Einleitung
Wie kann einer traditionsreichen, aber international nicht wettbewerbsfähigen Industrieregion neues Leben eingeflößt und wie können dabei gleichzeitig die Kerne der alten Industriebranche bewahrt werden? Wie gelingt es, einen kontaminierten Standort auf neue Nutzungen vorzubereiten und für die Bevölkerung wieder lebenswert zu machen? Was also ist ein innovativer Lösungsansatz für wirtschaftliche und ökologische Probleme im Spannungsfeld "Mensch - Natur - Technik"?
Ein Beispiel hierfür liefert das Expo-Projekt Chemiepark Bitterfeld-Wolfen, das von der Korrespondenzregion Dessau - Bitterfeld - Wolfen - Wittenberg im Rahmen des Themas "Erneuerung und Strukturwandel alter Industrieregionen" auf der EXPO 2000 präsentiert wird.
Das Chemieparkkonzept - eigentlich eine "Notlösung" der Treuhandanstalt im Transformationsprozess nach der Wiedervereinigung - stellt heute ein Hauptcharakteristikum des Standortes dar. Eine am Wissenschaftszentrum Berlin veröffentliche Arbeit identifiziert dieses Konzept eines offenen Standortes als zukunftsweisend und als einen der Hauptgründe für die Erhaltung der Großchemie am traditionsreichen Chemiestandort Bitterfeld-Wolfen
Im Folgenden werden die Ausgangslage in der Chemieregion und die wirtschafts- sowie umweltpolitischen Maßnahmen zur Bewältigung des Strukturwandels erläutert. Daran schließt sich eine Beschreibung der Idee und der Realisierung des Chemieparkkonzeptes an. Zum Abschluss wird untersucht, inwieweit das angewandte Chemieparkkonzept und der Standort Bitterfeld-Wolfen zukunftsfähig sind.
I. Wirtschaftspolitisches Vorgehen
Die chemische Industrie gehörte zu den bedeutendsten Industriezweigen der DDR. Zirka zehn Prozent des gesamten Industrieproduktionswertes wurde in den chemischen Kombinaten Bitterfeld-Wolfen, Buna und Leuna, dem so genannten Chemiedreieck, geschaffen. In dieser Region war nahezu jeder zweite Arbeitsplatz chemiegebunden
Erste Privatisierungsversuche
Die Treuhandanstalt hatte 1990 von der Volkskammer der DDR den gesetzlichen Auftrag bekommen, das volkseigene Vermögen zu privatisieren, Arbeitsplätze zu sichern und die Entwicklung effizienter Unternehmensstrukturen zu fördern
Die ersten Konzepte sahen für das Chemiedreieck vor, die in Aktiengesellschaften umgewandelten ehemaligen Chemiekombinate als geschlossene Unternehmen zu erhalten. Anders als im brandenburgischen Schwarzheide, wo es gelang, das dortige Kombinat sehr schnell komplett an die BASF zu veräußern
Geschäftsfeldbezogene Teilprivatisierungen
Nachdem sich bis 1992 keine Gesamtprivatisierung realisieren ließ, konzentrierte die Treuhandanstalt ihre Bemühungen auf das Konzept der geschäftsfeldbezogenen Teilprivatisierungen. Dieses sah vor
- Erhaltung und Privatisierung von Kernaktivitäten unter Berücksichtigung ihrer Auswirkungen auf den Gesamtstandort;
- Verkauf der einzelnen Betriebe an private Investoren;
- Modernisierung von besonders kritischen technischen Infrastruktureinrichtungen, vor allem der Energieversorgung und Abwasser- und Abfallentsorgung sowie
- Aktivitäten zur gezielten Neuansiedlung.
Dabei durften die standortinternen und im Chemiedreieck auch standortübergreifenden Verbundstrukturen nicht unberücksichtigt bleiben. Einerseits lassen sich manche chemische Produkte nicht gefahrlos transportieren oder über einen längeren Zeitraum lagern. Andererseits erhält man bei chemischen Prozessen neben dem gewünschten Endprodukt oftmals eine Reihe von Nebenprodukten, die weiterverarbeitet werden müssen. Das Schließen eines Produktionsbetriebes in der stufenweisen Reaktionskette von den Rohstoffen über Zwischenstufen zum Endprodukt hätte einen Dominoeffekt auslösen und weitere Privatisierungen und Neuansiedlungen gefährden können.
Das Vorgehen der Treuhandanstalt und seit 1994 der Nachfolgeorganisation BvS (Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben) wurde und wird von der Landespolitik unterstützt. Bereits im Dezember 1990 wurde parallel zu den Privatisierungen die Wirtschaftsförderungsgesellschaft für das Land Sachsen-Anhalt (WiSA) gegründet, die Industriestandorte des Landes vermarktet, und damit ein zentraler Ansprechpartner für potentielle Investoren gebildet. Sie berät u. a. in Fragen öffentlicher Fördermittel, die bei einzelnen Investitionen bis zu 50 Prozent betragen können. Die Standorte im Chemiedreieck haben unterschiedliche chemische Ausrichtungen - standortbestimmend in Bitterfeld-Wolfen ist die Chlorchemie, in Buna konzentriert sich die Kunststoffproduktion, und in Leuna liegt der Schwerpunkt auf der Erdölverarbeitung. Damit herrscht kaum Wettbewerb unter den Standorten um gleiche Investoren.
II. Umweltpolitische Maßnahmen
Das Chemiedreieck und hier speziell Bitterfeld-Wolfen galt lange Zeit als Synonym für katastrophale ökologische Zustände. Zur Verdeutlichung kann ein Zitat aus dem Roman "Flugasche" von Monika Maron dienen, in dem eine Reporterin die Stadt Bitterfeld besucht: "Und diese Dünste, die als Wegweiser dienen könnten. Bitte gehen Sie geradeaus bis zum Ammoniak, dann links bis zur Salpetersäure. Wenn Sie einen stechenden Schmerz in Hals und Bronchien spüren, kehren Sie um und rufen den Arzt, das war dann Schwefeldioxyd."
Die Ergebnisse der Umweltuntersuchungen im Jahr 1990 bestätigten diese Beschreibung. So führte der erhöhte Ausstoß des im Zitat erwähnten Schwefeldioxyds zu einer Durchschnittsbelastung in den neuen Bundesländern, die siebenmal so hoch war wie in den alten Ländern. Im Raum Bitterfeld-Wolfen wurden nach Bodenuntersuchungen insgesamt 3 200 Verdachtsflächen ausgewiesen, von denen 269 ein großes Schadenpotential durch Ausbreitung und die Möglichkeit eines Kontaktes mit dem Menschen hatten. Bezeichnend ist, dass vor Baubeginn der Bayer-Anlage in Bitterfeld-Wolfen, die neben dem Gelände des ehemaligen Chemiekombinates Volkseigener Betrieb (VEB) Bitterfeld auf der grünen Wiese errichtet wurde, dennoch über 250 000 Tonnen kontaminiertes Erdreich abgetragen und deponiert werden mussten
Sanierungsablauf
1990 sah sich die Umweltpolitik mit zwei Hauptproblemen konfrontiert: Die Umweltgesetzgebung der Bundesrepublik musste mit ihren strengeren Grenzwerten eingehalten werden und es galt, die immensen Altlasten zu sanieren. Zu den Altlasten gehörten einerseits Deponien (meist stillgelegte Braunkohle-Tagebaugruben ohne Abdichtung gegen Luft und Grundwasser) und andererseits die Produktionsstandorte selbst. Hier ergab sich das zusätzliche Problem, dass Investoren die Sicherheit haben wollten, nicht in der Zukunft für bereits vorhandene Umweltschäden haftbar gemacht zu werden. Die Sicherstellung einer ausreichenden Sanierung war also zwingende Voraussetzung für den Erfolg der Privatisierung. Das von der Treuhandanstalt gleich nach der Wende entwickelte ökologische Vier-Phasen-Schema lehnt sich konsequenterweise an den geplanten zeitlichen Ablauf der Privatisierung an (siehe Tabelle 1).
Um Investitionen zu erleichtern, wurde im Umweltrahmengesetz eine Freistellungsklausel festgeschrieben, nach der Neuansiedler nicht für am Stichtag 1. Juli 1990 bereits vorhandene Schäden haftbar gemacht werden können, sofern sie die Landesbehörde von der Verantwortung freistellt. Darauf besteht jedoch kein Rechtsanspruch, da die Freistellung im Ermessen der Behörde liegt und durch die finanziellen Möglichkeiten des Landes begrenzt ist. Die Kosten für die Sanierung wurden in der Regel zwischen Land und Bund bzw. Treuhandanstalt geteilt (in Bitterfeld-Wolfen zum Beispiel im Rahmen des Nationalen Sonderprogramms im Verhältnis 1:3). Um "Luxussanierungen" zu vermeiden, muss sich der Investor aber im Regelfall auch an den Kosten beteiligen. Die Freistellungsklausel verfolgt damit eindeutig wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Ziele, da die Mittel dadurch primär für die Investitionssicherung verwendet, nicht aber nach dem Gefahrenpotential eingesetzt werden.
III. Das Chemieparkkonzept
Nach dem Scheitern der Gesamtprivatisierung für den Standort Bitterfeld verfolgte die Treuhandanstalt das erwähnte Konzept der Teilprivatisierung. Zusätzlich musste entsprechend dem ökologischen Vier-Phasen-Schema mit den dringendsten Sanierungsmaßnahmen begonnen werden. Die im Rahmen der Teilprivatisierung gewollten Neuansiedlungen und Modernisierungen vorhandener Betriebe mittlerer Größenordnung waren und sind nur bei Bereitstellung von modernsten Infrastruktureinrichtungen attraktiv. Infrastruktureinrichtungen umfassen die erforderlichen Strom-, Rohrleitungs- sowie Verkehrsnetze zur Ver- und Entsorgung der Betriebe. Versorgung umfasst bei einem Chemiestandort die Versorgung mit Energie, chemischen Grundstoffen und Wasser. Modernste Entsorgungseinrichtungen waren gleichzeitig für die Verbesserung der katastrophalen ökologischen Situation in der Region notwendig. Des Weiteren können unter Infrastruktur aber auch Serviceeinrichtungen wie Feuerwehr, ärztliche Versorgung, Kantinen und Ausbildungsstätten subsumiert werden.
In Deutschland betrieben bis zur Umsetzung des Chemieparkkonzeptes die Chemieunternehmen an den Standorten ihre eigene Infrastruktur. Die damit verbundenen Kosten, so genannte Fixkosten, sind nicht von der Produktionsmenge abhängig. Ein hoher Fixkostenblock steigert das Risiko der Betriebe, bei schlechter Auftragslage in die Verlustzone zu kommen - ein Problem, das in der Rezession Anfang der neunziger Jahre bei Firmen in vielen Industriebranchen tatsächlich eintrat. Die vielfach verfolgte Lösung hieß "Outsourcing", die Auslagerung von Aktivitäten an externe Anbieter.
Die Idee
Die Möglichkeit zum Outsourcen einzelner Produktionsschritte in prozessorientierten Industriebranchen wie der Chemie ist jedoch begrenzt
IV. Der Chemiepark Bitterfeld-Wolfen
Die Umsetzung des Chemieparkkonzeptes begann für den Standort Bitterfeld mit der Gründung der ChemiePark Bitterfeld GmbH im Jahr 1994 und den ersten Privatisierungen von Infrastruktureinrichtungen. Parallel wurde das Konzept auch im Nachbarort Wolfen durch die Gründung der Standortgesellschaft Industriepark Wolfen-Thalheim GmbH verfolgt. Nach der Auflösung der Standortentwicklungsgesellschaften im Jahr 1997 wurden Entwicklung und Koordination der beiden Standorte in der ChemiePark Bitterfeld-Wolfen GmbH zusammengefasst, an der der Landkreis Bitterfeld und die Städte Bitterfeld und Wolfen mehrheitliche Anteile trugen. Durch die Beteiligung an der Chemieparkgesellschaft wurde die Plattform für einen Dialog mit privaten Unternehmen geschaffen, so dass Industriestrukturplanungen mit kommunalen Planungen wie Siedlungs- und Landschaftsentwicklung abgestimmt werden können. Im Landkreis Bitterfeld mündete dieser Dialog in die Erstellung eines "Masterplanes" im Jahr 1996, der die Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche Entwicklung des Industriestandortes beschreibt. Im Auftrag der EXPO 2000 Sachsen-Anhalt GmbH wird dieser Plan unter dem Thema "Gestaltung einer neuen Chemielandschaft" weitergeführt. Ziel ist es, konkrete Maßnahmen zur Entfaltung städtebaulicher und landschaftlicher Entwicklungspotentiale zu identifizieren. Ein Beispiel ist der Neubau des Berufsschulzentrums auf dem Gelände des Chemieparks. Städtebaulich und funktional wird der Neubau mit dem benachbarten Bitterfelder Kulturpalast und der angrenzenden Schwimmhalle eine Einheit bilden. Das Gebäude soll Sonnenlicht zur Belichtung und natürliche Luftbewegungen für die Kühlung, Lüftung sowie Beheizung nutzen; es ist nach der Fertigstellung im Mai 2000 das größte Niedrigenergiegebäude in Deutschland. Zudem bieten sich dann sowohl Schülern als auch Unternehmen aufgrund der räumlichen Nähe verbesserte Ausbildungs- und Entwicklungsbedingungen. Wie der Chemiepark ist der Neubau des Berufsschulzentrums ein Expo-Projekt.
Wirtschaftliche und ökologische Entwicklung
Die durch das Chemieparkkonzept geförderte Zusammenarbeit von privaten Unternehmen und Behörden wird von allen Ansiedlern positiv hervorgehoben. Sie führte insbesondere zu kurzen Genehmigungszeiten. So erfolgte die Genehmigung der Lackharz- und Methylcellulose-Betriebe von Bayer in der Rekordzeit von fünfeinhalb Monaten. Eine Auswahl der Privatisierungen und Neuansiedlungen am Standort Bitterfeld-Wolfen zeigt Tabelle 2.
In den Jahren nach der Wiedervereinigung hat sich die Umweltsituation in Ostdeutschland wesentlich verbessert. So wurden von 1990 bis 1997 die Luftschadstoffemissionen auf ca. zwei Prozent, die Abwassermenge auf neun Prozent, die Abwasserlast auf ein Prozent und die Sonderabfallmenge aus der Produktion auf ca. zwei Prozent des Niveaus von 1990 gesenkt
Probleme im Chemiepark Bitterfeld-Wolfen
Im Mai 1998 war die Infrastrukturprivatisierung mit dem Erwerb der ChemiePark Bitterfeld-Wolfen GmbH durch ein internationales Konsortium vermeintlich abgeschlossen. Der Privatisierungsvertrag stand allerdings unter aufschiebenden Bedingungen, war also schwebend unwirksam. Beiden Seiten wurde damit ein besonderes Kündigungsrecht eingeräumt. Die Modernisierung der Infrastruktur am Standort, die in den Aufgabenbereich der ChemiePark Bitterfeld-Wolfen GmbH fiel, ging nur langsam voran und entsprach nicht den Erwartungen der BvS, die BvS kündigte daher zum Januar 2000 den Vertrag. Dabei trat auch ein grundlegender Zielkonflikt zutage: Ziel der Standort- bzw. Infrastrukturgesellschaft als privat geführtes Unternehmen ist wirtschaftlicher Erfolg. Die Ansiedler vor Ort, die Nutzer der Infrastruktur, hingegen verlangen günstige Preise für die benötigten Infrastrukturleistungen. Sie ziehen es vor, wenn die Standortgesellschaft ihre Dienste kostendeckend, nicht aber gewinnbringend anbietet
V. Das Chemieparkkonzept im Expo-Kontext
In ihrer Bewerbung zur Korrespondenzregion der EXPO 2000 hat sich die Region Dessau - Bitterfeld-Wolfen - Wittenberg ausdrücklich auf den Begriff der Nachhaltigkeit als Oberbegriff für die geplanten Projekte bezogen.
Das Prinzip der Nachhaltigkeit bzw. der nachhaltigen Entwicklung (Sustainable Development) kann als Leitbild für zukunftsverträgliches Handeln interpretiert werden
Historisch war der Chemiestandort Bitterfeld durch die Chlorchemie geprägt. Die Chlorproduktion wurde auch von der Treuhandanstalt in ihren Privatisierungsbemühungen als existenzieller Standortfaktor für Bitterfeld erkannt. Chlor sowie viele der chlororganischen Folgeprodukte sind stark giftig und krebserregend. Durch die Realisierung geschlossener Stoffkreisläufe bei der Chlorproduktion entfällt das mit Transport und Entsorgung verbundene Gefährdungsrisiko für Mensch und Umwelt. Die Heraeus GmbH, Hanau, ist eine der Neuansiedlungen in Bitterfeld-Wolfen aufgrund der Verfügbarkeit von Chlor am Standort. Sie produziert synthetisches Quarzglas, bei dessen Produktion Siliziumtetrachlorid (SiCl4), ein Chlorfolgeprodukt, eingesetzt wird. Die Einbindung des Quarzglaswerkes in den Bitterfelder Chlorverbund illustriert beispielhaft Nachhaltigkeit im Sinne von geschlossenen Stoffkreisläufen (siehe die Abbildung).
Quarzglas wird in einem geschlossenen Produktionskreislauf erzeugt, der mehrere Unternehmen umfasst. In diesem Kreislauf werden anfallende Nebenprodukte wie die Natriumchlorid-Lösung (Kochsalzlösung) erneut als Rohstoffe eingesetzt, überregionale Chemikalientransporte entfallen und Reststoffe sowie Emissionen werden weitestgehend vermieden.
Das Expo-Projekt "Transparente Chemie"
Der Chemiepark Bitterfeld-Wolfen ist auch integraler Bestandteil eines weiteren Expo-Projektes der Korrespondenzregion, des Projekts "Transparente Chemie". Das Projekt hat sich aus der Initiative der rot-grünen Landesregierung Sachsen-Anhalt entwickelt, gemeinsam mit Wissenschaftlern und Interessenvertretern aus Wirtschaft und Umwelt einen chemiepolitischen Dialog zu beginnen. Erklärtes Ziel dieses 1995 gestarteten Dialoges ist die "Vertrauensbildung zwischen den Akteuren", um ökologisch wie ökonomisch tragfähige Konzepte gerade in einem so dicht besiedelten Land wie Deutschland zu entwickeln
Dieser Dialog wird im Rahmen der "Transparenten Chemie" auf die breite Öffentlichkeit ausgedehnt. Zu diesem Zweck wurde im November 1997 die Chemie EXPO Sachsen-Anhalt GmbH gegründet. Gesellschafter sind der Verband der Chemischen Industrie (VCI) Nordost, die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) und die EXPO 2000 Sachsen-Anhalt GmbH Dessau. Um der Öffentlichkeit die Entwicklung der Chemiestandorte transparent zu machen, bietet die Chemie EXPO Sachsen-Anhalt GmbH themenspezifische Tagestouren in die Region an. Die verschiedenen Exkursionen sollen Einblicke in die Geschichte des Chemiedreiecks, in Produktionsabläufe und in die Renaturierung der belasteten Umwelt geben. Beispielsweise bildet der vorgestellte Chlorkreislauf in Bitterfeld die Basis der Expo-Führung "Alles Chlor - oder was?". Die Arbeit der Gesellschaft soll zudem die touristische Entwicklung in Sachsen-Anhalt unterstützen.
VI. Zukunft des Chemieparks und des Chemieparkkonzeptes
Die Idee des Chemieparks wurde mittlerweile von Chemiestandorten in Westdeutschland übernommen. Die Hüls AG (heute Degussa-Hüls AG) hat ihr Werksgelände in Marl zum 1. Januar 1998 in einen Chemiepark umgewandelt und somit für weitere Investoren geöffnet. Zum gleichen Zeitpunkt hat auch die Hoechst AG (heute Aventis AG) diesen Schritt gemacht: Der Standort Frankfurt-Höchst ist nun der "Industriepark Höchst", an dem die Standortgesellschaft InfraServ GmbH Ö Co. Höchst KG ihre Dienste anbietet. Grund für die Einrichtung von Chemieparks war in beiden Fällen der Wunsch, sich auf chemische Kernprozesse zu konzentrieren und die Möglichkeit des "Outsourcings" zu nutzen. Nicht nur das Chemieparkkonzept, sondern auch die Wirtschaftsförderungsgesellschaft für das Land Sachsen-Anhalt hat Nachahmer gefunden: In der Emscher-Lippe-Region wurde die "ChemSite", im Raum Köln-Leverkusen im Februar 1999 die "ChemCologne" als standortübergreifende Initiative mit Partnern aus Wirtschaft und Politik gegründet, zum Zweck einer besseren Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Behörden sowie einer gemeinsamen Vermarktung der Chemie-Aktivitäten.
Die Probleme im Chemiepark Bitterfeld-Wolfen haben ihre Ursache demnach weniger im angewandten Konzept. Nach vierzig Jahren Planwirtschaft bot sich der Chemieindustrie - wie der übrigen Industrielandschaft in den neuen Ländern - eine ungünstige Ausgangssituation für den bevorstehenden Transformationsprozess zur Marktwirtschaft. So war der Erhalt der Kernproduktion in Wolfen trotz erheblicher Bemühungen nicht erfolgreich, die Filmherstellung ("ORWO") musste eingestellt werden.
Forschung und Entwicklung
Die chemische und pharmazeutische Industrie ist in besonderem Maße von Innovationen abhängig. Eine Studie im Auftrag der EU belegte 1996 die positive Korrelation von Forschungs- und Entwicklungsintensität mit der Umsatzgewinnrate
Resümee
Die Weiterführung der Chemieproduktion in Bitterfeld-Wolfen war in den Jahren nach der Wiedervereinigung fraglich. Dennoch ist es gelungen, die traditionsreiche Chemieindustrie mit modernen Produktionsverfahren und neuen Ansiedlungen fortzuführen - Chemie folgt auf Chemie. Mit der Entwicklung und Umsetzung des vorgestelltem Chemieparkkonzeptes legte die Treuhandanstalt die Grundlage für den langfristigen Erhalt der Chemieindustrie am Standort. Die Erhaltung erforderte aber auch einen enormen finanziellen Aufwand. Bis zum Abschluss der Umstrukturierungsphase hat die Treuhandanstalt 31,4 Milliarden DM für die gesamte ostdeutsche Großchemie ausgegeben
Die Entwicklung im Chemiedreieck ist zusammenfassend als positiv zu bewerten. Die flexible Struktur der Standorte ist zukunftsweisend und hat viele Nachahmer gefunden. Die Lebensqualität hat sich aufgrund der bisherigen ökologischen Erneuerung stark verbessert - in Bitterfeld kann man nicht mehr anhand von Chemikaliengerüchen seinen Weg finden. Die Auswahl zum weltweiten Projekt der EXPO würdigt diese Erfolge. Insbesondere das Chemieparkkonzept ist ein gutes Beispiel dafür, wie Probleme im Spannungsfeld "Mensch - Natur - Technik" in Angriff genommen werden können. Der Chemiepark Bitterfeld-Wolfen stellt nicht ein temporäres, eigens für die EXPO initiiertes Projekt dar, sondern bereichert die Weltausstellung als realer Prozess, der sich über das Ende der Weltausstellung hinaus weiterentwickeln wird. Im Gegenzug kann auch der Chemiepark profitieren: Die große Aufmerksamkeit, die die Weltausstellung auf den Standort lenkt, wird die für den zukünftigen Erfolg nötigen Aufgaben wie die Erhöhung des Ansiedlungsstandes im Chemiepark, die Weiterführung des Sanierungskonzeptes und den Ausbau der Forschungsaktivitäten am Standort erleichtern.
Internetverweise der Autoren:
www.wisa.de/chemie/index.htm
www.expo2000-sachsen-anhalt.de/projekte/p_wirtschaft.htm
www.arbeit-umwelt.de
www.vci.de
www.vci.de/chemidrom