren. Die informellen Institutionen erwiesen sich daher trotz Krise für viele der Konstrukteure jener Wirtschaftspolitik als effektiv
Zunächst kann auf der internationalen Ebene der Einfluss internationaler Organisationen Positives bewirken. So deutete sich zeitweise ein programmatischer Wandel des Internationalen Währungsfonds (IWF) an, der sich in der ordnungspolitisch geprägten Betonung von good governance und in einem Abrücken von der superliberalen Programmatik der Achtzigerjahre manifestierte. Qualitatives Wachstum, Transparenz und Armutsbekämpfung werden mittlerweile als strategische Stoßrichtungen für makroökonomische Stabilität empfohlen. Aufgrund der in ökonomischen Krisen gestiegenen Verhandlungsmacht des IWF als Geberorganisation versucht dieser daher, sich möglichst früh in wirtschaftspolitische Reformprogramme einzuklinken und nationale Entscheidungsprozesse transparenter zu gestalten. Problematisch an dieser Lösungsstrategie ist jedoch, dass sie einem tiefgreifenden Eingriff in die nationalstaatliche Souveränität gleichkommt, dem nicht nur junge Staaten mit negativen Erfahrungen hinsichtlich Interventionen von außen skeptisch gegenüberstehen. Weiterhin ist die Politik des IWF aufgrund der Stimmenmehrheit der Industriestaaten in der Organisation deren Interessen besonders verpflichtet. Diese müssen jedoch nicht ausschließlich kompatibel mit good governance in den emerging markets sein
Darüber hinaus können auch internationale Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) die Veränderung informeller Verfahren unterstützen, indem sie eine Ausdehnung der politischen Partizipationskanäle und der politischen Öffentlichkeit auf der nationalen Ebene fördern. In Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Organisationen kann so die Intransparenz der wirtschaftspolitischen Entscheidungsnetzwerke verringert werden. Der mögliche Druck von NGOs und Zivilgesellschaft auf die Regierung kann diese zu Reformen veranlassen, an deren Konstruktion ein breiteres Spektrum gesellschaftlicher Interessengruppen beteiligt wird. Die auf diese Weise gesteigerten Kontrollmöglichkeiten sind Voraussetzung für den Beginn eines Prozesses zum Abbau gegenseitigen Misstrauens zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen Interessengruppen. Doch auch eine solch positive Entwicklung muss nicht zwangsläufig eintreten. Erstens bevorzugen oppositionelle Gruppen der Gesellschaft nicht immer Verhandlungslösungen, so dass auch eine destabilisierende Verschärfung innergesellschaftlicher Konflikte die Konsequenz von wirtschaftlichen Krisen sein kann. Wird das Parlament weitgehend aus neu entstehenden Verhandlungsmechanismen ausgeschlossen, so stellt sich zweitens die Frage nach dem demokratisch legitimierten Mandat sowohl internationaler Organisationen wie auch zivilgesellschaftlicher Gruppen. Drittens kann es den tatsächlich für die Krise Verantwortlichen gelingen, die Schuld für die Misere alleine auf internationale Rahmenbedingungen (Globalisierung, internationales Finanzsystem) oder die Herrschaftsform der Parteiendemokratie abzuwälzen. In der Vergangenheit war daher auch zu beobachten, dass ökonomische Krisen gleichfalls Chancen für populistisches oder gar autokratisches Regieren eröffneten und sich illiberal-informelle Verfahren erneut durchsetzen konnten.