I. Die Nahostpolitik der USA
Im Zuge des Golfkrieges hatte Israel in den USA sein Vertrauenskapital aufgestockt
Die Regierung Clinton konzentrierte sich zunächst auf einen multilateralen Ansatz für eine Friedensregelung auf der Linie der Konferenz von Madrid von 1991. Wenn schon nicht "lösungsreif", so schien der Nahost-Konflikt zumindest "regelungsreif"
Mit dem "Gaza-Jericho-Abkommen" vom 13. September 1993 zwischen Israel und der PLO stieg die Hoffnung auf eine bilaterale Lösung dieses zentralen Konflikts. Nach Jahrzehnten, die von Kriegen geprägt waren, gerieten im Nahen Osten die starren Fronten endlich in Bewegung. Vor allem suchten die USA durch massive wirtschaftliche Anreize die jeweiligen innenpolitischen Widerstände zu überwinden. Am 4. Mai 1994 wurde in Kairo schließlich das Abkommen über die Autonomie des Gaza-Streifens und der Stadt Jericho durch Rabin und Arafat unterzeichnet.
Auch gegenüber Jordanien kam es zum Ausgleich. Auf dem durch Clinton initiierten Gipfeltreffen vom 25. Juli 1994, an dem König Hussein und Ministerpräsident Rabin teilnahmen, wurde durch die "Washingtoner Erklärung" der seit 46 Jahren herrschende Kriegszustand zwischen Jordanien und Israel offiziell beendet. Beide Parteien wollen einen gerechten, dauerhaften und umfassenden Frieden erreichen. Israel erklärte sich bereit, die besondere Rolle Jordaniens hinsichtlich der moslemischen heiligen Stätten in Jerusalem anzuerkennen. Außerdem vereinbarten beide Länder zur Normalisierung ihrer Beziehungen gemeinsame Maßnahmen für Verkehr, Handel und Tourismus.
Bereits drei Monate später, am 26. Oktober, wurde an der israelisch-jordanischen Grenze am Roten Meer der Friedensvertrag zwischen Israel und Jordanien feierlich unterzeichnet. Nach Ägypten war Jordanien das zweite arabische Land, das mit Israel Frieden schloss. König Hussein erklärte anlässlich der Unterzeichnung: "Präsident Clinton, Sie sind unser Partner, Sie sind unser Freund, Sie haben uns zusammen mit der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika unterstützt. In diesem historischen Augenblick sind Sie am Ruder . . . keiner wird diesen Tag je vergessen; insbesondere werden wir uns stets daran erinnern, dass Sie persönlich hierher kamen, um mit uns diesen glücklichen Anlass an einem Tag zu begehen, an dem ein Kapitel der Dunkelheit zu Ende geht und ein Buch des Lichtes aufgeschlagen wird."
Die Anwesenheit des amerikanischen Präsidenten bei der Unterzeichnung des Friedensvertrages zwischen Israel und Jordanien in Avrona ist bezeichnend für die Schlüsselrolle der USA im arabisch-israelischen Friedensprozess. Nicht ohne Pathos, aber auch die wirtschaftlichen Interessen im Blick, erklärte Clinton: "In der Wüste gibt es viele Rohstoffe. Mineralien können aus dem Meer gefördert werden. Hier, wo ehemals Sklaven gezwungen wurden, Steine mit Meißeln zu bearbeiten, wird die Erde, wie der Koran sagt, erbeben und das Leben hervorbringen. Die Wüste wird sich freuen und die Steppe soll jubeln und blühen."
An die Nahostpolitik seines Vorgängers, besonders an die Ergebnisse der Konferenz von Madrid von 1991 anknüpfend, wies Clinton darauf hin, dass die Streitfragen ohne Einmischung von dritter Seite gelöst werden sollten. Hinter den Kulissen trieb die Regierung Clinton durch die Vermittlung von Unterhändler Dennis Ross den Friedensprozess voran und konzentrierte sich auf fünf Punkte:
- Förderung der regionalen Initiativen zur Lösung der Streitfragen auf überwiegend bilateraler Ebene;
- Unterscheidung zwischen externen und internen Gefahrenherden, um die Verhandlungsprozesse möglichst direkt und eingegrenzt zum Ziel zu bringen;
- Unterstützung der innenpolitischen Kräfte in Israel, die den Friedensprozess vorantreiben, und Stärkung von Israels militärischen Sicherheitsinteressen;
- Verhandlungsbemühungen, um Syrien in den Friedensprozess einzubeziehen, und
- Schaffung von Anreizen, besonders wirtschaftlicher Art, um die Beteiligten vom Friedensprozess zu überzeugen.
Nach der Unterzeichnung des Friedensabkommens von 1993 zwischen den Israelis und den Palästinensern und nach Unterzeichnung des Friedensvertrages mit Jordanien 1994 begann eine hoffnungsvolle Phase im Friedensprozess. Doch zeigte sich bald, dass auch nach der Unterzeichnung des Gaza-Jericho-Abkommens genügend Konfliktpotential weiter wirkte
Erst 1998 drängte Clinton Netanjahu, so dass am 23. Oktober 1998 das Abkommen von Wye unterzeichnet wurde - eine schriftliche Garantie über den vertraglich bereits vereinbarten Abzug der israelischen Truppen aus Hebron und den übrigen besetzten Gebieten. Wye war nichts weiter als die Bestätigung der eingegangenen Verpflichtungen, wobei der Zeitplan für den Rückzug jetzt allerdings definiert wurde. Als Druckmittel diente auch Arafats Ankündigung im Mai 1999, fünf Jahre nach Unterzeichnung des Oslo-I-Abkommens, einseitig einen palästinensischen Staat auszurufen
Nach zu langer Indifferenz zeigte Clinton endlich mehr Engagement für den Friedensprozess. Außenministerin Albright erklärte sogar, die Israelis trügen die alleinige Schuld am Verhandlungsstillstand. Auch Clintons Lewinsky-Affäre und die veränderten Mehrheitsverhältnisse im US-Kongress zugunsten der Republikaner zwangen ihn zur außenpolitischen Initiative. Schließlich reiste er selbst Ende 1998 in den Nahen Osten. Bewusst besuchte Clinton den Chef der PLO in den autonomen Gebieten, um dessen politische Rolle aufzuwerten.
Erst nachdem 1999 Ehud Barak Israels neuer Regierungschef geworden war, stiegen wieder die Hoffnungen auf Fortsetzung des Friedensprozesses. Doch Clintons Ziel eines umfassenden Friedens zwischen Israelis und Palästinensern blieb unerfüllt. Im Juli 2000 unternahm Clinton einen letzten, leider vergeblichen Versuch, den israelischen Ministerpräsidenten Barak und Palästinenserpräsident Arafat auf dem historischen Boden von Camp David zum Vertragsfrieden zu motivieren
II. Die Politik der doppelten Eindämmung
Bis zum Niedergang der Sowjetunion war für die amerikanische Nahostpolitik die markante "Holy Trinity of Israel, Oil, and anti-communism" noch in Takt, verlor aber an Bedeutung, als sich andeutete, dass die Nachfolgestaaten der ehemaligen UdSSR nichtkommunistische Wege gingen und vor allem ehemals sowjetfreundliche Staaten im Nahen Osten ihre Unterstützung aus Moskau verloren. Hierdurch wurde ihr Einfluss im Nahen Osten geschwächt und es ergaben sich neue Möglichkeiten für die amerikanische Nah- und Mittelostpolitik. Besonders militante und unberechenbare Staaten wurden von den USA auf die Liste der "States of Concern" platziert und mit verschiedenen Sanktionen belegt, wie etwa der Irak, der Iran oder auch Libyen. Diese "Schutzmaßnahme" sollte den Spielraum der USA in der Region jedoch einengen, ja Konflikte mit den Verbündeten z. B. in Europa nach sich ziehen.
Suchte Syrien jahrzehntelang die Konfrontation gegenüber Israel, so schmolz seine militante Strategie in dem Umfang, in dem die Rückendeckung aus Moskau abnahm. Assad sah sich schließlich sogar zur Kooperation mit der von den USA geführten Anti-Saddam-Allianz gezwungen und mäßigte seine Haltung gegenüber Israel und den USA. Damaskus tolerierte jetzt Gegenschläge der Israelis gegen irakische SCUD-Angriffe und stimmte später, im Rahmen der Madrider Konferenz, auch direkten Gesprächen mit Israel zu. Doch bald wuchsen wieder die Zweifel in Syrien an der Maklerrolle der USA, weil Washington gegenüber Israel und dem Irak bei UN-Resolutionen zweierlei Maß anlegte. Auch der amerikanische Druck auf Syrien, die Raketenangriffe der Hisbollah auf Israel zu unterbinden, stieß auf Ablehnung, weil gleichzeitig Washington stillschweigend israelische Luftangriffe auf Hisbollah-Stellungen im Süd-Libanon kritiklos hinnahm
Nach der Ermordung Yitzhak Rabins im November 1995 und der Wahl Netanjahus zerbrach das Vertrauen Syriens in die USA völlig, weil die Clinton-Regierung sich gegenüber dem Kongress nicht durchsetzen konnte. Vielmehr konterkarierte der Kongress Clintons Nahostpolitik, als er z. B. für die Verlegung der amerikanischen Botschaft nach Jerusalem votierte und insgesamt Clintons überparteiliche Maklerrolle unterminierte. Aus syrischer Sicht war eine weitere Bedrohung entstanden, als die Regierung Clinton die israelisch-türkische Militärallianz mit ins Leben rief, die als "one of the most important political developments in the region since the 1991 Gulf War"
Weil nach dem Golfkrieg und dem Rückzug aus Kuweit Saddam politisch überlebte, entwickelte Präsident Clinton eine Politik der Eindämmung, die dualen Charakter erhielt, die sich auch gegen den Iran richtete. Das ursprüngliche Ziel lautete, "to neutralize, contain and, through selective pressures, perhaps eventually transform these backlash states . . . It was expected to remain in effect, with the active support of the coalition that had waged the war, until circumstances changed."
Anders verhält sich die Eindämmungspolitik gegenüber dem Iran, dem strategisch gesehen eine Schlüsselrolle am Golf zukommt
Nach wie vor bereitet Washington Teherans Versuch Kopfzerbrechen, in den Besitz nuklearer Waffen zu gelangen, und vor allem Irans Unterstützung des internationalen Terrorismus
Gegenüber dem Irak war Washington zwar wortstark, aber nicht in der Lage, sich konsequent durchzusetzen. Die Förderung einer inneren Opposition im Irak blieb außerdem weitgehend erfolglos
Im Zuge wachsender amerikanischer Truppenpräsenz am Golf
So verstärkt sich heute der Eindruck, als ob diese Strategie zur Doktrin erstarrt ist - ohne positive Wirkung. Vielmehr hat sich Clinton auf doppelte Weise in eine Sackgasse manövriert: Der Friedensprozess stagniert, ja seit den schweren Ausschreitungen in den besetzten Gebieten seit September 2000 ist der Friedensprozess in höchster Gefahr. Dazu wird die Politik der doppelten Eindämmung von Fachleuten wie Zbigniew Brzezinski, Brent Scowcroft und Richard Murphy
Ein geeigneter Anlass zur Lockerung der Sanktionen wäre die Wahl des gemäßigten Khatami zum neuen iranischen Präsidenten im Juni 1997 gewesen, zumal er die Beziehungen zu den USA verbessern wollte
III. Fazit
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass in der Nahostpolitik der Regierung Clinton Fortschritte, Stagnation und Rückschritt eng beieinander lagen. Einerseits konnte Clinton durch diplomatisches Geschick Erfolge erzielen. Leidenschaftlich versuchte er, Feinde zu Gesprächspartnern zu machen. Auch wenn die USA zu Beginn des Oslo-Prozesses nicht direkt beteiligt waren, gelang es Clinton, die Vereinigten Staaten als Garantiemacht in den Prozess einzubringen. Doch gegenüber Israel blieb Clinton zu lange und zu oft zu zögerlich. Mit Blick auf den Irak, insbesondere die Inspektion seiner Waffensysteme, wurde Washington zunehmend ratlos.
Clintons Rolle im arabisch-israelischen Friedensprozess war ambivalent. Einerseits stellte er Kredite, Schuldenerlass und militärische Garantien in Aussicht, andererseits versuchte er sich als ehrlicher Makler, gab aber in der Regel den Israelis den Vorzug
Die Eindämmungspolitik der Regierung Clinton gegenüber dem Iran und Irak kann als weitgehend erfolglos angesehen werden. Weder Saddam Hussein noch die Mullahs haben ihre Macht abgetreten, vielmehr haben die USA durch Druck von außen das Regime im Innern - wenn auch unfreiwillig - gefestigt. Auch die Hisbollah im Süd-Libanon wird weiter vom Iran unterstützt. Den internationalen Terrorismus bekämpfen die USA unangemessen durch Cruise Missiles. Viele Terroristen wurden - wie z. B. in Afghanistan - einst von Washington selbst zum Kampf gegen Moskau ausgebildet. Auch der dritte Erzfeind der Amerikaner, der libysche Revolutionsführer Ghaddafi, zeigt sich seit kurzem sogar kooperationsbereit und sucht Respekt und Aufnahme in der internationalen Staatenwelt. Clintons Politik am Golf vergrößerte die politischen Kosten und verringerte Amerikas Handlungsspielraum. Andererseits stärkt amerikanische Militärpräsenz am Golf die Sicherheit der Region und schreckt vor neuen Regionalkonflikten ab.
Wie die USA nach Clinton diesem Dilemma entkommen wollen, bleibt schwer zu beantworten. Aber Washington sollte gegenüber dem Iran und Irak seine Politik modifizieren und beide Staaten in die Region einbinden, wie Clinton dies schon im Fall der Türkei und Syriens getan hat. Doch mit Blick auf den Friedensprozess überwiegen positive Aspekte der Nahostpolitik Clintons, weil er an bewährte Kontinuitätsmerkmale anknüpfte, auf die sein Nachfolger aufbauen kann. Clinton förderte den Ausgleich zwischen dem israelischen Ministerpräsidenten Yitzhak Rabin und PLO-Chef Arafat sowie das Friedensabkommen zwischen Israel und Jordanien. Nach dem ersten Etappenerfolg durch Jimmy Carter im Jahr 1978 in Camp David war Bill Clinton dem umfassenden Frieden vorübergehend einige Schritte näher gekommen. Nach den schweren Auseinandersetzungen zwischen Palästinensern und Israelis in den besetzten Gebieten seit September 2000, provoziert durch Sharons Besuch in Jerusalem, droht neue Konfrontation. Präsident Clinton konnte auch auf dem Gipfel in Scharm-el-Scheich im Oktober 2000 keine Lösung erzielen. Die Kompromissgegner in Israel und bei den Palästinensern könnten in den kommenden Monaten die Oberhand gewinnen. Umso bedauerlicher ist es, dass die USA zusätzlich bis zur Amtseinführung des neuen Präsidenten außenpolitisch, vor allem im Nahen Osten, gelähmt erscheinen.