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Freie Zeit im Alter als gesellschaftliche Gestaltungsaufgabe? | Sozialpolitik | bpb.de

Sozialpolitik Editorial Politisch-demographische Fragen zur Gesellschaftspolitik Auf dem Weg zur nächsten Rentenreform in Deutschland Reform des Gesundheitswesens bleibt aktuell Freie Zeit im Alter als gesellschaftliche Gestaltungsaufgabe?

Freie Zeit im Alter als gesellschaftliche Gestaltungsaufgabe?

Petra Bröscher Gerhard Naegele Christiane Rohleder Christiane Gerhard / Rohleder Petra / Naegele Bröscher

/ 24 Minuten zu lesen

Seit Jahrzehnten vollzieht sich ein Strukturwandel des Alters. Nun geraten die Zeit- und Kompetenzressourcen älterer Menschen zunehmend in den Fokus der wissenschaftlichen Betrachtung.

Strukturwandel des Alters

Die nachberufliche und nachfamiliäre Lebensphase in der bundesdeutschen Gesellschaft verändert sich auf eine bislang unbekannte Weise. Während "Alte" bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts eine soziale Minorität darstellten und als Gruppe gesellschaftlich weitgehend unbedeutend blieben , konstituierte sich durch die strukturellen Veränderungen der Organisation von Arbeit, insbesondere der Lohnarbeit, sowie die Einführung sozialer Sicherungssysteme und der Zunahme des Lebensalters erst in den letzten 50 bis 60 Jahren die immer größer werdende soziale Gruppe der Älteren . Unter sozialstruktureller Perspektive ist "Alter" dabei auf Grund der "Institutionalisierung des Lebenslaufs" und der damit verbundenen Chronologisierung und Dreiteilung des Lebenslaufs vor allem durch das sozial geregelte Ausscheiden aus Erwerbszusammenhängen charakterisiert, unabhängig von Merkmalen der Erwerbsfähigkeit.

In den letzten Jahrzehnten ist in nahezu allen Industrieländern ein einschneidender "Strukturwandel des Alters" zu verzeichnen, der durch "Verjüngung", "Entberuflichung", "Feminisierung", "Singularisierung" und "Hochaltrigkeit" gekennzeichnet ist . Besonderen Einfluss auf die zeitliche Ausweitung der Altersphase üben nach wie vor die Veränderungen in der Arbeitswelt aus. So ist seit den siebziger Jahren die Erwerbsquote der älteren männlichen Arbeitnehmer konstant rückläufig . Auffällig ist dabei der drastische Rückgang der Erwerbsbeteiligung bei Männern im Alter von 60 bis 65 Jahren , aber auch in der Gruppe der 55- bis 60-Jährigen sanken in den alten Bundesländern die Erwerbsquoten von 89,1 Prozent im Jahr 1970 auf 78 Prozent 1996 . Ebenfalls rückläufig ist die Erwerbsbeteiligung von Männern über 65 Jahre. Nur wenige planen über ihr Renteneintrittsalter hinaus eine Erwerbstätigkeit. Nach neueren Studien liegt die Erwerbstätigkeit bei den unter 70-Jährigen bei unter 7,1 Prozent, bei den 70- bis 85-Jährigen bei 2,9 Prozent .

Die Erwerbsquote älterer Frauen entwickelt sich als Folge der vermehrten Teilnahme am Erwerbsleben im mittleren Lebensalter gegenläufig. Sie stieg in den alten Bundesländern von 37,2 Prozent 1970 auf 48,8 Prozent 1996. Der Übergang in den Ruhestand konzentriert sich eindeutiger auf das 60. Lebensjahr, während er bei den Männern in der Altersspanne von 57 bis 65 Jahren erfolgt .

Zwar kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht von einem Gültigkeitsverlust der männlichen Normalbiographie gesprochen werden, aber durch die faktische Verkürzung der Lebensarbeitszeit erhält die Erwerbsarbeit im Lebenslauf ein anderes Gewicht. Die einst "normale" Altersgrenze ist zum äußersten Arbeitslimit geworden, aber auch die Gefahr frühzeitigen unfreiwilligen Ausscheidens aus dem Erwerbsleben steigt - so bilden ältere Arbeitnehmer ab 45 Jahren in der Gruppe der Langzeitarbeitslosen mittlerweile eine Zweidrittel-Mehrheit .

Die "Freisetzung des Alters in der Arbeitswelt" ist dabei vor allem Folge betrieblicher Personalstrategien, die weniger Leistungsproblemen Älterer geschuldet sind, sondern vielmehr Resultat zumeist völlig altersneutraler betriebswirtschaftlicher Anlässe . Als bedeutsam erweist sich dabei der Trend zur Frühverrentung, der durch die unterschiedlichsten Ablösungsstrategien älterer Arbeitnehmer ihre faktisch eintretende Arbeitslosigkeit kaschieren hilft. Zwar begrüßen viele Betroffene Regelungen, die ihnen einen frühzeitigen Ausstieg aus dem Erwerbsleben ermöglichen , aber sowohl individuell als auch gesellschaftlich wirkt sich der Frühverrentungstrend ambivalent aus. Beispielsweise begleiten differente materielle Absicherungen die unterschiedlichen Frühverrentungsformen und tragen damit auch zur sozialen Ungleichheit im Alter bei .

Unter sozialstruktureller Perspektive hat die Verkürzung der Lebensarbeitszeit eine gravierende Konsequenz - immer mehr Menschen scheiden zu einem immer früheren Zeitpunkt aus dem Erwerbsleben aus, ohne sich "alt" zu fühlen. Viele Ältere sind nicht mehr erwerbstätig, aber durchaus noch erwerbsfähig, und mit zunehmend besseren gesundheitlichen, materiellen und Bildungsressourcen ausgestattet. Auch auf Grund der gestiegenen Lebenserwartung kann die nachberufliche Lebensphase bis zu 25 Jahre und länger dauern. Die Selbstzuschreibung "Alt" erfolgt zumeist erst ab dem 70. bis 75. Lebensjahr und damit weit nach dem Eintritt in den Ruhestand .

Dieses Auseinanderklaffen von "sozialem" und "biologischem" Alter hat eine zunehmende Differenzierung des Alters zur Folge. So wird bereits vom "dritten" und "vierten" Lebensalter gesprochen bzw. von "Jungsenioren, Senioren und Hochaltrigen" . Während Letztere dabei vor allem unter der Perspektive wachsender Hilfs- und Pflegebedürftigkeit öffentliche Aufmerksamkeit finden, richtet sich das öffentliche Interesse an den "jungen", "fitten" "Alten" zunehmend auf ihre Kompetenzen und Ressourcen.

In der gerontologischen Diskussion ist dabei ein Perspektivwechsel zu verzeichnen. Lange Zeit stand die Frage der individuellen Bewältigung des Übergangs in den Ruhestand und des damit in arbeitszentrierten Gesellschaften verbundenen Verlustes an sozialer Integration, Anerkennung und Partizipationsmöglichkeiten im Vordergrund. Insbesondere im männlichen Lebenslauf galt die Erwerbsaufgabe als kritisches Lebensereignis, zu dessen Bewältigung gesellschaftliche Unterstützung vonnöten sei. Kritisch hinterfragt wurde in diesem Zusammenhang die empirisch nie eindeutig belegte Theorie des notwendigen "Disengagements" Älterer, d. h. der Annahme, dass der Rückzug Älterer aus sozialen Rollen der Erwerbs- und Familienarbeit eine individuell wie gesellschaftlich funktional notwendige Vorbereitung auf den Tod sei . Statt dessen wurde aus der Perspektive der "Aktivitätstheorie" betont, dass "erfolgreiches Alter(n)" im Sinne (weitgehend) selbständigen, gesunden und befriedigenden Alter(n)s durch körperliche, aber auch soziale Betätigung positiv beeinflusst werde und dementsprechend die Rolleneinbußen im Ruhestand durch neue Aktivitäten kompensiert werden sollten.

Angesichts der kürzer werdenden Lebensarbeitszeiten, der kontinuierlich steigenden Zahl Älterer und der damit verbundenen zunehmenden Belastung der sozialen Sicherungssysteme wird in den letzten Jahren jedoch verstärkt die Frage aufgeworfen, ob es sich eine Gesellschaft überhaupt noch leisten kann, die vorhandenen Zeit- und Kompetenzressourcen Älterer ungenutzt zu lassen . Damit entwickelt nicht nur "Aktivität", sondern zunehmend auch "Produktivität" einen normativen Charakter für die Gestaltung des Alters bis hin zu Überlegungen, die vor allem auf die - dann allerdings unentgeltliche - Wiederverpflichtung Älterer abzielen . Vor allem im Hinblick auf den steigenden Hilfe- und Pflegebedarf bei Hochaltrigkeit erscheinen Modelle in der Form "Ältere helfen Älteren" wünschenswert und förderungswürdig; in der derzeit boomenden Ehrenamtsdiskussion werden Ältere als eine der vorrangigen Zielgruppen identifiziert. In Vergessenheit geraten im Zuge dieser Debatten die (bereits langjährig ausgeübten) familiären Pflegeleistungen Älterer gegenüber ihren hochaltrigen Eltern. Sie scheinen im breiten Spektrum der inter- und intragenerationellen Hilfeleistungen Älterer ein nach wie vor stabiler Faktor zu sein. Obgleich auch die "Alltagsaushilfen" zwischen den Generationen im Zuge der Individualisierung einem Wandel unterliegen, praktizieren gerade die älteren Generationen familiäre Solidarität zugunsten der erwachsenen Kinder und deren Familien durch nennenswerte finanzielle Unterstützungsleistungen wie auch durch die faktische Ausübung von "Großeltern-Diensten" zugunsten der Enkelkinder und ihrer Eltern .

So erstaunt angesichts der geleisteten Beiträge Älterer zur Generationensolidarität, dass bei den hier vorgestellten Forderungen in ihrer Argumentationsweise vielfach die Anerkennung von bereits ausgeübten sozialen Aktivitäten sowie der Tatbestand unterschiedlicher Lebenslagevoraussetzungen für aktives wie produktives Alter(n) nicht ausreichend berücksichtigt werden. Wie die folgenden Ausführungen zeigen, ist Zeit auch im Alter eine Ressource, die nicht nur entpflichtete - freie - Zeitanteile enthält.

Zeitverwendung im Alter

Wie viel freie Zeit haben Ältere und wie verbringen sie diese? Die Sonderauswertung der Zeitbudgeterhebung des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahre 1991/92 zur Zeitverwendung Älterer kommt zu dem Ergebnis, dass ältere Menschen zwischen 60 und 64 Jahren durchschnittlich 19 Stunden des Tages zu Hause verbringen, über 70-Jährige 20,5 Stunden. Dies ist gegenüber der Altersgruppe der 35- bis 44-Jährigen ein Mehr von knapp vier Stunden. Ältere Männer sind dabei etwas weniger häuslich als ältere Frauen .

Im Hinblick auf die generelle Zeitverteilung ist festzuhalten, dass mit zunehmendem Alter erwartungsgemäß mehr Zeit für Freizeitaktivitäten und Regeneration verwendet wird. So steigen die Zeitanteile für Freizeitaktivitäten bei den über 60-Jährigen Männern auf 6 bis 7 Stunden und bei den Frauen auf knapp 6 Stunden an. Parallel hierzu findet sich aber auch ein nicht unerheblicher zeitlicher Aufwand für "unbezahlte Arbeit" im Sinne von hauswirtschaftlichen und handwerklichen Tätigkeiten, ehrenamtlichem Engagement und Kinderbetreuung . Bei Männern über 60 erfolgt eine Ausweitung "unbezahlter Arbeit" gegenüber den mittleren Altersklassen um 1 Stunden auf 4 Stunden täglich. Bei den Frauen liegt auf Grund der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung das Budget für unbezahlte (Haus-) Arbeit mit 5 bis 6 Stunden täglich in allen Altersgruppen höher und weist nur geringe altersspezifische Steigerungsraten auf. Die geschlechtsspezifischen Unterschiede im Tätigkeitsspektrum unbezahlter Arbeit zeigen sich bis ins hohe Alter - während verheiratete ältere Männer sich mehr mit Pflanzen- und Tierpflege sowie handwerklichen Tätigkeiten beschäftigen, entfallen bei älteren Frauen fast vier Stunden täglich allein auf hauswirtschaftliche Arbeiten .

Für das höhere Lebensalter, die über 70-Jährigen, kommt die Berliner Altersstudie zu dem Ergebnis, dass von täglich durchschnittlich 16,2 Stunden freier Zeit fast 38 Prozent auf Freizeitaktivitäten, 7 Prozent auf soziale Aktivitäten im Sinne von Gesprächen und Besuchen und 15 Prozent auf Ruhen entfallen. Mit steigendem Lebensalter werden dabei die täglichen Ruhezeiten ausgeprägter, während die aktive Freizeit zurückgeht. Die meisten Aktivitäten werden alleine (64 Prozent) und zu Hause (80 Prozent) ausgeübt .

Freizeitaktivitäten

Bezüglich der Handlungsmuster, die die Freizeit älterer Menschen bestimmen, kommt die Freizeitforschung seit den achtziger Jahren immer wieder zu folgenden Ergebnissen :

1. Der höhere Anteil an Freizeit im Leben älterer Menschen wird zumeist zu Hause verbracht, wobei in der Regel alte Gewohnheiten ausgedehnt und intensiviert werden.

2. Das Freizeitverhalten im Alter wird weniger durch das chronologische Alter oder den Gesundheitszustand, sondern in erster Linie durch die Tätigkeiten und Interessen bestimmt, die bereits vor dem Ruhestand entwickelt worden sind, dies gilt auch für hilfs- und pflegebedürftige Personen; vor der Pensionierung gepflegte Pläne für Neues werden demgegenüber selten realisiert.

3. Geschlecht, Familienstand, sozioökonomischer Status, früherer Beruf sowie der Gesundheitszustand und das psychische Wohlbefinden haben allerdings ebenfalls einen Einfluss auf das Freizeitverhalten im Alter.

Das individuelle Freizeitverhalten weist somit über die Jahre eine hohe biographische Kontinuität auf, aber auch das Tätigkeitsspektrum der Gruppe der so genannten "jungen Alten" scheint sich in den letzten Jahren kaum verändert zu haben. Eine Befragung des BAT-Freizeit-Institutes (BAT= British American Tobacco) kommt zu dem Ergebnis, dass die Alltagsaktivitäten mehrheitlich männlicher Ruheständler im Alter zwischen 58 und 68 Jahren in den neunziger Jahren denen der achtziger Jahre sehr ähnlich und immer noch eher traditionell sind . Medienkonsum steht auch in den neunziger Jahren an der Spitze der Freizeittätigkeiten. Dabei hat das Fernsehen weiter an Bedeutung gewonnen - die Zahl der Ruheständler, die täglich oder häufig fernsehen, ist gemäß der BAT-Freizeitstudie um 5 Prozent auf 83 Prozent gestiegen; 29 Prozent der Befragten, mehr als doppelt so viel wie 1983, sehen dabei bereits nachmittags fern. Mediennutzungsanalysen zufolge findet sich 1997 bei den 60- bis 69-Jährigen mit über 6 Stunden pro Tag das höchste Zeitbudget für audiovisuelle Medien wie Fernsehen und Radio; die Nutzungsdauer hat sich seit 1988 um fast eine Stunde erhöht .

Neben dem Medienkonsum sind "ausgiebige Frühstücke", "Spazierengehen" und "sich der Familie widmen" Tätigkeiten, die zwei Drittel und mehr der Ruheständler sowohl in den achtziger wie den neunziger Jahren täglich oder häufig in ihrer Freizeit betreiben . Ältere pflegen damit vor allem Freizeitbeschäftigungen, die sich auch im Bevölkerungsdurchschnitt einer hohen Beliebtheit erfreuen. Sie werden gemäß der Dehnungs- und Intensivierungsthese im Alter nur intensiver praktiziert. Aber: Generell ebenfall beliebte Freizeittätigkeiten wie z. B. Sport und geselliges Beisammensein finden sich bei den über 60-Jährigen entgegen der Bedeutung, die ihnen für ein zufriedenes und gesundes Alter zugemessen werden, eher unterdurchschnittlich häufig .

Auch die regelmäßige Inanspruchnahme von Bildungsangeboten ist noch gering - trotz der öffentlichen Aufmerksamkeit, die der Altenbildung zugemessen wird. Den Ergebnissen des Alterssurveys folgend, hatten in einem Zeitraum von zwölf Monaten von den 60- bis 85-Jährigen zwar 14 Prozent wenigstens einen Kurs oder Vortrag besucht, davon jedoch 8 Prozent seltener als einmal im Monat .

Die Ergebnisse der BAT-Freizeitstudie deuten allerdings erste Veränderungen des Freizeitverhaltens im Alter an, insbesondere auch eine Zunahme von ehrenamtlichem Engagement und geselligen Aktivitäten mit Freunden und Bekannten. Wesentlich auffälliger sind jedoch die Haltungsänderungen auf Seiten der Seniorinnen und Senioren. So scheint die "Geschäftigkeitsethik" der achtziger Jahre an Stellenwert zu verlieren, während Einstellungen wie: "das zu tun, wozu man gerade Lust hat" (1983: 46 Prozent; 1997: 57 Prozent) und selbstbewusster einfach "nur zu faulenzen und nichts zu tun" (1988: 25 Prozent; 1997: 40 Prozent) an Bedeutung gewinnen. Insgesamt vermittelt die Studie den Eindruck, dass sich das Freizeitverhalten zwar nur geringfügig verändert hat; im Gegensatz zu den achtziger Jahren scheinen heutige Seniorinnen und Senioren aber wesentlich zufriedener und weniger beeindruckt vom gesellschaftlichen Diskurs über die Notwendigkeit aktiven und produktiven Alter(n)s zu sein. Dies dokumentiert sich auch in dem gestiegenen Prozentsatz derer, die mit der Art und Weise, wie sie ihre Freizeit verbringen, "zufrieden sind, sich wohlfühlen und nichts im Leben vermissen" (1983: 18 Prozent; 1997: 42 Prozent) .

Für kommende Generationen "junger Alter" ist von einer Intensivierung dieser Haltung auszugehen - handelt es sich doch zunehmend um Angehörige rund um die 68er Generation und den damit einhergehenden gesellschaftlichen Wertewandel. Der steigende Stellenwert von Selbstverwirklichung, Genuss, aber auch gesellschaftskritischen Haltungen in Kontrast zu den klassischen Sekundärtugenden wie Leistungsorientierung, Fleiß und Affirmation dürfte kaum den geeigneten Boden zur Umsetzung von "Wiederverpflichtungsplänen", insbesondere auch mit Blick auf den steigenden Hilfebedarf mit zunehmendem Lebensalter, hergeben. Eine ausgeprägtere Beteiligung an Initiativen zur Verbesserung der eigenen Lebenssituation sowie die Ausweitung von Bildungsaktivitäten sind demgegenüber wesentlich wahrscheinlicher.

Produktive Tätigkeiten

In der Diskussion um die Gestaltung der nachberuflichen bzw. nachfamiliären Lebenszeit kommt in den letzten Jahren, wie eingangs bereits erwähnt, den "produktiven Tätigkeiten" ein besonderes Augenmerk zu. Mit Blick auf den gesellschaftlichen Beitrag Älterer konzentriert sich die empirische Erfassung dabei bislang auf solche Tätigkeiten, die ökonomisch fassbare Werte schaffen, wie z. B. Alterserwerbstätigkeit, Pflegetätigkeiten, (Enkel-)Kinderbetreuung, soziale Netzwerkhilfe, Hausarbeit und ehrenamtliches Engagement .

Während die Alterserwerbstätigkeit deutlich rückläufig ist, binden unentgeltliche produktive Tätigkeiten im privaten oder ehrenamtlichen Bereich stärker die Ressourcen vieler Älterer. Auswertungen des Alterssurveys ergeben z. B., dass 14,2 Prozent der 55- bis 69-Jährigen und 8,3 Prozent der 70- bis 85-Jährigen in der Pflege von Angehörigen, z. T. aber auch von Nachbarn und Bekannten, tätig sind. Zwar liegt die Quote der pflegenden Frauen über der der Männer, die Unterschiede sind jedoch mit einem Plus von 2,5 Prozent geringer als erwartet.

(Enkel-)Kinderbetreuung geben im Rahmen des Alterssurveys 27 Prozent der 55- bis 69-Jährigen und 15 Prozent der 70- bis 85-Jährigen an. Frauen engagieren sich hier wesentlich häufiger als Männer, Ältere beiderlei Geschlechts in den neuen Bundesländern stärker als in den alten, wobei diese regionalen Unterschiede auch Folge unterschiedlicher Sozialisationsstrukturen sind.

Auch für den Bereich der informellen Netzwerkhilfe geben im Alterssurvey für den Zeitraum eines Jahres fast ein Drittel aller 55- bis 69-Jährigen und immerhin noch ein knappes Fünftel der 70- bis 85-Jährigen an, haushaltsfremde Personen aktiv unterstützt zu haben.

Schließlich erfreut sich unter den produktiven Tätigkeiten im Alter das ehrenamtliche, also freiwillige Engagement einer steigenden öffentlichen Aufmerksamkeit. Bei der Frage nach individuell wie gesellschaftlich sinnvollen Betätigungsmöglichkeiten für Ältere wird gerne auf ehrenamtliche Aufgabenfelder und noch nicht ausgeschöpfte Potenziale verwiesen .

Die vorliegenden Befunde zum Ausmaß ehrenamtlichen Engagements im Alter sind dabei äußerst uneinheitlich . Während z. B. der Alterssurvey bundesweit für die Altersgruppe der 55- bis 69-Jährigen 13,3 Prozent und für die über 70-Jährigen 6,9 Prozent ehrenamtlich Aktive ausweist , ermittelt die derzeit aktuellste bundesweite Repräsentativbefragung "Freiwilligenarbeit, ehrenamtliche Tätigkeit und bürgerschaftliches Engagement" , dass im Alter zwischen 60 und 70 Jahren etwa jede bzw. jeder Dritte sich unentgeltlich engagiert. Im höheren Alter nimmt die Beteiligung allerdings deutlich ab. Die beliebtesten Engagementfelder Älterer sind die Bereiche "Sport und Bewegung", "Freizeit und Geselligkeit" sowie der religiöse/kirchliche und der soziale Bereich. Die Ergebnisse der Studie widersprechen der These, dass neue Tätigkeiten im Alter nur selten aufgenommen werden - immerhin 23 Prozent der Älteren haben ihr Engagement erst nach dem 50. Lebensjahr begonnen .

Längsschnittdaten zeigen zudem, dass seit Mitte der achtziger Jahre auch bei den über 60-Jährigen die Engagementbereitschaft gestiegen ist. Allerdings nehmen vor allem die Anteile der Älteren zu, die sich eher sporadisch ehrenamtlich engagieren . Denn obwohl bei den jetzigen Generationen Älterer noch eine ausgeprägtere Pflichtethik bezüglich des Ehrenamtes zu finden ist , lässt zunehmend auch bei ihnen die Bereitschaft nach, sich auf zeitlich und inhaltlich umfangreiche und verpflichtende Tätigkeiten einzulassen; ferner steigen "Rückerstattungserwartungen" an geleistete Investitionen von Zeit und Arbeit .

Aktivität und Produktivität als Resultat positiver Lebenslagemerkmale

Als bisheriges Fazit ist festzuhalten, dass die Zeitverwendung Älterer zum einen immer noch durch ein häuslich orientiertes und eher traditionelles Freizeitverhalten, zum anderen aber auch durch die nicht unwesentliche Erbringung von Leistungen für Dritte gekennzeichnet ist, auch im höheren Alter. Wie die Lebensphase Alter gestaltet wird, hängt dabei nur z. T. von individuellen Gelegenheitsstrukturen und persönlichen Präferenzen ab. Immer wieder zeigen Untersuchungen, dass Möglichkeiten und Optionen für Aktivität und Produktivität im Alter sozial ungleich verteilt sind . So belegt die Berliner Altersstudie, dass "Personen mit höherer Bildung . . . höhere Aktivitätsniveaus angaben" . Insbesondere für die "modernen" Formen der Altenarbeit - wie z. B. Bildung im Alter, Selbsthilfeinitiativen oder ehrenamtliches Engagement - wird konstatiert, dass höhere Schul- und Berufsausbildung, zumeist einhergehend mit einem höheren Einkommen, sich positiv auf die Bildungs- und Tätigkeitsbereitschaft auswirken . Aber auch Reisen, Ausflüge und außerhäusige gesellige Aktivitäten setzen zumindest ausreichende materielle Ressourcen voraus. Verminderte Alterseinkommen führen demgegenüber zu einem deutlichen Rückzug aus den sozialen Bezügen außerhalb der Familie. So genannte Risikogruppen wie ältere Langzeitarbeitslose, Bezieher von Mindestrenten u. a. beteiligen sich kaum bis gar nicht an sozialen und kulturellen Angeboten. Ihnen fehlen schlichtweg die Mittel, um in einer sozial-aktiven Form ihre Ruhestandsphase gestalten zu können.

Diesen Aspekten wird in der öffentlichen Diskussion z. T. nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Im Gegenteil, über die Verteilung von positiv wie negativ eindeutig wertenden Lebensstiletiketten wie "resignierte Ältere", "sicherheits- und gemeinschaftsorientierte Ältere", "pflichtbewusst-häusliche Ältere" und "neue Alte" werden die dem Lebensstil mit zugrunde liegenden unterschiedlichen materiellen und geschlechtsspezifischen Lebenslagevoraussetzungen Älterer individualisiert und zu persönlichen Haltungen umdefiniert.

Derzeit bestehende Ansätze zur gesellschaftlichen Gestaltung des Alters und zur Unterstützung einer "tätigen nachberuflichen Lebensphase" - wie z. B. die Förderung von Seniorenbüros, Selbsthilfeinitiativen, Seniorengenossenschaften, Seniorenvertretungen oder ehrenamtliches Engagement Älterer - versuchen über infrastrukturelle bis hin zu finanziellen Anreizen, Ältere für Freizeitaktivitäten, selbstorganisierte Interessenvertretung oder freiwilliges Engagement zu aktivieren. Dabei erlaubt die Individualisierung des Freizeitverhaltens Älterer generös darüber hinwegzusehen, dass a) der Organisationsgrad in seniorenspezifischen Angeboten - auch im Vergleich zu Mitgliedschaft wie ehrenamtlichem Engagement in altersunabhängigen geselligen Vereinigungen, Vereinen oder wohltätigen Organisationen - derzeit noch sehr gering und b) die entwickelten Ansätze eher mittelschichts- und stadtorientiert sind, "da sich grundsätzlich von einer ,Komm-Struktur' bereits aktive und über materielle und intellektuelle Ressourcen verfügende Menschen angesprochen fühlen" .

Zwar legitimieren sich die bestehenden Programme darüber, dass in jeder kommenden Altengeneration bessere Bildungs-, Einkommens- und Gesundheitsvoraussetzungen erwartet werden und dementsprechend die gegenwärtig eher noch recht kleine Gruppe der "neuen Alten" bald den Lebensstil im Alter prägen werde. Diese Perspektive klammert allerdings einige gegenläufige Tendenzen aus:

- Trotz durchschnittlich steigender Alterseinkommen ist für die Zukunft von einer zunehmenden "ökonomischen Polarisierung" des Alters auszugehen , mit der Folge weiterhin sehr unterschiedlicher Voraussetzungen für "aktives" und "produktives" Alter(n).

- Erwerbs- und vor allem familiäre Versorgungsbiographien werden insbesondere für Frauen zunehmend instabiler und unsicherer mit dem Resultat eines höheren Armutsrisikos im Alter. Zugleich ändern sich jedoch auf Grund der gestiegenen Erwerbsbeteiligung von Frauen sowie der (langsamen) Veränderungen der Geschlechterrollen auch die Eintrittsbedingungen von Frauen in die Lebensphase des Alters.

- Als ein weiteres Risiko in der Lebenslage gilt der Gesundheitszustand älterer Menschen. Auf Grund der Zunahme chronischer Krankheiten ist die Gruppe der hochaltrigen Alten besonders betroffen . Mit steigendem Lebensalter vergrößert sich also das Risiko, aus krankheitsbedingten Gründen im eigenen Mobilitäts- und Aktivitätsradius eingeschränkt zu sein . Dennoch: Alter ist nicht pauschal gleichzusetzen mit Hilfe- und Pflegebedürftigkeit. Die meisten Menschen leben im Alter selbständig und ohne Abhängigkeit von der Hilfe Dritter.

- Die Zahl älterer Migranten wird in Zukunft deutlich steigen. Ihre Lebenslagen sind in ausgeprägtem Maße von ungünstigen Bedingungen gekennzeichnet. Dementsprechend wird zukünftig ein - regional z. T. sehr ausgeprägter - gesellschaftlicher Handlungsbedarf auch im Bereich der offenen Altenhilfe entstehen.

Konsequenzen für die Altenpolitik

Gerade weil die Mehrheit zukünftiger Älterer über ausreichende Finanz-, Bildungs- und soziale Ressourcen verfügt, ist davon auszugehen, dass sie das "Alter" erfolgreich bewältigen und zunehmend in der Lage sein werden, eigene Interessen zu organisieren. Diese Ansätze gilt es gesellschaftlich zu unterstützen. Versteht sich Altenpolitik als sozial verantwortliches Handeln mit dem Ziel des Ausgleichs sozialer Disparitäten, so ist jedoch zukünftig eine verstärkte Aufmerksamkeit für die benachteiligten Gruppen unter den Älteren vonnöten. Dabei ist die Stärkung von Eigeninitiative, Selbsthilfe und Bürgerengagement grundsätzlich zu begrüßen; aber "dort, wo die Potentiale auf Grund materieller, gesundheitlicher oder sozialer Defizite eingeschränkt bzw. ihrer Nutzung Grenzen gesetzt sind, sollen besondere Anstrengungen unternommen werden, um diese Beschränkungen abzumildern oder ganz aufzuheben" . Neuere Ansätze und Projekte in der Altenarbeit müssen vor diesem Hintergrund immer auch dahingehend geprüft werden, ob sie nicht implizit vor allem die Selbstverwirklichung und Selbstentfaltung der "jungen Alten" - und hier vor allem relativ gutsituierter älterer Mittelschichtangehöriger - mit öffentlichen Mitteln fördern. Dies dürfte vor allem dann der Fall sein, wenn die geförderten Projekte immer ausgeprägtere Schwerpunkte im Bereich Selbsterfahrung entwickeln, sich zukünftig die Dominanz der ,selbstorientierten' gegenüber den altruistischen Motivationen in der Freiwilligenarbeit noch verstärken sollte und selbstorganisierte Initiativen Älterer sich nicht selten nach Ablauf der Aufbauphase als ,closed-shop' konstituieren mit begrenzter Offenheit für neue Mitglieder.

Notwendig ist demgegenüber eine stärkere Zielgruppenorientierung und soziale Differenzierung in der Altenarbeit, die unterschiedlichen Kompetenzen, biographischen Erfahrungen, ethnischen Voraussetzungen und materiellen wie immateriellen Ressourcen Rechnung tragen. Wichtig ist darüber hinaus die infrastrukturelle Verankerung im vorrangigen Lebensraum gerade auch benachteiligter Älterer, dem Stadtteil . Der Rückgriff auf bereits bestehende Netzwerkstrukturen und Multiplikatoren vor Ort ist dabei zentrale Voraussetzung, um bestehende Interessen und Selbsthilfepotenziale überhaupt zu mobilisieren. Dennoch gibt es angesichts des fälligen strukturellen und konzeptionellen Reformbedarfs zur Verankerung einer Freiwilligenkultur keine moralische und politische Entpflichtung zur Solidarität gegenüber denjenigen alten Menschen, die der gesellschaftlich erwünschten Produktivität nicht (mehr) Folge leisten können noch wollen.

Ausblick

Es ist offenkundig, dass die demographischen Entwicklungen und ihre sozialen Folgen nicht ohne Konsequenzen für die Sozialpolitik in Deutschland und für die künftige Finanzlage der sozialen Sicherungssysteme sein werden. Angesichts des Altersstrukturwandels gewinnt folglich die Frage nach der Tragfähigkeit des Generationenvertrages noch stärker an Bedeutung. Dessen vorrangige Ausrichtung auf die finanzielle Sicherung der älteren Generation hat bereits den Nimbus der allein ausreichenden Altersvorsorge verloren, da die immaterielle Versorgung älterer Menschen zunehmend Einfluss auf deren Lebenslage nimmt. Insbesondere sind hier die personenbezogenen sozialen Dienste, in ihrer Wichtigkeit als nicht-monetäre Unterstützungsleistungen, maßgeblich für die Lebenslagen der wachsenden Gruppe der Älteren. Eine moderne Interpretation des Generationenvertrages hätte dieser Erkenntnis durch die gleichzeitige Absicherung der materiellen und immateriellen Risiken des Alters Rechnung zu tragen .

Zwar ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt (noch) von einem funktionierenden System der intergenerationellen familiären Unterstützungsleistungen auszugehen (sowohl von den Jüngeren für die Älteren, aber auch der wirtschaftlich Stärkeren für die wirtschaftlich Schwächeren ), auf Grund der demographischen Entwicklungen stellt sich jedoch zunehmend die Frage, inwieweit der tatsächlich vorhandene Bedarf an personenbezogenen Diensten - außerhalb der Familienverbände - angesichts der Knappheit der finanziellen Mittel zukünftig organisierbar ist. Die bislang gesellschaftlich nicht organisierte Nutzung der persönlichen Potenziale Älterer scheint in ihrer Kopplung mit dem verjüngten Ruhestandsalter eine Möglichkeit zur Problemlösung darzustellen. Doch kann für die zu erwartenden Dienste im Bereich pflegerischer Versorgungshilfen wie auch alltäglicher kleinerer Hilfeleistungen im Haushalt eine Quasiverpflichtung der "fitten" Alten dem interpersonalen Verhältnis zwischen Gebenden und Nehmenden nicht dienlich sein. Das Vertrauen auf eine naturwüchsige (verbindliche) Freiwilligkeit - bei einer gleichzeitigen Abhängigkeit der älteren Menschen von diesen Unterstützungsleistungen - entbehrt der realistischen Grundlage des ,Machbaren'.

Darüber hinaus stellt sich im Gesamtbild der sozialen Veränderungen der Faktor der ,Freien Zeit' - und dies nicht nur bezüglich der Älteren - als gesellschaftliche Gestaltungsaufgabe dar. Dabei stehen die gegenwärtigen Zeitstrukturen, die sich am Konzept der so genannten "Normalarbeitszeit" orientieren, grundsätzlich zur Disposition. Denn die - selbst in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit - nach wie vor starre Ordnung der Lebensarbeitszeitstrukturen, durch die die Zugangsbedingungen zu Bildung, Arbeit und Freizeit altersspezifisch festgelegt werden und durch die zugleich Erwerbsarbeit als die dominante, sozial akzeptierte Form der Arbeit "privilegiert" wird, hat eine ungleiche Verteilung der Zeitsouveränität zwischen den Generationen zur Folge. Ziel sollte dementsprechend eine gerechtere Verteilung von freier Zeit über den gesamten Lebenslauf sein. Erste Schritte in Richtung flexiblerer Lebensarbeitszeitmodelle werden dabei in den Diskussionen über Teilzeitarbeit, Wahlarbeitszeiten, Erziehungs- und Pflegeurlaube, Weiterbildungszeiten und Sabbaticals sowie vor allem der Altersteilzeit deutlich .

Eine Flexibilisierung der Lebensarbeitszeit kommt dabei den Bedürfnissen einer alternden Gesellschaft in mehrfacher Hinsicht entgegen: Erstens werden die mittleren Generationen entlastet und so auch zeitliche Freiräume für die Unterstützung hilfe- und pflegebedürftiger Älterer geschaffen. Zweitens werden im mittleren Lebensalter Freiräume für die selbstbestimmte Gestaltung von Lebenszeit eröffnet, in denen Handlungskompetenzen - z. B. durch die Pflege von sozialen, politischen und kulturellen Interessen - für nicht erwerbsbestimmte Lebensphasen und damit auch für den Ruhestand erworben werden können. Die Flexibilisierung der Lebensarbeitszeit dient somit nicht zuletzt der Vorbereitung eines aktiven Alters. Schließlich wird, drittens, der immer frühzeitigeren Freisetzung Älterer aus der Arbeitswelt durch gleitendere Übergänge vorgebeugt, was sich auch positiv auf die Höhe der finanziellen Transferleistungen an Ältere auswirkt. Angesichts der demographischen Entwicklung ist somit eine größere Zeitsouveränität eine der zentralen Voraussetzungen für den weiteren Fortbestand der derzeit praktizierten intergenerationellen Solidarität. Dabei sollte insbesondere die individuelle Entscheidung zur Unterstützung hilfebedürftiger alter Menschen durch die staatlichen Sicherungssysteme - etwa durch entsprechende Strukturvorgaben und durch Anrechnung der Pflegezeiten in der Gesetzlichen Rentenversicherung bzw. der Pflegeversicherung - unterstützt werden.

Für beide Bereiche der staatlichen Sozialversicherung sind die ersten Schritte getan oder zumindest angedacht. Für den ebenso wichtigen Bereich der personenbezogenen sozialen Dienste sind demgegenüber zusätzliche Anstrengungen vonnöten. Dazu zählt auch die Neuorganisation von Lebensarbeitszeit, indem sie die dafür erforderlichen zeitlichen Freiräume schafft. In der Konsequenz wird so für eine perspektivische Erweiterung des Generationenvertrags in Richtung auf intergenerationelle Solidarität in beide Richtungen plädiert. Dies kann mit dazu beitragen, die demographischen Herausforderungen der Zukunft ohne nennenswerte Generationenkonflikte zu lösen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Gertrud M. Backes, Alter(n) als "Gesellschaftliches Problem"?, Zur Vergesellschaftung des Alter(n)s im Kontext der Modernisierung, Opladen 1997.

  2. Vgl. Gertrud M. Backes/Wolfgang Clemens, Lebenslagen im Alter - Erscheinungsformen und Entwicklungstendenzen, in: dies. (Hrsg.), Lebenslagen im Alter. Gesellschaftliche Bedingungen und Grenzen, Opladen 2000.

  3. Martin Kohli, Die Institutionalisierung des Lebenslaufs: historische Befunde und theoretische Argumente, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, (1985) 1, S. 1-29.

  4. Vgl. Hans Peter Tews, Neue und alte Aspekte des Strukturwandels des Alters, in: Gerhard Naegele/Hans Peter Tews (Hrsg.), Lebenslagen im Strukturwandel des Alters, Opladen 1993.

  5. Vgl. Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (Hrsg.), Landessozialbericht. Arbeitnehmer und Arbeitnehmerhaushalte mit Niedrigeinkommen, Bergheim 1998.

  6. Vgl. Martin Kohli, Altern in soziologischer Perspektive, in: Paul Baltes/Jürgen Mittelstraß (Hrsg.), Zukunft des Alterns und gesellschaftliche Entwicklung, Berlin-New York 1992.

  7. Vgl. Gerhard Naegele, Arbeit und Alter - Neueres zur Entberuflichung des Alters und zur Notwendigkeit einer Trendwende, in: Peter Zeman (Hrsg.), Selbsthilfe und Engagement im nachberuflichen Leben. Weichenstellungen, Strukturen, Bildungskonzepte, Regensburg 2000, S. 30.

  8. Vgl. Harald Künemund, "Produktive" Tätigkeiten in der zweiten Lebenshälfte, in: Martin Kohli/Harald Künemund (Hrsg.), Die zweite Lebenshälfte - Gesellschaftliche Lage und Partizipation, Ergebnisse des Alters-Survey, Band 1, Berlin 1998, S. 326.

  9. Vgl. Martin Kohli, Altersgrenzen als gesellschaftliches Regulativ individueller Lebensgestaltung: ein Anachronismus?, in: Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie, 33 (2000), Suppl. I/15-I/23.

  10. Vgl. Gerhard Naegele, Lebenslagen älterer Menschen, in: Andreas Kruse (Hrsg.), Psychosoziale Gerontologie, Göttingen u. a. 1998, S. 17.

  11. Vgl. G. Naegele (Anm. 7), S. 31.

  12. Vgl. M. Kohli (Anm. 6), S. 244.

  13. Vgl. Hans Peter Tews, Neue und alte Aspekte des Strukturwandels des Alters, in: WSI Mitteilungen, (1990) 8, S. 478-491; ders., Produktivität des Alters, in: Margret Baltes/Leo Montada, Produktives Leben im Alter, Frankfurt-New York 1996; Margret Dieck/Gerhard Naegele, "Neue Alte" und alte soziale Ungleichheiten - vernachlässigte Dimensionen in der Diskussion des Altersstrukturwandels, in: G. Naegele/H. P. Tews (Anm. 4).

  14. Vgl. M. Kohli (Anm. 3), S. 20.

  15. Horst W. Opaschowski, Leben zwischen Muss und Muße. Die ältere Generation: Gestern. Heute. Morgen, Hamburg 1998, S. 18.

  16. Vgl. Elaine Cumming/William E. Henry, Growing old, New York 1961.

  17. Vgl. Detlef Knopf/Gerhard Schäuble/Ludger Veelken, Früh beginnen. Perspektiven für ein produktives Altern, in: Annette Niederfranke/Gerhard Naegele/Eckart Frahm (Hrsg.), Funkkolleg Altern, Opladen-Wiesbaden 1999, S. 99.

  18. Vgl. Hans Peter Tews, Alter zwischen Entpflichtung, Belastung und Verpflichtung, in: Günter Verheugen (Hrsg.), 60 plus. Die wachsende Macht der Älteren, Köln 1994.

  19. Vgl. Leopold Rosenmayr, Alt und jung - Gegensatz oder Ergänzung?, in: Gerhard Naegele/Rudolf-M. Schütz (Hrsg.), Soziale Gerontologie und Sozialpolitik für ältere Menschen. Gedenkschrift für Margret Dieck, Opladen 1999, S. 159 f.

  20. Vgl. Christine Küster, Zeitverwendung und Wohnen im Alter, in: Deutsches Zentrum für Altersfragen (Hrsg.), Wohnbedürfnisse, Zeitverwendung und soziale Netzwerke älterer Menschen. Expertisenband 1 zum Zweiten Altenbericht der Bundesregierung, Frankfurt/M.-New York 1998, S. 71.

  21. Als Freizeitaktivitäten gelten Restaurantbesuche, Reisen, kulturelle Ereignisse, sportliche Aktivitäten u. a. Anders als es dem gerontologischen Verständnis entspricht, vertritt die Soziologie die Auffassung, dass die Ruhestandszeit nicht per se als "freie Zeit" zu verstehen ist, sondern auch (zeitbindende) Pflichtanteile enthält. Demgegenüber definiert die Gerontologie den Ruhestand als Freizeit, da die Zeitstrukturvorgaben des Erwerbslebens für den Ruhestand keine Gültigkeit besitzen.

  22. Abgrenzungskriterium für "unbezahlte Arbeit" ist, dass die Tätigkeiten gegen Entgelt auch von Dritten übernommen werden können.

  23. Vgl. Karin Blanke/Manfred Ehling/Norbert Schwarz, Zeit im Blickfeld. Ergebnisse einer repräsentativen Zeitbudgeterhebung, Stuttgart u. a. 1996, S. 78.

  24. Vgl. Margret M. Baltes/Ineke Maas/Hans-Ulrich Wilms/Markus Borchelt, Alltagskompetenz im Alter: Theoretische Überlegungen und empirische Befunde, in: Karl-Ulrich Mayer/Paul B. Baltes (Hrsg.), Die Berliner Altersstudie, Berlin 1996, S. 529 ff.

  25. Vgl. Walter Tokarski/Reinhard Schmitz-Scherzer, Freizeit, Stuttgart 1985; Rudolf M. Schütz/Hans Peter Tews, Ältere Menschen in Schleswig-Holstein, Kiel 1991; Dorothea Roether, Tagesstrukturierung und Interessen bei alten Menschen in Abhängigkeit vom Hilfe- und Pflegebedarf, in: Zeitschrift für Gerontopsychologie und -psychiatrie, 10 (1997) 2, S. 75-83; Hilke Brockmann, Die Lebensorganisation älterer Menschen. Eine Trendanalyse, Wiesbaden 1998; H.W. Opaschowski (Anm. 15).

  26. Vgl. H.W. Opaschowski (Anm. 15), S. 59 ff.

  27. Vgl. Sigurd Agricola, Freizeit in Deutschland 1998. Aktuelle Daten und Grundinformation, DFG-Jahrbuch, Düsseldorf 1998, S. 41.

  28. Vgl. H.W. Opaschowski (Anm. 15), S. 127.

  29. Vgl. S. Agricola (Anm. 27), S. 37 ff.

  30. Vgl. Martin Kohli/Harald Künemund, Alter und gesellschaftliche Partizipation als Thema der Soziologie, in: Susanne Becker/Ludger Veelken/Klaus Peter Wallraven (Hrsg.), Handbuch Altenbildung. Theorien und Konzepte für Gegenwart und Zukunft, Opladen 2000, S. 101.

  31. Jürgen Wolf, Langeweile und immer Termine. Zeitperspektiven beim Übergang in den Ruhestand, in: Gerd Göckenjan/Hans-Joachim von Kondratowitz (Hrsg.), Alter und Alltag, Frankfurt/M. 1988, S. 202.

  32. Vgl. H.W. Opaschowski (Anm. 15), S. 127.

  33. Vgl. ebd., S. 66, S. 74.

  34. Vgl. Martin Kohli/Harald Künemund, Nachberufliche Tätigkeitsfelder. Konzepte, Forschungslage, Empirie, Stuttgart u. a. 1996; dies., Produktive Tätigkeiten im Ruhestand. Ein internationaler Vergleich, in: Forum Demographie und Politik, (1997) 9.

  35. Vgl. H. Künemund (Anm. 8).

  36. Im Zuge dieser als wünschenswert erachteten Nutzung vorhandener Potenziale Älterer bringt die sozialpolitisch geführte Diskussion über den Generationenvertrag reale Maßstäbe ein. Dieser Aspekt wird im letzten Kapitel vorgestellt.

  37. Vgl. Christiane Rohleder/Petra Bröscher, Freiwilliges Engagement Älterer - integrativ oder sozial selektiv?, in: Gerhard Naegele/Gerd Peters (Hrsg.), Arbeit - Alter - Region - ein aktives Handlungsfeld für NRW, Münster 2000.

  38. Vgl. H. Künemund (Anm. 8), S. 316.

  39. Bernhard von Rosenbladt/Sibylle Picot, Freiwilligentätigkeit, ehrenamtliche Tätigkeit und bürgerschaftliches Engagement. Repräsentative Erhebung 1999. Kurzbericht, Infratest München, München 1999.

  40. Vgl. Bernhard von Rosenbladt, Freiwilligenarbeit, ehrenamtliche Tätigkeit und bürgerschaftliches Engagement. Materialband, Infratest München, München 1999, S. 20 ff.

  41. Vgl. Marcel Erlinghagen/Karin Rinne/Johannes Schwarze, Ehrenamtliche Tätigkeiten in Deutschland - komplementär oder substitutiv? Analysen mit dem Sozio-ökonomischen Panel 1985 bis 1996, Diskussionspapier Nr. 97-10, Fakultät für Sozialwissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum, Bochum 1997, S. 35.

  42. Vgl. Jörg Ueltzhöffer/Carsten Ascheberg, Engagement in der Bürgergesellschaft. Die Geislingen-Studie. Ein Bericht des Sozialwissenschaftlichen Instituts für Gegenwartsfragen (SIGMA), in: Sozialministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Bürgergesellschaftliches Engagement, Stuttgart 1996, S. 241.

  43. Vgl. Rolf G. Heinze/Christoph Strünck, Das soziale Ehrenamt in der Krise - Wege aus dem Dilemma, in: Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit, (1999) 5, S. 163.

  44. Vgl. J. Wolf (Anm. 31); G. Naegele (Anm. 10).

  45. Ineke Maas/Ursula M. Staudinger, Kontinuität und Diskontinuität der gesellschaftlichen Beteiligung, des Lebensinvestments und ökonomischer Ressourcen, in: K.-U Mayer/P. B. Baltes (Anm. 24).

  46. Vgl. M. Kohli/H. Künemund (Anm. 30), S. 103; M. Erlinghagen u. a. (Anm. 41); Helmut Klages/Thomas Gensicke, Bürgerschaftliches Engagement 1997, in: Heiner Meulemann (Hrsg.), Werte und nationale Identität im vereinten Deutschland. Erklärungsansätze der Umfrageforschung, Opladen 1998, S. 182 f.; Norbert Schwarz, Ehrenamtliches Engagement in Deutschland. Ergebnisse der Zeitbudgeterhebung 1991/92, in: Wirtschaft und Statistik, (1996) 4, S. 264; B. v. Rosenbladt/S. Picot (Anm. 39), S. 22.

  47. Infratest Sozialforschung/Sinus/Horst Becker, Die Älteren - Zur Lebenssituation der 55- bis 70-Jährigen, Bonn 1991, S. 89 ff.

  48. Vgl. D. Knopf/G. Schäuble/L. Veelken (Anm. 17), S. 130 ff.

  49. Vgl. H. Künemund (Anm. 8), S. 330.

  50. Karin Beher/Reinhard Liebig/Thomas Rauschenbach, Strukturwandel des Ehrenamtes. Gemeinwohlorientierung im Modernisierungsprozess, Weinheim-München 1999, S. 256.

  51. Vgl. Frerich Frerichs/Gerhard Naegele, Zum internationalen Jahr der Senioren (IV). Offene Altenarbeit - ein vernachlässigter Bereich der Altenpolitik in Deutschland, in: Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit, (1999) 5, S. 170.

  52. Vgl. Deutscher Bundestag (Hrsg.), Zwischenbericht der Enquete-Kommission "Demographischer Wandel" - Herausforderung unserer älter werdenden Gesellschaft an den einzelnen und die Politik, Bonn 1994.

  53. Vgl. Ulrich Schneekloth/Peter Potthoff/Regine Piekara/Bernhard v. Rosenbladt, Hilfe und Pflegebedürftige in privaten Haushalten. Endbericht, Schriftenreihe des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Band 111.2, Stuttgart u. a. 1996.

  54. F. Frerichs/G. Naegele (Anm. 51), S. 170 f.

  55. Vgl. C. Rohleder/P. Bröscher (Anm. 37).

  56. Vgl. Gerhard Naegele, Der Generationenvertrag in Deutschland vor neuen Herausforderungen, unveröffentlichtes Manuskript, Dortmund 2000.

  57. Vgl. Bert Rürup, Hält der Generationenvertrag? Soziale Sicherung im Alter, in: A. Niederfranke/G. Naegele/E. Frahm (Anm. 17).

  58. Vgl. Gerhard Bäcker/Brigitte Stolz-Willig, Förderung von Teilzeitarbeit - eine Aufgabe für die Tarif-, Sozial- und Gleichstellungspolitik, in: Bernd Keller/Hartmut Seifert (Hrsg.), Atypische Beschäftigung - verbieten oder gestalten?, Köln 1995, S. 35 ff.

  59. Gerhard Bäcker/Gerd Naegele, Alternde Gesellschaft und Erwerbstätigkeit. Modelle zum Übergang vom Eerwerbsleben in den Ruhestand, Köln 1993, S. 142 ff.

Dipl.-Pädagogin, geb. 1957; wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für Gerontologie in Dortmund.

Anschrift für alle drei Autoren: Institut für Gerontologie an der Universität Dortmund, Evinger Platz 13, 44339 Dortmund.

Veröffentlichung: Gewalt - Erfahrungen im Leben alternder Frauen, Münster 1999.

Dr. rer. pol., geb. 1948; Professor für Soziale Gerontologie; Direktor des Instituts für Gerontologie; beides an der Universität Dortmund.

Veröffentlichungen u. a.: (Hrsg. zus. mit G. Bäcker/R. Bispinck/K. Hofemann) Sozialpolitik und Soziale Lage in Deutschland, Bd. 1 u. 2, 3., überarb. und erw. Auflage, Opladen 2000.

Dr. phil., geb. 1964; wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Gerontologie in Dortmund.

Veröffentlichung: Untersuchung zur Fort- und Weiterbildungssituation in der Altenarbeit. Qualifizierungsstrategien in Einrichtungen der Altenhilfe, Kuratorium Deutsche Altershilfe, Köln 1999.