Einleitung
Die erste Initiative zu einer verstärkten Kooperation der portugiesischsprachigen Staaten datiert aus dem Jahre 1983, aber konkrete Schritte in Richtung auf eine organisatorische Formalisierung erfolgten erst im November 1989, als das "Instituto Internacional de Língua Portuguesa" (IILP) gegründet wurde. Entgegen der ursprünglichen Absicht gelang es jedoch nicht, das IILP zum Motor der weiteren Kooperation zu machen. Im Februar 1994 wurde die "Grupo
Die Motive der Mitgliedstaaten und das besondere Engagement Portugals
Für die Gründung der CPLP gab es unterschiedliche Motive: das Interesse aller beteiligten Staaten an der internationalen Aufwertung der portugiesischen Sprache und Kultur; das Interesse Portugals, seinen peripheren Status innerhalb der EU zu verbessern und die "besonderen Beziehungen" zu seinen ehemaligen Kolonien zu intensivieren; auch das Interesse der lusophonen
Die "harten", namentlich die wirtschaftlichen Interessen wurden während der Gründungsphase nicht besonders betont und eher "mitgedacht" als operational ausformuliert. Im Vordergrund stand zunächst die internationale Aufwertung der portugiesischen Sprache und Kultur, wobei an einen Mythos appelliert wurde, dessen reale Substanz zwar ziemlich diskutabel ist, der sich aber dennoch politisch instrumentalisieren lässt (s. unten)
- Die politisch-diplomatische Konzertation zwischen den Mitgliedern im Rahmen der internationalen Beziehungen, insbesondere im Hinblick auf deren Präsenz in den internationalen Foren;
- die Zusammenarbeit insbesondere auf wirtschaftlichem, sozialem, kulturellem, juristischem und technisch-wissenschaftlichem Gebiet
- sowie die Durchführung von Projekten zur Förderung und Verbreitung der portugiesischen Sprache.
In Artikel 4 werden die "orientierenden Prinzipien" aufgelistet: "Souveräne Gleichberechtigung" der Mitgliedstaaten; Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten; Respekt vor der jeweiligen nationalen Identität; Gleichbehandlung; Primat des Friedens, der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit, der Menschenrechte und der sozialen Gerechtigkeit; Anerkennung der territorialen Integrität; Förderung der Entwicklung; Förderung der Kooperation zum gemeinsamen Vorteil.
Artikel 2 der Statuten der CPLP lautet in freier Übersetzung: "Die CPLP ist eine (eigenständige) juristische Person mit administrativer und finanzieller Autonomie."
Sitz des Sekretariats ist Lissabon. Die Organe der CPLP sind laut Artikel 9 der Statuten folgende
Die Grundfinanzierung der CPLP erfolgt durch Beiträge der Mitgliedstaaten, deren Höhe vom Ministerrat festgelegt wird. Darüber hinaus gibt es einen Spezialfonds, der von freiwilligen öffentlichen oder privaten Beiträgen gespeist wird; er belief sich im Jahre 1997 auf eine halbe Million Dollar. (Neuere Zahlen waren nicht verfügbar, aber man darf annehmen, dass er sich auch weiterhin in einer recht bescheidenen Größenordnung bewegt.) Die "normalen" Beiträge beliefen sich 1996 auf 30 000 Dollar pro Mitglied; Portugal und Brasilien erhöhten ihren Beitrag auf 100 000 und Angola auf 81 000 Dollar
Die CPLP hat seit ihrer Gründung zahlreiche Aktivitäten entfaltet, die zweierlei verdeutlichen: Erstens hat sich ein Dialog auf vielen Ebenen der Politik und der Zivilgesellschaft entwickelt, und zweitens wird anhand der häufigen Tagungsorte in Portugal deutlich, dass von dort das stärkste Engagement ausgeht. Es liegt also nahe, der Frage nachzugehen, welche Ziele Portugal innerhalb der CPLP verfolgt und inwieweit damit europäische Belange berührt werden.
Eine interessante Initiative zur Beschleunigung der Integration der CPLP sollte gesondert angesprochen werden, nämlich die Verabschiedung eines "Status über die lusophone Staatsbürgerschaft" durch das Parlament von Cabo Verde
Aktives und passives Wahlrecht; volle Einbürgerung von Kindern, die in Cabo Verde geboren wurden; Recht auf doppelte Staatsbürgerschaft; Lockerung der Visumspflicht und des Aufenthaltsrechts; freier Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt und zum öffentlichen Dienst im technischen Bereich; Gleichstellung der zugewanderten Freiberufler mit den einheimischen; Gleichbehandlung der ausländischen Investoren mit den einheimischen; Gleichbehandlung bezüglich Abgaben und Steuern; gleichberechtigter Zugang zu den Bildungs-, Gesundheits- und juristischen Einrichtungen sowie zum Kredit- und Wohnungswesen; Gleichberechtigung bezüglich Renten, Subventionen und Gewinnen sowie des betreffenden Transfers ins Ausland; Recht auf einen besonderen Ausweis. Die Regierung von Cabo Verde schlug vor, dass dieses Statut auch von den anderen CPLP-Staaten eingeführt und später nach Möglichkeit erweitert wird.
Die Adressaten dieser Initiative haben zwar positiv reagiert, aber selber noch keine konkreten Schritte unternommen, um sich ihr anzuschließen. Das kapverdische Angebot "auf Gegenseitigkeit" ist für die anderen CPLP-Staaten wenig attraktiv, und letztere sind auch nicht an einer Erleichterung der Zuwanderung aus Cabo Verde interessiert. Aus europäischer Perspektive ist hervorzuheben, dass Portugal im Rahmen des Schengen-Abkommens nicht frei ist, sich dieser Initiative anzuschließen.
Lusophone Mythen als Integrationsklammer
Die CPLP ist das Ergebnis der Politisierung von Mythen, mit denen die kulturellen, historischen und emotionalen Bande zwischen den lusophonen Staaten beschworen werden. Hierzu ist einiges kritisch anzumerken
Bereits die "gemeinsame portugiesische Sprache" ist eine Fiktion. Die lusophonen Staaten Afrikas werden aus gutem Grund "Afrikanische Staaten offizieller portugiesischer Sprache" (Países Africanos de Língua Oficial Portuguesa = PALOP) genannt
Die "gemeinsame Geschichte" eignet sich am allerwenigsten für eine Mythologisierung der Lusophonie, denn sie stellt sich aus der Sicht der ehemaligen Metropole bzw. deren Kolonien sehr unterschiedlich dar. Insbesondere mit Blick auf die afrikanischen CPLP-Staaten ist die Beschwörung der "gemeinsamen Geschichte" nicht ohne Ironie, denn dort tobte noch vor weniger als dreißig Jahren ein erbitterter Befreiungskrieg gegen Portugal. Die Unabhängigkeit Brasiliens (1822) verlief zwar ganz anders, aber ebenfalls nicht so, wie man sich eine "gemeinsame Geschichte" idealiter vorstellt.
Als besondere Merkmale der "lusotropischen" Kultur werden Friedfertigkeit, Toleranz und Anti-Rassismus hervorgehoben. Betrachtet man die Geschichte der lusophonen Staaten etwas genauer, dann sind diese Aspekte keineswegs besonders auffällig. Auffällig ist lediglich ein relativ hoher Grad der Rassenmischung (insbesondere in Brasilien). Letztere basiert jedoch nicht auf der Abwesenheit von Rassenvorurteilen, sondern erklärt sich in erster Linie aus der Promiskuität während der Kolonialzeit aufgrund eines großen Mangels an weißen Frauen. Brasilien war einer der letzten Staaten, welche die Sklaverei abgeschafft haben (1888); noch heute gibt es eine deutliche Korrelation zwischen Schicht und Hautfarbe. Dort herrscht zwar gewiss keine Apartheid, aber doch ein "rassistischer Paternalismus".
Auch in den lusophonen Staaten Afrikas konnte bis zum Abzug der Portugiesen von der viel gelobten "democracia racial" keine Rede sein. Hier gibt es durchaus kritische Stimmen gegenüber der CPLP. Sie wenden sich zum Teil gegen die erwähnten Mythen, gegen die Asymmetrie innerhalb der Gemeinschaft sowie gegen die befürchtete Schwächung der afrikanischen Identität bzw. der afrikanischen Einheit.
Wenig wirtschaftliche Substanz und Kohärenz
Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den CPLP-Staaten können schlechthin als substanzlos bezeichnet werden. Lediglich Brasilien und Portugal verfügen überhaupt über ein nennenswertes Bruttoinlandsprodukt (rund 700 bzw. 100 Mrd. US-Dollar); sie haben ihre wichtigsten wirtschaftlichen Partner außerhalb der CPLP. Die Wirtschaftsbeziehungen innerhalb der CPLP lassen sich zwar ausweiten, aber doch nur in gewissen Grenzen, denn die CPLP-Staaten sind füreinander nicht gerade die interessantesten Volkswirtschaften. Überspitzt könnte man sagen: Einige haben nicht das, was die anderen brauchen; einige haben etwas, das die anderen ebenfalls haben; und keiner hat das, was alle brauchen. Am meisten Substanz haben noch die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Brasilien und Portugal, aber auch diese sind in absoluten wie in relativen Zahlen ziemlich bescheiden
Mehr als das halbe Volumen der wirtschaftlichen Beziehungen Brasiliens konzentriert sich auf die Industrieländer, und sein regionaler Integrationsschwerpunkt ist der Mercosul (mit Argentinien, Uruguay und Paraguay). Die wirtschaftlichen Beziehungen Portugals konzentrieren sich sogar zu rund 80 Prozent auf die Industrieländer, und sein regionaler Integrationsschwerpunkt ist die EU. Auch die PALOP haben die intensivsten wirtschaftlichen Beziehungen mit den Industrieländern
Innerhalb der CPLP bestehen also deutliche zentrifugale Tendenzen. Diese werden verstärkt durch die wirtschaftlich desolate Situation in den PALOP, so dass letztere für Brasilien und Portugal nicht besonders attraktiv sind. Die wirtschaftliche Entwicklung namentlich von Angola und Moçambique wäre eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die CPLP mehr Substanz und Kohärenz bekommt, aber diesbezüglich muss man auf absehbare Zeit wohl eher pessimistisch sein.
Ein schwacher Riese, gestützt von einem europäischen Zwerg
Die Gesamtfläche der CPLP-Staaten ist dreißigmal und ihre Gesamtbevölkerung zweieinhalbmal so groß wie diejenige Deutschlands. Aber das Bruttoinlandsprodukt aller CPLP-Staaten beträgt im Vergleich zu Deutschland lediglich 34 Prozent, das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf 14 Prozent, die Exporte 11 Prozent und die Importe 16 Prozent. Das bedeutet: Selbst wenn der Vergemeinschaftungsprozess der CPLP weiter voranschreiten würde, wäre die CPLP noch lange ein schwacher Riese, der den angestrebten internationalen Status mit erheblich mehr Substanz unterfüttern müsste. Die treibende Kraft hinter der CPLP ist Portugal, ein "europäischer Zwerg". Das mit Abstand bedeutendste Mitglied der CPLP ist Brasilien, und dieses ist ein sektoral hochentwickeltes Entwicklungsland, aber auch nicht mehr. Aus brasilianischer Perspektive hat die CPLP darüber hinaus keine außen- bzw. wirtschaftspolitische Priorität. Man könnte es so formulieren: Die CPLP braucht Brasilien, aber Brasilien braucht nicht die CPLP.
Die CPLP strebt einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen an, was zur Zeit als ziemlich unrealistisch gelten darf. Eher hätten noch Brasilien oder der Mercosul hierfür eine Chance, aber auch diese kann nicht als besonders gut eingeschätzt werden, umso mehr, als der gesamte Reformprozess der Vereinten Nationen (VN) auf absehbare Zeit auf Eis liegt.
Der vielleicht interessanteste Aspekt der CPLP besteht darin, dass sie einen historisch-kulturellen Mythos mit einem modernen Ansatz verknüpft, nämlich dem "new regionalism". Dieser unterscheidet sich vom ehemaligen Kolonialreich insofern, als es sich um eine freiwillige Kooperation von souveränen Staaten handelt, die nicht einseitig auf eine Metropole ausgerichtet, sondern in verschiedenen internationalen Assoziationen eingebunden sind. Die Idee, die CPLP wie ein Scharnier zwischen diesen Organisationen zur Geltung zu bringen, ist originell. Darin liegt aber gleichzeitig ein Problem, denn die Bindung der einzelnen Staaten an ihre jeweilige regionale Integrationsorganisation ist stärker als an die CPLP. Alle CPLP-Staaten - mit Ausnahme Brasiliens - spielen in ihren jeweiligen regionalen Integrationsorganisationen darüber hinaus nur eine marginale Rolle, so dass es für sie schwierig sein wird, die beabsichtigte Scharnierfunktion wahrzunehmen. Brasilien könnte dies zwar, aber aus seiner Perspektive ist die EU ungleich interessanter als die CPLP, und es nimmt die Beziehungen zur EU direkt wahr, ohne dafür einen "Anwalt" aus der CPLP (nämlich Portugal) zu benötigen.
Es ist zur Zeit noch nicht abzusehen, ob und in welcher Richtung der Vergemeinschaftungsprozess intensiviert wird. Bislang jedenfalls bestand ein gewisser Kontrast zwischen der anspruchsvollen Rhetorik und einer großen Zahl wenig bedeutender Aktivitäten sowie einem Sekretariat, das über einen äußerst bescheidenen Etat verfügt und dem keine supranationalen Kompetenzen zugewiesen worden sind.
Portugal "zwischen Europa und dem Atlantik"
Traditionellerweise gibt es in der portugiesischen Außenpolitik ein gewisses Spannungsverhältnis "zwischen Europa und dem Atlantik"
Die Befreiungskriege in den afrikanischen Territorien standen ganz im Zeichen des Ost-West-Konflikts, woraus Portugal eine Legitimierung ableitete, die sinngemäß folgendermaßen lautete: Es handelt sich nicht um Kolonialkriege, sondern um die bewaffnete Auseinandersetzung mit Kommunisten in den mit dem Mutterland gleichgestellten überseeischen Provinzen; Portugal verteidigt also nicht sein vormaliges Kolonialreich, sondern leistet einen Beitrag für den freien Westen gegenüber der internationalen kommunistischen Bedrohung. Die Tatsache, dass beide Aspekte nicht so klar zu trennen waren und Portugal nicht gerade einen Musterfall für den freien Westen darstellte, wurde dabei diskret verschwiegen.
In der Folge der "Nelkenrevolution" (1974) zog sich Portugal überhastet aus den "überseeischen Provinzen" zurück und akzeptierte deren Unabhängigkeit
Bis zum Zeitpunkt der förmlichen Aufnahme in die EG (1. 1. 1986) war es Portugal gelungen, gute - zumindest diplomatische - Beziehungen zu seinen ehemaligen Kolonien in Afrika aufzubauen. Gleichzeitig erfolgten die ersten Initiativen zur Gründung der Gemeinschaft lusophoner Staaten. Die "atlantische Orientierung" erlebte eine Neuauflage. Parallel dazu trug die EG-Mitgliedschaft Portugals wesentlich zur Entkrampfung des Verhältnisses zu Spanien bei (das seit 1982 ebenfalls Mitglied der NATO war). Die "transatlantische Südschiene" Europas wurde durch die engen Beziehungen Spaniens zu den spanischsprachigen lateinamerikanischen Staaten gestärkt, und das passte gut zu den entsprechenden portugiesischen Interessen bezüglich Brasiliens sowie der lusophonen Staaten Afrikas
Portugal plädiert seit seiner Mitgliedschaft in der EG für ein "offenes Europa", das sich nicht auf die Rolle eines "trading bloc" reduzieren, sondern eine zentrale Rolle in der internationalen Politik spielen soll
Portugal ist innerhalb der EU ein kleines und armes Land in einer peripheren geopraphischen Lage, das versucht, seine "besonderen Beziehungen" zu den lusophonen Staaten als komparativen Vorteil auszuspielen, um sich gegenüber den anderen europäischen Staaten politisch aufzuwerten
Portugal hat zwar immer noch eine recht geringe, doch aufgrund seiner EU-Mitgliedschaft wesentlich größere ökonomische Substanz als früher. Das gibt dem Land mehr Gewicht in seinen Beziehungen zu den lusophonen Staaten. So kommt es zu einer Renaissance nationaler Außenpolitik, die paradoxerweise nur aufgrund der EU-Mitgliedschaft Portugals möglich wurde. Portugal ist zugleich aber auch einem verschärften Konkurrenzdruck innerhalb des europäischen Binnenmarktes ausgesetzt. Mit der erhofften Dynamisierung der Wirtschaftsbeziehungen innerhalb der CPLP versucht es, alternative Märkte zu erschließen. Selbst wenn diese Dynamisierung auf breiter Front nicht erfolgen sollte, könnte sie dennoch für einzelne Branchen relevant werden.
Portugal als Brücke zwischen der EU und der lusophonen Welt
Portugal versteht sich als Brücke zwischen der EU und der lusophonen Welt. Wenn man der Frage nachgeht, was dies konkret bedeutet, so reduziert sich diese Brückenfunktion auf die bereits erwähnten Punkte: Erstens verstärkt Portugal (zusammen mit Spanien) im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) die europäische "Südschiene", und zweitens ist Portugal aufgrund seiner EU-Mitgliedschaft in einer besseren wirtschaftlichen Position als früher, um die bilateralen Beziehungen namentlich zu den PALOP zu intensivieren. Eine umfassendere Wahrnehmung der beanspruchten Brückenfunktion erscheint indes kaum möglich, weil Portugal innerhalb der EU nur eine nachgeordnete Rolle spielt und infolge seiner geringen "Masse" auch keine - sozusagen EU-gestützte - bilaterale Außenpolitik größerer Dimension betreiben kann.
Die Brückenmetapher suggeriert im Übrigen, dass Portugal wie ein Makler oder Vermittler zwischen den lusophonen Staaten und der EU fungieren könnte. Genau besehen ist eine solche Funktion gar nicht nötig. Auch vor der EG- bzw. EU-Mitgliedschaft Portugals unterhielt die EG bzw. die EU Beziehungen zu den lusophonen Staaten, und zwar entsprechend deren politischem und wirtschaftlichem Gewicht. Daran hat sich im Grunde nichts geändert. Brasilien, der mit Abstand bedeutendste lusophone Staat, benötigt Portugal als Brücke zur EU nicht
Die beanspruchte Brückenfunktion Portugals stellt sich aus EU-Perspektive ziemlich schlicht dar: Sollte die EU an einer erheblichen Intensivierung der Beziehungen zu den PALOP interessiert sein, könnten die betreffenden bilateralen Beziehungen Portugals bzw. seine Rolle innerhalb der CPLP nützlich sein, zumindest "atmosphärisch", und das bis zu dem Niveau einer gewissen Konsolidierung und Institutionalisierung.
In den politischen Statements der CPLP-Staaten wird das gewachsene politische und wirtschaftliche Gewicht Portugals aufgrund seiner EU-Mitgliedschaft hervorgehoben, aber es wird weniger reflektiert, dass diese Mitgliedschaft auch mit der Befolgung gemeinsamer Regeln im Innenverhältnis sowie gegenüber Dritten verknüpft ist. Darüber kann sich Portugal nicht hinwegsetzen. Dies betrifft unter anderem Abkommen über wirtschaftliche Präferenzen sowie über Freizügigkeit zwischen den CPLP-Staaten. Die größere Aktualität kommt dem letztgenannten Punkt zu, da es sich hier nämlich um ein mögliches Problem im Zusammenhang mit dem Schengen-Abkommen handelt. Mit diesem Abkommen wurden die europäischen Binnengrenzen geöffnet und die EU-Außengrenze gegenüber der nichteuropäischen Zuwanderung einem gemeinsamen Regime unterworfen, das von juristischer Harmonisierung bis zu Polizeimaßnahmen reicht. In Portugal leben bereits viele lusophone Afrikaner, denen die Regierung eine unbegrenzte Aufenthaltserlaubnis geben will, bevor dies durch klare EU-Richtlinien unterbunden werden könnte
Die demographische Dimension
Die Bevölkerung der CPLP-Staaten belief sich zur Jahrtausendwende auf rund 210 Millionen; im Jahre 2025 werden es 285 Millionen sein. In den kommenden 25 Jahren wird die Bevölkerung also um 75 Millionen (= 36 Prozent) zunehmen und dann ungefähr so groß sein wie die heutige Bevölkerung der USA. Besonders dramatisch wird die Entwicklung in Angola und Moçambique verlaufen
Dabei darf nicht vergessen werden, dass vergleichsweise wenig entwickelte Staaten, die über eine große Bevölkerung verfügen, beträchtliche Ressourcen mobilisieren und diese auf hochentwickelte Bereiche konzentrieren können. Dies gilt insbesondere für Brasilien. Die PALOP sind demgegenüber in einer derart desolaten Situation, dass ihr Bevölkerungszuwachs praktisch nur Nachteile und keine Vorteile mit sich bringt. Es darf bezweifelt werden, dass es den PALOP in absehbarer Zeit gelingen wird, den negativen Regelkreis von Bevölkerungswachstum, Unterentwicklung und politischer Instabilität zu durchbrechen. In diesem Falle würden sie für Portugal und Brasilien ziemlich problematische Partner bleiben; wenig relevant sind sie ohnehin. Für die Zukunft der CPLP wäre dieses Szenario entmutigend. Die Perspektiven der CPLP hängen also wesentlich von der Entwicklung der PALOP (namentlich Angolas und Moçambiques) ab, und die absehbare demographische Entwicklung begründet einige Skepsis, von sonstigen negativen Faktoren ganz abgesehen (Bildung, politische Kultur, Gewalt, Anomie u. ä.). Aus europäischer Perspektive ist in diesem Zusammenhang vor allem von Belang, ob die absehbare demographische Entwicklung in den CPLP-Staaten - via Portugal - zu einer verstärkten Migration nach Europa führen könnte. Davon muss realistischerweise wohl ausgegangen werden.
Die Schlussfolgerungen dieses Beitrags für die europäische Politik lauten:
- Die CPLP sollte als gegenwärtiger und auch als zukünftiger Akteur in der internationalen Politik nicht besonders hoch eingeschätzt werden.
- Die Verstärkung der europäischen "Südschiene" sollte im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik ausbalanciert bleiben.
- Es sollte darauf geachtet werden, dass der Integrationsprozess innerhalb der CPLP zu keinen Konflikten mit der Rolle Portugals innerhalb der EU führt. Angesichts der traditionellen Schwankung Portugals "zwischen Atlantik und Europa" muss klar bleiben, dass die EU-Mitgliedschaft Portugals eindeutigen Vorrang gegenüber seinen Interessen in Richtung auf die CPLP behalten muss. Das ist zwar die offizielle Position der portugiesischen Regierung, aber in der politischen Öffentlichkeit zeigen sich diesbezüglich mancherlei Ambivalenzen.