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Editorial | Zeitgeschichte | bpb.de

Zeitgeschichte Editorial Sind die Westdeutschen amerikanisiert worden? Nationalismus und Patriotismus in den frühen Jahren der DDR Arbeiter im "Arbeiterstaat" Die politische Rolle des Protestantismus in der Nachkriegszeit

Editorial

Klaus W. Wippermann

/ 2 Minuten zu lesen

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges kam es zur "doppelten Staatsgründung" (Chr. Kleßmann). Begleitet wurde sie von zahlreichen Umbrüchen und Neuorientierungen in den beiden deutschen Gesellschaften.

Einleitung

Die "doppelte Staatsgründung" (Chr. Kleßmann) nach 1945 wurde von zahlreichen Umbrüchen und Neuorientierungen in den beiden deutschen Gesellschaften begleitet, die im Westen wie im Osten zunächst unter dem beherrschenden Einfluss der jeweiligen Besatzungsmacht standen. Zwischen den Antipoden "Amerikanisierung" und "Sowjetisierung" gab es in beiden Staaten aber durchaus gegenläufige Strömungen, die - im westlichen Teilstaat kritisiert, im östlichen eher gefördert - sich vor allem auf die Wiederanknüpfung an nationale Traditionen bezogen. Aber auch die Orientierung dort an dem Modell einer "arbeiterlichen Gesellschaft" führte letztlich eher zu einer Verzögerung von Modernisierungsprozessen, die heute noch nachwirkt.

Das Schlagwort von der "Amerikanisierung" der Westdeutschen insbesondere in den fünfziger und sechziger Jahren ist ein schillernder Begriff, der Zustimmung bzw. Ablehnung des US-amerikanischen Einflusses kennzeichnet. Er verweist zum einen - wie Axel Schildt verdeutlicht - auf die stürmische Modernisierung der Alltagskultur wie auch auf die weite Öffnung nach Westen für fast alle Bereiche der Hochkultur. Zum anderen war die vorbehaltlose Übernahme westlicher Werte und Verhaltensweisen Thema zahlreicher kulturkritischer Kommentare - man befürchtete eine Zurückdrängung deutscher bzw. europäischer Kulturtraditionen. Hingegen war die Verbreitung und Stärkung westlicher politischer Ideen weitgehend unumstritten.

Der von der SED geförderte Nationalismus und Patriotismus diente in der frühen DDR vor allem dazu, ein Gegengewicht zur "Amerikanisierung" der Bundesrepublik und damit auch zu deren attraktiver politisch-gesellschaftlicher Ordnung zu schaffen. Zugleich sollte damit eine spezifische DDR-Identität begründet sowie die "Sowjetisierung" des eigenen politischen Systems kaschiert werden - Namen wie "Neues Deutschland", "Nationale Front" oder "Nationale Volksarmee" weisen darauf hin. Michael Lemke zeigt die entsprechenden strategischen Überlegungen der SED auf wie auch die Resonanz in der Bevölkerung. Trotz allem später proklamierten Internationalismus blieben diese frühen Prägungen wirksam, sodass die DDR in mancher Hinsicht der "deutschere" Teilstaat war.

Ähnlich ambivalent wie die nationale Orientierung der SED war die Propagierung der "arbeiterlichen Gesellschaft" für die neu zu schaffende Sozialstruktur der DDR. Auch hier gab es Widersprüche, die nicht offen diskutiert werden durften. Wie Christoph Kleßmann nachweist, wurden zwar unter sowjetischem Einfluss schon früh die Voraussetzungen für eine egalitäre Gesellschaft mit proletarischem Charakter geschaffen, aber die politische Macht wurde der "Arbeiterklasse" vorenthalten. Nicht zuletzt unter dem Einfluss der "Westmedien" bildete sich ein eher kleinbürgerliches Verhalten heraus, das zunehmend im Gegensatz stand zu den Propaganda-Idealen eines "Arbeiterstaates".

Der Protestantismus in Deutschland sah sich nach 1945 von wichtigen Aufgaben organisatorischer und gesellschaftlicher Neuordnung herausgefordert. Trotz wiederholter öffentlicher Schuldbekenntnisse kam es bald zu Differenzen in der Bewertung der alliierten Besatzungspolitik, insbesondere der Umerziehung. Aufgrund des Bankrotts bzw. der Auflösung politisch-staatlicher Institutionen besaßen die Kirchen in der Nachkriegszeit gleichwohl großes Vertrauen in der Bevölkerung. Gerhard Besier schildert die Bemühungen des deutschen Protestantismus um einen Neuanfang als Kirche in einem demokratischen Staat wie auch als Teil der entstehenden pluralistischen Gesellschaft.

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