Einleitung
Die jüngste Untersuchung zu Zukunftsvorstellungen und Orientierungen der jungen Generation stellt eine weitgehende Angleichung bei jungen Frauen und Männern fest. Typisch weibliche und typisch männliche Lebensmuster scheint es danach nicht mehr zu geben, dagegen scheinen die Unterschiede innerhalb der Geschlechter beträchtlich. Familienorientierung, Berufsorientierung, Suche nach Partnerschaftlichkeit: in allen diesen Feldern seien die Übereinstimmungen zwischen den Geschlechtern groß
Wir wollen die Alltagserfahrung nicht bestreiten. Dennoch scheint uns die Selbstverständlichkeit, mit der junge Frauen und Männer die Geschlechterdifferenz für wenig relevant erklären, die wichtigere - interessantere - Botschaft zu sein gegenüber der Perspektive, die die Ungleichheit betont. Junge Frauen heute nehmen an, im Rahmen ihres sozialen Kontextes Handlungsfreiheit zu haben, nicht an überkommene Rollen gebunden zu sein. Diese Freiheit scheint ihnen durch die kulturelle Liberalisierung und Ent-Naturalisierung des Geschlechts verbürgt; damit ist gemeint, dass Weiblichkeit und Männlichkeit nicht mehr als - nicht hinterfragbare - Naturkategorien, sondern als soziale Konstruktionen thematisiert werden. Aus der Natur abgeleitete Vorgaben, wie Frauen und Männer zu leben haben, gelten nicht mehr, sind jedenfalls für die junge Generation nicht handlungsleitend. Dies ist ein sehr weitreichender gesellschaftlicher Umbruch der letzten 30 Jahre, der auch dazu geführt hat, dass in allen sozialen Schichten das Selbstverständnis junger Frauen vom Gleichheitsanspruch geprägt ist.
Der Gleichheitsanspruch und die Ähnlichkeit der Lebenslagen von jungen Frauen und Männern verweisen auf die Modernisierung des Geschlechterverhältnisses. In ihren Präferenzen des alltäglichen Handelns, in sozialen Orientierungen, kulturellen Ausdrucksweisen und Lebensformen kommen die institutionellen und kulturellen Veränderungen der letzten 20 bis 30 Jahre zum Ausdruck, die auch die Lebensweisen und Handlungsspielräume der Geschlechter betreffen. Während empirische Studien der achtziger/neunziger Jahre einzelne Aspekte des sozialen Wandels (Wohlstandssteigerung, Bildungsexpansion, Erwerbsbeteiligung von Frauen, kulturelle und sexuelle Liberalisierung, Wandel der Lebensentwürfe) belegen, scheinen nun die Modernisierungsprozesse in all diesen Bereichen zusammenzukommen und in den Lebenszielen Jugendlicher sichtbar zu werden. Offenbar "brauchten" diese Prozesse diese lange Zeit, um Wirkung zu entfalten. Wie jeder soziale Wandel kann sich auch die Modernisierung im Verhältnis der Geschlechter schwer gegen verfestigte Zustände durchsetzen. Sie entfaltet gesellschaftsprägende Kraft erst im Generationenwechsel.
I. Ein neuer Generationenzusammenhang
Die heute 15- bis 30-Jährigen befinden sich als Generation in einer neuen gesellschaftlichen und individuellen Situation. Den Anspruch auf "ein Stück eigenes Leben" stellte Elisabeth Beck-Gernsheim in ihrem bekannten Aufsatz von 1983
Zur Krise der Industriegesellschaft und ihrer Institutionen hat die Modernisierung des Geschlechterverhältnisses allerdings auch beigetragen. Frauen heute sind an allen Lebensbereichen beteiligt - auch an Ausbildung und Erwerbsarbeit. Die traditionell weibliche Lebensführung im Rahmen der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung wird nur noch von einer Minderheit akzeptiert. Das gestiegene Bildungsniveau, die Anerkennung der sozialen Norm, wonach (auch) Mädchen Anspruch auf eine qualifizierte Ausbildung haben, und die steigende Erwerbsbeteiligung von Frauen wirken so als Motor der Modernisierung und führen zugleich zur Individualisierung subjektiver Orientierungen und Lebensentwürfe
Geschlechtsspezifische Diskriminierung und soziale Ungleichheit haben sich zwar nicht aufgelöst, aber sie haben ihre unmittelbare Erfahrbarkeit - und damit ihre Deutungskraft für die eigene Situation - weitgehend verloren; an ihre Stelle tritt eine individualistische Sicht von Chancen und Lebensformen. Wir haben es also mit einem neuen Deutungsmuster zu tun, das "Selbstkontrolle, Selbstverantwortung und Selbststeuerung"
II. Qualifikation, Erwerbsarbeit und neue Lebenslaufmuster
1. Erwerbsarbeit ist zur entscheidenden Rahmenbedingung weiblicher Lebenslagen geworden und wird es weiterhin bleiben. Dies ist auf strukturelle Veränderungen in Gesellschaft und Arbeitsmarkt ebenso wie auf neue subjektive Orientierungen zurückzuführen. Generell lässt sich eine Verschiebung in der Beschäftigungs- und Qualifikationsstruktur konstatieren, von der Frauen bereits profitiert haben. Der Hintergrund für diese Aussage ist die Zunahme der Dienstleistungstätigkeiten und innerhalb der Dienstleistungen eine Verschiebung zu qualifizierteren Tätigkeiten
schäftigung
2. Bei beiden Geschlechtern lässt sich eine Auflösung traditioneller Modelle des Lebenslaufs beobachten. Neue Formen privater Lebensführung und vielfältigere Muster der Familiengründung führen dazu, dass geschlechtsspezifisch standardisierte Modelle des Lebenslaufs an Bedeutung verlieren. Allerdings sind die Umbrüche im weiblichen Lebenslauf dramatischer und folgenreicher als die im männlichen. Während Männer sich immer noch am erwerbszentrierten Lebenslaufmodell orientieren, gibt es für junge Frauen keine allgemein gültige biographische Leitlinie mehr; auch die Vereinbarung von Familie und Beruf ist nur eines von mehreren Lebenslaufmodellen. Für junge Frauen bedeutet dies, dass sie eigene biographische Entscheidungen treffen müssen - immer im Wissen, dass sie auch anders entscheiden könnten. Statt einer einmaligen Berufsentscheidung sind eine Vielzahl von Bildungs- und Arbeitsplatzentscheidungen zu treffen, ohne deren Folgen absehen zu können. Aus dieser offenen Situation ergeben sich besondere Anforderungen an die Orientierungsleistungen; die Fähigkeit zur "biographischen Selbststeuerung"
III. Lebenslagen und Selbstverständnis junger Frauen
Im Folgenden geht es uns darum, den strukturellen Blick auf die Lebenslagen junger Frauen mit der Frage nach ihrem eigenen Selbstverständnis zu verbinden. Diese Verknüpfung von struktur- und handlungstheoretischer Perspektive ist eine wesentliche Voraussetzung zum Verständnis der jüngeren Frauengeneration. Handlungsspielräume sind zwar sozial strukturiert, sie existieren aber nicht unabhängig vom Handeln und den damit verbundenen Deutungen. Daher muss das Selbstverständnis von Individuen als eigene soziale Realität untersucht werden. So sind Lebensplanung und Handlungsorientierungen nicht von sozialer Herkunft und formalem Bildungsniveau determiniert, sondern entwickeln sich im biographischen Prozess; sie sind Ergebnis biographischer Erfahrungen und unterscheiden sich in der Generationenabfolge. Wie wachsen Mädchen heute auf bzw. wie sind junge Frauen in den achtziger und neunziger Jahren aufgewachsen, welche Erfahrungen haben sie geprägt?
1. Aufwachsen als Mädchen
Dank der neueren Kindheitsforschung haben wir recht präzise Kenntnisse über Modernisierungsprozesse im heutigen Kinderleben; es gibt eine Fülle qualitativer und quantitativer Studien über veränderte Eltern-Kind-Beziehungen, über die Interaktion zwischen Gleichaltrigen, über kulturelle Praktiken und Freizeitaktivitäten von Kindern. Diese Befunde geben auch vielfältige Aufschlüsse über die Lebenslage von Mädchen. Die generelle Tendenz zu einer Liberalisierung des Eltern-Kind-Verhältnisses und zu einer stärker partnerschaftlichen Beziehung betrifft Jungen wie Mädchen und führt zu einer Angleichung kindlicher Biographien im Familienkontext. Zwar werden auch Differenzen in den Erziehungszielen für Jungen und Mädchen festgestellt
Auch im Hinblick auf die Gestaltung der Freizeit und die Muster der kinderkulturellen Praxis scheinen sich weibliche und männliche Kindheit anzugleichen; ganz deutlich ist die Angleichung bei Bildungsbeteiligung und Bildungschancen. Im allgemeinbildenden Schulsystem haben Mädchen mit den Jungen gleichgezogen bzw. sie überholt. In den Gymnasien sind Mädchen über-, in den Sonder- und Hauptschulen unterrepräsentiert - von strukturellen Ungleichheiten aufgrund des Geschlechts kann hier keine Rede mehr sein
Die Bedeutung der kulturellen Liberalisierung und des Wertewandels für die Jugendsexualität ist offensichtlich. Ein, wenn nicht das zentrale Thema von Jugend ist ja die Auseinandersetzung mit Sexualität und die Annäherung an das andere Geschlecht. In der Frauenbewegung galt Heterosexualität lange Zeit als der Bereich, in dem die männliche Dominanz sich besonders augenfällig manifestiert
2. Weibliche Adoleszenz - Warteschleife oder zweite Chance?
Trotz der Abschwächung geschlechtstypischer Sozialisationserfahrungen in der Kindheit, der Angleichung der Bildungschancen und der Freizeitmöglichkeiten, ungeachtet der Veränderungen in der Sexualität, führt die Adoleszenz bei den Mädchen zu einer Selbstzurücknahme und zu einem Einbruch ihres Selbstwertgefühls. Die psychoanalytisch orientierte Adoleszenzforschung hat sich ausführlich mit diesem Phänomen befasst. Sie geht davon aus, dass die Entwicklungsaufgaben der Adoleszenz - die Loslösung von der Herkunftsfamilie, die Klärung der eigenen Geschlechtsrolle und die Verortung in der Gesellschaft (Herausbildung eines eigenen Wertesystems, Qualifikationserwerb und die Sicherung der eigenen Existenz) - für Mädchen im Widerspruch zueinander stehen. Da Weiblichkeit immer noch durch das Begehrtwerden definiert sei und es wenig symbolische Repräsentationen einer aktiven und selbstbewussten Weiblichkeit gäbe, stehe die Entwicklung von Weiblichkeit eher im Widerspruch zu anderen Entwicklungsaufgaben der Adoleszenz, die auf Individuation (über Leistung und Abgrenzung) zielen. Carol Hagemann-White schließt daraus, dass "Selbstfindung und Individuation für Mädchen vor der Jugendphase oder nach ihr stattfinden; die
Adoleszenz ist eine Warteschleife"
konstatiert Widersprüchliches in den Orientierungen der jüngeren Frauen: an der Oberfläche Selbstbewusstsein und Eigenständigkeit, aber als Unterströmung ein mangelndes Selbstwertgefühl
3. Arbeitsmarkt, Karriere und Macht
Die Gleichheit der Bildungschancen und die Überrepräsentanz von Mädchen bei höheren Bildungsabschlüssen bricht sich jedoch an der geschlechtsspezifischen Segmentierung des Arbeitsmarktes. Wie werden die Barrieren im Arbeitsmarkt von Frauen in verschiedenen biographischen Phasen wahrgenommen? Das junge Erwachsenenalter wird von der Mehrzahl der jungen Frauen als Zeit der Selbstbestimmung erlebt. Berufstätigkeit und sozialökonomische Verselbständigung, eine eigene Wohnung oder das Zusammenleben mit dem Partner (mit einer eher partnerschaftlichen Arbeitsteilung) führen zu einer durchweg positiven Einschätzung dieser Lebensphase und der Berufssituation. Erheblich kritischer wird der Arbeitsmarkt wahrgenommen, wenn Frauen der Aufstieg erschwert wird oder wenn der berufliche Wiedereinstieg nach einer Familienphase sich als schwierig erweist.
Untersucht man die subjektiven Ansprüche an Ausbildung, Studium und Beruf, dann zeigen sich Differenzen, doch auch wesentliche Übereinstimmungen. Dies betrifft sowohl die Sicherheit des Arbeitsplatzes, das Interesse an der konkreten Tätigkeit und die finanzielle Unabhängigkeit. Unterschiede zwischen Frauen und Männern scheint es im Hinblick auf die instrumentellen Orientierungen zu geben (Karriere machen, höheres Einkommen erzielen), aber auch hier zeichnet sich eine ausgeprägtere Karriere- und Einkommensorientierung bei Frauen ab. Interessant sind auch die Ausdifferenzierungen der Arbeitsorientierung zwischen Frauen, die sich aus der subjektiven Gewichtung von Arbeitsplatzsicherheit, Einkommen und Aufstieg gegenüber den arbeitsinhaltlichen und/oder kommunikativen Aspekten von Arbeit ergeben. Hier gibt es deutliche Unterschiede zwischen Frauen, und zwar in Abhängigkeit vom Bildungsniveau wie auch von der Lebensplanung
Nach wie vor gibt es eine deutliche Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen; bemerkenswert ist hier, wie sich die Orientierungen junger Frauen in relativ kurzer Zeit verändern. Studien aus den neunziger Jahren weisen auf eine zunehmende Karriereorientierung und generell auf eine ausgeprägtere instrumentelle Einstellung bei jüngeren Frauen hin. So haben sich noch 1990 in einer Studie unter Führungskräften die Frauen durchweg von der Macht distanziert; ein knappes Jahrzehnt später hat sich das weibliche Verhältnis zur Macht verändert
4. Familiale Arbeitsteilung - von Wandel keine Spur?
Von allen Lebensbereichen scheint die Familie und die in ihr praktizierte Arbeitsteilung die größte Resistenz gegenüber Modernisierungsprozessen zu besitzen. Es gibt bisher wenig empirische Anhaltspunkte für einen Wandel der Arbeitsteilung. Neben allen strukturellen und institutionellen Rahmenbedingungen führt auch die "Kindorientierung" der Frauen und eine entsprechende Lebensplanung, in der von den Frauen mehrheitlich eine Erwerbsunterbrechung geplant und gewünscht wird, dazu, dass der Erziehungsurlaub bislang weiblich geblieben ist
5. Junge Männer: neue Verortungen im Geschlechterverhältnis
Auch wenn es bis Mitte der neunziger Jahre wenig Anhaltspunkte für eine Veränderung der häuslichen Arbeitsteilung gibt, gibt es doch Hinweise zumindest für Irritationen auf der männlichen Seite des Geschlechterverhältnisses. So stellt Michael Meuser in seiner Studie über kulturelle Deutungsmuster von Männlichkeit in verschiedenen Milieus bei jüngeren Männern durchaus Reaktionen auf den Wandel der Lebensführung von Frauen fest: "Junge Männer . . . können heute nicht mehr erwarten, dass die Frauen ihrer Generation männliche Hegemonieansprüche anerkennen, und sie erwarten das auch nicht. Aufgewachsen in einer Epoche der Transformation der Geschlechterordnung, erfahren sie das Verhältnis von Mann und Frau in einer anderer Weise als die Generation ihrer Väter. Berufstätige Mütter sind eher die Regel als die Ausnahme, gleichaltrige Frauen erwerben dieselben Bildungstitel wie sie, und wenn auch nicht alle jungen Frauen dem Beruf die absolute Priorität geben (. . .), so müssen die jungen Männer sich dennoch mit Frauen ins Vernehmen setzen, die sich vom Dasein für andere verabschiedet haben und zumindest ein Stück eigenes Leben einfordern."
Auch eine weitere (repräsentative) Männerstudie
IV. Zwischen Gleichheitsanspruch und Ungleichheitserfahrungen
Das Resümee fällt widersprüchlich aus. In vielen Bereichen gibt es auf struktureller wie kultureller Ebene einen Abbau der Ungleichheit zwischen den Geschlechtern, Angleichungsprozesse in den Lebenschancen von Frauen und Männern. Zu nennen sind hier insbesondere die Abschwächung einer geschlechterstereotypen Erziehung in Elternhaus und Schule, die Gleichheit der Bildungschancen und die steigende Erwerbsbeteiligung von Frauen, die weitgehende soziale Akzeptanz der Gleichheitsnorm. Dazu kommt eine Gleichstellungspolitik, die die Gleichstellung von Frauen und den Abbau von Benachteiligung verfolgt.
Parallel dazu gibt es weiterhin geschlechtsspezifische Ungleichheitsstrukturen, nach wie vor ungleiche Lebenschancen im Hinblick auf gesellschaftliche Teilhabe und Möglichkeiten der Selbst-bestimmung. Trotz gestiegener Qualifikation und Erwerbsbeteiligung von Frauen ist der Arbeitsmarkt weiterhin geschlechtsspezifisch aufgespalten mit allen damit verbundenen Nachteilen für Frauen, schließlich gibt es immer noch Ungleichheiten im Bereich politischer Partizipation und eine Ungleichverteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit zu Lasten von Frauen.
Wir haben mit Blick auf neuere Forschungen ansatzweise die Frage erörtert, ob und wie diese Ungleichheiten von den jüngeren Frauen wahrgenommen werden und welche Faktoren ihre Wahrnehmung und Deutung beeinflussen. Uns scheint dabei der Hinweis besonders wichtig, dass die Wahrnehmung von Ungleichheit zwischen den Geschlechtern sich lebensphasenspezifisch unterscheiden kann. Für Jugend und junges Erwachsenenalter ist davon auszugehen, dass geschlechtsspezifische Ungleichheiten nur selektiv wahr-genommen werden und in ihrer Bedeutung - auch für die eigene Lebensführung - eher unterschätzt werden. Im Elternhaus und im Bildungssystem sind junge Frauen selten mit manifester Ungleichbehandlung konfrontiert. Es dominieren Gleichheitserfahrungen, die sich mit der öffentlichen Gleichheitsrhetorik verbinden. Die Thematisierung von Ungleichheit kollidiert mit dem Selbstverständnis einer Frauengeneration, die sich im Vergleich zu früheren Frauengenerationen als selbstständig und gleichgestellt erlebt
Erschwert wird die Thematisierung von sozialer Ungleichheit zwischen den Geschlechtern durch ein individualisierendes Deutungsmuster der Zuschreibung von Selbstverantwortung für den eigenen Lebenslauf. Ungleichheitsstrukturen werden dann als Probleme individueller Lebensführung und biographischer Entscheidungen wahrgenommen. Auch für die Wahrnehmung sozialer Ungleichheit zwischen Frauen bleibt dieses Deutungsmuster nicht folgenlos. Die Abhängigkeit der alltäglichen Lebensführung von strukturellen Bedingungen wird nicht mehr wahrgenommen, sondern nur noch als Folge persönlicher Entscheidungen erlebt. "Die Konsequenz ist, dass die soziale Ungleichheit unter Frauen personalisiert wird als Differenz zwischen Graden der Emanzipiertheit, Fragen des Lebensstils und dergleichen. Damit ist der Weg für eine politische Thematisierung dieser Ungleichheit und ihrer Entstehungsbedingungen erschwert."
Die De-Thematisierung sozialer Ungleichheit zwischen den Geschlechtern wie zwischen Frauen, wie wir sie im Selbstverständnis vieler junger Frauen finden, sollte allerdings nicht einfach als "falsches" Bewusstsein abgetan werden. Vielmehr ist zu fragen, ob Frauen mit dieser Ausblendung etwas gewinnen - worin also die Attraktivität einer individualisierenden Deutung von gesellschaftlicher Realität besteht. Sigrid Metz-Göckel gibt uns hier einen wichtigen Hinweis: "Zumindest in ihrem persönlichen Fall glauben junge Frauen oft, objektive Strukturen durch individuelles Handeln außer Kraft setzen zu können. Sie verkennen damit systematisch ihre Situation, geraten damit aber in eine überzogene oder illusorische Akteursposition. Auch wenn sie die Machtbalancen damit nicht gründlich außer Kraft setzen, gewinnen sie subjektiv einen Spielraum."