Politische Aktivistinnen aus aller Welt blickten in den 1920er Jahren voller Erwartungen auf die Ereignisse im ersten sozialistischen Staat der Welt – der Sowjetunion. Viele von ihnen waren zunächst begeistert von den gesellschaftlichen Errungenschaften, die die Russische Revolution 1917 den Frauen brachte. Schließlich waren es vor allem Arbeiterinnen und Soldatenmütter, die am 23. Februar (julianischer Kalender), beziehungsweise dem Weltfrauentag am 8. März (gregorianischer Kalender), beim Protestmarsch in Petrograd den Ton angaben. Und in der Tat verankerte die Revolution gesetzlich die Gleichstellung der Geschlechter und setzte den Grundstein für einen Wohlfahrtsstaat, der die freie und kostenlose medizinische Abtreibung ermöglichte sowie Kinderhorte und Beratungsstellen für Mütter einrichtete.
Die Kommunistischen Parteien (KP) in aller Welt spiegelten aber nicht nur die Verheißung von Emanzipation wider, sondern ebenso die realen Grenzen im Kampf um Gleichberechtigung: Wie wurde mit dem Thema Gleichstellung von Mann und Frau in den frühen Jahrzehnten des sowjetischen und internationalen Kommunismus umgegangen? Welcher politische Handlungsspielraum wurde Frauen innerhalb der Kommunistischen Internationale (Komintern) gewährt? Und inwieweit machten Frauen davon Gebrauch? Diesen Fragen soll im Folgenden nachgegangen werden.
Neue, aber eingeschränkte Möglichkeiten
Die Geschlechtergleichheit tauchte praktisch von Beginn an in den Programmen der Komintern und der KPs auf, dennoch waren Frauen in deren Führungsetagen kaum vertreten.
Um die Frauenemanzipation zu fördern, wurden innerhalb kommunistischer Organisationen spezielle Strukturen aufgebaut: 1917 die Frauenabteilung des Zentralkomitees der KPdSU, im August 1920 das Internationale Frauensekretariat der Komintern sowie Frauenabteilungen innerhalb der anderen KPs.
Die Frauenabteilung der KPdSU organisierte Delegiertentreffen, um weniger organisierte Frauen wie Hausfrauen, Büroangestellte, Dienstbotinnen sowie Arbeiterfrauen zu mobilisieren. In diesen "Schulen des Kommunismus" sollten Frauen erste politische Erfahrungen sammeln und die Gelegenheit erhalten, sich theoretische Grundlagen anzueignen. In Deutschland, wo Frauen 1928 ein Sechstel der insgesamt 130000 Mitglieder der KP ausmachten, bildeten sich starke Frauenorganisationen. Mit Forderungen, wie des Rechts der Frauen auf ihren eigenen Körper, setzten sie sich für die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen sowie den Zugang zu Verhütungsmitteln ein.
Der Frauenanteil in der Führungsetage der Komintern betrug nur etwa vier Prozent. Einige wenige Frauen stiegen allerdings bis an ihre Spitze auf: etwa Angelica Balabanowa (1919), die Deutsche Clara Zetkin (1920 bis 1933), Dolores Ibárruri in den 1930er Jahren und Maria Krylowa während des Zweiten Weltkriegs. Auch die Kommunistische Universität der nationalen Minderheiten des Westens wurde zwischen 1925 und 1936 mit Maria Frumkina von einer Frau geleitet. Ebenfalls unter weiblicher Führung standen Anfang der 1930er Jahre mit Klawdia Kirsanowa die Internationale Lenin-Schule und die Internationale Rote Hilfe mit Elena Stassowa.
Besondere Chancen auf politische Ämter boten sich Frauen in dem neu gegründeten Internationalen Kommunistischen Frauensekretariat, das mit ehemaligen Funktionärinnen der Sozialistischen Internationale sowie der Frauenbewegung besetzt wurde. Dazu bemerkte die französische Feministin Madeleine Pelletier, als sie 1920/21 das kommunistische Russland bereiste: "Anders als beispielsweise Frankreich verweigert Russland Frauen nicht das Recht, sich mit öffentlichen Angelegenheiten zu befassen."
Die gleiche geschlechterspezifische Arbeitsteilung fand sich auch in der Komintern: Einige wenige Frauen hatten Führungspositionen inne, weit mehr übten hingegen Verwaltungstätigkeiten oder sogenannte technische Funktionen aus (Sekretariat, Übersetzung, Botendienst). Verdeutlichen lässt sich dies an der Neugestaltung des Sekretariats von Georgi Dimitroff, der zwischen 1935 und 1943 Generalsekretär der Komintern war:
Klasse gegen Geschlecht
Viele Frauen, sei es in Sowjetrussland, sei es im Westen, packten die Gelegenheit beim Schopf, als sich ihnen die Aussicht auf Emanzipation und auf verantwortungsvolle Lohnarbeit innerhalb kommunistischer Organisationen bot. Auch an der Basis lockten kommunistische Organisationen Aktivistinnen an, von denen nicht alle Arbeiterinnen waren. Beeinflusst von der Tradition des sozialdemokratischen Feminismus, boten die Parteien auch Hausfrauen Platz. War denn die Ausbeutung der Gattin durch den Gatten nicht auch eine Form der Ausbeutung? Dabei stand die kommunistische Frauenpolitik zu Beginn vor dem Dilemma, widersprüchliche Positionen vereinen zu wollen – etwa Frauen von "Töpfen und Pfannen" zu befreien und zugleich den "Schutz für Mutter und Kind" zu garantieren.
In den frühen 1920er Jahren gab es noch zahlreiche gesellschaftliche Debatten über das Konzept der "Neuen Frau", über neue Lebensentwürfe und über eine geschlechtsspezifische Neuordnung. Diese verstummten aber in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre zunehmend – nicht zuletzt, weil progressive Positionen über neue Formen des Alltagslebens mit der linken Opposition unter Leo Trotzki in Verbindung gebracht wurden. Alexandra Kollontai, jene Figur, die dieses Denken wie keine andere für den Westen verkörperte, nahm nie wieder öffentlich zu diesen Fragen Stellung. So spiegelte sich im neuen Familiengesetzbuch von 1926 bereits ein traditionelleres und konservativeres Bild der Frau wider, indem es diese mit familiärer Abhängigkeit assoziierte. Das Bild der Politikkommissarin, das während der Phase des Russischen Bürgerkriegs in Mode gewesen war, wich einer traditionelleren Darstellung. Wobei die KPs im Westen für ihre Propaganda eine andere Darstellung des weiblichen Proletariats verwendeten, die ganz im Gegensatz zum glücklichen Bild sowjetischer Frauen stand: Ausgebeutete Proletarierin, benachteiligte Mutter, nur der Kommunismus wird dich befreien!
Doch die kommunistischen Organisationen hatten Schwierigkeiten, weibliche Identität zu definieren. Ein vom Interesse der Arbeiter unabhängiges Interesse einer Frau war suspekt – entscheidendes Kriterium für kommunistische Politik war die Klasse, nicht das Geschlecht. Dies führte zu einem ernsten Problem bei der Klassifizierung. In welche soziale Kategorie sollten Arbeiterinnen eingeordnet werden? Frau oder Proletarierin? Und noch komplizierter: Was war mit Hausfrauen? Anders als die Frauenabteilung der KPdSU, die eine tragende Rolle der Frauen bei der Umgestaltung der Gesellschaft einforderte, neigten Parteiführungen sowohl in der Sowjetunion als auch im Westen dazu, sie als negativen Einfluss zu betrachten: Je nach Darstellung waren Frauen mit "falschem" Bewusstsein behaftet oder hatten überhaupt kein Klassenbewusstsein.
Da der Stellenwert im politischen Kampf vom Klassenbewusstsein bestimmt war, wurden Frauen in zweierlei Hinsicht ausgegrenzt: Zum einen wurde Klassenbewusstsein vorrangig mit den Arbeitern in bestimmten Sektoren in Verbindung gebracht, etwa Eisen und Stahl oder Baugewerbe, auf die sich die politische Aktivität immer gezielter fokussierte. Solche Berufsfelder, in denen nur wenige Frauen tätig waren, passten schlecht zu den vorherrschenden Vorstellungen von Weiblichkeit. Zum anderen neigten die Parteien dazu, die Artikulation von Klassenbewusstsein ausschließlich in der Partei und den Gewerkschaften zu verorten. Dies waren sozial und kulturell von Männern dominierte Bereiche. Von männlicher Sozialisation geschaffene Räume politischen Aktivismus wurden daher als Ausdruck von Klassenbewusstsein betrachtet. Für andere Formen, die charakteristisch waren für weibliche Lebensräume, galt dies im Allgemeinen hingegen nicht:
Um zu verstehen, warum Frauen in der Politik der Bolschewiki nur eine zweitrangige Rolle einnahmen, muss man sich vor Augen führen, dass der Kommunismus der Kategorie "Geschlecht" nahezu jedwedes symbolisches Kapital für die Strukturierung der Machtverhältnisse abgesprochen hat. Entscheidend war die Klassenposition, die sich aber aus der Stellung im Produktionssektor ableitete.
Die relative organisatorische Autonomie der Frauenabteilungen wurde nach und nach beschnitten durch die ständig fortschreitende Zentralisierung. Die "Kommunistische Fraueninternationale", die monatlich mit einer Auflage von 10000 Exemplaren erscheinende Frauenzeitschrift der Komintern, wurde 1925 eingestellt. Der letzte Internationale Kommunistische Frauenkongress fand 1926 statt. In der zweiten Hälfte der 1920er Jahre wurden die Frauenabteilungen der KPs durch einfache Kommissionen ersetzt. Trotz Proteste seitens der Belegschaft verlor das von Clara Zetkin und später von Hertha Sturm (wirklicher Name Edith Fischer) geführte Internationale Sekretariat 1926 seinen autonomen Status und wurde eine Abteilung der Komintern. Nach Elena Stassowas Ablösung durch drei Männer 1920 wurde das Sekretariat des Zentralkomitees der KPdSU nie wieder von einer Frau geleitet.
Etwas verallgemeinert scheint es, dass Mitte der 1920er Jahre alleinstehende Frauen und solche, die aus der Mittelschicht stammten, aus den KPs verschwanden. Diese Erosion erklärt sich zum Teil durch die zunehmende Verherrlichung der Arbeiter. Sie war aber auch Folge dessen, dass die KPs den Feminismus, wie er in Frankreich von Madeleine Pelletier, in Großbritannien von Stella Browne und in der Sowjetunion von Alexandra Kollontai vertreten wurde, immer vehementer ablehnten.
Geschlecht innerhalb der Klasse
In den 1930er Jahren nahmen die visuellen Darstellungen des sowjetischen Lebens eine Wendung zum Weiblichen, wie die Zeitschriften "UdSSR im Bau" sowie "Arbeiter Illustrierte Zeitung" umfassend belegen. Fotografien von weiblichen Stoßarbeiterinnen und lachenden Traktorfahrerinnen fanden auch in der westlichen kommunistischen Presse weite Verbreitung. Das Geschlecht war nicht nur ein Instrument inländischer Mobilisierung und ausländischer Propaganda geworden, sondern entwickelte sich auch zu einem Mittel, um das Verhältnis zwischen Staat und Volk darzustellen. In zahlreichen Gemälden des Sozialistischen Realismus wurde der Staat von "Väterchen Stalin" verkörpert, die Nation selbst hingegen von Frauen.
Dieser Rückgriff auf Geschlechterunterschiede war nicht nur figurativ. Die üblicherweise Frauen zugeschriebenen Werte und Veranlagungen wurden aufgewertet, da das stalinistische System nun die angebliche Bereitschaft von Frauen zur Selbstaufopferung um des Familienwohls willen als unentbehrlich für die Lebensfähigkeit der sowjetischen Gesellschaft bezeichnete. Zugleich wurde die Identifizierung der Frau mit ihrer Rolle als Hausfrau und Mutter, die die Bolschewiki in den Jahren nach der Revolution noch als reaktionär betrachtet hatten, gefördert. Die Hausfrau stellte nun keine potenzielle Bedrohung mehr für die Politik und die Ziele des Regimes dar, sondern diente im Gegenteil als Mittel zu deren Umsetzung. Im Bestreben, die sowjetische Gesellschaft zu "zivilisieren", um "Kultiviertheit" zu fördern, fiel der "Neuen Frau" die Hauptrolle zu. Es war ihre Aufgabe, das Leben zu "schmücken", wie Stalin sich ausdrückte. Und es war ihre Pflicht, es mittels Mutterschaft zu reproduzieren – eine gesellschaftliche Funktion, aufgewertet durch die Einbeziehung von "staatlichem Schutz der Interessen von Mutter und Kind" in Artikel 122 der sowjetischen Verfassung von 1936.
Trotz des neuen Schwerpunkts auf der Kindererziehung blieb der Beitrag der Frauen an der Produktion genauso unverzichtbar wie zuvor. Die Zeitschrift "UdSSR im Bau" drückte es schon 1935 wie folgt aus: "Die Freude an der Mutterschaft und die Freude an der Arbeit widersprechen sich in der UdSSR nicht, sondern ergänzen sich."
Wie reagierten ausländische Kommunisten in der Sowjetunion und die westeuropäischen KPs auf diese ideologische Wende? Zwar war die kommunistische Welt eine transnationale Welt, geprägt von gemeinsamen politischen Orientierungen und geteilten kulturellen Werten, Regeln und Vorschriften. Zugleich war sie aber auch eine hierarchische, in der die Sowjetunion für sämtliche KPs das Vorbild war. Und in der Tat beschränkte sich die Rückkehr zu einem bestimmten Konservatismus in Geschlechterfragen nicht auf die Sowjetunion. Vor allem in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre wurde die sowjetische Politik von westeuropäischen Kommunisten adaptiert. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass diese Umstellung nicht nur aufgrund der sowjetischen Entwicklung geschah, sondern auch eine Angleichung an das eigene unmittelbare kulturelle Umfeld war.
Die kognitive Anpassung verlief nicht für alle reibungslos. Das Gesetz "Zum Schutz von Mutterschaft und Kindheit" vom Mai 1936, das Schwangerschaftsabbrüche unter Strafe stellte, und die seiner Verabschiedung vorangegangene Kampagne in den Tageszeitungen "Prawda" sowie "Iswestija" stießen zum Teil auf Unverständnis seitens der im Land lebenden westlichen Kommunisten.
Mochte es hier und da auch Proteste geben, so passten sich die westlichen Parteien der neuen sowjetischen Ausrichtung rasch an. Die Verherrlichung der Familie fand auf bemerkenswerte Weise Ausdruck in der Selbstinszenierung des Vorsitzenden der KP Frankreichs, Maurice Thorez. Auch in der Rhetorik und dem Programm seiner Partei spiegelte sich die Aneignung von "Familienwerten" wider.
Mutter und Revolutionärin?
Das Leben als kommunistische Aktivistin brachte insbesondere in der Sowjetunion häufig eine Lebensrealität mit sich, in der sich die Rolle der Kommunistin mit der Rolle der Mutter im Konflikt befand. Da die Verantwortung für die Betreuung und Erziehung der Kinder Frauen zufiel, war ihr politisches Engagement immer auch mit Ambivalenzen und Widersprüchen verbunden – mit Konsequenzen für sie selbst und für die Organisationen. So unentbehrlich Frauen für das Funktionieren der KPs und des Apparats der Komintern sein mochten, wurden sie doch zumeist in untergeordnete Funktionen abgedrängt. Zudem setzten die KPs sie meist in "Frauenjobs" ein, etwa in den Antikriegs- und Hilfsorganisationen. Diese Bereiche "weiblichen" politischen Engagements galten in der Hierarchie der Komintern und der KPs als weniger bedeutend als die typischerweise von Männern abgedeckten und als "wirklich" politisch angesehenen Ämter. Innerhalb der kommunistischen Bewegung deckte sich die Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen mit der traditionellen Assoziierung des einen Geschlechts mit dem öffentlichen Bereich und des anderen mit dem privaten.
Frauen selbst neigten zu der Auffassung, ihre politische Tätigkeit sei der von Männern untergeordnet, vor allem der ihres eigenen Mannes. Selbst wenn sie Kader waren und sich als solche bezeichneten, wie beispielsweise Jeannette Vermeersch, die zweite Frau von Maurice Thorez, schränkten sie ihre politische Tätigkeit zugunsten ihrer Rolle als Mutter ein oder, um ihren Mann bei dessen Arbeit zu unterstützen, gaben sie ganz auf.
Die Komintern bot Frauen zwar eine damals seltene Gelegenheit für politisches Engagement und Zugang zu einem öffentlichen Bereich, der ihnen bis dato verwehrt geblieben war. Dort waren Frauen nicht bloß passive Teilnehmerinnen, sondern Akteurinnen. Aber die politischen Betätigungsfelder, die Frauen offenstanden, waren eng verknüpft mit den privaten und den häuslichen. Trotz wiederholter Absichtserklärungen zugunsten der Gleichstellung von Mann und Frau war das kommunistische System durchdrungen von einer symbolischen Gewalt, die den gesellschaftlichen Wert der Lohnarbeit von Frauen sowie deren politischer Aktivität herunterspielte. In der Geschlechterordnung blieb der Kommunismus in seinen bolschewistischen und stalinistischen Varianten nicht verschont von dem, was der Philosoph Roland Barthes den "Realitätseffekt" nannte, der Etwas als natürliches Phänomen etabliert und damit aber genau das sozial konstruiert, was angeblich natürlich ist. Auch der Kommunismus ging von "natürlichen" und somit vermeintlich unabänderlichen Differenzen zwischen den Genossinnen und Genossen aus, womit er diese Differenzen aber eben zementierte.
Schluss
Weibliche Bilder und soziale Rollen erwiesen sich als flüchtiger und widersprüchlicher im Vergleich zu den stabileren und konsistenteren Darstellungen maskuliner Identität. Das kämpferische Vorbild der frühen 1920er Jahre war auf beide Geschlechter anwendbar, wenn auch unterschiedlich in seinen Auswirkungen hier wie dort. In ähnlicher Weise wurde der nach 1935 ergehende Aufruf, Familienpflichten zu übernehmen, sowohl an Männer als auch an Frauen gerichtet. Zudem beharrte der kommunistische Diskurs in der Sowjetunion wie in Westeuropa ständig darauf, die Ehe sei eine Beziehung zwischen "gleichberechtigten" Genossen. Es war nur so, dass die Prioritäten, die dies implizierte, unterschiedlich waren. Wenn Männer zur Ordnung gerufen wurden, geschah dies in erster Linie, um Arbeitsdisziplin voranzutreiben – die Mitarbeiterfluktuation stellte eines der großen Probleme der UdSSR dar. Doch die Stabilisierung von Zuhause wie Arbeitsplatz war ein Ziel, das auch die Länder des Westens verfolgten – allerdings forderte man in der Sowjetunion, im Gegensatz zu anderswo, Frauen nicht dazu auf, ihre Arbeit aufzugeben, es sei denn, es handelte sich um Kader. Man erwartete von ihnen vielmehr, die Mutterschaft mit der Lohnarbeit in Einklang zu bringen, ein Modell, das von Parteien in anderen Ländern diskursiv teilweise übernommen wurde.
In dieser Hinsicht stellte das von den Kommunisten in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre geförderte familienzentrierte kulturelle Modell keine schlichte Rückkehr zu konservativen Werten dar, sondern drückte aus, was die Historikerin Barbara Evans Clements "modernisierten Patriarchalismus" nannte.
Zusammenfassend lässt sich festhalten: In der Selbstdarstellung des sowjetischen Staates waren die Bemühungen zur Emanzipation äußerst erfolgreich. Tatsächlich verlautete in der neuen Verfassung von Dezember 1936, die Gleichstellung von Frauen und Männern sei erreicht – ein Standpunkt, den die kommunistische Presse in aller Welt verbreitete. Doch das Verhältnis zwischen dem Egalitarismus in den politischen Vorstellungen einerseits und der gesellschaftlichen Praxis andererseits war zwiespältig und konfliktgeladen. Trotz der offiziell verkündeten Gleichstellung waren weibliche Kader in der Komintern immer wieder mit schwierigen Entscheidungen zwischen politischen und familiären Pflichten konfrontiert.