Einleitung
Die Rolle des Mannes wurde in der Vergangenheit kaum hinterfragt. Neuerdings wird jedoch ihre Veränderung vor allem von der Frauenbewegung eingefordert. Geschlechterdemokratie als strategischer Ansatz von Geschlechterpolitik sieht sogar ein stärkeres Engagement von Männern bei einer egalitären Ausgestaltung der Geschlechterverhältnisse vor - ein Grund zu fragen, wie weit die "Männer-Bewegung" in der Bundesrepublik Deutschland ist, wo Blockaden einer weiteren Männerveränderung zu finden sind und was Geschlechterdemokratie aus Sicht der Männerforschung bedeuten kann.
I. Männer-Bewegung und Männerforschung
Kritische Männerforschung als kritische Analyse von Männern und von Männlichkeit ist im Kontext der antisexistischen Männerbewegung in den USA entstanden . 1969 wurde in Berkeley die erste Männergruppe gebildet, die ersten kritischen Bücher von Männern über Männer und Männlichkeit erschienen zu Beginn der siebziger Jahre. Bereits Mitte der siebziger Jahre fanden an Universitäten in den USA Seminare zum Thema ,Männer' statt, 1991 wurden schon 400 Kurse angeboten. Zeitlich etwas versetzt erschienen auch in Großbritannien Männerstudien, und in den skandinavischen Ländern wurden im Rahmen der dort verfolgten Geschlechterpolitik Untersuchungen zu Männern und zu Männlichkeit initiiert.
Mit ihren Analysen der Innenperspektive männlicher Macht hat kritische Männerforschung, die sich insgesamt einer egalitären Gestaltung der Geschlechterverhältnisse verpflichtet sieht , bisher wichtige Beiträge zu einem umfassenden Verständnis der Geschlechterverhältnisse geliefert. Von Bedeutung ist dabei die Erkenntnis, dass Männlichkeit, die ein soziales Konstrukt darstellt, historisch und kulturell variabel sowie mit anderen sozialen Differenzierungsmustern wie Ethnie, Schicht und Alter verschränkt ist. Folglich existiert nicht eine homogene Männlichkeit, sondern es muss von einer Vielzahl unterschiedlicher Männlichkeiten ausgegangen werden . Diese sind zudem nicht gleichwertig, sondern stehen in einem hierarchischen Verhältnis zueinander, wobei das jeweils dominante Bild von Männlichkeit als hegemoniale Männlichkeit bezeichnet wird . Dieses Männlichkeitsmuster, das quasi den Bezugspunkt männlichen Verhaltens abgibt, ist seinerseits zwar historisch variabel, in den westlichen Industriestaaten jedoch immer weiß und heterosexuell sowie mit Macht und beruflichem Erfolg eng verbunden.
Im Vergleich zu den angloamerikanischen Ländern ist kritische Männerforschung in der bundesdeutschen Wissenschaftslandschaft kaum institutionalisiert, Lehrangebote an Hochschulen und Universitäten sind nur sehr vereinzelt zu finden . Die bisher veröffentlichten Sammelwerke zeigen eine thematische Konzentration auf den Bereich der Männer- und Jungenarbeit, der Entwicklungspsychologie sowie auf die historische Männerforschung . Erst in den letzten Jahren entwickeln sich in Deutschland eigenständige Ansätze zu einer Soziologie der Männlichkeit, einer politikwissenschaftlichen sowie einer kriminologischen Männer- und Männlichkeitsforschung .
Einmalig in der bundesdeutschen Männerforschung dürften jedoch die Studien zum Einstellungswandel von Männern sein . Fanden sich hier in den siebziger Jahren noch überwiegend traditionelle Vorstellungen hinsichtlich der Gestaltung des Geschlechterverhältnisses, sind nach der jüngst vorgelegten Männerstudie von Paul M. Zulehner und Rainer Volz rund ein Fünftel der bundesdeutschen Männer so genannte "neue Männer" . Diese sind partnerschaftlicher in der Beziehung, beteiligen sich deutlich mehr an Haus- und Familienarbeit, sind neue Väter, unterstützen ihre Partnerinnen in ihrer Berufstätigkeit und lehnen Gewalt als Mittel der Konfliktlösung in der Partnerschaft eindeutig ab. Ein Fünftel der Männer verhält sich jedoch nach wie vor traditionell, sieht den passenden Platz der Frauen im Heim und am Herd - eine Meinung, die allerdings auch rund ein Sechstel der befragten Frauen vertritt. Dazwischen finden sich die pragmatischen und unsicheren Männer, deren zukünftiges Rollenmuster eher noch unklar zu sein scheint.
Vor dem Hintergrund dieser Zahlen zeigt ein Blick auf vorliegende Ergebnisse der kritischen Männerforschung , dass zwei hegemoniale Männerbilder, die auch gut 30 Jahre Frauen- und Männerbewegung nicht schwächen konnten, als zentrale Blockaden einer weiteren geschlechterdemokratischen Ausgestaltung des Geschlechterverhältnisses von Seiten der Männer gesehen werden können: der Mächtige Mann und der Arbeitsmann.
II. Der Macht-Mann
Männliche Identität konstituiert sich in der vorherrschenden bipolaren Geschlechterordnung immer in Abgrenzung und Entgegensetzung zu Weiblichkeit . Dabei wird Männlichkeit gleichgesetzt mit grenzenloser (Gestaltungs-)Macht über Mensch und Natur - ein Bild, das auch heute noch den gesamten Sozialisationsprozess von Männern begleitet. So betonen schon Spielzeugwerbespots, die nur auf Jungen zielen, aggressives Verhalten, das zudem eher mit positiven als negativen Sanktionen belegt wird . Jungen sind in Bilderbüchern und im Jugendfernsehen die Helden, die weiblichen Figuren sind überwiegend das hilflose Opfer, das zu begehrende Weibchen, die umsorgende Mutter . Schulbücher zeigen Männer meist an der Spitze von Hierarchien, zeigen sie technisch kompetent, Frauen kommen in diesen Hierarchien nicht vor . Auch wenn bisweilen der "neue Vater" zu sehen ist, sind Männer in der Werbung "vor allem sportlich, erfolgreich, tüchtig und vernunftbegabt" .
Mann-Sein im Sinne des Mächtigen Mannes muss kontinuierlich unter Beweis gestellt werden - Männer müssen sich ständig als Männer beweisen. Dabei kollidieren die Bilder vom Mächtigen Mann mit subjektiven Machtlosigkeitserfahrungen im Alltag - die Männerforschung spricht hier von fragiler Männlichkeit . Fragile Männlichkeit wird als eine zentrale Ursache von Gewalt von Männern gegen Frauen, aber auch von Gewalt gegen andere Männer und von Gewalt von Männern gegen sich selbst gesehen. Gerade hier verstellt die mit dem Macht-Mann verbundene Vorstellung vom Mann als "Täter" und der Frau als "Opfer" häufig den Blick in der Geschlechterforschung, und so wird übersehen, dass zwei Drittel der Opfer männlicher Gewalt Männer sind . Junge Männer haben heute gegenüber Frauen ein fast vierfach höheres Risiko, Opfer einer Gewalttat zu werden, doppelt soviel männliche wie weibliche Jugendliche werden mindestens einmal täglich zu Hause geschlagen, schätzungsweise jeder achte bis zwölfte Junge wird sexuell missbraucht. Jungen verbergen diese Taten meist aus der Furcht, als homosexuell und als Opfer - und damit als unmännlich - stigmatisiert zu werden. Ebenso werden Vergewaltigungen von Männern (anale Penetration) in Gefängnissen von den Opfern verschwiegen oder nicht weiter untersucht - von 2000 Vergewaltigungen werden lediglich 96 angezeigt und 26 von der Gefängnisleitung an die Polizei weitergeleitet. Gleiches gilt etwa für die weitgehende Dethematisierung von Vergewaltigungen von Männern durch Männer in Kriegssituationen.
Um seiner Rolle gerecht zu werden, übt der Mächtige Mann aber auch Gewalt gegen sich selbst aus - Gewalt, die sich in einer besonderen Beziehung von Männern zum eigenen Körper äußert und in einem gegenüber Frauen insgesamt schlechteren Gesundheitszustand resultiert . So liegt die Suizidrate von Männern allgemein höher als die von Frauen, infolge eines riskanteren Verhaltens in der Freizeit sind mehr männliche als weibliche Jugendliche von Unfällen betroffen, Männer liegen in der Altersgruppe zwischen 18 und 59 Jahren sowohl beim Tabak- als auch beim Alkoholkonsum vor Frauen, Männer betreiben weniger Körperhygiene und Körperpflege und weisen in der Altersgruppe der 45- bis 65-Jährigen die höchste Todesrate durch Herzinfarkt auf. Hinzu kommt, dass die Berufe mit den meisten Arbeitsunfällen nach wie vor typische Männerberufe sind, dass Berufskrankheiten mit Ausnahme der Hautkrankheiten durchgängig Männer erleiden. So weisen Männer allgemein eine um sechs Jahre kürzere Lebenserwartung als Frauen auf, wobei jedoch nicht alle Männer den Risiken gleichermaßen ausgesetzt sind. Männliche Professoren etwa leben rund neun Jahre länger als ungelernte Arbeiter, sozial benachteiligte Männer weisen mehr als doppelt so oft Herz-Kreislauf-Krankheiten auf als sozial bessergestellte Männer .
Männlichkeit als Negation des Weiblichen drückt sich letztendlich in einer spezifischen Form männlicher Emotionalität aus. Männer sind - wie häufig fälschlicherweise unterstellt - keineswegs un-emotional, sondern dem Macht-Mann wird aus dem gesamten Horizont möglicher Emotionalitätsformen nur ein gewisser Ausschnitt zugestanden. Die spezifische Form männlicher Emotionalität ist gekennzeichnet durch einen Mangel an Empathie und konstituiert Konkurrenz sowie insbesondere Homophobie als zentrales Beziehungsmuster zwischen Männern. Homophobie gepaart mit der Angst vor Homosexualität bildet eine weitere Ursache für übersteigerten Machismus, Sexismus und Rassismus bei Männern .
Besonders eng ist die konnotative Verbindung von Dominanz, Konkurrenz und Männlichkeit im Management von Organisationen, das in der Männerforschung als ein bedeutender Ort der Interaktion und Reproduktion hegemonialer Männlichkeiten gefasst wird . Allerdings sind männliche Manager - wie eine Befragung von rund 4 100 Männern in Leitungsfunktionen der 500 größten Unternehmen der USA gezeigt hat - häufig unzufrieden mit den emotionalen Einschränkungen, die ihre Tätigkeit ihnen abverlangt, sowie mit dem Umfang ihrer Arbeitszeit , infolge permanenten Erfolgsdrucks werden Manager-Männlichkeiten als besonders fragil gesehen . Einen Ansatz zur Reduktion dieser Unsicherheiten und einen Ausdruck der spezifischen Kommunikationsformen von Männern in Organisationen bilden Männerbünde, die als eine bedeutende Blockade von Gleichstellungspolitik gesehen werden können , dabei allerdings auch als Ausgrenzungsmechanismus gegenüber nichthegemonialen Männlichkeiten - etwa gegenüber Hausmännern und homosexuellen Männern - fungieren .
Das Bild des mächtigen Mannes bestimmt nach wie vor auch die Wahl der richtigen Partnerin. Heterosexuelle Männer haben zwar kaum Beschränkungen einzuhalten, wenn es um die Wahl einer jüngeren Frau geht, wenn der Mann jedoch eine Frau wählt, die älter ist als er, wird er mit massiven Vorurteilen konfrontiert: "Ihm wird die Rolle eines ,unmännlichen' Partners unterstellt, der entweder ,noch nicht erwachsen' ist und daher noch eine ,Schonfrist' genießt . . . oder ihm wird nachgesagt, kein ,richtiger' Mann zu sein. Das Klischee des ,Pantoffelhelden' beschreibt zum Beispiel den Mann, der sich nicht gegen die Frau durchsetzen kann oder will. Er gilt deshalb als ,unmännlich' und wird verspottet." Ein "richtiger" Mann aber kann eigentlich kein Pantoffelheld sein, weil er kaum zu Hause ist - denn er soll vor allem Arbeitsmann sein.
III. Der Arbeitsmann
Erwerbsarbeit ist nach wie vor ein zentraler Bestandteil (nicht nur) männlicher Identität . Folglich hielten fast drei Viertel der in der eingangs genannten Männerstudie befragten Männer Erwerbsarbeit für sehr wichtig - und dies unabhängig davon, ob sie sich als traditioneller oder neuer Mann sehen . Die meisten Männer richten ihre Lebensbiografie an der Erwerbsarbeit und der beruflichen Karriere aus, sehen die Betreuung von Kleinkindern noch immer als Aufgabe der Frauen und erwarten von diesen bei Geburt eines Kindes eine Unterbrechung ihrer Erwerbsarbeit, wobei diese Einstellung schon sehr früh ausgeprägt ist . Der Arbeitsmann ist jedoch kein "Rabenvater" oder gar ein verantwortungsloser Schmarotzer. Noch weniger ist er - wie es Claudia Pinl provozierend formuliert hat - das "faule Geschlecht". Erwerbsarbeit, das Verdienen des Familieneinkommens an einem außerhäusigen Ort, ist vielmehr die mit der Männerrolle in unserer Gesellschaft verbundene Form männlicher Fürsorge. Und so arbeiten Männer und Frauen in der Woche in etwa gleich viel - Männer überwiegend bezahlt außer Haus, Frauen hauptsächlich unbezahlt im Haus .
Die dieser Arbeitsteilung unterliegende geschlechtsspezifische Konnotation von Erwerbsarbeit sowie Haus- und Familienarbeit scheint nach wie vor ungebrochen - und wird in der Sozialisation von Männern kontinuierlich reproduziert. Kindergarten, Kindertagesstätte und Grundschule sind ein von Frauen dominierter Bereich - nur rund fünf Prozent des Erziehungspersonals in öffentlichen und privaten Einrichtungen ist männlich. Folglich fehlt schon hier der Mann, der mit den Kindern kocht, putzt, aufräumt und somit ein anderes Rollenmuster vorlebt . Lehrbücher zeigen nach wie vor den außerhäusigen, erwerbstätigen Mann und die Frau als Hausfrau und Mutter . Zwar erscheinen Frauen im Fernsehen mittlerweile in so genannten Männerberufen; Männer in weiblich konnotierten Tätigkeitsfeldern oder gar als Hausmann werden jedoch meist karikierend oder ironisch verzerrt dargestellt . Frauen werden in so genannten Männerberufen gefördert, Männer aber nicht in so genannten Frauenberufen, womit die Wertigkeit dieser Tätigkeiten weitgehend erhalten bleibt, nur unter anderen Vorzeichen reproduziert wird .
Männer, welche aus familiären Gründen in Teilzeit arbeiten oder Erziehungsurlaub in Anspruch nehmen wollen, sehen sich noch immer mit massiven Hindernissen konfrontiert. Insbesondere die Einstellungen von Führungskräften sowie vorherr-schende Leistungsvorstellungen und Karrieremuster, die sich am Arbeitsmann ausrichten, werden als zentrales Hindernis gesehen . Teilzeitmänner gelten als wenig leistungsbereit und loyal, Erziehungsurlauber als "unmännlich" . Von daher ist es nicht verwunderlich, dass bei Volkswagen bis zum Zeitpunkt der generellen Arbeitszeitverkürzung kein Mann eine individuelle Reduzierung seiner Arbeitszeit in Erwägung gezogen hatte: "Weniger finanzielle Gründe als schlicht die ,Unüblichkeit' einer Teilzeitbeschäftigung . . . war hierbei ausschlaggebend gewesen." Auch die Hälfte der Männer, die sich bei BMW für ein flexibles Arbeitsmodell interessierten, schreckte davor zurück, dieses in Anspruch zu nehmen. Als Gründe gaben sie vor allem Vorbehalte der Vorgesetzten sowie befürchtete Einbußen an Karrierechancen an .
Die Kehrseite des hohen Stellenwerts der Erwerbsarbeit zeigt sich darin, dass Männer von Erwerbslosigkeit besonders stark betroffen sind, stehen ihnen in dieser Situation doch kaum Alternativen zum Arbeitsmann offen. Erwerbslose Männer werden als extrem lethargisch, gekennzeichnet von innerpersonalen Spannungszuständen und als sehr ichbezogen geschildert , fast krampfhaft versuchen sie, den Familien-Ernährer zu rekonstituieren - etwa durch die Annahme von Schwarzarbeit .
Statt sie endlich abzulösen, werden Arbeitsmann und Macht-Mann im Kontext von Globalisierung und Neoliberalismus in ihrer Widersprüchlichkeit sogar noch aufgewertet: Auf der einen Seite gewinnen zentrale männliche Attribute wie Orts- und Reproduktionsunabhängigkeit, Bindungslosigkeit, Risikofreudigkeit, Einsatzbereitschaft, Dominanzbereitschaft eine noch größere Bedeutung, auf der anderen Seite erfahren immer mehr Männer die Kehrseite dieser Bilder: Sie sind konfrontiert mit Arbeitslosigkeit, Ausgrenzung und sozialem Abstieg . Vor dem Hintergrund der Einschränkungen, Brüchigkeiten und Unsicherheiten, die mit diesen Bildern für Männer verbunden sind, wurden in den vergangenen Jahren von unterschiedlicher Seite Perspektiven einer Männerpolitik formuliert. Dabei lassen sich idealtypisch zwei Ansätze gegenüberstellen: Während der eine im Kontext von Geschlechterdemokratie auf eine Ablösung von Männlichkeit als dominantes gesellschaftliches Handlungsmuster und auf eine Flexibilisierung von Rollenbildern in Kooperation mit Frauen gerichtet ist, zielt der andere unter Annahme essentialistischer Geschlechtermerkmale auf eine Rekonstituierung von Männlichkeit bei zeitweiser Separierung von Frauen.
IV. Rekonstituierung von Männlichkeit
Besonders deutlich wird diese Perspektive von der so genannten Mythopoetischen Männerbewegung vertreten . Den zentralen Ausgangspunkt ihrer Überlegungen bildet, wie insbesondere der Amerikaner Robert Bly in seinem im Jahr 1990 erschienen Buch Eisenhans es formuliert, die Annahme einer grundlegenden Differenz zwischen Männern und Frauen sowie einer im Mann verankerten spezifischen Energie. Gerade diese männlichen Potenziale seien im Zuge der Frauenbewegung - aber auch durch Bürokratisierung und Technisierung - in den vergangenen Jahren verschüttet worden, nach der Frauenbefreiung gehe es nun um die Befreiung der Männer . Männer müssen sich danach - getrennt von Frauen - mit anderen Männern zusammenfinden und versuchen, unter Hilfestellung älterer, erfahrener Männer, ihre vermeintlich verschütteten männlichen Energien wieder-zufinden. Dies soll in einem Prozess der Initiation - begleitet durch intensive Körperarbeit - geschehen.
Zwar hat die mythopoetische Männerbewegung in der Bundesrepublik Deutschland nicht die Bedeutung wie in den USA, Versatzstücke ihres Ansatzes finden sich jedoch in der Jungenarbeit und in den so genannten Männergruppen. Insbesondere deren Beitrag zu einer Veränderung der Geschlechterverhältnisse wird innerhalb der Männerforschung gegenwärtig kontrovers diskutiert. Verweisen die einen darauf, dass die hier aktiven Männer zwar verbal emanzipationsorientiert sind, sie jedoch im Alltagshandeln eher traditionellen dichotomen Geschlechterkategorien verhaftet blieben, sich sogar ein "Ablösungsprozess von frauenbewegten Positionen und Definitionen und die Hinwendung zu Gruppierungen, die die Rückkehr zu alten Gewissheiten offerieren", erkennen lässt , betonen andere die Bedeutung von therapeutischen Männergruppen hinsichtlich "der Erweiterung individueller Spielräume in der Ausgestaltung des männlichen Habitus" . Als ein Kritikpunkt an Männergruppen wird ihre Konzentration auf eine nur individuelle Männlichkeit und ihre weitgehende Missachtung der institutionell-strukturellen Ebene von Männlichkeit und Geschlechterhierarchie angeführt .
V. Geschlechterdemokratie als Männlichkeitskritik
Hier setzt Männlichkeitskritik an, die unter Verneinung einer überhistorisch fixierten, essentialistischen Männlichkeit Geschlechterdemokratie nicht nur als den Abbau der quantitativen Dominanz von Männern in wichtigen gesellschaftlichen Bereichen und als Veränderung von Männern auf individueller Ebene, sondern vor allem als Ablösung von Männlichkeit als dominantem gesellschaftsstrukturierendem Prinzip - als Norm - fasst .
Im Zentrum steht dabei insbesondere der Umbau der Arbeitsstrukturen und des Arbeitsmarktes . Denn nicht die globalisierte Erwerbsarbeitsgesellschaft mit ihren männlich geprägten Leistungs- und Karrieremustern kann das Ziel von Geschlechterdemokratie darstellen, sondern die Aufwertung bisher weiblich konnotierter Verhaltensmuster und Tätigkeiten mit der Perspektive von Diversity, d. h. ihrer Gleichwertigkeit jenseits aller körperlichen und soziokulturellen Unterschiede der sie ausführenden Personen . Damit verbunden ist etwa die Forderung nach Anerkennung von Haus- und Familienarbeit als gesellschaftlich nützliche Arbeit sowie nach Anerkennung der hier erworbenen Fähigkeiten als berufsrelevante Qualifikationen51. Geschlechterdemokratie als Männlichkeitskritik beinhaltet weiterhin ein neues Leitbild von wirtschaftlichem Handeln, welches mehr auf Kooperation statt Konkurrenz zwischen den Wirtschaftssubjekten abhebt und die Erhaltung der natürlichen Ressourcen für nachkommende Generationen als vordringlich sieht . Damit in Ver-bindung steht die Kritik an der Trennung zwischen Mensch und Natur sowie an der Trennung zwischen Körper und Geist, die konstitutiv für die männliche Identität der Moderne ist .
Da ein solcher Ansatz von der Bildungs- über die Medien-, die Wirtschafts- und Steuerpolitik bis hin zur Verteidigungs-, Umwelt- und Technologiepolitik alle Politikbereiche erfasst, kann seine Umsetzung nicht durch eine exklusive Frauen- oder Männerpolitik geschehen, sondern nur in einer generellen Verbindung aller politischen Problemstellungen mit der Männerfrage, wobei der seit Mitte der neunziger Jahre diskutierte Ansatz des Gender Mainstreaming den geeigneten Rahmen bilden kann. Denn dieser fordert die Integration der Perspektive der Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern in allen Politikbereichen, auf allen politischen Ebenen und in allen Organisationen . Darin eingeschlossen könnte zugleich eine kritische Überprüfung des Männerbilds in allen gesellschaftlichen Bereichen mit dem Ziel einer Flexibilisierung der Geschlechterrollen sein. In diesem, von Robert W. Connell auch als De-Gendering bezeichneten Ansatz könnten in einem kritischen Geschlechterdialog die jeweils positiven wie negativen männlichen und weiblichen Rollenbestandteile gesichtet und neu kombiniert werden . Dies kann nicht in einer Separierung der Geschlechter, sondern nur von Männern und Frauen gemeinsam erreicht werden - nur gemeinsam können "Männer und Frauen . . . wahrhaft menschliche Wesen werden . . . und nicht in erster Linie männliche bzw. weibliche Wesen" .
Internetverweise des Autors:
www.unesco.org/cpp/uk/declarations/oslotoc.htm
www.ruendal.de/aim/gender.html
www.maenner-online.de