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Die Politik der Clinton-Regierung im Nahen und Mittleren Osten

Christian Hacke

/ 18 Minuten zu lesen

Die Nahostpolitik der Regierung Clinton stand im Zeichen seiner Bemühungen um Fortschritte im arabisch-israelischen Friedensprozess. Dank seiner Vermittlungsversuche kam es auch zu positiven Ergebnissen.

I. Die Nahostpolitik der USA

Im Zuge des Golfkrieges hatte Israel in den USA sein Vertrauenskapital aufgestockt . Die irakischen SCUD-Raketen-Angriffe auf Tel Aviv hatten großes Mitgefühl für den jüdischen Staat hervorgerufen. Insbesondere der amerikanische Kongress fühlte sich den Israelis aufs Engste verbunden. Diesem politischen Klima entsprechend hatte Bill Clinton noch als Präsidentschaftskandidat aus Rücksicht gegenüber der jüdischen Lobby erklärt, dass er jeglichen Druck auf Israel ablehnen würde. So lehnte Clinton die Forderung nach einem unabhängigen Palästinenser-Staat wie auch amerikanische Waffenlieferungen an die arabischen Staaten ab. Wegen seines anfänglichen geringen Interesses an der Nahost-Region verließ er sich im Wesentlichen zunächst auf seinen Außenminister Warren Christopher und auf Fachberater, von denen ein erheblicher Teil aus der republikanischen Administration Bush übernommen worden war .

Die Regierung Clinton konzentrierte sich zunächst auf einen multilateralen Ansatz für eine Friedensregelung auf der Linie der Konferenz von Madrid von 1991. Wenn schon nicht "lösungsreif", so schien der Nahost-Konflikt zumindest "regelungsreif" . Dabei sollte die israelische Regierung als Verbündeter der USA fungieren. Yitzhak Rabin, der mit Washingtoner Wahlkampfhilfe Mitte 1992 gesiegt hatte, stand in der Schuld der USA . Im Vergleich zu seinem Vorgänger im Amt des Ministerpräsidenten, Yitzhak Shamir, zeigte er sich auf Druck Washingtons bereit, auf der Basis "Land gegen Frieden" die Beendigung des Kriegszustandes mit den Palästinensern zu verhandeln. Bei Rabins erstem Besuch im Weißen Haus im Februar 1993 wurden Israel drei Mrd. US-Dollar Wirtschafts- und Militärhilfe pro Jahr versprochen. Doch als die USA durch die bahnbrechenden Geheimgespräche zwischen Israelis und Palästinensern in Oslo überrascht wurden, anerkannte Washington sofort, dass der entscheidende Durchbruch allein durch norwegische Vermittlung zustande gekommen war. Clinton machte gute Miene und gab am 10. September 1993 bekannt, dass die USA sofort den Dialog mit der PLO wieder aufnehmen würden, der seit 1990 ausgesetzt war. Er knüpfte diesen Schritt aber an folgende Konditionen: Die PLO sollte vorab Israels Existenzrecht in Frieden und Sicherheit anerkennen, die umstrittenen Passagen zur Vernichtung Israels aus der PLO-Charta streichen und jeglichen terroristischen Aktivitäten abschwören . Dabei boten sich die USA als Garantiemacht bei einer möglichen Übereinkunft an. Doch vorerst verhielten sich die USA zurückhaltend als schützender Sponsor der Verhandlungen .

Mit dem "Gaza-Jericho-Abkommen" vom 13. September 1993 zwischen Israel und der PLO stieg die Hoffnung auf eine bilaterale Lösung dieses zentralen Konflikts. Nach Jahrzehnten, die von Kriegen geprägt waren, gerieten im Nahen Osten die starren Fronten endlich in Bewegung. Vor allem suchten die USA durch massive wirtschaftliche Anreize die jeweiligen innenpolitischen Widerstände zu überwinden. Am 4. Mai 1994 wurde in Kairo schließlich das Abkommen über die Autonomie des Gaza-Streifens und der Stadt Jericho durch Rabin und Arafat unterzeichnet.

Auch gegenüber Jordanien kam es zum Ausgleich. Auf dem durch Clinton initiierten Gipfeltreffen vom 25. Juli 1994, an dem König Hussein und Ministerpräsident Rabin teilnahmen, wurde durch die "Washingtoner Erklärung" der seit 46 Jahren herrschende Kriegszustand zwischen Jordanien und Israel offiziell beendet. Beide Parteien wollen einen gerechten, dauerhaften und umfassenden Frieden erreichen. Israel erklärte sich bereit, die besondere Rolle Jordaniens hinsichtlich der moslemischen heiligen Stätten in Jerusalem anzuerkennen. Außerdem vereinbarten beide Länder zur Normalisierung ihrer Beziehungen gemeinsame Maßnahmen für Verkehr, Handel und Tourismus.

Bereits drei Monate später, am 26. Oktober, wurde an der israelisch-jordanischen Grenze am Roten Meer der Friedensvertrag zwischen Israel und Jordanien feierlich unterzeichnet. Nach Ägypten war Jordanien das zweite arabische Land, das mit Israel Frieden schloss. König Hussein erklärte anlässlich der Unterzeichnung: "Präsident Clinton, Sie sind unser Partner, Sie sind unser Freund, Sie haben uns zusammen mit der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika unterstützt. In diesem historischen Augenblick sind Sie am Ruder . . . keiner wird diesen Tag je vergessen; insbesondere werden wir uns stets daran erinnern, dass Sie persönlich hierher kamen, um mit uns diesen glücklichen Anlass an einem Tag zu begehen, an dem ein Kapitel der Dunkelheit zu Ende geht und ein Buch des Lichtes aufgeschlagen wird."

Die Anwesenheit des amerikanischen Präsidenten bei der Unterzeichnung des Friedensvertrages zwischen Israel und Jordanien in Avrona ist bezeichnend für die Schlüsselrolle der USA im arabisch-israelischen Friedensprozess. Nicht ohne Pathos, aber auch die wirtschaftlichen Interessen im Blick, erklärte Clinton: "In der Wüste gibt es viele Rohstoffe. Mineralien können aus dem Meer gefördert werden. Hier, wo ehemals Sklaven gezwungen wurden, Steine mit Meißeln zu bearbeiten, wird die Erde, wie der Koran sagt, erbeben und das Leben hervorbringen. Die Wüste wird sich freuen und die Steppe soll jubeln und blühen."

An die Nahostpolitik seines Vorgängers, besonders an die Ergebnisse der Konferenz von Madrid von 1991 anknüpfend, wies Clinton darauf hin, dass die Streitfragen ohne Einmischung von dritter Seite gelöst werden sollten. Hinter den Kulissen trieb die Regierung Clinton durch die Vermittlung von Unterhändler Dennis Ross den Friedensprozess voran und konzentrierte sich auf fünf Punkte:

- Förderung der regionalen Initiativen zur Lösung der Streitfragen auf überwiegend bilateraler Ebene;

- Unterscheidung zwischen externen und internen Gefahrenherden, um die Verhandlungsprozesse möglichst direkt und eingegrenzt zum Ziel zu bringen;

- Unterstützung der innenpolitischen Kräfte in Israel, die den Friedensprozess vorantreiben, und Stärkung von Israels militärischen Sicherheitsinteressen;

- Verhandlungsbemühungen, um Syrien in den Friedensprozess einzubeziehen, und

- Schaffung von Anreizen, besonders wirtschaftlicher Art, um die Beteiligten vom Friedensprozess zu überzeugen.

Nach der Unterzeichnung des Friedensabkommens von 1993 zwischen den Israelis und den Palästinensern und nach Unterzeichnung des Friedensvertrages mit Jordanien 1994 begann eine hoffnungsvolle Phase im Friedensprozess. Doch zeigte sich bald, dass auch nach der Unterzeichnung des Gaza-Jericho-Abkommens genügend Konfliktpotential weiter wirkte . Die Ermordung von Ministerpräsident Rabin, die terroristischen Attacken in Jerusalem und in Tel Aviv sowie das Verhalten der palästinensischen Polizei beim Aufruhr nach der Öffnung des Tunnels am Tempelberg im Herbst 1996 erschwerten Fortschritte, ja verschärften die Krise. Die Wiederaufnahme der Siedlungstätigkeit in den besetzten Gebieten führte zu Wellen des Protests und der Empörung bei den Palästinensern, wodurch auch Arafats Verständigungspolitik in Mitleidenschaft gezogen wurde. Die Regierung Clinton favorisierte Shimon Peres, doch wurde Benjanim Netanjahu im Juni 1996 israelischer Regierungschef . Jetzt drohte Stagnation im Friedensprozess. Clintons Hauptfehler bestand darin, dass er zu lange Netanjahu freie Hand ließ, obwohl der die vertraglichen Abmachungen einseitig zugunsten Israels interpretierte oder einfach negierte, z. B. den 1995 vereinbarten Abzug der israelischen Truppen aus Hebron und aus Teilen der besetzten West-Bank. Doch Clintons Kritik an Netanjahu stieß auf Widerstand innerhalb des Kongresses. Damit schwand sein Prestige als Vermittler. Anstatt als Garantiemacht der Abkommen von Oslo rigoros für eine Umsetzung der Vereinbarungen zu sorgen, sah sich Clinton zunehmend gezwungen, auf mittlerer diplomatischer Ebene den Unterhändler Dennis Ross auf Verhandlungsmission zu schicken. Diese Zurückhaltung wurde in der arabischen Welt kritisch bewertet. Folglich konnte Washington keine neue Anti-Saddam-Koalition zusammenschweißen, als sich ab Mitte 1996 die Situation im Irak wieder zuspitzte. Die Militärschläge der USA auf Bagdad wirkten konfus und waren völkerrechtlich fragwürdig. Sie führten auch zu Kontroversen mit Amerikas Verbündeten, weil Clinton gleichzeitig gegenüber Israels Vertragsbrüchen tatenlos blieb . Die Araber distanzierten sich von den USA, z. B. 1997 durch Teilboykottierung einer von Washington organisierten Wirtschaftskonferenz in Doha.

Erst 1998 drängte Clinton Netanjahu, so dass am 23. Oktober 1998 das Abkommen von Wye unterzeichnet wurde - eine schriftliche Garantie über den vertraglich bereits vereinbarten Abzug der israelischen Truppen aus Hebron und den übrigen besetzten Gebieten. Wye war nichts weiter als die Bestätigung der eingegangenen Verpflichtungen, wobei der Zeitplan für den Rückzug jetzt allerdings definiert wurde. Als Druckmittel diente auch Arafats Ankündigung im Mai 1999, fünf Jahre nach Unterzeichnung des Oslo-I-Abkommens, einseitig einen palästinensischen Staat auszurufen - eine Schreckensvorstellung für Netanjahu, falls dieser Staat international anerkannt worden wäre.

Nach zu langer Indifferenz zeigte Clinton endlich mehr Engagement für den Friedensprozess. Außenministerin Albright erklärte sogar, die Israelis trügen die alleinige Schuld am Verhandlungsstillstand. Auch Clintons Lewinsky-Affäre und die veränderten Mehrheitsverhältnisse im US-Kongress zugunsten der Republikaner zwangen ihn zur außenpolitischen Initiative. Schließlich reiste er selbst Ende 1998 in den Nahen Osten. Bewusst besuchte Clinton den Chef der PLO in den autonomen Gebieten, um dessen politische Rolle aufzuwerten.

Erst nachdem 1999 Ehud Barak Israels neuer Regierungschef geworden war, stiegen wieder die Hoffnungen auf Fortsetzung des Friedensprozesses. Doch Clintons Ziel eines umfassenden Friedens zwischen Israelis und Palästinensern blieb unerfüllt. Im Juli 2000 unternahm Clinton einen letzten, leider vergeblichen Versuch, den israelischen Ministerpräsidenten Barak und Palästinenserpräsident Arafat auf dem historischen Boden von Camp David zum Vertragsfrieden zu motivieren . Doch der Gipfel scheiterte, weil der Druck auf Arafat und Barak aus den eigenen Reihen eine gemeinsame Lösung verhinderte . Aber erstmals wurde direkt über "sakrosankte" Themen gesprochen, so z. B. über die zukünftige Verwaltung und die Oberhoheit in der Heiligen Stadt Jerusalem .

II. Die Politik der doppelten Eindämmung

Bis zum Niedergang der Sowjetunion war für die amerikanische Nahostpolitik die markante "Holy Trinity of Israel, Oil, and anti-communism" noch in Takt, verlor aber an Bedeutung, als sich andeutete, dass die Nachfolgestaaten der ehemaligen UdSSR nichtkommunistische Wege gingen und vor allem ehemals sowjetfreundliche Staaten im Nahen Osten ihre Unterstützung aus Moskau verloren. Hierdurch wurde ihr Einfluss im Nahen Osten geschwächt und es ergaben sich neue Möglichkeiten für die amerikanische Nah- und Mittelostpolitik. Besonders militante und unberechenbare Staaten wurden von den USA auf die Liste der "States of Concern" platziert und mit verschiedenen Sanktionen belegt, wie etwa der Irak, der Iran oder auch Libyen. Diese "Schutzmaßnahme" sollte den Spielraum der USA in der Region jedoch einengen, ja Konflikte mit den Verbündeten z. B. in Europa nach sich ziehen.

Suchte Syrien jahrzehntelang die Konfrontation gegenüber Israel, so schmolz seine militante Strategie in dem Umfang, in dem die Rückendeckung aus Moskau abnahm. Assad sah sich schließlich sogar zur Kooperation mit der von den USA geführten Anti-Saddam-Allianz gezwungen und mäßigte seine Haltung gegenüber Israel und den USA. Damaskus tolerierte jetzt Gegenschläge der Israelis gegen irakische SCUD-Angriffe und stimmte später, im Rahmen der Madrider Konferenz, auch direkten Gesprächen mit Israel zu. Doch bald wuchsen wieder die Zweifel in Syrien an der Maklerrolle der USA, weil Washington gegenüber Israel und dem Irak bei UN-Resolutionen zweierlei Maß anlegte. Auch der amerikanische Druck auf Syrien, die Raketenangriffe der Hisbollah auf Israel zu unterbinden, stieß auf Ablehnung, weil gleichzeitig Washington stillschweigend israelische Luftangriffe auf Hisbollah-Stellungen im Süd-Libanon kritiklos hinnahm . Schließlich rief die willkürliche Verhängung von Flugverbotszonen im Nord- und Süd-Irak bei Hafez al Assad soviel Befremden hervor, dass Syrien die von den USA initiierten Verhandlungen mit Israel über die Rückgabe der Golan-Höhen verzögerte, nachdem Assad sich zeitweise für eine UNO-Regelung erwärmt hatte .

Nach der Ermordung Yitzhak Rabins im November 1995 und der Wahl Netanjahus zerbrach das Vertrauen Syriens in die USA völlig, weil die Clinton-Regierung sich gegenüber dem Kongress nicht durchsetzen konnte. Vielmehr konterkarierte der Kongress Clintons Nahostpolitik, als er z. B. für die Verlegung der amerikanischen Botschaft nach Jerusalem votierte und insgesamt Clintons überparteiliche Maklerrolle unterminierte. Aus syrischer Sicht war eine weitere Bedrohung entstanden, als die Regierung Clinton die israelisch-türkische Militärallianz mit ins Leben rief, die als "one of the most important political developments in the region since the 1991 Gulf War" die regionale Mächtekonstellation erheblich veränderte . Als Syrien von der Türkei bezichtigt wurde, PKK-Führer Öcalan zu unterstützen, standen beide Staaten am Rand eines Kriegsausbruches. Konsequenterweise bemühte sich Damaskus um eine Annäherung an den Irak und öffnete 1997 nach 15 Jahren wieder die Grenze zum Nachbarstaat. Eine neue Achse Damaskus-Bagdad-Teheran war als Gegengewicht zur türkisch-israelisch-amerikanischen Allianz entstanden. Damit war die Absicht der USA hinsichtlich einer Wiederbelebung der Anti-Saddam-Koalition hinfällig geworden. Vielmehr suchte Damaskus seine Position durch Annäherung an den Irak und Iran zu stärken. Auch der überstürzte israelische Rückzug aus der Sicherheitszone im Süd-Libanon verwirrte Syrien, weil seine Forderung nach Rückzug der Israelis als Vorbedingung für den Frieden auf dem Golan über Nacht von den Israelis selbst erfüllt wurde . Der Libanon und Syrien waren bisher nicht zum Frieden mit Israel bereit. Zwar zog sich Israel aus der Sicherheitszone im Süd-Libanon zurück, doch Frieden mit dem Libanon wird es erst geben, wenn dessen Schutzmacht Syrien diesem zustimmt. Nach dem Tod von Hafez al Assad steigt die Hoffnung, dass Syrien dem Westen gegenüber sich öffnet und auch Teil der Friedenspolitik im Nahen Osten werden könnte.

Weil nach dem Golfkrieg und dem Rückzug aus Kuweit Saddam politisch überlebte, entwickelte Präsident Clinton eine Politik der Eindämmung, die dualen Charakter erhielt, die sich auch gegen den Iran richtete. Das ursprüngliche Ziel lautete, "to neutralize, contain and, through selective pressures, perhaps eventually transform these backlash states . . . It was expected to remain in effect, with the active support of the coalition that had waged the war, until circumstances changed." Der Irak, zuvor von Washington gegen den Iran in Stellung gebracht, wurde nach dem Golfkrieg zum erbittertsten Gegner der USA im Nahen Osten. Washington versucht bis heute, eine Revolution gegen Saddam Hussein von innen heraus durchzusetzen, doch konnte Saddam Hussein sein Regime seit dem Golfkrieg zunehmend festigen. Washington hingegen konnte die Allianz gegen den Irak nicht mehr zusammenhalten, vielmehr gelang es Saddam, die USA und die UNO bei Kontrollen seiner Waffenarsenale politisch vorzuführen. Das Problem scheint derzeit unlösbar, Konflikt oder Krieg ist in der Zukunft nicht ausgeschlossen, es sei denn, die USA ändern ihre Politik. Nicht mehr Eindämmung und Sanktionen, sondern Einbindung und humanitäre Hilfe werden als Verhandlungsorientierung der USA in den Hauptstädten der Welt zunehmend gefordert, auch von Amerikas Verbündeten.

Anders verhält sich die Eindämmungspolitik gegenüber dem Iran, dem strategisch gesehen eine Schlüsselrolle am Golf zukommt . Doch regiert in Teheran seit 1979 ein fundamentalistisches Mullah-Regime, das die Spielregeln der internationalen Diplomatie oft missachtet, die USA herausfordert und den Nahost-Friedensprozess torpediert hat. Doch seit kurzem steigt die Hoffnung auf innen- und außenpolitische Reformen im Iran.

Nach wie vor bereitet Washington Teherans Versuch Kopfzerbrechen, in den Besitz nuklearer Waffen zu gelangen, und vor allem Irans Unterstützung des internationalen Terrorismus .

Gegenüber dem Irak war Washington zwar wortstark, aber nicht in der Lage, sich konsequent durchzusetzen. Die Förderung einer inneren Opposition im Irak blieb außerdem weitgehend erfolglos . Außenminister Christophers Aufruf im Januar 1995 zum Sturz der irakischen und iranischen Führung war in Wirklichkeit Ausdruck von Ohnmacht und des Scheiterns der Strategie der doppelten Eindämmung .

Im Zuge wachsender amerikanischer Truppenpräsenz am Golf und amerikanischer Militärhilfe fürchten viele Araber eine schleichende Amerikanisierung, die wiederum den Parolen der islamischen Fundamentalisten förderlich ist. Damit schließt sich die Quadratur des Kreises. Verstimmt über die Strategie der doppelten Eindämmung zeigen sich auch die Europäer. Sie halten sie politisch für fragwürdig, aber auch für den eigenen wirtschaftlichen Interessen gegenüber abträglich .

So verstärkt sich heute der Eindruck, als ob diese Strategie zur Doktrin erstarrt ist - ohne positive Wirkung. Vielmehr hat sich Clinton auf doppelte Weise in eine Sackgasse manövriert: Der Friedensprozess stagniert, ja seit den schweren Ausschreitungen in den besetzten Gebieten seit September 2000 ist der Friedensprozess in höchster Gefahr. Dazu wird die Politik der doppelten Eindämmung von Fachleuten wie Zbigniew Brzezinski, Brent Scowcroft und Richard Murphy als "ineffective, strategically unviable, and carrying a high financial and diplomatic cost" bezeichnet. Zusätzlich wurde der Iran nicht isoliert, sondern Washingtons Strategie hat Irans Annäherung an Moskau begünstigt . Auch die Verstimmung der europäischen NATO-Partner wiegt schwer. Insbesondere Deutschland wurde zum Schrittmacher eines kritischen Dialogs mit dem Iran, wurde aber in Washington als "opportunist and freeloader" kritisiert.

Ein geeigneter Anlass zur Lockerung der Sanktionen wäre die Wahl des gemäßigten Khatami zum neuen iranischen Präsidenten im Juni 1997 gewesen, zumal er die Beziehungen zu den USA verbessern wollte . Doch selbst als Khatami seinen angekündigten Öffnungskurs fortsetzte , wurden die U. S.-Sanktionen nicht aufgehoben. Eine Annäherung zwischen den USA und dem Iran liegt aber in beider Interessen. Beide unterstützen die ungehinderte Schiffahrt im Persischen Golf durch die Meerenge von Hormuz, beide wollen den Irak in seine Schranken weisen, beide befürchten eine Veränderung des territoralen Status quo am Golf durch Interventionen anderer Mächte wie z. B. Russland oder China, Pakistan oder Indien. Schließlich plädieren beide für mehr Verantwortung der kleinen Golfstaaten im Rahmen der regionalen Sicherheit.

III. Fazit

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass in der Nahostpolitik der Regierung Clinton Fortschritte, Stagnation und Rückschritt eng beieinander lagen. Einerseits konnte Clinton durch diplomatisches Geschick Erfolge erzielen. Leidenschaftlich versuchte er, Feinde zu Gesprächspartnern zu machen. Auch wenn die USA zu Beginn des Oslo-Prozesses nicht direkt beteiligt waren, gelang es Clinton, die Vereinigten Staaten als Garantiemacht in den Prozess einzubringen. Doch gegenüber Israel blieb Clinton zu lange und zu oft zu zögerlich. Mit Blick auf den Irak, insbesondere die Inspektion seiner Waffensysteme, wurde Washington zunehmend ratlos.

Clintons Rolle im arabisch-israelischen Friedensprozess war ambivalent. Einerseits stellte er Kredite, Schuldenerlass und militärische Garantien in Aussicht, andererseits versuchte er sich als ehrlicher Makler, gab aber in der Regel den Israelis den Vorzug , z. B. auch durch das häufige amerikanische Veto in den Vereinten Nationen gegen Anträge und Verurteilungen Israels. Damit wurde vor allem das Misstrauen der Araber gestärkt.

Die Eindämmungspolitik der Regierung Clinton gegenüber dem Iran und Irak kann als weitgehend erfolglos angesehen werden. Weder Saddam Hussein noch die Mullahs haben ihre Macht abgetreten, vielmehr haben die USA durch Druck von außen das Regime im Innern - wenn auch unfreiwillig - gefestigt. Auch die Hisbollah im Süd-Libanon wird weiter vom Iran unterstützt. Den internationalen Terrorismus bekämpfen die USA unangemessen durch Cruise Missiles. Viele Terroristen wurden - wie z. B. in Afghanistan - einst von Washington selbst zum Kampf gegen Moskau ausgebildet. Auch der dritte Erzfeind der Amerikaner, der libysche Revolutionsführer Ghaddafi, zeigt sich seit kurzem sogar kooperationsbereit und sucht Respekt und Aufnahme in der internationalen Staatenwelt. Clintons Politik am Golf vergrößerte die politischen Kosten und verringerte Amerikas Handlungsspielraum. Andererseits stärkt amerikanische Militärpräsenz am Golf die Sicherheit der Region und schreckt vor neuen Regionalkonflikten ab.

Wie die USA nach Clinton diesem Dilemma entkommen wollen, bleibt schwer zu beantworten. Aber Washington sollte gegenüber dem Iran und Irak seine Politik modifizieren und beide Staaten in die Region einbinden, wie Clinton dies schon im Fall der Türkei und Syriens getan hat. Doch mit Blick auf den Friedensprozess überwiegen positive Aspekte der Nahostpolitik Clintons, weil er an bewährte Kontinuitätsmerkmale anknüpfte, auf die sein Nachfolger aufbauen kann. Clinton förderte den Ausgleich zwischen dem israelischen Ministerpräsidenten Yitzhak Rabin und PLO-Chef Arafat sowie das Friedensabkommen zwischen Israel und Jordanien. Nach dem ersten Etappenerfolg durch Jimmy Carter im Jahr 1978 in Camp David war Bill Clinton dem umfassenden Frieden vorübergehend einige Schritte näher gekommen. Nach den schweren Auseinandersetzungen zwischen Palästinensern und Israelis in den besetzten Gebieten seit September 2000, provoziert durch Sharons Besuch in Jerusalem, droht neue Konfrontation. Präsident Clinton konnte auch auf dem Gipfel in Scharm-el-Scheich im Oktober 2000 keine Lösung erzielen. Die Kompromissgegner in Israel und bei den Palästinensern könnten in den kommenden Monaten die Oberhand gewinnen. Umso bedauerlicher ist es, dass die USA zusätzlich bis zur Amtseinführung des neuen Präsidenten außenpolitisch, vor allem im Nahen Osten, gelähmt erscheinen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Herrn Dr. Kinan Jaeger danke ich für wichtige Anregungen. 1 Vgl. Christian Hacke, Zur Weltmacht verdammt. Amerikanische Außenpolitik von Kennedy bis Clinton, Berlin 1997, S. 462 ff.

  2. Clinton hatte seinen Wahlkampf u. a. durch die massive Unterstützung der jüdischen Lobby gewinnen können, die ihm nicht nur zu ca. 86 Prozent ihre Stimmen verlieh, sondern auch ein Drittel der gesamten Kosten übernahm. Die Washingtoner Regierungszentrale soll sich daher - zumindest aus arabischer Sicht - nach Clintons Wahlsieg zum "Israeli Occupied White House" gewandelt haben, was mit der starken Besetzung des Clinton'schen Kabinetts durch Mitglieder jüdischer Herkunft begründet wurde. Vgl. auch Helmut Hubel/Markus Kaim/Oliver Lembcke, Pax Americana im Nahen Osten, Baden-Baden 2000, S. 56 ff.

  3. "For American policymakers the Middle East has often been a headache, sometimes a nightmare, as each president has tried in his own way to pursue an even-handed policy, if only because he needed both Arab oil and Jewish campaign contributions." Zit. in: Eric Watkins, The unfolding US policy in the Middle East, in: International Affairs, 73 (1997) 1, S. 1.

  4. Vgl. John Sigler, Pax Americana in the Gulf: old reflexes and assumptions revisited, in: International Journal, XLIX (Frühling 1994), S. 297.

  5. Margret Johannsen, Einflusssicherung und Vermittlung: Die USA und der Nahe Osten, in: Peter Rudolf/Jürgen Wilzewski (Hrsg.), Weltmacht ohne Gegner. Amerikanische Außenpolitik zu Beginn des 21. Jahrhunderts, Baden-Baden 2000, S. 165.

  6. Vgl. J. Sigler (Anm. 4), S. 297.

  7. Vgl. Mohamed Rabie, U. S.-PLO Dialogue, Secret diplomacy and conflict resolution, Gainesville-Tallahassee 1995.

  8. Vgl. Markus Kaim, Zwischen globaler Hegemonie und regionaler Begrenzung. Die amerikanische Politik im arabisch-israelischen Konflikt 1991-1996, Baden-Baden 1998. Kaim beschreibt die Rolle der USA in den israelisch-palästinensischen und den israelisch-jordanischen Verhandlungen als "Facilitator", "Enabler" und "Catalysator", wobei sie die Einflussnahme eines Dritten grundsätzlich ablehnten.

  9. Schon frühzeitig wurde Kritik an diesem Friedensprozess geäußert. Vgl. dazu Ludwig Watzal, Frieden ohne Gerechtigkeit? Israel und die Menschenrechte der Palästinenser, Köln 1994; ders., Die Grenzen des Gaza-Jericho-Abkommens, in: Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte, 41 (1994) 11, S. 980-986.

  10. Vgl. Stefan Braun, Duell zweier Freunde. Münster 1999, S. 434. Nähere Hintergründe zum Wahlsieg Netanjahus u. a. in: Gideon Doron, The Nationalists return to Power, in: Current History, (Januar 1997), S. 31-35.

  11. Vgl. Christian Hacke/Udo Steinbach, Auf ewig der Juniorpartner Amerikas? Im Konfliktfeld Naher und Mittlerer Osten wachsen Europa neue Aufgaben und Verantwortlichkeiten zu, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 15. 5. 1999, S. 11.

  12. Die First Lady Hillary Clinton hatte sich bereits im Mai 1998 öffentlich für die Gründung eines eigenen palästinensischen Staates ausgesprochen.

  13. Welche Bedeutung Clinton diesen Gesprächen beimaß, wird schon dadurch deutlich, dass er seine Abreise zum Weltwirtschaftsgipfel in Japan längstmöglich hinauszögerte und während seiner Abwesenheit seine Außenministerin Albright beauftragte, beide Verhandlungsführer vor Ort im Dialog zu halten.

  14. Vgl. Josef Joffe, Das Camp der guten Hoffnung, in: Die Zeit vom 13. 7. 2000.

  15. An der Jerusalem-Frage scheiterte der Gipfel zwar letztlich, er stellte aber doch einen teilweisen Erfolg dar, denn auch andere Kompromissansätze waren Gegenstand der Gespräche. Danach könnten den Palästinensern als Ausgleich für die jüdischen Siedlungen in den palästinensischen Gebieten kleine Territorien aus dem Kernland Israel zugewiesen werden. Auch die Frage der Genehmigung der Rückkehr von Diaspora-Palästinensern könnte dergestalt geregelt werden, dass Israel jährlich gewisse Kontingentierungen zuließe, die seinem eigenen Sicherheitsempfinden nicht widersprächen.

  16. Bei einem "fehlgeleiteten" israelischen Angriff kamen im April 1996 über 150 Zivilisten, darunter auch UN-Mitarbeiter, ums Leben.

  17. Vgl. Meredith R. Sarkees/Stephen Zunes, Disenchantment with the "new world order": Syria's relations with the United States, in: International Journal, XLIX (Frühling 1994), S. 374; Dore Gold, US forces on the Golan Heights and Israeli-Syrian Security Arrangements, JCSS Memorandum, Nr. 44, Tel Aviv 1994.

  18. Alain Gresh, Turkish-Israeli-Syrian Relations and their Impact on the Middle East, in: Middle East Journal, 52 (Frühling 1998) 2, S. 203.

  19. Die Allianz, die von der Türkei im Zeichen einer Aufwertung ihrer Rolle nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion initiiert worden war, hatte auch für Israel erhebliche Vorteile. Das anatolische Hochplateau konnte fortan als Trainingsgebiet für israelische Kampfjets genutzt werden, Syrien befand sich in der Zange. Gleichzeitig war die Möglichkeit gegeben, über türkisches Territorium einen Schlag gegen den die Hisbollah im Süd-Libanon unterstützenden Iran zu fliegen.

  20. Den vermeintlichen Sieg über die israelische Armee nahm ohnehin die Hisbollah für sich in Anspruch.

  21. Anthony Lake, Confronting the Backlash States, in: Foreign Affairs, 173 (März/April 1994) 2, zit. in: Simon Serfaty, Bridging The Gulf across the Atlantic: Europe and the United States in the Persian Gulf, in: Middle East Journal, 52 (Sommer 1998) 3, S. 345.

  22. Vgl. Mohsen M. Milani, Iran's post-Cold War policy in the Persian Gulf, in: International Journal, XLIX (Frühling 1994), S. 354.

  23. Ferner wurde beobachtet, dass die Volksrepublik China sich zunehmend um Einfluss im Iran bemühte und mit Waffenverkäufen lockte. Vgl. John Calabrese, China and the Persian Gulf: Energy and Security, in: Middle East Journal, 52 (Sommer 1998) 3, S. 363.

  24. Saddam gelang es, die gesamte von der CIA unterstützte politische Struktur im Nordirak zu zerstören. Vgl. Henry Kissinger, Sind die USA unfähig, ihre Freunde im Nahen Osten zu schützen?, in: Welt am Sonntag vom 6. 10. 1996.

  25. "We must isolate Iraq and Iran until there is a change in their governments, a change in their leadership", zit. in: Christopher B. Feldman, Mideast Gains Will Hold, in: Washington Times vom 18. 1. 1995.

  26. Zu den strategischen Überlegungen der Clinton-Administration vgl. Michael Sterner, Closing the Gate: The Persian Gulf War Revisited, in: Current History, (Januar 1997), S. 13-19.

  27. Noch Ende 1996 waren ca. 25 000 US-amerikanische Soldaten am Golf stationiert, Bodentruppen im Wesentlichen in Saudi-Arabien und Marine-Einheiten in Bahrain. Vgl. Stephen Zunes, Hazardous Hegemony: The United States in the Middle East, in: Current History, (Januar 1997), S. 20-24.

  28. Den USA gelang es auf diese Weise z. B., einen Großteil der Aufträge zur Wiederaufrüstung Kuwaits für sich zu gewinnen.

  29. Vgl. Zbigniew Brzezinski/Brent Scowcroft/Richard Murphy, Differentiated Containment, in: Foreign Affairs, 76 (Mai/Juni 1997) 3, S. 20-30; Zbigniew Brzezinski, Die einzige Weltmacht. Amerikas Strategie der Vorherrschaft, Weinheim-Berlin 1997, S. 131.

  30. Markant ist in diesem Zusammenhang, dass Russland zwischenzeitlich ernsthaft beabsichtigte, zwei Nuklearmeiler im Iran zu errichten - ein Geschäft, das nur durch die massive Intervention der Amerikaner letztlich nicht realisiert wurde.

  31. Vgl. Rosmary Hollis, Europe and the Middle East: power by stealth?, in: International Affairs, 73 (1997) 1, S. 15-29; S. Serfaty (Anm. 21), S. 343 ff.

  32. Näheres zur Wahl Khatamis in: Oliver Roy, The Crises of Religious Legitimacy in Iran, in: Middle East Journal, 53 (Frühling 1999) 2, S. 201-216.

  33. Vgl. Das Interview Khatamis gegenüber CNN am 7. 1. 1998, in: Internationale Politik, (1998) 3, S. 121-125.

  34. Vgl. Victor Cygielman, Great Power Short Comings, Editorial, in: Palestine-Israel Journal, IV (1997) 3/4, S. 4-6.

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geb. 1943; 1980-2000 Professor an der Universität der Bundeswehr in Hamburg; seit April 2000 o. Professor und Geschäftsführender Direktor des Seminars für Politische Wissenschaft an der Universität Bonn.

Anschrift: Universität Bonn, Seminar für Politische Wissenschaft, Lennéstr. 25/27, 53113 Bonn.

Zahlreiche Veröffentlichungen zur amerikanischen und deutschen Außenpolitik sowie zur Geschichte und Theorie der internationalen Politik.